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Rabentod (Rabenblut Serie 2) (German Edition)

Page 17

by Nikola Hotel


  Wir schlenderten gemächlich in die Richtung, die Isabeau angezeigt hatte. Zwangen uns dazu, möglichst unbeteiligt und entspannt auszusehen, um wie normale Touristen zu wirken. Jetzt sah ich auch das blaue Licht aufflackern, das von einer Stelle am Ende des Parkplatzes herrührte.

  »Militärpolizei«, stieß ich überrascht hervor. Vier weiße Wagen mit den typischen grünen Streifen an der Seite zählte ich, einer davon ein Bus. Und fünf Uniformierte, die den Geländewagen der Jäger in Augenschein nahmen. Zwei der Männer begannen, ein Absperrband auszurollen und den Bereich großräumig abzustecken.

  »Kannst du sehen, ob Jaro dort irgendwo ist?« Isabeau hatte sich mir zugewandt und legte die Arme um meinen Hals, als verspürte sie das Bedürfnis, hemmungslos mit mir herumzuknutschen. Als Tarnung war das vielleicht wirkungsvoll, hatte aber keinen entspannenden Effekt auf mich.

  »Jaro ist nicht da. Aber da steht eine Reisetasche neben Mareks Wagen. Und Kleidungsstücke liegen auf dem Boden.« Offenbar hatte er Panik bekommen und sich verwandelt, als die Polizei aufgetaucht war.

  Isabeaus Pullover war inzwischen durchweicht, und sie fühlte sich in meinem Arm an wie ein Schwamm. Sie presste ihre Lippen auf meine, dann spürte ich ihr Grinsen an meinen Zähnen. »Du musst die Augen aufmachen, sonst kannst du mir doch gar nicht sagen, was da sonst noch passiert.«

  »Wie klug du bist«, neckte ich sie und zwang mich dazu, nicht auf das zu reagieren, was mir ihr Körper sagte. »Ich frage mich wirklich, was das Militär hier zu suchen hat. Wenn die Leiche des Wilderers immer noch im Wagen ist, wieso hat die Gemeindepolizei das nicht übernommen?«

  »Denkst du, wir sollten unauffällig rüberschlendern und wenigstens die Tasche mitnehmen? Ich könnte währenddessen ein paar Selfies von uns machen.«

  »Selfies? Ich will gar nicht wissen, was das ist«, wehrte ich ab und küsste sie, wobei ich ihren Kopf so zur Seite drehte, dass ich einen Blick auf Mareks Suzuki werfen konnte. Er befand sich zwar nicht im Radius der Absperrung, trotzdem hatte die Tasche schon die Aufmerksamkeit der Polizisten erlangt. Einer von ihnen, ein Mann mit einer Schiebermütze und einer unauffälligen schwarzen Jacke über der Uniformhose, ging direkt darauf zu.

  »Das wird auch nicht möglich sein. Sie haben die Tasche bereits entdeckt.« Ich dirigierte Isabeau aus den Bäumen heraus auf den gepflasterten Weg und gab ihr einen leichten Stoß in die Seite. »Lach jetzt!«

  Sie verstand sofort und brach in Gekicher aus, während wir beide auf den Parkplatz schlenderten. Der Mann mit der Halbglatze schwenkte den Kopf in unsere Richtung. Seine Augen lagen eine Spur zu dicht beieinander, was ihm ein grimmiges Äußeres verlieh, doch er wirkte nur mäßig interessiert an uns.

  »Ich lade schon mal unser Gepäck ein, du kannst in der Zeit den Parkschein bezahlen«, rief Isabeau fast zu laut. Sie drückte mir den Parkschein in die Hand und einen zerknitterten Zweihundert-Kronen-Schein.

  »Nicht gut«, raunte ich ihr zu und schüttelte unauffällig den Kopf. »Tu das nicht.«

  »Ich weiß schon, was ich tue«, flüsterte sie. Mit einem breiten Lächeln stiefelte sie auf Mareks Wagen zu und mir blieb nichts anderes übrig, als zum Parkschein-Automaten zu laufen. Dabei behielt ich die Männer weiterhin im Blick. Ich ging davon aus, dass sie Deutsch verstanden, weil es an unseren Schulen als Fremdsprache angeboten wurde, aber das konnte man nie wissen.

  Selbst über die Entfernung von mehreren Metern konnte ich ihre Nervosität spüren, das Zittern in ihren Händen, als sie mit vorgetäuschter Gelassenheit an ihrem Pullover zupfte. »Sauwetter, oder?«, rief sie dem Polizisten zu, der vor dem kleinen Suzuki stehen geblieben war. »Meine Klamotten könnte ich auswringen. Und das Duschen heute Morgen hätte ich mir auch echt sparen können.«

  Sie hatte den Wagen erreicht, als ich den Parkschein in den Automaten schob. Es klickte, aber ich konnte meinen Blick nicht auf die Anzeigentafel richten, die mir verriet, wie viel Geld ich bezahlen musste. Du musst spielen!, sagte ich mir, doch ausgerechnet jetzt machten sich die Medikamente bemerkbar, die ich erst heute Morgen bekommen hatte. Die Beruhigungstabletten, das Narkosemittel, der künstliche Schlaf der letzten Nächte und die Erschöpfung, die der erhöhte Adrenalinspiegel bei mir hinterlassen hatte. Meine Knie sackten ein, und ich konnte mich gerade noch am Automaten abstützen. Da hörte ich, wie der Polizist ein missbilligendes Schnalzen von sich gab.

  »Ist das etwa Ihre Tasche?«, fragte er auf Deutsch.

  RABENSPIEL

  ISABEAU

  Ob das meine Tasche war? Sakra!, natürlich war das meine Tasche! Mir pochte das Herz bis zum Hals, als ich mich dazu zwang, nah an den Polizisten heranzutreten. Ganz ruhig, Isa, Tschechien ist schließlich kein Polizeistaat. Das läuft hier auch nicht anders als in Deutschland. Der Polizist, dein Freund und Helfer.

  Ich überlegte, ob ich die Situation mit einem Scherz auflockern sollte. Ich könnte mich dafür bedanken, dass er die Bombe in meiner Tasche bewacht hat oder dass er mein Auto nicht auch mit diesem bunten Fähnchen eingezäunt hat, aber der Mann sah alles andere als humorvoll aus. Außerdem wusste ich auch nicht, wie er meine ironische Art in seinem Kopf ins Tschechische übersetzen würde. Er könnte mich gehörig missverstehen.

  Unwillkürlich flackerte mein Blick zum Pathfinder, dessen Heckansicht inzwischen durch eine Art Zelt vor der Öffentlichkeit verborgen wurde. Schnell wandte ich mich ab und bückte mich, um die Tasche aufzuheben, da setzte der Polizist seinen Stiefel auf den Henkel, der am Boden lag.

  »Moment!«

  Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Was, wenn er die Tasche durchsuchen wollte? Oh mein Gott! Siedend heiß fiel mir ein, dass ich darin das Fahrtenbuch der Jäger aufbewahrte. Darin klebten nicht nur die ganzen Kassenbons der Tankstellen, nein, diese äußerst gewissenhaften Kerle hatten auf den Buchdeckel auch noch ein Prägeetikett mit dem Nummernschild des Autos geklebt. Wenn er das sah, waren wir so was von erledigt! Nicht zu vergessen, dass im Kofferraum des Suzukis die SIG-Sauer lag. Die SIG-Sauer, aus der mehrere Patronen abgefeuert worden waren und die deshalb auch Schmauchspuren aufwies. Langsam richtete ich mich auf. Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie Alexej gemächlich in unsere Richtung kam. Er schien es nicht eilig zu haben. Nein, verbesserte ich mich, als ich einen zweiten Blick riskierte, er konnte nicht schneller gehen. Sein Gesicht war kalkweiß, und er schwankte.

  Ich beschloss so zu tun, als hätte ich nicht gesehen, wie der Polizist sich auf meine Tasche gestellt hatte. Ich würde jetzt einfach so tun, als wäre das alles völlig normal oder ein Versehen. Meine Hand tastete nach dem Autoschlüssel in meiner Tasche, und bevor der Polizist mir sagen konnte, was er eigentlich von mir wollte, hatte ich den Türöffner betätigt und die Beifahrertür aufgerissen.

  »Stellen Sie immer Ihr Gepäck neben dem Auto ab? Das sollten Sie wirklich nicht machen.« Er zog sich die Schiebermütze vom Kopf, die schon ebenso durchgeweicht war wie mein Pullover, und fuhr mit den Fingerspitzen seine Augenbrauen glatt. Über dem linken Mundwinkel hatte er eine gebogene Narbe, die ein Schmunzeln vortäuschte. Aber er schmunzelte ganz und gar nicht.

  »Normalerweise nicht«, sagte ich, und das war schließlich nicht einmal gelogen. Ich tat so, als suchte ich etwas im Handschuhfach, und sprach mit dem Rücken zu ihm weiter. »Wollen Sie jetzt meine Papiere kontrollieren, weil ich mich blöd angestellt habe?«

  Ein Klatschen ließ mich zusammenzucken. Ich stieß mir den Kopf an der Türöffnung, bevor ich mich zu ihm umdrehte, aber er hatte bloß seine Mütze gegen den Oberschenkel ausgeschlagen, bevor er sie wieder aufsetzte.

  »Passen Sie beim nächsten Mal einfach auf. Sie müssen es den Taschendieben ja nicht so leicht machen.« Er zog seinen Fuß zurück und gab meine Tasche frei. Dann lachte er plötzlich, und seine Narbe zog sich grotesk nach oben. »Ihr Freund sieht aus, als hätte er die halbe Nacht gesoffen.«

  Ich lachte ebenfalls, aber garantiert hatte ich einen hochroten Kopf dabei. Er musste mir doch an der Nasenspitze ansehen können, dass ich vor Angst fast verging! Mir schlug das Herz immer noch bis zum Hals. »Der kann sich gleich während der Fahrt ausschlafen«, sagte ich in einem Ton, der ihm vorgaukeln sollte, dass ich d
eswegen ziemlich angenervt war.

  »Wo geht es denn hin?«

  Sakra! Wieso hatte er ausgerechnet jetzt das Bedürfnis nach Small Talk? Sollte er nicht lieber zu seinen Kollegen zurückkehren und ihnen bei der Arbeit helfen?

  »Prag«, drang Alexejs Stimme zu uns. Er torkelte wie ein Betrunkener. »Es geht nach Prag.« Er sprach ebenfalls Deutsch, und ich hoffte inständig, dass der Polizist nicht bemerkte, dass auf seiner nackten Brust eine Einstichstelle zu sehen war. So genau würde er ihn hoffentlich nicht mustern. Außerdem hatte ich Angst, Alexej würde jeden Augenblick zusammenklappen, so blass war sein Gesicht. Seine Lippen waren blau angelaufen, was vielleicht auch an der Kälte lag, aber ganz sicher nicht nur. Er gehörte in ein Krankenhaus und nicht auf die Straße, wo der Regen ihn durchfrostete.

  »Muss ja eine heiße Party gewesen sein.«

  Ich fluchte innerlich. Warum mussten wir ausgerechnet an einen von diesen Männern geraten, die zwanghaft einen auf jugendlich machen? Er hatte die Vierzig bestimmt schon seit mehreren Jahren überschritten, eine Ehe oder sogar schon eine Scheidung hinter sich gebracht und hütete seine Kinder jedes zweite Wochenende, die keinen Bock darauf hatten, mit ihm zu reden. Nicht einmal das Gequatsche über seine ach so gefährlichen Einsätze interessierte sie.

  »Ja«, sagte Alexej gedehnt und grinste debil. »War eine sehr heiße Party.«

  Wäre die Situation nicht so schrecklich, hätte ich gelacht. Alexej war nun wirklich der Letzte, der sich für Partys interessierte. Wenn der Uniformierte wüsste, dass er es gerade mit einem Konzertpianisten zu tun hatte, dem Spross eines ehemaligen Fürsten und noch dazu einem Raben, ihm bliebe die Spucke weg.

  »Dann gehören die beiden auch zu euch?« Mit dem Kinn deutete er auf einen Fleck hinter Alexej, und in der nächsten Sekunde zog es mir den Boden unter den Füßen weg. Meine Hand krallte sich an der Beifahrertür fest. Ich hatte Jaro und Milo erwartet, wen wir stattdessen ganz und gar nicht gebrauchen konnten, war Sergius. Ein Sergius, der so zufrieden aussah wie ein räudiger Kater, nachdem er die ganze Nacht gewildert hatte.

  Er schlenderte über den Parkplatz, als gehörte ihm die ganze Welt. Sogar der Regen hatte extra für ihn aufgehört, vom Himmel zu pladdern, und über uns brach die Wolkendecke auf. An Sergius’ Arm hing eine schwarzhaarige Frau, deren Lippenstift nur noch in Resten an ihren Lippen klebte. Ein Teil davon befand sich auf Sergius’ Hals oder sonst wo. Ihre Wimperntusche war ebenfalls überall, nur nicht auf ihren Wimpern, und sie gurrte, als Sergius ihr mit der Zunge demonstrativ über die rechte Wange leckte. Mir wurde schlecht.

  »Ja, er … die beiden gehören zu uns.« Ich würde Sergius umbringen, sagte ich mir, und das war ein äußerst tröstlicher Gedanke. Nein, ich würde ihm besser bei lebendigem Leib das Herz rausschneiden. Mit einem Messer. Einem stumpfen Messer. Einem stumpfen Messer, dessen Klinge außerdem mit irgendeinem tödlichen Virus infiziert war. Und anschließend …

  Mit diesen Gedanken trat ich zur Seite und ließ Alexej ins Auto steigen. Hoffentlich fiel niemandem auf, wie mühsam er seine Beine über den Schweller hob. Während ich die Tür schloss, bemühte ich mich, meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bekommen.

  »War nett mit dir.« Sergius gab der Schwarzhaarigen einen Klaps auf den Hintern. »Aber jetzt verpiss dich.«

  Wenn sie nach diesem Spruch noch einmal so affektiert quiekte, dachte ich angeekelt, dann würde ich auch sie umbringen. Allein schon aus Gründen der Emanzipation. Wie konnte man sich von einem Kerl wie Sergius nur so benutzen lassen? Und so leicht ließ sie sich von ihm auch nicht abschütteln. Hatte sie denn gar keinen Stolz?

  Der Uniformierte sah kopfschüttelnd von Sergius zu mir und tippte sich an seine Schiebermütze. »Wann haben Sie den Wagen hier geparkt?«, erkundigte er sich.

  Okay, jetzt war alles klar: Der Small Talk und die betont kumpelhafte Art waren seine Masche. Jetzt würde er also damit anfangen, uns zu verhören. Ich dachte an das bezahlte Parkticket, auf dem wahrscheinlich draufstand, wann es ausgestellt worden war, und beschloss, eine Lüge zu riskieren. »Gestern Nachmittag, irgendwann so gegen fünf, glaube ich.« Leider hatte ich wenig Übung im Flunkern, was mir auch gleich bei seiner nächsten Frage zum Verhängnis wurde.

  »Ist Ihnen dabei irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

  »Äh«, machte ich. »Was genau verstehen Sie unter ungewöhnlich? Also nein, eigentlich nicht. Denke ich.« Dabei dachte ich gerade so offensichtlich gar nicht! Es war wohl kaum möglich, noch schuldbewusster zu klingen.

  »Der Geländewagen«, er nickte zur Absperrung, »stand der da, als Sie hier auf den Parkplatz gefahren sind?«

  »Jja«, stammelte ich. »Äh, ich weiß nicht so genau … ich glaube nicht. War schon dunkel, als wir ankamen.«

  Sergius hatte es endlich geschafft, seine Begleiterin von seinem Arm zu zupfen, und schnappte sich meine Tasche, die immer noch neben dem Wagen auf dem Boden stand. Er zog den Reißverschluss auf und stopfte Jaros Sachen hinein.

  »Klar. Der war gestern schon da. Ist ja nicht zu übersehen, steht genau unter der Straßenlaterne. Scheißteures Teil übrigens.« Er lief nach hinten und machte zu meinem Entsetzen die Heckklappe auf. Ohne hinzusehen warf er die Tasche zum Rucksack der Jäger in den Kofferraum und schmiss die Tür wieder zu. »Kostet locker eins Komma zwei Millionen Kronen.«

  Und dann, nachdem der Polizist nur genickt hatte, musste Sergius unbedingt noch einen draufsetzen. Er warf der Schwarzhaarigen, die immer noch wartend neben dem Auto stand, eine Kusshand zu, dann klappte er den Fahrersitz nach vorne, um gleich dahinterklettern zu können. Seine nächsten Worte ließen mich endgültig an seinem Verstand zweifeln.

  »Was ist denn mit der Karre?« Er bleckte die Zähne wie ein Wolf. »Habt ihr eine Leiche im Kofferraum gefunden, oder was?«

  PANIKSTRUDEL

  ISABEAU

  Er musste übergeschnappt sein! Ich konnte einfach nicht fassen, dass Sergius das tatsächlich gefragt hatte. Hätte er nicht einfach das Thema wechseln können? Und warum um Himmels willen war er überhaupt aufgekreuzt? Wenn es nach mir ginge, dann hätte er sich ruhig noch ein paar Wochen austoben können. Oder Monate.

  Mit knirschenden Zähnen versuchte ich meine Gedanken zu sammeln und ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen, doch Sergius ignorierte mich einfach.

  »Für ein nicht bezahltes Parkticket ist das ganz schön viel Aufwand«, meinte er hinzufügen zu müssen und kratzte sich am Kopf. Mit Schrecken sah ich, dass dadurch der Verband zum Vorschein kam, der seinen Streifschuss bedeckte. Sakra! Konnte es noch schlimmer kommen?

  Doch wir hatten mehr Glück als Verstand. Die Miene des Polizisten hatte sich verschlossen, und er wandte sich kopfschüttelnd ab. »Wenn du wüsstest«, sagte er nur. Er hatte sich sein Urteil gebildet und uns offenbar als Trottel abgestempelt. Zu einem höflichen »Sie« konnte er sich nun nicht mehr durchringen. »Seht zu, dass ihr verschwindet.«

  Dann entfernte er sich und stiefelte auf seine Kameraden zu. Kurz darauf war er hinter der Zeltplane verschwunden. Wütend fuhr ich zu Sergius herum, der immer noch an der Tür lehnte, und gab ihm einen Stoß in die Seite. Lachend stieg er ins Auto.

  Ich klappte den Fahrersitz zurück und fand es fast schade, dass ich ihm die Lehne nicht gegen das Knie rammen konnte. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, spürte ich Alexejs Hand auf meinem Arm.

  »Das war großartig.« Er drehte sich zu Sergius um und grinste. »Tollkühn, aber großartig.«

  Allein sein anerkennender Blick genügte, um mir den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er hatte verflixt noch mal recht. Sergius war tollkühn, ein wahnwitziger Irrer, aber er hatte uns mit seiner offensiven Art wahrscheinlich den Hintern gerettet.

  »Danke für die Blumen, o mein Fürst«, sagte Sergius. Es war ihm nicht anzumerken, ob er sich über Alexejs Lob freute. Ich war mir sogar fast sicher, dass ihm das überhaupt nichts bedeutete. Im Gegenteil. Sergius wollte garantiert keine Anerkennung von ihm. Ausgerechnet von ihm, der, wie er behauptet hatte, mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden war. Was ganz und gar nicht stimmte, denn wenn überhaupt, dann hatte Alexej bei seiner Geburt ein silberne
s Messer im Rücken gehabt.

  Sergius schnaubte. »Wenn dein Weibchen jetzt mal endlich losfahren würde, dann kämen wir vielleicht doch noch heil hier raus.«

  Ich steckte den Schlüssel ins Schloss. Durch den Wagen ging ein Ruck, als ich die Kupplung zu schnell kommen ließ, dann atmete ich tief durch, fuhr gemächlich an der Absperrung vorbei bis zu Schranke und kurbelte das Fenster herunter.

  Alexej reichte mir das Parkticket. »Geht es dir gut?«, erkundigte er sich.

  »Das sollte ich eher dich fragen. Ich dachte, du würdest gleich tot umfallen. Was haben sie nur mit dir gemacht?« Das Parkticket verschwand mit einem Surren, dann glitt die Schranke nach oben.

  »Lass uns später darüber reden. Sie haben immer noch ein Auge auf uns.« Alexej beobachtete das Geschehen im Seitenspiegel. »Ich könnte wetten, dass er das Nummernschild überprüfen lässt.«

  »Das ist trotzdem ein Vollidiot«, lief Sergius sich vernehmen. »Er hat nicht mal einen Blick in unseren Kofferraum geworfen.«

  Das hörte sich fast so an, als wäre er darüber enttäuscht.

  Mich hingegen kniff die Angst immer noch in den Nacken. Ich sah im Rückspiegel, wie der Polizist mit der Schiebermütze vor die Plane trat und etwas in die Luft hielt.

  »Er macht ein Foto von unserem Auto«, keuchte ich auf. »Verdammt, er macht ein Foto von unserem Auto!«

  »Fahr einfach weiter.« Alexejs Stimme klang absolut ruhig. »Das spielt nun auch keine Rolle mehr. Der Wagen ist auf Marek zugelassen, und du bist seine Angestellte. So weit gibt es da keine Unstimmigkeiten. Wir haben nur ein Problem, wenn sie herausfinden, dass der Geländewagen, den sie da untersuchen, ebenfalls erst vor Kurzem im Nationalpark gewesen ist.«

  »Das Fahrtenbuch habe ich«, informierte ich Alexej, während ich auf die Hauptstraße abbog und den Gang höher schaltete. Sein verwunderter Gesichtsausdruck brachte mich dazu, ihm das genauer zu erklären: »Die Männer haben alles akribisch aufgeschrieben. Sogar den jeweiligen Kilometerstand. Ich glaube nicht, dass sie, nachdem sie so überstürzt abgehauen sind, sich die Zeit genommen haben, ein neues Buch anzulegen. Aber wissen kann man das natürlich nicht.«

 

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