Er schnaubt.
Ich ignoriere das Geräusch. »Und ich habe mich noch nicht damit abgefunden, vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag zu sterben. Also lass mich los. Sofort .«
»Erst zwanzig«, murmelt er. Ich spüre seinen warmen Atem auf meiner Haut. »So jung. Und so naiv.«
»Im Gegensatz zu dir, der du dank deines hohen Alters abgeklärt und weise bist?« Ich schnaube verbittert. »Wie alt bist du? Fünfundzwanzig? Sechsundzwanzig?«
»Auf jeden Fall zu alt für dich.«
»Das passt perfekt, da ich nicht in einer Million Jahren an dir interessiert wäre«, zische ich vernichtend. »Und jetzt lass mich los. Ich meine es ernst.«
»Sonst was?« Der Anflug von Belustigung in seinem Tonfall verrät mir, dass er diesen verbalen Schlagabtausch genießt.
Ich spanne den Kiefer an. »Werde ich … Werde ich …«
»Schreien wie am Spieß? Dir deine winzig kleinen Fäuste wund schlagen?« Er lacht wieder, und ich kämpfe gegen den Drang an, ihm eine Kopfnuss zu verpassen. »Weil das ja bislang so wunderbar funktioniert hat.«
»Du Ausgeburt der Hölle.«
»Du kennst mich doch gar nicht.«
»Und dafür bin ich wirklich dankbar«, schnauze ich. »Jetzt lass mich los.«
»In einer Minute. Sobald du dich beruhigt hast.«
Ich winde mich erneut, aber es ist nur ein halbherziger Versuch. Dadurch gelingt es mir lediglich, mich noch fester auf seinem Schoß zu verkeilen. Selbst in seinem halb betrunkenen Zustand ist er sehr viel stärker als ich.
Zum Teufel damit.
Zum Teufel mit ihm .
Entgeistert erkenne ich, dass es nur einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt. Ich atme scharf aus und konzentriere mich darauf, meinen rasenden Puls zu beruhigen.
Atme, Emilia.
Atme einfach.
Einen Moment lang sitzen wir einfach nur da – zwei Fremde, die im Dämmerlicht fest aneinandergepresst sind. Sein Körper umgibt meinen wie ein stählerner Handschuh. Ich versuche, mich nach und nach zu beruhigen, indem ich mich auf den Rhythmus meiner Atemzüge konzentriere und ihr Tempo an seine anpasse. Und auch wenn es total verrückt ist … auch wenn der Mann an meinem Rücken wahrscheinlich die größte Nervensäge ist, die mir je begegnet ist … spüre ich zum ersten Mal in dieser Nacht, zum ersten Mal, seit ich die Nachricht über die Lancasters erfahren habe … wie die Panik, die durch meine Adern rauscht, ein wenig nachlässt und durch das Aufwallen einer anderen Emotion gedämpft wird. Jeglicher Kampfgeist verlässt mich, und an seine Stelle tritt …
Keine Ruhe.
Keine Gelassenheit.
Keine Vernunft.
Mein Herzschlag, der sich eigentlich verlangsamen sollte, nimmt wieder Fahrt auf. Das Tempo meiner Atemzüge nimmt zu und wird immer schneller, um sich an die warme ausgeatmete Luft anzupassen, die ich an meinem Hals spüre. Ganz unwillkürlich schmiege ich mich ein wenig dichter an seine Brust. Ich spüre, wie sich seine festen Muskeln unter mir anspannen, und sofort schießt ein unerwünschter Schwall aus Erregung direkt zwischen meine Beine.
Oh Gott.
Oh nein.
Das darf nicht wahr sein .
Die Schwingungen in der Luft verändern sich, während sich eine Art der Anspannung so schnell in eine andere verwandelt, dass ich den genauen Augenblick, in dem ich mich in seiner Umklammerung plötzlich nicht mehr wie eine Gefangene fühle, gar nicht benennen kann. Das Ganze verläuft so subtil, dass ich nicht beurteilen kann, in welcher Sekunde sich sein Griff von zwanghafter Kontrolle in etwas … ganz anderes verwandelt.
Was zum Teufel soll das, Emilia?
Du hasst diesen Typen, erinnerst du dich?
Ich höre, wie er scharf einatmet, und weiß, dass er es ebenfalls spürt – diese neue Spannung zwischen uns. Er bewegt die Finger an meinen zerbrechlichen Handgelenken, als würde er um Kontrolle ringen. Nicht über mich, denn ich habe schon längst aufgehört, Widerstand zu leisten.
Sondern über sich selbst.
»Verrate mir deinen Namen«, murmelt er und durchbricht damit die Stille. In seiner Stimme liegt eine neue Dringlichkeit, die zuvor nicht da war. »Verrate mir, wer du bist.«
Ein waghalsiger Teil von mir will ihm etwas Verrücktes zuflüstern – Für dich werde ich die sein, die du haben willst –, nur um zu sehen, wie er reagieren würde. Um ihn vor eine Herausforderung zu stellen und zu sehen, ob er sie meistern kann. Um ihn dazu zu bringen, seine fähigen Hände zu benutzen und damit all die wütenden Gefühle auszulöschen, die durch mein Blut rauschen, bis nur noch besinnungslose Leidenschaft übrig ist.
»Das habe ich dir doch bereits gesagt«, zwinge ich stattdessen als Antwort über meine Lippen. »Ich bin niemand.«
»Warum fällt es mir so schwer, das zu glauben?«
»Keine Ahnung. Vielleicht weil dein IQ sogar noch niedriger als deine Ansprüche ist, sofern der Lippenstiftfleck auf deinem Kragen diesbezüglich irgendwelche Hinweise liefert? «
»Ist da jemand eifersüchtig?«
»Davon träumst du wohl.«
»Mmm.« Seine Nase streift erneut meine Kehle, und ich spüre, wie mein Magen Purzelbäume schlägt. »Ich habe eine sehr lebhafte Fantasie …«
»Du bist abscheulich«, informiere ich ihn mit einer Stimme, die sehr viel überzeugender klingen würde, wenn sie nicht so verdammt hauchig wäre. »Und jetzt lass mich los.«
Er erwidert nichts, aber seinen Griff lockert er auch nicht.
»Du hast gesagt, dass du mich gehen lassen würdest, wenn ich mich beruhigt habe.« Ich schlucke schwer. »Jetzt bin ich ruhig.«
»Bist du das?«
»Ja .«
Er streicht mit den Daumen über die papierdünne Haut, die die Venen in meinen Handgelenken bedeckt, und ich spüre, wie mein Herz als Reaktion darauf einen Schlag aussetzt. »Warum kann ich dann fühlen, wie dein Puls hämmert?«
»Mein Puls neigt zum Hämmern, wenn ich wütend bin.«
»Mhm.«
Ich beiße die Zähne zusammen und ringe darum, die Kontrolle über meinen verräterischen Körper zurückzuerlangen. Ehrlich gesagt hört er mittlerweile gar nicht mehr auf mein Gehirn. Er scheint seine Anweisungen nun von einem ganz anderen Organ entgegenzunehmen. Ein Organ, das südlich der Grenze liegt und vollkommen andere Prioritäten hat.
Verdammt, verdammt, verdammt.
Ich atme ein, um mich zu sammeln, und suche fieberhaft nach einem Fluchtplan, um dieser zunehmend heiklen Situation zu entkommen. »Schön. Dann lass mich eben nicht los.« Ich zucke mit den Schultern. »Aber nur schon mal als Warnung, ich werde mich gleich übergeben. «
»Wird dir vom Autofahren schlecht?«
»Nein. Aber die Tatsache, dass ich so fest an dich gedrückt bin, ruft bei mir Übelkeit hervor.«
Er lacht leise. »Tatsächlich?«
»Ja.«
Er hält sehr lange inne. Als sein Flüstern an mein Ohr dringt, spüre ich, wie meine Körpertemperatur ansteigt.
»Lügnerin .«
Mir fällt keine Erwiderung darauf ein, denn, nun ja … er hat nicht ganz unrecht. Die Wahrheit ist, dass ich aufgrund der Tatsache, dass ich fest an diesen Mann gedrückt bin, viele Dinge verspüre, und Übelkeit gehört nicht dazu. Falls ich fiebrig bin, liegt das allein an meinem Verlangen.
Emilia, was zum Teufel machst du da? Lass dich nicht von deinen Hormonen steuern und konzentriere dich wieder auf die Realität!
Mit einer verzweifelten Bewegung rutsche ich zur Seite und gleite aus seinen Armen auf den Sitz. Zumindest versuche ich es. Irgendwie unterschätze ich in meiner Eile, von ihm wegzukommen, wie nah sich unsere Körper tatsächlich sind. Als ich nach links rutsche, sorgt die Bewegung dafür, dass mein Hintern vollständigen Kontakt zu der Naht an seiner Hose erhält … und zu der nicht zu leugnenden Beule, die sich darunter befindet.
Die Berührung lässt uns beide erstarren.
Heilige.
Scheiße.
Das bloße Gefühl, ihn durch den Stoff meines Rocks zu spüren, jagt eine Schockwelle durch meinen Körper, die heftig genug ist, um auch noch die letzten Reste meiner Kontrolle in Fetzen zu reißen. Ic
h brauche meine ganze Willenskraft, um aufrecht sitzen zu bleiben und die Anspannung in meinen Muskeln aufrechtzuerhalten, denn jedes Atom in meinem Körper verlangt schreiend danach, dass ich das genaue Gegenteil tue. Mein Herz pocht so laut, dass ich mir sicher bin, dass er es an der Schlagader in meinem Hals hören kann.
Ich hasse die Tatsache, dass ein Mann, dem ich nie zuvor begegnet bin, so schnell so heftige Auswirkungen auf mich hat. Ich hasse die Tatsache, dass er sich mir gegenüber bislang nur wie ein Idiot verhalten hat, dass die Welt um uns herum zusammenbricht und dass trotz alledem … Verlangen in meinen Venen pocht wie ein unermüdlicher Trommelrhythmus.
Ich hasse es.
Ich hasse das hier.
Ich hasse ihn.
Also … was sagt es über mich aus, dass ich jetzt gerade erregter bin als je zuvor in meinem Leben?
Mit dir stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Das sagt es über dich aus, Emilia.
Er atmet angestrengt. Mir geht es ähnlich. Der Augenblick dehnt sich immer weiter aus, keiner von uns sagt ein Wort, keiner von uns bewegt auch nur einen Muskel. Ich habe das Gefühl, dass er mich widerstandslos gehen lassen würde, wenn ich jetzt versuchen sollte, mich zurückzuziehen.
Also warum kann ich mich nicht vom Fleck rühren?
»Bitte«, murmle ich schließlich. Was ich eigentlich sagen will, ist: »Bitte lass mich los.« Aber irgendwie gelingt es mir nicht, den Rest der Worte auszusprechen. Aus irgendeinem unbegreiflichen Grund … klingt meine Bitte so, als würde ich um eine ganz andere Art von Erlösung flehen.
»Bitte was , Orchidee?« Seine Stimme ist beinahe ein Knurren.
Ich presse die Lippen fest zusammen, um den kleinen Laut zurückzuhalten, der aus einem düsteren, gefährlichen Ort in meinem Inneren aufsteigt, dessen Existenz ich mir nicht eingestehen will. Ein Ort, der liebend gern zulassen würde, dass sich dieser Fremde auf diesem dunklen Rücksitz alles von mir nimmt, was er haben will. Vermutlich würde das der aufregendste Sex meines langweiligen, durchschnittlichen Lebens sein.
Herrgott, Emilia. Du wurdest entführt, die Welt steht kurz vor dem Zusammenbruch … und du denkst darüber nach, Sex mit einem Mann zu haben, den du verabscheust?
Er bewegt seine Lippen wieder an mein Ohr, und ich stöhne förmlich, als sein warmer Atem mein empfindliches Ohrläppchen streift. »Du hattest recht, weißt du? Mit dem, was du vorhin gesagt hast …«
Ich blinzle begriffsstutzig.
Was habe ich gesagt?
Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht mehr sicher, dass mich das jetzt noch kümmert …
»Ich bin ein herzloses Arschloch«, flüstert er unverblümt. »Und du tätest gut daran, das nicht zu vergessen.«
Bevor ich etwas erwidern kann, löst er sich ruckartig von mir. Sobald er die Hände von meinen Handgelenken löst, verflüchtig sich der Nebel des Verlangens aus meinem Kopf. Umgehend kehrt mein Verstand zurück und mit ihm steigt brennende Scham in mir auf, die ich angesichts meiner eigenen Schwäche verspüre.
Genau das passiert, wenn du zulässt, dass die Hormone die Gewalt über dein Gehirn übernehmen, Närrin …
Mein Gesicht ist unfassbar heiß, als ich unbeholfen von seinem Schoß und zurück auf den Sitz krabbele. Ich ziehe mich so weit von ihm zurück, wie es mir unter diesen beengten Platzverhältnissen möglich ist. Doch es nützt nichts – selbst wenn ich mich an die harte Plastikverkleidung der Tür drücke, kann ich immer noch seine Hände an meinen Handgelenken spüren, seinen Atem an meinem Hals, seine Hitze an meinem Rücken, seine harte Erektion …
Nein!
Nein.
Denk nie wieder darüber nach.
Doch es hat keinen Zweck. Jedes Atom in meinem Körper summt immer noch, weil es mit heftiger sexueller Energie aufgeladen ist, und das trotz der Verlegenheit, die sich in meiner Brust breitmacht.
Er hat nur mit dir gespielt, rede ich mir streng ein. Und du hast zugelassen, dass er dich wie eine verdammte Mundharmonika spielt.
Theoretisch bin ich klug genug, um zu wissen, dass Männer wie er nur Ärger bedeuten. Vielleicht würden dabei für mich ein paar umwerfende Orgasmen herausspringen, aber Ärger würde ich mir trotzdem einhandeln, wenn ich mich auf ihn einließe. Leider ist es in der Realität sehr viel schwerer, die Sehnsucht zu ignorieren, die sich in meinem Blutkreislauf ausbreitet wie eine tödliche Dosis Heroin.
Ich muss ihn nicht anschauen, um zu wissen, dass er mich beobachtet. Das Gewicht seines unerschütterlichen Blicks reizt meine Nervenenden. Ich hoffe, dass er im Dämmerlicht nicht sehen kann, wie rot meine Wangen sind, sind sie doch der Beweis dafür, wie gründlich es ihm gelungen ist, mir innerhalb weniger Augenblicke unter die Haut zu gehen.
»Hör auf, mich so anzustarren«, flüstere ich und behalte den Blick stur geradeaus gerichtet.
Eine sehr lange Pause entsteht. »Wie denn?«
»Als würdest du versuchen zu erraten, welche Farbe meine Unterwäsche hat.«
»Schätzchen, da muss ich nicht raten. Dieser Rock ist so kurz, dass ich mich nur vorbeugen müsste, um es herauszufinden.«
Ich verdrehe die Augen so heftig, dass ich überrascht bin, dass sie nicht an der Rückseite meines Schädels stecken bleiben. »Ehrlich gesagt war ja klar, dass ich von all den Leuten, mit denen ich hätte entführt werden können, ausgerechnet mit jemandem wie dir hier in diesem Auto landen musste …«
»Ich nehme das als Kompliment.«
»Dazu besteht nicht der geringste Anlass.« Ich schüttle den Kopf und senke die Stimme zu einem mürrischen Murmeln. »Offenbar war der Schreck, von muskelbepackten Männern in schlecht sitzenden Anzügen gepackt und in einen SUV verfrachtet zu werden, als wäre das hier eine Szene aus einem schlechten James-Bond-Film, noch nicht traumatisierend genug. Nein! Die wahre Folter besteht in einer einstündigen Autofahrt in Gesellschaft eines unerträglichen Alphamännchens, das einen Komplex von der Größe der königlichen Schatzkammer hat.«
»Weißt du, das ist nicht das Einzige, was bei mir die Größe der königlichen Schatzkammer …«
»Du bist ekelhaft.«
»Witzig, als du dich eben auf meinem Schoß gerekelt hast, habe ich von dir noch ganz andere Signale empfangen.«
»Du meinst, als du mich ohne meine Einwilligung begrapscht hast? Das hat nichts mit Anziehungskraft zu tun. So was nennt man Übergriff.«
Die Luft um uns herum wird so still und so angespannt, dass ich beinahe einknicke und zu ihm hinüberschaue. Wann immer ich ihn bisher beleidigt habe, hat ihn das völlig kaltgelassen. Dieses Mal habe ich jedoch eindeutig einen Nerv getroffen, denn als er die Sprache wiedergefunden hat, liegt keinerlei neckische Absicht mehr in seiner Stimme. Stattdessen klingt sie beinahe wie ein wütendes Knurren.
»Ich habe dich nur festgehalten, weil du dich selbst verletzt hast wie ein Kind, das einen Wutanfall hat. Was danach passiert ist und wie du auf mich reagiert hast – das war etwas anderes. Wenn du es in deinem Kopf so drehen willst, als hättest du es nicht auch gespürt, dann ist das dein gutes Recht. Aber rede nicht von einem Übergriff, wenn wir beide wissen, dass dein rasender Puls und dein feuchtes Höschen eindeutig für etwas anderes sprechen.«
Ich erröte. Seine kalten Worte treffen mich wie ein Schlag ins Gesicht ebenso sehr wie mich meine eigenen in Verlegenheit bringen. Ich öffne den Mund, um mich für meine unüberlegte Anschuldigung zu entschuldigen, klappe ihn dann aber sofort wieder zu.
Ich schulde ihm keine Entschuldigung.
Ich schulde ihm gar nichts .
Er ist nicht mein Freund. Er ist nicht mein Verbündeter.
Er ist bloß ein Fremder in einer misslichen Lage.
Vermutlich ist es sehr viel sicherer, es dabei zu belassen.
Der SUV fährt weiter brummend über die unbekannte Straße. Und obwohl fast eine weitere Stunde vergeht, reden wir nicht noch einmal miteinander. Nicht, als wir spüren, wie das Auto scharf nach links abbiegt. Nicht, als wir langsam zum Stehen kommen. Und auch nicht, als die Anzugtypen die Türen aufreißen und uns in die Nacht hinauszerren.
Wir sind endlich am Ziel.
… wo immer das auch sein mag.
5. KAPITEL
r /> Ich bin mir nicht sicher, was ich erwartet habe.
Irgendeine geheime Einrichtung der caerleonischen Regierung? Einen Bunker aus dem Krieg, der mit halbautomatischen Waffen ausgestattet ist und von Hubschraubern umkreist wird?
Stattdessen finde ich mich in der kreisförmigen Einfahrt eines imposanten Herrenhauses mitten auf dem Land wieder. Meine klobigen schwarzen Absätze sorgen dafür, dass ich auf dem Kies, der den Boden bedeckt, keinen sicheren Halt habe und ein wenig schwanke. Mit seinem Mansardendach und dem Eingangsbereich mit Marmorsäulen weist das dreigeschossige Gebäude beeindruckende Merkmale der Barockarchitektur auf. In jedem Geschoss muss es an die zwanzig Fenster geben, die in regelmäßigen Abständen aufeinanderfolgen und sich über die ganze Steinfassade erstrecken. Sie sind alle hell von innen erleuchtet.
Es ist kein Schloss, aber es ist verdammt beeindruckend.
Ich bin so in Ehrfurcht erstarrt, dass ich mich nicht mehr erinnere, wie ich überhaupt hierhergekommen bin, bis ein Knirschen auf dem Kies direkt neben mir meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Erde holt. Der dunkelhaarige Fremde steht ein paar Schritte von mir entfernt, und sein Tonfall trieft nur so vor Verachtung, als er das Anwesen betrachtet .
»Ich glaube es nicht. Das Lockwood-Anwesen?«, schnaubt er und beäugt den Wachmann, der ihm am nächsten ist. »Die Notfallmaßnahmen sehen vor, dass Sie mich an einen sicheren Ort bringen – nicht an einen, der so weit ab vom Schuss liegt, dass ich mir zweifellos nach nur dreißig Minuten vor lauter Langeweile das Hirn wegpusten will.«
Die Anzugtypen lässt das völlig kalt, was nicht weiter verwunderlich ist. Sie bewegen sich in Richtung Eingang in der Erwartung, dass wir ihnen folgen, aber keiner von uns setzt sich in Bewegung. Ich für meinen Teil habe es nicht eilig herauszufinden, was mich jenseits dieser Schwelle erwartet.
Oder … wer mich erwartet.
Ich lasse den Blick zu dem Mann neben mir wandern. Er ist größer, als ich es im Auto vermutet hätte – deutlich über eins achtzig –, und scheint fest entschlossen zu sein, mir nicht in die Augen zu schauen. Er starrt auf das Haus, als wäre es der Vorhof zur Hölle und kein umwerfend schönes Herrenhaus. Erst jetzt wird mir klar, dass er selbst zum Gefolge der königlichen Familie gehören muss. Seine Anwesenheit hier bedeutet also, dass er entweder mit den Lancasters verwandt ist oder in einer engen Verbindung zu ihnen steht. Ich hoffe wirklich, dass man nicht von mir erwartet, dass ich ihn mit »Eure Durchlaucht« oder »Mylord« oder irgendeinem anderen protzigen Titel anrede … denn das kann er vergessen .
Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition) Page 5