by Kiefer, Lena
Statt uns jedoch einen Tisch zuzuweisen, ging der Lilafarbene weiter, einmal quer durch die Halle. Dort öffnete er eine Tür und hielt sie für uns auf.
Dahinter befand sich ein schmaler Raum. Er war bestückt mit abgenutzten Plastikstühlen, von denen einige übereinandergestapelt waren. An der Wand war ein altes Terminal montiert, dessen Kabel lose herabhing, in der Ecke stand ein Wasserspender. Die Luft roch muffig und abgestanden. Offenbar hatte hier schon länger niemand mehr gewartet.
»Bitte bleiben Sie hier. Wir werden Sie holen, sobald der Fehler behoben ist.«
»Wieso können wir nicht rübergehen und etwas essen?«, fragte einer meiner Mitstreiter.
»Es ist Ihnen nicht erlaubt, Kontakt zu Außenstehenden aufzunehmen«, referierte der Lilafarbene. »Sie bekommen etwas zu essen, wenn Sie an Ihrem Bestimmungsort ankommen.« Damit ging er.
Die anderen setzten sich und diskutierten die Lage. Ich hatte darauf keine Lust und ging zum Wasserspender. Ein müdes »Hier drücken« blinkte in roten Buchstaben unter einer Schicht aus Staub. Ich nahm einen Becher und betätigte den Knopf. Das Wasser spritzte trüb aus der Öffnung, auf der Oberfläche schwammen Schmutz und eine tote Fliege. Angeekelt stellte ich es weg. Da blinkte an der Anzeige plötzlich etwas anderes auf. Geh hinten raus. Zweite Tür links.
Okay, jetzt hatte ich endgültig den Verstand verloren. Noch einmal sah ich auf die Anzeige. »Hier drücken« forderte das Display nun wieder. Keine geheime Nachricht, kein Treffpunkt. Unauffällig prüfte ich, ob mich jemand beobachtete. Aber die anderen waren mit Spekulationen beschäftigt.
»Diese Sache hier ist sicher der erste Test«, sagte Troy, als wüsste er über alles Bescheid.
»Du meinst, es kommt gleich eine Horde Leute rein, die uns angreift?« Das brünette Mädchen neben ihm riss die Augen auf.
»Genau«, sagte ich sarkastisch. »Es wäre ja so sinnvoll, die mühsam ausgewählten Kandidaten gleich wieder umzubringen.« Das Mädchen starrte mich wütend an. Troys Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. »Ich suche mal die Toilette«, fügte ich hinzu und zeigte zu der hinteren Tür.
»Du darfst nicht rausgehen«, sagte ein dunkelhaariger Junge.
»Wenn du möchtest, kannst du mich gerne melden. Ich bin sicher, bei der Garde schätzt man Petzerei.« Ich lächelte liebenswürdig und verließ den Raum.
Der Gang war wie ausgestorben und ich zählte die Türen. Kälte kroch mir den Nacken hoch, obwohl es brühwarm war. Woher sollte ich wissen, dass die Nachricht für mich bestimmt war? Jeder hätte als Erstes an diesen Wasserspender gehen können – oder keiner von uns.
Ich hatte nichts, was als Waffe taugte, also ballte ich die Faust, bevor ich die Klinke herunterdrückte. Mit einem Schubs öffnete ich die Tür und sah … niemanden. Der Raum war leer.
Dafür hörte ich Schritte und die Stimme der Lilajacke auf dem Gang. Eilig huschte ich in den Raum und schloss die Tür hinter mir.
»Gut. Du bist da.«
Ich fuhr herum, zu Tode erschrocken.
»Geh zur Seite.« Die Stimme kam von oben. Jemand fiel an mir vorbei und landete leise auf dem Boden. Geschmeidig richtete er sich auf, dann packte er blitzschnell meine Kehle.
»Ophelia?«
Ich wagte ein Nicken.
»Was ist der Code?«
»Es gibt keine Codes«, röchelte ich. »Wir sind nicht die Radicals.«
Er ließ mich los. »Entschuldige. Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Licht fiel auf sein Gesicht, als er die Kapuze vom Kopf zog. »Freut mich, dass wir uns kennenlernen. Ich bin Sam.«
Mein Gehirn, gerade mehr Dampflok als SuperRail, schaltete mit Verzögerung. Das musste Samuel Ferro sein, der Chef von ReVerse. Julius hatte erwähnt, er würde Kontakt aufnehmen, wenn es an der Zeit war.
Ich hatte einmal ein Bild von Ferro gesehen, aber das war ihm nicht gerecht geworden. Er war für einen Mann nicht groß, eher schlank und sehnig. Ein Dreitagebart zierte seine schmalen Wangen, die Gesichtszüge waren hart, der Mund schmal. Er hatte lange dunkle Haare, die offen über seine Schultern fielen, dazu durchdringend hellblaue Augen. Sein Aussehen passte zu den dynamischen, aber kontrollierten Bewegungen – Ferro wirkte wie ein Panther auf dem Sprung. Ich war nicht der Typ für Heldenverehrung, aber ich spürte Ehrfurcht. Die Anstrengungen der letzten Jahre, die schmerzhaften Verluste, all das hatten wir in Kauf genommen, weil wir an die Vision dieses Mannes glaubten.
»Komm, wir müssen anfangen. Die brauchen für den Defekt höchstens fünfzehn Minuten.« Er stapelte ein paar Kisten um und stellte zwei Metallbehälter mit der Aufschrift »Nicht öffnen« auf den Boden. Ich nahm Platz. Er setzte sich mir gegenüber.
»Du hast für diese Panne gesorgt?«, fragte ich.
»Natürlich. Magnetsteuereinheiten sind zickig und fallen gern aus. Es ist einfach, sie zu manipulieren. Und du musst dir auch keine Gedanken machen, dass man mich zu dir zurückverfolgt, ich trage natürlich keinen WrInk.« Ferro sah mich an. »Ich würde gern ausführlicher plaudern, aber uns fehlt die Zeit. Wir müssen dich vorbereiten.«
Abwartend sah ich ihn an.
»Du kommst jetzt in eine Welt mit anderen Regeln«, sagte Ferro und aktivierte ein Pad an seinem Unterarm. Es war flach, schmal und glänzte matt. Ich hatte eine solche Version noch nie gesehen. Er musste wirklich überallhin Verbindungen haben, wenn er an Technologie dieser Größenordnung kam. »Maraisville ist ein abgeschotteter Ort, man kommt nicht einfach rein oder raus. Sobald sich die Tore schließen, bist du auf dich gestellt. Deswegen musst du wissen, wer dort auf dich wartet.« Ferro zog einen Pen aus dem Pad und begann, etwas an die Wand zu zeichnen. Striche und Kürzel erschienen, als schwebten sie in der Luft. Es war eine Projektion.
»Leopold ist das Zentrum.« Ferro sagte den Vornamen des Königs, als wäre er ihm vertraut. »Das Ziel ist klar: Er muss sterben. Wenn er tot ist, wird Amelie Königin und macht die Abkehr rückgängig.«
»Wie kannst du da so sicher sein?« Das hatte ich mich immer gefragt.
»Amelie und ich stehen in Kontakt«, antwortete Ferro.
Ich sah ihn überrascht an. »Amelie de Marais macht gemeinsame Sache mit ReVerse? Warum bringt sie ihn dann nicht selbst um?« Die Geschichten großer Dynastien waren voll von Geschwistermorden. Und Amelie kam ohne Probleme an Leopold heran.
»Es ist nicht so einfach«, sagte Ferro. »Amelie macht keine gemeinsame Sache mit uns, wie du es nennst. Sie ist den Zielen von ReVerse nicht abgeneigt, aber sie würde nicht selbst gegen ihren Bruder vorgehen. Wenn sie unter Verdacht gerät, kommt sie niemals an die Macht.«
»Wer könnte sie daran hindern? Sie ist die Nächste in der Thronfolge.«
»Das stimmt, aber du vergisst den Rest der Familie.« Ferro zeigte auf die Wand. »Wir haben Leopold. Wir haben Amelie.« Er fügte der Zeichnung ein weiteres Kürzel hinzu und verband sie zu einem Dreieck. »Und dann gibt es noch Lucien.« Er sprach den Namen ungewöhnlich aus, eine Kombination aus dem englischen Lou und dem französischen Cien.
»Der kleine Bruder? Was hat er damit zu tun?« Alles, was ich über den Jüngsten der Marais-Geschwister wusste, war sein Hang zum Leichtsinn. Die Geschichten reichten von Klippenspringen über Basejumps bis zum Abseilen von Gletschern, typisch für Kinder reicher, mächtiger Leute, die sich in einem normalen Leben langweilten. Aber in der offiziellen Berichterstattung war er praktisch nicht existent. Das einzige Foto von Lucien de Marais hatte ich in einem Zeitungsartikel gesehen – eine Aufnahme als Kind, zusammen mit seiner Familie, lange bevor die Eltern gestorben waren. Nach Leopolds Machtübernahme tauchte er in den offiziellen Meldungen nie mehr auf.
»Mehr, als du denkst. Die Geschwister sind eng verbunden, vor allem die beiden Brüder. Sollte Lucien Amelie verdächtigen, könnte er verhindern, dass sie Königin wird. Es gibt eine Veto-Klausel in den königlichen Statuten. Wenn Leopold stirbt, kann Lucien Amelies Ernennung widersprechen.«
»Und selbst König werden?«
»Genau. Das darf auf keinen Fall passieren.«
»Warum nicht?«
»Ist jetzt nicht so wichtig. Lucien wird für dich kein Thema sein. Andere schon.« Ferro deutete auf seine
Zeichnung und ergänzte sie um ein Kürzel. »Cohen T. Phoenix.« Er sagte den Namen mit großer Abneigung. »Er ist der Kopf der Schakale. Ihn musst du überzeugen.«
»Schakale?« Ich verengte die Augen. »Nie gehört.«
»Kein Wunder. Es ist ihr Job, dass niemand etwas von ihnen weiß.«
»Du meinst, sie sind …?«
»Der Geheimdienst des Königs, genau.«
Meine Kopfschmerzen pulsierten gegen meine Schläfen. Nach meinem Tête-à-Tête mit der OmnI lief alles etwas langsamer. »Aber wieso soll ich ihn überzeugen? Ich dachte, es geht um die Garde.« Und nicht um irgendeinen ominösen Geheimdienst.
»Die Garde«, schnaubte Ferro abfällig. »Vergiss die Garde. Austauschbare und gesichtslose Affen. Leopold hat diese ganze Show nicht veranstaltet, um ein paar Leute zu rekrutieren, die bei öffentlichen Veranstaltungen herumstehen und für ihn den Babysitter spielen. Außerdem würde es uns nichts bringen. Ein Gardist ist niemals mit Leopold allein, Schakale dagegen gehören zum inneren Kreis.«
Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Oder vielleicht doch? »Das heißt, er sucht eigentlich neue Agenten?«
»So ist es. Bisher haben sie frei rekrutiert, aber weil die Lage im Land immer brenzliger wird, brauchen sie dringend Leute. Also haben sie ein Ausbildungsprogramm ins Leben gerufen. Die Garde ist nur vorgeschoben, damit geheim bleibt, was sich geheim nennt.«
Ich dachte an meinen nächtlichen Ausflug im Dome. »Gestern Nacht kamen Leute ins Stadion, angezogen wie Kandidaten, aber sie waren eindeutig keine. Dann müssen das Schakale gewesen sein?«
Ferro nickte. »Das ist sehr wahrscheinlich. Schakale haben keine Uniform oder ein Erkennungszeichen. Ihr Job ist es, sich an jede Situation anzupassen und sie so schnell wie möglich zu beherrschen. Ein Schakal muss hundert Sachen gleichzeitig bedenken und trotzdem blitzschnell handeln können.«
Nicht nur das. Zwei davon hatten sogar die OmnI installiert, in Betrieb genommen und überwacht. Ich wusste, dass beides hochkomplexe Aufgaben waren, für die es normalerweise speziell ausgebildete Ingenieure brauchte. Außerdem setzte diese Tätigkeit hochexplosives Geheimwissen voraus, zu dem die zwei Männer in dem Raum demnach Zugang haben mussten.
»Die Anforderungen an Rekruten sind extrem hoch, die Ausbildung ist enorm anspruchsvoll.« Ferro schien meine Gedanken zu lesen. »Deswegen war die OmnI überhaupt dort. Leopold schickt sie nur ins Rennen, wenn es wirklich wichtig ist.«
Ich starrte ihn an. »Du weißt von der OmnI?«
»Natürlich.« Ferro verdrehte die Augen. »Leopold kann ihre Existenz vielleicht vor der Bevölkerung und anderen Ländern verbergen, aber sicher nicht vor mir. Ich verfolge ihren Aufenthaltsort immer, wenn sie Maraisville verlässt – wie jetzt bei der Auswahl.«
»Woher weißt du davon, dass er sie behalten hat?« Ich verengte die Augen.
»Ich habe ganz gute Kontakte in die entsprechenden Kreise«, antwortete er, und es klang endgültig.
»Und warum verrätst du dann nicht einfach, dass sie noch existiert? Er wäre erledigt, wenn das rauskommt.« Wenn bekannt wurde, dass der König die OmnI nicht zerstört hatte, würden die Leute sicher auf die Barrikaden gehen.
»Das ist zu gefährlich. Sollte jemand Wind davon bekommen, würde er sie garantiert zerstören – und damit das fortschrittlichste Stück Technologie, das es auf der Welt noch gibt. Mir ist es lieber, sie ist bei ihm als gar nicht mehr da. Sie könnte unserer Sache noch sehr nützlich sein.«
Ich fragte nicht weiter nach, denn mir war ein anderer Gedanke gekommen. Ein unangenehmes Kribbeln schlich sich an meinem Nacken empor.
»Das bedeutet, du hast zugelassen, dass mein Freund Jye und alle anderen ReVerse-Leute ihr Leben aufs Spiel setzen? Sie hatten keine Chance, diesen Test zu bestehen!« Fassungslos starrte ich Ferro an. Nie hätte ich gedacht, dass er so skrupellos sein könnte.
»Ich wusste es nicht sicher«, beschwichtigte er mich. »Zum Glück lief trotzdem alles nach Plan.«
»Nach Plan? Nach welchem Plan?«
Ferro seufzte. »Der Plan war, dass du es nach Maraisville schaffen sollst, Ophelia. Es ging von Anfang an um dich.«
Um mich?
»Warum hat mir das niemand gesagt?«, fragte ich aufgebracht. »Was bin ich für ReVerse, nur eine Marionette?«
»Du bist keine Marionette«, antwortete Ferro. »Du bist eine Soldatin in einem Krieg, den wir gemeinsam gewinnen müssen. Aber ich muss die Entscheidungen darüber treffen, wie. Das habe ich getan.«
»Indem du uns alle im Dunkeln gelassen hast?«, fauchte ich. »Wieso war ich nicht die Einzige, die es versucht? Warum all die anderen?«
»Sie wären ein Bonus gewesen.«
»Na, das ist ja super gelaufen, jetzt landen sie im Clearing!« Plötzlich war mir der Raum zu eng und Ferro zu nah. Ich rückte von ihm ab. Er bemerkte es.
»Ophelia, sieh mich an«, bat er. Nur widerwillig kam ich der Aufforderung nach. »Es geht hier nicht um dich oder um mich, sondern um die Sache. Was wir tun, ist überlebenswichtig für die Menschheit. Du musst meine Entscheidungen nicht mögen. Du musst ihnen aber vertrauen.«
Ich kam mir mit einem Mal naiv und sentimental vor. Ferro hatte recht. Der Widerstand hatte klare Ziele: den Tod des Königs, das Ende der Abkehr. Wir wussten alle, worauf wir uns eingelassen hatten.
»Warum ich?«, fragte ich. Meine Stimme klang dünn.
»Du bist motiviert. Ich weiß, was mit Nicholas Odell passiert ist.«
»Das kann nicht alles sein.«
»Nein, das ist nicht alles.« Er lehnte sich vor und tippte an meine Schläfe. Seine Finger waren kühl. »Ich weiß auch davon.«
Woher …?
»Ich habe Julius nie davon erzählt.«
»Ich bitte dich. Glaubst du, meine einzigen Quellen sind eure Teamleiter?«
Offensichtlich nicht. Ich fühlte mich immer mehr wie eine Figur in einem Spiel, dessen Regeln ich nicht kannte. Aber deswegen war mein Ziel immer noch das gleiche. Daran musste ich mich festhalten.
»Können wir weitermachen?«, fragte Ferro. Ich nickte. Er nahm den Stift. »Phoenix ist ein Geist. Er wird nicht offen auftreten, sondern sich im Hintergrund halten. Geh davon aus, dass er trotzdem jede Übung, jedes Mittagessen und jedes Gespräch beobachtet.«
»Woher kennst du ihn?«, fragte ich.
»Ich war selbst ein Schakal«, antwortete Ferro.
»Du?« Davon hatte ich nichts gewusst. »Wann?«
»Ist eine Weile her.« Er nickte. »Es gab die Schakale schon, bevor die Abkehr ausgerufen wurde. Ich habe vor der Abkehr fünf Jahre in Phoenix’ Sicherheitsabteilung bei AchillTechnologies gearbeitet. Das Unternehmen der Familie Marais war damals eines der Big Ten und damit angreifbar. Leopolds Vater brauchte Spione, um zu wissen, was die anderen planen. Exzellent ausgebildete Spione.« Das erklärte, warum er so gut über den Geheimdienst Bescheid wusste.
»Heute sind die Schakale wichtiger denn je«, sagte Ferro. »Alles, was nicht offiziell stattfindet und trotzdem erledigt werden muss, machen sie. Kriminelle ausschalten, Informationen besorgen, Sicherheit schaffen oder Aufklärung in anderen Ländern betreiben. Sie spüren jeden auf, der nur daran denkt, Technologie zu entwickeln und zu verkaufen – und sie halten sich weder mit Fragen auf noch mit einem Clearing. Schakale erscheinen wie aus dem Nichts, erledigen ihren Job und verschwinden wieder, ohne dass jemand etwas merkt. Sie sind lautlos, effizient und absolut tödlich.«
Mein Hals zog sich zusammen. Ich war davon ausgegangen, dass ich bei der Garde anheuern würde, nicht bei einer streng geheimen Organisation, die vor nichts zurückschreckte. Wie sah die Ausbildung für einen Schakal aus? Was würden sie von mir verlangen? Ich fragte lieber nicht danach.
»Am wichtigsten aber ist«, sprach Ferro weiter, »dass man als Schakal zu den engsten Vertrauten Leopolds gehört. Das war früher schon so und hat sich nicht geändert.«
»Dann kennst du den König gut?«, fragte ich.
Ferro presste die Lippen aufeinander. »Nicht so gut, wie ich dachte.« Er nahm wieder seinen Stift und kam zurück zum Thema. »Am wichtigsten sind für dich deine Ausbilder in Maraisville. Sie sind alle Prof
is auf mehr als einem Gebiet, aber sie sind auch Menschen. Wenn du kannst, zieh sie auf deine Seite. Je mehr sie dich mögen, desto weniger genau sehen sie hin.« Die Projektion zeigte mir das Bild eines südländisch aussehenden Mannes mit Bart und vielen Lachfältchen. Es war das erste Mal, dass ich ein Gesicht zu einem Namen bekam. »Henri Fiore, Waffen und Taktik. Er ist ein Söldner, arbeitet aber seit acht Jahren für die Marais-Familie.«
Wie zur Hölle sollte ich einen Söldner für mich gewinnen? Ich hatte keine Kriegseinsätze hinter mir, über die wir fachsimpeln konnten.
»Hat er irgendwelche Hobbys?«, fragte ich vage. »Oder vielleicht Familie?«
»Von Hobbys weiß ich nichts. Aber er hat eine Frau und zwei kleine Töchter, die in der Stadt leben.«
Das war ein Ansatzpunkt. Wenn ich Fiore um Rat fragte und an der richtigen Stelle ein bisschen Schwäche zeigte, meldete sich vielleicht sein Vaterinstinkt.
Ferro ging weiter. »Für eure Bildung in Sachen Politik, Geschichte und Sprachen ist Majore Vesely zuständig.«
Ich betrachtete das Bild. Die Augen von Vesely waren beinahe schwarz, das von dunklen Haaren umrahmte Gesicht kantig. Mit meiner Vorstellung einer Lehrerin hatte sie so viel gemeinsam wie die OmnI mit einem WrInk.
»Sie ist zwar keine Schakalin, aber sie ist nach Leopold der intelligenteste Mensch, den es in Maraisville gibt«, sagte Ferro. »Sie spielt regelmäßig Schach mit ihm und ist eine seiner engsten Vertrauten. Wenn sie dich für faul oder untalentiert hält, bist du draußen.«
»Okay, also Fleiß und Interesse.« Ich rieb mir die Augen. Mein Adrenalin war im Keller, die Kiste unbequem, und der Hunger tat sein Übriges. Ich streckte meinen Rücken und lehnte mich an die Wand.
Ferro rief das nächste Bild auf. Die Frau mit den rotblonden Haaren hatte Gesichtszüge wie ein kybernetisches Model. Ihr Blick war stechend und todernst.