by Kiefer, Lena
LENA KIEFER
DIE WELT WIRD BRENNEN
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1. Auflage 2019
© 2019 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagkonzeption: Carolin Liepins, München
unter Verwendung eines Fotos von © Shutterstock (Pablos33)
MP · Herstellung: AJ
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-23095-1
V001
www.cbj-verlag.de
Für Felix,
weil du es schon immer gewusst hast
1
Es gibt Tage im Leben, da gelingt alles. Die schwierigsten Prüfungen, die unmöglichsten Aufgaben, die wahnwitzigsten Pläne. Was man auch anfasst, wird zu Gold.
»Jetzt mach schon, du blödes Ding!«
Heute war keiner dieser Tage.
Ich hing kopfüber von einem Dach, fünf Meter über dem Boden. Das, womit ich kämpfte, war die Scheibe eines halb blinden Fensters. Das, wozu das Fenster gehörte, war eine Lagerhalle am Rande der Stadt. Und das, was ich tat, war absolut verboten.
Seit zehn Minuten versuchte ich, ein Loch in das Fenster zu schneiden. Seit zehn Minuten scheiterte ich daran. Die Scheibe war dreckig und der Glasschneider fand darauf keinen Halt. Immer wenn ich ihn verankern wollte, rutschte er ab.
Ich keuchte. Mein Zopf hing schwer vom Hinterkopf herab und zerrte an meinem Nacken. Blut lief in meinen Kopf, Wut sickerte hinterher. Was nützte mir so ein Gerät, wenn es nur auf blitzsauberen Scheiben funktionierte? Hätte ich vorher eine Putzkolonne bestellen sollen? »Hey Jungs, macht mir doch kurz die Fenster sauber, damit ich dort einbrechen kann?« Super Idee.
»Letzter Versuch«, murmelte ich.
Ich wusste, was Knox in dieser Situation gesagt hätte. Komm schon, Ophelia. Ansetzen und drehen, langsam und mit Gefühl. Du kannst das.
Ich schnaubte. Knox war auch noch tiefenentspannt, wenn man uns direkt auf den Fersen war. Gewesen. Er war tiefenentspannt gewesen. Vergangenheitsform.
Ich atmete durch und versuchte es mit Gefühl. Es half nichts, natürlich. Ich war nicht er. Würde es nie sein. Ich war nur ein billiger Abklatsch – mit einer Mission, die scheiterte, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
»Verdammter Mist!« Genervt hob ich die Faust und schlug gegen den Rahmen. Es knackte, dann war ein Quietschen zu hören.
Das Fenster schwang auf.
Ich starrte auf den Spalt. Sollte das ein Scherz sein? Aber Lagerhallen waren nicht für ihren Humor bekannt und ich hatte keine Zeit zum Lachen. Mit festem Griff packte ich die Dachrinne über mir und schwang mich auf das Sims. Dann hakte ich das Seil aus.
»Oha …« Alles drehte sich. Ich griff blind um mich und erwischte den Rahmen des Fensters. Der Schwindel legte sich. Dafür knarzte es bedrohlich. Die Scharniere hatten in diesem Moment beschlossen, den Geist aufzugeben.
Ich ließ los, keine Sekunde zu früh. Neben mir stürzte das Fenster zu Boden, landete mit einem dumpfen Krachen im Gestrüpp und zersplitterte in tausend Teile. Zwei Ratten und ein Eichhörnchen sausten ins Sonnenlicht. Erschrocken sah ich mich um, ob jemand den Lärm bemerkt hatte. Aber die Straße war verlassen. Noch. Das marode Fenster täuschte mich nicht darüber hinweg, dass es ein modernes Sicherheitssystem gab. Ab jetzt blieben mir etwa zwanzig Minuten. Dann traf die Wachmannschaft ein.
Ich setzte mich vorsichtig auf das Sims und spähte ins Innere der Halle. Es war darin weder dunkel noch hell – das typische fahle Zwielicht eines Raumes mit dreckigen Fenstern und hohen Decken. Tief unter mir stand eine Reihe Regale, daneben lagen alte Kartons. Ich stützte mich auf die Arme und spannte meine Muskeln an. Dann sprang ich.
Es ächzte dumpf, als ich landete. Die Pappe verwandelte sich beim Aufprall in einen Haufen Staub. Ich rollte mich ab, kam auf die Beine und sah mich um. Es war niemand da. Eilig lief ich los.
Ein strenger Geruch nach altem Öl und modrigem Holz hing in der Luft. Überall stapelten sich Paletten, die Regale waren größtenteils durchgerostet und zusammengebrochen. Kälte kroch mir in den verschwitzten Nacken und ich strich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Im Halbdunkel wirkte mein hellbrauner Zopf fast so schwarz wie meine Kleidung.
Neunzehn Minuten.
Mein Zielobjekt stand weiter hinten in der Halle. Es war ein grau glänzender Waggon mit Fenstern und schwarzer Kennnummer – eine Autonomous Transport Unit, TransUnit genannt. Es war eine der Beförderungseinheiten für die Bevölkerung, zur Verfügung gestellt von unserem König. In dem alten Gebäude wirkte sie, als hätten Außerirdische ihr Ufo vergessen.
Achtzehn Minuten.
Ich suchte eine Leiter, um an die Klappe in der Seitenwand zu kommen. TransUnits fuhren im Normalfall selbstständig mithilfe eines Programms, das ihre Routen verarbeitete und speicherte. Das Exemplar in dieser Halle war defekt und wartete auf den Abtransport ins Hauptdepot. Der Routenspeicher war jedoch intakt und wurde erst bei der Reparatur gelöscht. Genau das wollte ich ausnutzen. Mit diesen Daten konnten wir die Strecken überwachen, vielleicht sogar manipulieren.
Ich stieg hoch und zog den Operator aus meiner Tasche. Es war ein schmales Gerät, kaum größer als eines der alten Bücher aus Papier. Als ich ihn einschaltete, leuchtete ein blaustichiges Display auf. Ein Schauer jagte über meinen Rücken. Es war bei Strafe verboten, so etwas zu besitzen oder gar zu benutzen. Sehr hohen Strafen. Wir hatten ihn aus alten Teilen gebaut, die nicht konfisziert worden waren und schwarz gehandelt wurden. Heutzutage war der private Besitz solcher Technologie illegaler als eine Schusswaffe – und die nicht staatlich kontrollierte Benutzung schlimmer als Mord.
Ich schloss den Operator an den Screen der TransUnit an, tippte die Zugangsdaten ein und wartete, dass die Prozedur startete. Mit bangem Blick sah ich auf meine Uhr. Siebzehn Minuten.
Endlich zeigte der Operator etwas an.
Ich atmete tief ein, dann drückte ich Aktivieren. Die Zugangsklappe der TransUnit öffnete sich und gab den Blick auf einen Screen frei. Er leuchtete schwach im Halbdunkel. Weiße Schrift erschien.
Ich begann, auf dem Operator eine lange Ziffernfolge einzugeben. Meine Finger fühlten sich klamm und steif an. Mein Zopf war nass vor Schweiß und drückte die verschwitzte Jacke an meinen Rücken. Jetzt, wo ich mich nicht mehr bewegte, wurde es mit jeder Minute kälter.
Fünfzehn Minuten.
Eine Identifikationsnummer erschien auf dem Display des Operators und schaltete den Routenspeicher der TransUnit frei. Ich gab einen Befehl an das Programm, dann startete der Download. Nun musste ich warten.
Da ich nichts Besseres zu tun hatte, lehnte ich mich an die Leiter und ließ den Blick wandern. Die Halle hatte definitiv schon bessere Zeiten erlebt. Dreck in den Ecken, zerfallende Paletten, altes Verpackungsmaterial und überall Spinnweben. Ich sah hoch zu der Stelle, wo früher offensichtlich ein Logo angebracht gewesen war. Nur sehr schwach erkannte man die Konturen eines V, umschlungen von ei
ner 3.
3V war der Name jener Firma gewesen, der dieses Gebäude früher gehört hatte: ValeVisualVirtues, ein Zungenbrecher mit Erfolgsgeschichte. Gregory Vale war der größte Produzent visueller Interfaces gewesen und damit so erfolgreich geworden, dass man die Stadt nach ihm benannt hatte: Vale City, Metropole der Zukunft. Er hatte ein Imperium erschaffen, mit Einnahmen in Milliardenhöhe und einem Eintrag an der Wall of Technology. Aber das war Jahre her. Heute war Vales Ruhm so verblasst wie sein Logo und die Stadt hieß wieder Brighton. Niemand verdiente noch mit Technologie Geld. So lauteten die Gesetze.
Ein hohes Piepen ertönte. Ich sah auf den Screen an der TransUnit. Schlagartig verdoppelte sich mein Puls.
»Neinneinnein!« Ich tippte hektisch auf das Display des Operators und versuchte, den Fehler zu finden. Was war schiefgelaufen? Ich hatte die Verbindung korrekt aufgebaut. Hatte eine gültige Berechtigung vorgetäuscht. Warum brach das verdammte Ding jetzt ab?
Die TransUnit piepte wieder, hochfrequent und unangenehm.
Die Schrift verschwand und erschien erneut, wie der tödliche Pulsschlag eines Zeitzünders. Nicht gut. Gar nicht gut. Wobei das ungefähr so war, als würde man sagen, der Zweite Weltkrieg sei »nicht gut« gewesen.
Es war eine Katastrophe.
Wenn die Steuerung der TransUnit online ging, wurde jedes menschliche Wesen im Umkreis von fünfhundert Metern erfasst und die Identität an die königlichen Server gemeldet. Normalerweise war das kein Problem – wenn die TransUnit im Einsatz war. Aber jetzt befand sich nur ein menschliches Wesen in diesem Radius: ich. Genauso gut hätte ich direkt auf die Straße rennen und »Ich bin eine Verräterin« brüllen können.
Ich musste nachdenken. Nein, falsch. Ich musste handeln. Sofort.
Schnell gab ich auf dem Display des Operators den Befehl ein, alles abzuschalten. Nichts passierte. Ich versuchte es mit einem Reset. Die TransUnit blieb unbeeindruckt. Sie hatte den Operator einfach aus dem System geworfen.
Jetzt dreh nicht durch, ermahnte ich mich selbst. Zwanzig Sekunden. Ich ging fieberhaft meine Optionen durch.
Manipulation – gescheitert, warum auch immer
Abschaltung – funktioniert nicht
Überschreiben – zu spät
Abhauen – viel zu spät
Absturz verursachen – total irre
… aber möglich.
Ich wühlte in meiner Tasche und zog einen kleinen runden Gegenstand heraus, so groß wie eine Walnuss. Es war eine Burst-Kapsel, die mit einem Schlag jede Elektronik ausschaltete. Dagegen war auch eine königliche TransUnit nicht gerüstet. Zumindest war das meine Hoffnung. Und die starb schließlich zuletzt.
Es gab nur einen Haken: die Reichweite. Die Kapsel musste am Knotenpunkt des Systems gezündet werden, sonst funktionierte sie nicht. Wo dieser Punkt lag, wusste ich nicht. Aber ich kannte die Baupläne des Zugangspanels. Hinter dem Screen war ein Hohlraum für die Connecter, die ihn mit dem Rest der Unit verbanden und zur Energieversorgung führten. Wenn ich da herankam, konnte ich die Kapsel hineinwerfen.
Ich zog die Handschuhe aus und versuchte, den Screen der TransUnit mit den Fingernägeln zu packen. Keine Chance. Die Kanten waren passgenau und ich kam nicht in die Lücken. Da fiel mein Blick auf etwas an meinem Gürtel. Warum nicht? Verzweifelte Situationen verlangten nach verzweifelten Lösungen.
Ich nahm den Glasschneider, setzte ihn an und drehte den Griff. Diesmal hielt er perfekt. Mit einem Knacken riss der Screen aus der Verankerung und legte den Hohlraum frei. Ich aktivierte die Kapsel, warf sie in die Öffnung und hoffte auf ein Wunder. Den Operator hielt ich hinter meinem Rücken so weit wie möglich von der Unit weg, damit er von dem Impuls nicht erwischt wurde.
Ein Summen ertönte, als die Kapsel sich auflud. Der Ton schwoll an wie ein wütender Bienenschwarm. Dann fiel er ab. Ich starrte auf den Screen der Unit, der nun nur noch von den Kabeln gehalten wurde. Eine unerträglich lange Sekunde passierte nichts. Noch eine. Noch eine.
Dann flackerte der Screen und ging aus. Die TransUnit schaltete sich ab und sank in Tiefschlaf. Ich stieß die Luft aus. Glück gehabt.
Ich holte den Operator hinter meinem Rücken hervor und sah auf das Display. Der Fortschrittsbalken zeigte 54 Prozent an. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Noch acht Minuten, bis die Wachleute kamen. Reichte das für einen zweiten Versuch?
Das Risiko war groß. Es konnte sein, dass das System sein Gedächtnis nicht verloren hatte. Wenn der Prozess an der gleichen Stelle fortgesetzt wurde, meldete die TransUnit in zwei Sekunden den Online-Status, in zweieinhalb meine Anwesenheit. Aber wenn nicht, hatte ich genug Zeit, bevor das System wieder einen Fehler feststellte. Waren die Daten dieses Risiko wert? Julius, unser Anführer, hätte das verneint. Trotzig dachte ich daran, wie herzlich wenig ihn das bei Knox interessiert hatte. Das hier war immer noch eine Mission. Meine Mission. Ich musste es versuchen.
Entschlossen wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und packte den Operator. Dann schaltete ich zurück zur Aktivierung des Systems, führte die gleichen Schritte noch einmal aus, um den Download fortzusetzen. Die TransUnit fuhr hoch. Ich war auf das Schlimmste gefasst.
Wieder bewegte sich die Klappe, ein trauriges Ruckeln, weil der herausgerissene Screen der TransUnit den Weg versperrte. Ich schob ihn ungeduldig zur Seite und wartete, betete zu allen Technikgöttern …
… und wurde belohnt. Die Fortschrittsanzeige bewegte sich wieder, kletterte auf 60, dann auf 70 Prozent. Schließlich erreichte sie die ersehnten 100 Prozent, ohne ein weiteres Mal mit dem Online-Modus zu drohen.
Ich warf einen Blick auf das Chaos, das ich verursacht hatte. Vor den Eingeweiden der TransUnit hing an einem Kabel der schwach leuchtende Screen, die Klappe war verbogen und stand zur Seite weg. Ich widerstand dem Drang, ein paar Teile mitzunehmen, und passte den Screen wieder ein. Dann schloss ich die Klappe, die dabei ein hässliches Knirschen von sich gab. Man würde bemerken, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Aber bis dahin war ich längst weg. Mir blieben immer noch fünf Minuten, um zu verschwinden.
Ich packte den Operator in meine Tasche und machte mich an den Abstieg von der Leiter. Da hallte ein lautes Schrammen durch das Gebäude. Es klang, als würde etwas Schweres über den Boden gezogen. Das Zugangstor, schoss es mir durch den Kopf. Das konnte nur eins bedeuten:
Ich hatte keine fünf Minuten.
Ich hatte nicht eine einzige.
2
Mein Schreck dauerte eine Sekunde, dann kam ich in Bewegung. Ich kletterte leise weiter hinunter und duckte mich in den Schatten der TransUnit. Vorsichtig spähte ich um die Ecke.
Zwei Männer in blauen Jacken hatten das Haupttor geöffnet und suchten den vorderen Teil der Halle ab. In der einen Hand hielten sie eine Lampe, in der anderen einen schmalen Gegenstand, so lang wie ein Lineal. Taser. Ich verzog das Gesicht.
Mein ursprünglicher Fluchtplan war gestorben. Die von innen verriegelte Seitentür war genau da, wo die Typen gerade suchten. Das Zugangstor lag dahinter. Ich konnte gegen die beiden kämpfen, sie vielleicht sogar besiegen, aber mit den Tasern war mir das zu heiß. Dann gab es noch die Fensterreihe – nur stand an der Wand nichts, was mir den Aufstieg erleichtert hätte. Spitze. Ich war eine gute Kletterin, aber für die Nummer hätte ich Spider-Mans Urenkelin sein müssen. Ob ich mich verstecken konnte, bis die Typen wieder weg waren?
Sie kamen in meine Richtung, ich hörte ihre Schritte. Damit war die Entscheidung gefallen. Ich drehte meinen Zopf ein und zog meine Kapuze darüber.
Dann kletterte ich die Leiter wieder hoch, kroch auf das Dach der TransUnit und legte mich flach auf den Bauch. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. Ich hielt die Luft an.
»Hier drüben! Da sind Spuren!« Einer der beiden Männer kam neben der Unit zum Stehen. Ich riskierte einen Blick. Er war jung und hatte schwarzes Haar mit widerspenstigen Wirbeln am Hinterkopf. Die blaue Jacke schlackerte um seine hageren Schultern. Wegen dieser Kluft hießen die Wachmannschaften Bluecoats, aber wir nannten sie Turncoats – Verräter. Das passte entschieden besser zu Menschen, die sich in den Dienst des Königs stellten, um die eigenen Leute zu bespitzeln.
»Hast du etwas gefunden?« Der zweite Wachmann kam dazu. Er hatte eine Glatze und war dicklich und klein. Skeptisch besah er sich die Spuren. »Das ist bestimmt seit Ewigkeiten dort«, winkte er ab und wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht.
»Bist du sicher?« Der Hagere schien nicht überzeugt.
»Natürlich bin ich sicher. Wie lange mache ich das hier schon?« Der Dicke holte pumpend Luft.
Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung und unterdrückte einen Ekellaut: Direkt neben mir saß eine Spinne. Keine kleine, harmlose, nein. Dieses Vieh war so groß, dass nur ein Sattel gefehlt hätte, um auf ihr zu reiten. Ich wich ein Stückchen nach rechts. Dabei rutschte die Tasche an meiner Hüfte auf das Dach. Es gab ein dumpfes Geräusch.
»Was war das?« Der Dünne sah nach links und rechts. Schließlich fixierte er eine dunkle Ecke mit ein paar Fässern.
»Du wirst langsam paranoid, Owen. Das war bestimmt nur ein Fehlalarm.«
»Ein Fehlalarm macht keine Fenster kaputt.«
»Das Fenster war so alt, dass es wahrscheinlich von allein herausgefallen ist. Wer sollte denn hier einbrechen? Die wissen doch, was ihnen dann blüht.« Der Glatzkopf lachte tief und heiser. »Drei Minuten mit den Leuten vom Clearing-Team und zack, bist du Geschichte.«
Ich bekam eine Gänsehaut.
»Erinnerst du dich noch an den Jungen vom letzten Dezember?«, fuhr der Dicke fort. »Was mit ihm passiert ist, war den ganzen anderen Spinnern sicher eine Lehre.«