by Kira Mohn
Aber natürlich kann ich Mum das nicht sagen – ich würde es stattdessen gern Cayden entgegenschleudern, der irritierenderweise so betroffen aussieht, dass ich meinen Kopf gegen seine Schulter lehnen und mich von ihm trösten lassen möchte – halt!
Ich muss es mir sagen.
Komm wieder runter, Rae.
Du kennst Cayden, du weißt, wie er wirklich tickt.
Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, wird es keinen Grund für ihn geben, sich derart zu verstellen. Mum ist schließlich nicht dabei. Und dann können wir wieder ganz normal miteinander umgehen, und wenn ich bisher dachte, das sei anstrengend, dann weiß ich jetzt zumindest, dass es tausendmal anstrengender wäre, würde Cayden mich irgendwo im Jasper National Park genauso ansehen, wie er mich jetzt gerade ansieht.
«Okay, wir sind oben», sage ich, greife nach Caydens Arm und ziehe ihn mit mir.
Cayden
Rae hat dir ja sicher von Leah erzählt.
Der Griff um meinen Arm ist erstaunlich fest, ich müsste ruppig werden, um Rae in diesem Moment abzuschütteln. Aber warum sollte ich das tun? Ich lasse mich mitzerren, die Holztreppe in den ersten Stock hinauf und von dort in Raes Zimmer, in dem das Bett ungemacht ist und Bücher auf dem Boden liegen. Noch mehr Bücher befinden sich in einem großen Regal neben einem Schreibtisch, der im Vergleich zum Rest des Zimmers so ordentlich wirkt, als säße sehr selten jemand daran.
Was macht Rae eigentlich, wenn sie sich nicht mit Jackson und Haven Filme ansieht?
Und spreche ich sie auf Leah an oder nicht? Ausgehend von ihrer Reaktion gerade im Wohnzimmer, wäre es wohl das Letzte, was sie will.
Erstaunlich behutsam schließt sie jetzt die Tür, und ihre Hand, mit der sie meinen Arm umklammert, sinkt herab.
«Frag einfach nicht», sagt sie.
Ich betrachte den Abdruck ihrer Finger auf meiner Haut.
«Okay.»
«Ich will darüber nicht reden.»
«In Ordnung.»
Sie atmet aus, als hätte sie bisher die Luft angehalten. Ihr Gesicht wirkt so angespannt, die Haut ist so blass, wie ich es noch nie an ihr erlebt habe.
Ich tippe darauf, dass Leah ihre Schwester ist.
War.
Autounfall? Oder irgendeine Krankheit? Vermutlich ist es sehr plötzlich geschehen, sonst hätte Raes Mutter kaum solche Angst, Rae aus den Augen zu lassen.
«Also …» Rae sieht sich um, wie um sich zu entscheiden, womit wir jetzt die nächste Stunde füllen. Etwa so lange, schätze ich, sollten wir es hier zusammen aushalten, um glaubwürdig rüberzubringen, dass sie und ich als gute Freunde eine gemeinsame Wandertour starten werden. Und so wie ich ihre Mutter gerade kennengelernt habe, möchte ich nichts tun, um den Eindruck, den sie von mir gewonnen hat, wieder zu zerstören.
Ich rücke mir den Schreibtischstuhl zurecht und setze mich. «Also.»
Rae lässt sich mir gegenüber zwischen die zerwühlten Decken des Betts nieder.
«Wieso kannst du das so gut?», will sie wissen.
«Was?»
«Schauspielern.» Sie macht es sich im Schneidersitz bequem. Nur kurz werfe ich einen Blick auf ihre Beine, und das auch nur, weil sie diese kurzen, abgeschnittenen Jeans von gestern trägt. «Das ist fast schon … na ja, unheimlich.»
«Keine Ahnung.»
So gut schauspielern zu können, verhindert in diesem Moment auch, dass Rae die Lüge durchschaut. Ich weiß sehr genau, warum ich meine Fähigkeiten in dieser Hinsicht immer weiter ausgebaut habe.
«Kennst du Jessica Jones?», fragt sie unvermittelt.
«Die Serie? Klar.»
«Da gibt es in der ersten Staffel diesen Typen, der anderen Menschen seinen Willen aufzwingen kann …»
«Jetzt übertreib mal nicht.»
Rae lacht auf. «Kilgrave. So hieß er.»
Natürlich weiß ich, wie der Typ hieß. Die erste Staffel von Jessica Jones gehört zum Besten, was ich in dieser Richtung gesehen habe, und ich mag Kilgrave. Weil er eine so zerbrochene Figur in so vielen unterschiedlichen Grautönen ist und nicht nur der klassische Antagonist in einem Schwarz-Weiß-Schema. Aber möchte ich ausgerechnet mit Kilgrave verglichen werden? Ganz sicher nicht. Nur woher sollte Rae das wissen?
«Besser wäre der gerade auch nicht gewesen», redet sie weiter. «Meine Mutter hätte vermutlich nicht einmal mehr etwas dagegen, wenn wir morgen eine Wüstenexpedition starten würden. Sie mag dich.»
Ihre letzten Worte klingen irgendwie vorwurfsvoll.
«Sollte sie das nicht?»
«Doch, klar. Aber ich lüge meine Mutter normalerweise nicht an.»
«Hast du doch auch nicht.»
«Doch. Doch, natürlich hab ich das. Sie denkt jetzt, wir sind Freunde.»
Ich verschränke die Hände im Nacken und lehne mich zurück. «Sag mir einfach das nächste Mal vorher, dass sie das nicht denken soll. Es wäre dann allerdings schwieriger geworden.»
Rae grinst und klemmt sich die kinnlangen Strähnen, die ihr ins Gesicht fallen, hinter die Ohren. «Wahrscheinlich hättest du sie trotzdem rumgekriegt.» Kurz presst sie die Lippen zusammen, dann richtet sie sich ein Stück weit auf. «Okay, Freitag. Wir fahren um acht Uhr los. Ich nehme auf jeden Fall meinen Wagen. Willst du mitfahren, oder nimmst du deinen eigenen?»
«Ich weiß nicht, wo man in Jasper für längere Zeit gleich zwei Wagen stehen lassen kann. Letztes Jahr haben wir Jacksons Auto bei einem Typen geparkt, den meine Eltern kennen. Ich schätze mal, dass wir uns dort wieder unterstellen dürfen, aber der hat keinen Platz für zwei.»
«Das heißt also?»
«Wir sollten mit nur einem Wagen fahren. Mir egal, mit welchem. Wenn du unbedingt deinen nehmen willst, fahre ich mit.»
«Okay. Damit wäre das geklärt. Wir brauchen Zelte, hast du heute Morgen gesagt. Was noch?»
Ich gehe mit Rae alles durch, was Jackson vor einigen Monaten mit mir durchgegangen ist. Schlafsäcke, Isomatten und Rucksäcke sind schon vorhanden, aber neben dem Zelt sind gute Schuhe wichtig und auf jeden Fall ein Schwung geeigneter Klamotten.
«Was spricht gegen Jeans und T-Shirts?»
«Viel zu schwer», erwidere ich. «Und Jeans trocknen auch schlecht. Außerdem brauchst du noch warme Sachen und Regenzeug. Und eine Trinkflasche. Die kannst du auch von Jackson haben. Sonnenbrille. Da kommt schnell einiges an Gewicht zusammen. Das Kochzeug müssen wir ja auch noch mitschleppen, wenn wir nicht immer abends zum selben Campingplatz zurücklaufen.»
Rae schreibt mit, und obwohl sie sich um vieles gar nicht mehr kümmern muss, wird es doch eine ziemlich beachtliche Liste.
«Wow, das wird teuer», murmelt sie irgendwann.
Einmal mehr denke ich darüber nach, was Rae so macht. Verdient sie eigenes Geld? Haven hat mal erwähnt, dass Rae nicht studiert, aber den ganzen Tag zu Hause sitzen wird sie ja wohl auch nicht.
«Ist das ein Problem?», frage ich.
«Na ja.» Sie sieht auf. «Ich arbeite abends im Kino, abgesehen von den Samstagen. Reich wird man dadurch nicht.»
In einem Kino. Irgendwie passt das zu ihr und irgendwie auch nicht. Würde ich in diesem Moment Sonst machst du nichts? sagen, wäre sie sauer, so viel steht fest.
«Seit wann arbeitest du da?»
«Seit fast zwei Jahren. Wir sind von Winnipeg aus hierhergezogen, nachdem ich mit der Highschool fertig war. Und ich hab mir dann diesen Job gesucht.»
Auf mein Schweigen hin redet sie hastig weiter. «Der ist jetzt nicht besonders anspruchsvoll, weiß ich selbst, aber ich mag ihn trotzdem. Irgendwann mach ich was anderes.»
«Was denn?»
«Wenn ich das wüsste, würde ich es schon machen. Und was machst du so? Du studierst Jura, hab ich gehört.»
«Stimmt.»
«Dann wirst du vermutlich mal Anwalt.»
«Anzunehmen.»
«Du wirst bestimmt gut, Kilgrave.»
Ich weiß, Rae denkt an Kilgrave, den Manipulator, deshalb wohl auch der etwas bittere Unterton. Das ist nicht sehr schmeichelhaft, aber damit kann ich leben. Ungünstig nur, dass mir zu Kilgrave eine ganz andere Parallele einfällt – seine Gefühle sind sein Untergang.
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p; Meine habe ich allerdings im Griff.
«Ich muss dann mal los.» Ich stehe auf. «Ruf mich an, wenn du noch etwas wissen willst.»
«Ich könnte auch einfach Haven fragen.»
«Könntest du auch.»
«Außerdem hab ich deine Nummer gar nicht.»
Sie zieht ihr Smartphone aus der Tasche. Langsam tippt sie die Zahlen ein, die ich ihr diktiere. Sekunden später vibriert es in meiner hinteren Hosentasche.
«Das war ich.» Rae nickt. «Telefonieren wir Mittwochabend, um uns noch mal kurz abzustimmen?»
«Okay.» Bereits an der Tür drehe ich mich noch mal um. «Soll ich einfach gleich zwei Zelte kaufen? Im Gegensatz zu dir muss ich sonst kaum etwas besorgen. Dann hättest du einen Punkt weniger auf der Liste.»
«Das wäre nett – ich zahle das aber.»
«Schon klar.»
Sie macht keine Anstalten aufzustehen, um mich hinunter zur Haustür zu begleiten, und ich habe auch nicht damit gerechnet. Wie sie da auf ihrem Bett sitzt, wirkt sie seltsam verloren. Ich muss an letzte Nacht denken und daran, dass sie mich fragte, ob ich ein Einzelkind bin.
Seit Raes Mutter ihn ausgesprochen hat, hallt der Name Leah in meinem Hinterkopf. Leah … große Schwester? Kleine Schwester? Warum hat Rae mich gefragt, ob ich ein Einzelkind sei? Hat sie nach irgendwelchen Gemeinsamkeiten zwischen uns gesucht? Aber warum fragt sie ausgerechnet nach Geschwistern, obwohl ihre Schwester mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht mehr lebt? Denkt sie, in meiner Familie könne etwas Ähnliches passiert sein?
Sie steht auf und verschränkt die Arme vor der Brust. «Was ist?»
«Hm?»
«Worauf wartest du noch? Überlegst du es dir gerade doch anders?»
Sie fragt das in einem scherzhaften Ton, doch dahinter kann ich ihre Unsicherheit spüren.
«Nein, wieso sollte ich? Es ist nur …» Ich schüttele den Kopf. «Egal. Wir hören uns am Mittwoch.»
Bian kommt aus dem Wohnzimmer, als ich die Treppe hinunterlaufe. «Cayden … du gehst schon? Komm gut nach Hause. Es war nett, dass du hier warst.»
Jackson hat mir mal erzählt, dass er sich immer wie siebzehn gefühlt hat, wenn er Haven besuchte und zunächst einmal mit Caroline, Havens Tante, smalltalken musste, und jetzt verstehe ich ziemlich genau, was er damit meinte. Es ist eine Weile her, dass ich irgendetwas mit den Eltern von meinen Dates zu tun hatte.
Und mit Rae hatte ich nicht mal ein Date.
Ich verabschiede mich freundlich und bin gerade an meinem Auto angekommen, als ein Signalton mich das Smartphone aus der Tasche ziehen lässt. Eine Nachricht von meinem Vater.
Nächsten Samstag, 8.00 pm
Es dauert ein paar Sekunden, bevor ich zu der Entscheidung komme, darauf nicht mehr als ein knappes OK zu erwidern.
Am Samstag bin ich bereits nicht mehr hier, aber es reicht sicher, wenn ich ihm Donnerstagabend mitteile, dass er seinen Flug stornieren kann. Am Ende kommt er sonst früher.
Ich flüchte vor meinem eigenen Vater, wie lächerlich ist das denn? Und es wird mir nicht einmal etwas nutzen, denn ich kann ja schlecht für immer in einem bescheuerten Wald herumhängen. Will ich auch gar nicht.
Genauso wenig wie brav jeden Nachmittag in die Kanzlei von Thompson & White traben. Aber genau dort war ich in den letzten Tagen an jedem verdammten Nachmittag, und Rae wäre garantiert noch viel beeindruckter von meinen Schauspielfähigkeiten, wüsste sie, wie zufrieden sie dort jetzt wieder alle mit mir sind.
Meine Hoffnung ist, dass ich meinem Vater nach einer Auszeit ein wenig gelassener entgegentreten kann, als mir das jetzt möglich wäre. Keine Ahnung, warum, vielleicht ist es doch der Alkohol oder zu wenig Schlaf, oder ich bin einfach seit Wochen besonders schlecht drauf, aber aktuell könnte ich meinen Vater nicht ertragen. Allein mir vorzustellen, ihm gegenüberzustehen, löst Übelkeit in mir aus.
Das ist sehr geil. Ich bin ein dreiundzwanzigjähriger Typ mit einem riesigen Vaterkomplex. Vielleicht sollte ich Jackson ein paar Details verraten, sein Hobbypsychologen-Ich würde vor Freude weinen.
Oder vielleicht sollte ich es wie der Typ aus Der Club der toten Dichter machen. Und vorher würfele ich einfach aus, wer von uns dran glauben muss: mein Vater oder ich.
10.
Rae
Ich lasse mich in einem Outdoorladen beraten und versetze einen Verkäufer kurzzeitig in Ekstase, weil der Berg, der sich auf dem Verkaufstisch ansammelt, größer und größer wird. Letzten Endes muss ich ihn dann doch wieder ein wenig ernüchtern, denn ich bringe es nicht übers Herz, alles zu kaufen, was der Wanderprofi für notwendig hält. Mein angespartes Geld würde zwar reichen, doch meine Stimme der Vernunft – die ich feiere, nachdem ich den Laden verlassen habe – rät mir, den Jasper-Trip erst einmal durchzuziehen, bevor ich Dinge kaufe wie einen wasserdichten Poncho, wenn sich doch schon eine Regenjacke irgendwo in dem Berg befindet – oder so was wie wasserfeste Sturm-Zündhölzer. Nachdem Haven mich aus meinen Extremwandervorstellungen geholt hat, sehe ich das Ganze mehr als Abenteuerurlaub im Wald und fühle mich nicht mehr, als müsse ich eine Tour bis ans Ende der Welt und zurück planen.
Aufschwatzen lasse ich mir allerdings ein Schlangenbiss-Set, einen Minikompass und ein seltsames Gerät, das man auf der einen Seite als Löffel, auf der anderen als Gabel verwenden kann. Auf dem Heimweg frage ich mich, ob Cayden mich mit seiner Warnung, auf jeden Fall Gewicht zu vermeiden, etwas irre gemacht hat.
Das frage ich mich allerdings nur, bis alles, was ich mitnehmen will, auf einem Haufen in der Mitte meines Zimmers liegt. Ich weiß ja nicht, wie groß Jacksons Rucksack ist, aber entweder ist er so klein, dass da niemals alles reinpasst, oder so riesig, dass ich ihn niemals tragen können werde. Obwohl noch Schlafsack und Isomatte fehlen, türmt sich das Zeug gefühlt bis zur Höhe meines Bauchnabels.
Als ich Cayden am Mittwochabend vom Phoenix aus anrufe, ist das so ungefähr das Erste, was ich ihm erzähle.
«Okay, ich gehe mal davon aus, dass ich das Kochzeug bei mir unterbringen muss», erwidert er darauf, und ich höre das Lachen aus seiner Stimme heraus.
«Nein! Ich nehme davon die Hälfte. Aber vielleicht kannst du mir beim Packen helfen und mir sagen, was ich nicht unbedingt brauche. Immerhin hast du so eine Tour schon mal gemacht. Oder zumindest angefangen.»
«Okay, ich komm morgen vorbei.»
«Vielleicht gegen drei?»
«Da muss ich arbeiten. Sagen wir sieben?»
«Da muss ich arbeiten.» Ein letztes Mal, bevor ich am nächsten Morgen mit Cayden zusammen nach Jasper aufbrechen werde. Philippe war alles andere als begeistert darüber, aber wenigstens hat er mich nicht rausgeschmissen.
«Dann vielleicht morgen Vormittag? Zehn? Elf?», versuche ich es neu.
«Na gut.» Begeistert hört Cayden sich nicht an.
«Erzähl mir jetzt nicht, dass du um diese Zeit normalerweise noch schläfst. Wir wollen am Freitag um acht Uhr los, und das war dein Vorschlag.»
«Erzähl ich ja auch nicht.»
«Okay, dann sehen wir uns morgen. Könntest du bitte alles mitbringen, was noch in meinen Rucksack gehört? Und den Rucksack selbst auch?»
«Nein, ich hatte eigentlich vor, zehnmal hin- und herzufahren, um alles einzeln bei dir vorbeizubringen.»
«Ja, das dachte ich mir, deshalb sage ich es ja.»
Irgendwie mag ich es, wenn Cayden auf meine Worte hin lachen muss. Ich beginne offenbar, so etwas wie einen äußerst schrägen Ehrgeiz zu entwickeln, mit seinen spöttischen Kommentaren mithalten zu können.
Den restlichen Abend über sortiere ich die Wandersachen hin und her, und als ich ansatzweise zufrieden mit dem Stapel bin, den ich mitnehmen will, fällt mir auf, dass die Regenjacke noch über meinem Schreibtischstuhl hängt.
Cayden verschlimmert das Elend am nächsten Morgen noch. Neben Zelt, Schlafsack und Isomatte hat er außerdem eine riesige Trinkflasche dabei, den Rucksack samt Regenschutz, zwei schnelltrocknende Handtücher und jede Menge Küchenzeugs. Plastikteller, Kombitöpfe, einen zusammenklappbaren Kocher, Gaskartuschen – als er mich dann auch noch fragt, ob ich an Sonnencreme, Toilettenpapier und eine Taschenla
mpe gedacht hätte, muss ich mich erst einmal aufs Bett setzen.
«Und Mückenspray», fügt er hinzu. «Du brauchst auf jeden Fall Mückenspray.»
Ich habe nicht mal Shampoo eingepackt. Wie blöd kann man eigentlich sein, alles, was man mitnehmen möchte, erst am Tag vor der Abreise zu überprüfen? Wenigstens habe ich heute noch Zeit, die fehlenden Dinge zu besorgen. Bleibt die Frage, wie ich alles verstaut kriege.
«Nachher besorge ich noch einen Essensvorrat», erklärt Cayden in meine Gedanken hinein, und mit einem Aufstöhnen lasse ich mich nach hinten fallen.
«Verflucht.»
«Was?»
«Essen. Essen brauche ich ja auch noch.»
«Wäre gut. Oder du verknüpfst das Ganze mit einer Fastenkur, auch eine Möglichkeit.»
Aktuell ist mir nicht danach, auf diese Bemerkung eine passende Antwort zu finden. Weil ich es Sekunden später klappern höre, sehe ich auf. Cayden hat sich auf den Boden gesetzt und ist dabei, Stück für Stück mein Zeug im Rucksack zu verstauen.
«Wieso brauchst du gleich sieben T-Shirts?»
«Na ja, zum Wechseln.»
«Besser wäre ein langes Shirt und ein kurzes Shirt und vielleicht eins zum Wechseln.»
«Dann wirf die anderen raus.»
Ich erkenne zu spät, welchen Stapel er als Nächstes auseinandernimmt.
«Wie viele Unterhosen sind das? Zwanzig?»
«Zehn!» Ich springe auf und reiße ihm die Wäsche aus der Hand. «Erzähl mir jetzt nicht, zwei würden reichen.»
«Wenn du schnelltrocknende kaufst, kannst du jeden Tag eine waschen und eine tragen.»
«Cayden!»
«Was denn? Haben Jackson und ich letztes Jahr auch so geplant. Hast du eigentlich Badezeug eingepackt?»
«Nein.»
«Irgendeinen Sonnenschutz für den Kopf?»
«Ich bleib zu Hause.» Mit meinen Unterhosen im Arm gehe ich zum Bett zurück und lasse mich bäuchlings drauffallen, um mein Gesicht im Kopfkissen zu vergraben.
«Ich gehe einen größeren Rucksack kaufen», höre ich Cayden sagen.
«Einen noch größeren Rucksack kriege ich niemals durch die Gegend geschleppt.» Durch das Kissen klingt meine Stimme ein wenig dumpf.