Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition)

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Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition) Page 4

by Johnson, Julie


  »Igitt! Du bist ekelhaft.«

  »Ekelhaft attraktiv?«

  »Nein. Einfach nur ekelhaft. Auf der Liste mit Synonymen kannst du unter ›widerlich‹, ›abstoßend‹ und ›abscheulich‹ nachschlagen.«

  »Du hast ›verabscheuungswürdig‹ und ›verachtenswert‹ vergessen.«

  »Dazu wäre ich schon noch gekommen«, schnauze ich. »Glaub mir, die Liste ist sehr umfangreich.«

  Seine Lippen zucken wieder, und in seinen Augen flammt Hitze auf. Sie wirken wie aufgehäufte Glut, die Funken sprühend zum Leben erwacht, als hätte ich darin gerade ein Streichholz entzündet. Ich muss wohl den Verstand verlieren, denn er sieht beinahe zufrieden aus, weil ich ihn mit mehr als nur ein paar blumigen Worten beleidigt habe. So als wären meine barschen Worte kein Angriff auf seinen Charakter, sondern eher …

  Eine Herausforderung.

  Ich straffe die Schultern, schüttele die seltsamen Gedanken ab und konzentriere mich auf meine aktuelle Situation. Ich weiß nicht, wie es ihm gelungen ist, aber in den letzten paar Minuten hat dieser Fremde es geschafft, mich so wütend zu machen, dass ich komplett vergessen habe, dass ich von einem Trupp bewaffneter Anzugträger in Gewahrsam genommen wurde. Ich weiß nicht, was ich zuerst tun will – ihm ins Gesicht schreien oder ihm diese selbstzufriedene Miene aus der Visage schlagen .

  Doch leider kommt alles anders, denn bevor ich überhaupt irgendetwas tun kann … streckt er eine Hand über den Sitz aus, kommt mir damit viel zu nah und schnappt sich mit Daumen und Zeigefinger eine meiner lilafarbenen Strähnen.

  Ich erstarre.

  Die Worte »Was zum Teufel machst du da?« liegen mir auf der Zunge, aber ich kann sie aus irgendeinem Grund nicht aussprechen. Tatsächlich scheine ich gar nichts unternehmen zu können, außer dazusitzen und ihn im Dämmerlicht anzustarren. Und zu warten.

  Mit einer bewussten Geste, die dafür sorgt, dass ich die Augen aufreiße und mein Herz ins Stocken gerät, streicht er langsam an der Strähne entlang nach unten. Dabei bewegt er die Finger mit überraschender Sanftheit, während er an dem gelockten Haar zieht, um es zu seiner vollen Länge zu strecken. Ich bewege mich nicht. Ich atme nicht mal. Als er endlich das Ende der Strähne erreicht, schaut er zu mir hoch.

  »Weißt du, Orchidee …« Das Schmunzeln kehrt zurück und wird von einem tiefen, heiseren Tonfall begleitet, der zur Folge hat, dass sich meine Kehle zuschnürt. Er lehnt sich vor, als würde er mir ein Geheimnis anvertrauen wollen. »Ich habe gern ein wenig Farbe in meinem Leben.«

  Ich ignoriere mein rasendes Herz und meine brennenden Wangen und schlage seine Hand weg. Die Locke springt zurück nach oben in Richtung meiner Brüste.

  »Behalt deine Hände bei dir, Johnnie.«

  »Johnnie?«

  »Ja. Wegen Johnnie Walker. Wegen des Bourbons. Wegen des Gestanks, der aus jeder deiner Poren dringt«, erkläre ich süßlich und deute auf ihn. »Du hast schließlich mit den Spitznamen angefangen.«

  Er lacht nicht. Er lächelt nicht einmal. In seinem Blick liegt keinerlei Belustigung. Nur reine, abschätzende Aufmerksamkeit, während er dasitzt und mich dabei beobachtet, wie ich ihn beobachte. Er lässt seinen vom Alkohol verklärten Blick über meinen Körper wandern und nimmt sich die Zeit, jede Einzelheit zu begutachten. Das sorgt dafür, dass mein Puls unter meiner Haut gefährlich in die Höhe schnellt. Ich bin mir nicht sicher, ob ihn der Alkohol enthemmt hat oder ob er sich einfach immer so verhält, selbst wenn er nüchtern ist. Zumindest momentan strahlt er reine sexuelle Anziehungskraft und pures männliches Anspruchsdenken aus.

  Ich muss nur einen Blick auf ihn werfen, um zu erkennen, dass er der perfekte Spieler ist. Ein Mann, der die Karten so gekonnt mischt, dass man gar nicht weiß, wie einem geschieht. Und eh man sich’s versieht, befolgt man plötzlich seine Regeln und jagt den Würfeln nach, die er wirft. Denn man will ihm unbedingt beweisen, dass man nicht nur eine weitere Tussi ist, die er benutzen und dann fallen lassen kann.

  Ich bin solchen Männern schon zuvor begegnet. Spielern. Vielleicht nicht welchen seines Kalibers, aber ganz sicher Männern, die auf dem Gebiet Laien waren, auf dem er ein Profi ist. Sie treiben sich in jedem dunklen Pub und in jedem Seminarraum auf dem College herum. Man muss nur nach dem attraktivsten Mann im Raum Ausschau halten, nach dem, der diese berauschende Mischung aus Selbstvertrauen und Herablassung auszustrahlen scheint … und sie wie eine Waffe gegen jede Frau einsetzt, die seinen Weg kreuzt, damit er sie mit geradezu skrupelloser Effizienz erobern kann.

  Tja, ich habe keine Lust auf Spielchen. Weil ich nur zu gut weiß, worauf das hinausläuft, wenn es um Männer wie ihn geht …

  Das Haus gewinnt immer.

  »Da ist schon wieder dieser vernichtende Blick«, sagt er, als würde er mit sich selbst sprechen. »Das dürfte lustig werden. «

  »Verzeihung?«

  »Wusstest du, dass dein Gesicht all deine Gedanken preisgibt? Gerade bereitest du dich offensichtlich darauf vor, mir eine Standpauke zu halten. Spuck schon aus, was du sagen willst, ich habe nicht die ganze Nacht Zeit.« Er hält inne. »Eigentlich habe ich doch die ganze Nacht Zeit. Aber das bedeutet nicht, dass ich sie damit verbringen will, mir diese umfangreiche Liste mit Unzulänglichkeiten anzuhören, die du in unserer kurzen gemeinsamen Zeit zusammengestellt hast.«

  Uff! Der Kerl hat vielleicht Nerven …

  Ich versuche, die richtigen Worte zu finden, doch es fällt mir schwer. Ich bin nervöser, als ich zugeben will. Dieser Mann hat einfach etwas an sich, das in mir alle möglichen Emotionen gleichzeitig auslöst: Abscheu, Verwirrung, Neugier – das alles kocht gleichermaßen in mir hoch und versetzt mein Blut in Wallung, bis ich kaum noch Luft bekomme.

  »Die Zeit läuft, kleine Orchidee«, sagt er gedehnt und stachelt mich an. »Mir tut langsam der Nacken weh, weil ich die ganze Zeit zu dir hochstarren muss, während du auf deinem hohen Ross sitzt.«

  Das reicht.

  Er will eine Standpauke?

  Gut.

  Die kann er haben.

  »Du hast gesagt, dass du meinen Typ kennst, richtig?« Ich ziehe die Augen zusammen und fixiere ihn. »Tja, ich kenne deinen auch. Du bist ein Meister darin, Leute zu manipulieren. Ein herzloser Spieler. Du würdigst Frauen herab, damit du dich selbst erhabener fühlst. Du bringst dich mit kleinen gönnerhaften Kommentaren ganz bewusst in eine Machtposition. Du gibst dich überlegen, weil du weißt, dass du dadurch unerreichbar wirkst. Und Frauen mögen nichts lieber als einen Mann, den sie nicht haben können, richtig?« Meine Stimme wird kalt. »Aber die Sache ist die: Wenn du tatsächlich ein Mann wärst, der es wert wäre, dass man seine Zeit mit ihm verbringt, müsstest du dich nicht so sehr anstrengen, um die Leute dazu zu bringen, dir das zu glauben. Du müsstest andere Leute nicht auseinandernehmen, um dich großartig zu fühlen.« Ich lehne mich nach vorn und atme schwer. »Mein Haar mag eine Methode sein, um mich zu verstecken, mein Gesicht mag meine Gefühle preisgeben … aber du – du bist nur Schall und Rauch. Du hast eine große Klappe, aber nichts dahinter. Und ich durchschaue dich ohne Probleme.«

  Ich rechne damit, dass er zusammenzuckt. Dass er vor der Beleidigung zurückweicht. Dass er mich böse anstarrt oder etwas erwidert, das sogar noch scheußlicher ist. Stattdessen … tut er etwas Unerwartetes. Etwas, das mich vollkommen verwirrt.

  Er lächelt.

  Er lächelt tatsächlich, als hätte ich ihn ernsthaft amüsiert. Ich sehe makellose weiße Zähne aufblitzen, die einen großen Bissen aus meinem pochenden Herzen reißen. Dann lehnt er sich ohne ein weiteres Wort auf dem Sitz zurück, neigt den Kopf nach hinten und schließt die Augen.

  Für ihn ist diese Unterhaltung eindeutig beendet.

  Er ist fertig mit mir.

  Ich weiß nicht, warum mich das so sehr überrascht.

  Ich weiß nicht, warum ich deswegen so seltsam enttäuscht bin.

  Ich weiß nicht, warum ich mich nun, da ich ihm all diese wütenden Worte an den Kopf geworfen habe, so leer fühle.

  Ich schlucke schwer, schaue nach vorn und rufe mir ins Gedächtnis, dass ich gerade weitaus größere Probleme habe, um die ich mich kümmern muss. Allen voran die Tatsache, dass ich
immer noch auf dem Rücksitz eines SUV eingesperrt bin und mitten in der Nacht über eine mir unbekannte Straße rase.

  Oder hast du vergessen, dass du gegen deinen Willen mitgenommen wurdest? Dass sie deinem besten Freund eins mit der Pistole übergezogen und ihn dann blutend in einer dunklen Gasse zurückgelassen haben? Dass du, so gern du es auch leugnen würdest, eine ungute Ahnung hast, wer genau diesen Männern den Befehl erteilt hat, dich aus deinem Leben zu reißen und in ein Auto zu verfrachten, das mehr als deine jährlichen Studiengebühren kostet?

  Konzentriere dich darauf, Emilia.

  Und … ignoriere ihn.

  4. KAPITEL

  Wir fahren lange Zeit schweigend durch die Nacht.

  Ich stelle schon sehr bald fest, dass es nicht leicht ist, den Mann, der im Dämmerlicht neben mir sitzt, zu ignorieren. Ich habe mich dicht an die Türverkleidung gepresst, um so weit weg von ihm zu sein, wie es mir körperlich möglich ist, aber er scheint trotzdem den ganzen Raum im Auto einzunehmen. Seine Anwesenheit lässt sich nicht einfach auslöschen. Es ist, als hätte er die chemische Zusammensetzung jedes einzelnen Luftmoleküls verändert, das in meine Lunge eindringt, als hätte er meine Sinne umgarnt, um das Einzige zu sein, was sie noch wahrnehmen können.

  Mach dich nicht lächerlich, Emilia.

  Mit beträchtlicher Mühe zwinge ich mich dazu, unsere seltsam aufgeheizte Unterhaltung in meinem Kopf nicht immer und immer wieder abzuspulen. Stattdessen konzentriere ich meine Gedanken auf die Dinge, die wirklich wichtig sind – nämlich von hier zu verschwinden und ein paar Antworten zu erhalten. Nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.

  Vielleicht … Ich werfe einen Blick zu meinem Mitgefangenen und stelle fest, dass er die Augen immer noch geschlossen hält. Ich frage mich, ob er das Bewusstsein verloren hat. Vielleicht weiß er etwas …

  Allein bei der Vorstellung, auch nur den Versuch zu unternehmen, eine weitere Unterhaltung mit ihm zu führen, verziehe ich das Gesicht. Schließlich ist unser letztes Gespräch nicht gerade reibungslos verlaufen. Aber meine Optionen sind begrenzt. Er mag ein totales Arschloch sein, aber er ist auch der einzige Verbündete, den ich gerade habe. Der einzige Mensch, der mit mir in dieser absurden Situation feststeckt.

  Also selbst wenn ich ihn gerne für den Rest aller Zeiten ignorieren würde … Falls auch nur die geringste Chance besteht, dass er etwas weiß …

  Muss ich ihn fragen.

  Ein paar weitere Minuten vergehen in Schweigen, bis ich endlich all meinen Mut zusammennehme, ihn anzusprechen. Ich räuspere mich ganz leicht, um die Stille zu durchbrechen. »Hör mal, wir beide hatten zweifellos einen schlechten Start …«

  Er schnaubt.

  Okay. Dann hat er eindeutig nicht das Bewusstsein verloren.

  »Hör zu, wir müssen keine Freunde werden, aber …«

  »Wow«, sagt er affektiert. »Das trifft mich. Zutiefst .«

  Ich beiße die Zähne zusammen und ignoriere seine alberne Bemerkung. »Weißt du zufällig, was wir hier machen? Warum diese Leute uns geschnappt haben?«

  »Warum sie mich geschnappt haben? Ja.« Er hält inne. »Bei dir bin ich mir nicht so sicher.«

  »Was zum Teufel soll das heißen?«

  »Es bedeutet, du Nervensäge, dass ich weiß, warum ich jetzt gerade in diesem Auto sitze. Aber deine Anwesenheit ist und bleibt mir ein Rätsel.« Er öffnet endlich die Augen und schaut blitzartig zu mir herüber, um mich mit seinem Blick festzunageln. »Also bin ich, was das betrifft, genauso neugierig wie du.«

  »Was meinst du damit? «

  »Wer bist du?«

  Ich versteife mich. »Niemand. Ich bin niemand.«

  »Das bezweifle ich doch stark.«

  Ich versuche, den Blick abzuwenden, aber seine Augen – diese blauen, blauen, blauen Augen – halten mich gefangen.

  »Du wärst nicht in diesem Auto, wenn du ein Niemand wärst. Also … Wer bist du? «, fragt er erneut und deutlich ungeduldiger. »Eine Freundin von Chloe? Octavias neue Assistentin? Geralds lang verschollene Nichte?«

  »Wovon zum Teufel redest du da?« Ich schlucke schwer und hoffe, so ein wenig von der Panik zu vertreiben, die in meiner Brust aufsteigt. »Hör zu, hier muss ein Irrtum vorliegen. Ich sollte gar nicht hier sein. Ich kenne keine dieser Personen, die du gerade erwähnt hast. Ich bin niemand von Bedeutung.«

  Er hebt abwehrend die Hände und lehnt sich dann wieder gegen den Sitz, um erneut die Augen zu schließen. »Wie du willst.«

  Ich drehe meinen Körper von ihm weg, verschränke die Arme vor der Brust und starre eisern auf die getönte Scheibe.

  Tja, das war ein totaler Fehlschlag …

  Wir fahren weiter, und nur das Geräusch der Reifen auf der Straße durchbricht die Stille zwischen uns. Es ist so ruhig, dass ich jeden seiner gleichmäßigen Atemzüge hören kann. Ihn scheint unsere Situation nicht sonderlich zu beunruhigen. Tatsächlich wirkt er sogar regelrecht entspannt. Er stellt einen ärgerlichen Gegensatz zu meinem eigenen verängstigten Zustand dar.

  »Wie kannst du so ruhig sein?«, schnauze ich, nachdem eine weitere Minute in vollkommenem Schweigen vergangen ist, und schaue wieder zu ihm hin, obwohl ich mir alle Mühe gebe, es nicht zu tun.

  Er öffnet nicht einmal die Augen .

  »Hallo? Kannst du mich hören? Oder hast du so viel Alkohol intus, dass du ins Koma gefallen bist?«

  Der einzige Hinweis darauf, dass er mir zuhört, ist das leichte Zucken seiner Lippen, die sich zu einem Schmunzeln verziehen.

  »Wir müssen uns eine Strategie überlegen. Ich denke, dass wir zusammen eine Chance haben könnten, diese Männer zu überwältigen, wenn sie die Tür öffnen. Wenn wir …«

  Er schnaubt – laut – und öffnet endlich die Augen. »Ist das dein Ernst?«

  »Natürlich ist das mein Ernst!«

  »Schätzchen, es war eine lange Nacht. Eine Nacht, in der ich mich eigentlich hemmungslos betrinken wollte, um all den Mist zu vergessen, der heute passiert ist. Stattdessen stecke ich hier nun mit einer durchgeknallten lilahaarigen Elfe fest, die entweder wirklich unterbelichtet ist oder einfach nur so tut. Und zu allem Überfluss ist mir auch noch der Bourbon ausgegangen. Was bedeutet, dass mir schon sehr bald ein gewaltiger Kater bevorsteht.« Er schließt einmal mehr die Augen. »Also nein. Ich werde mir mit dir keine ›Strategie überlegen‹. Ich werde schlafen, und wenn ich aufwache, wird dieser ganze verfluchte Tag hoffentlich nur ein Albtraum gewesen sein. Dich eingeschlossen.«

  Lilahaarige Elfe?

  Albtraum?

  Gott, er ist so ein Arschloch. Ich hätte wissen sollen, dass er in etwa so nützlich wie ein Handy mit leerem Akku sein würde. Aber ich werde mich von seiner pessimistischen Einstellung nicht anstecken lassen. Wenn er sich nicht zusammen mit mir wehren will … werde ich es eben einfach selbst machen müssen.

  Wut brennt in mir wie Feuer, als ich mich der Trennwand zuwende und anfange, mit beiden Fäusten darauf einzuhämmern. Ich lege meinen ganzen Zorn in jeden Schlag.

  »LASST MICH HIER RAUS!«

  Ich hämmere und hämmere, bis meine Hände wund sind und wehtun.

  Ein Dutzend Schläge.

  Fünfzig.

  Einhundert.

  »LASST! MICH! RAUS!«

  Meine heiseren Schreie werden von den Schlägen untermalt, mit denen ich mich immer stärker selbst verletze. Meine Muskeln schmerzen von der Anstrengung, aber ich höre nicht auf.

  »WO BRINGT IHR UNS HIN?«

  Eine wütende Träne rinnt über meine Wange. Ich halte nicht inne, um sie wegzuwischen.

  »IHR VERDAMMTEN MISTKERLE!«

  Er bewegt sich so schnell, dass ich ihn gar nicht kommen sehe. In einem Moment hämmere ich noch gegen die Trennwand, im nächsten drückt er mich fest an seine breite Brust und umfasst meine Handgelenke mit seinen kräftigen Händen. Mein Hintern ruht fest auf seinen unnachgiebigen Oberschenkeln. Ich versuche, mich loszureißen, aber seine Arme sind wie Stahlbänder. Man würde eine Ladung Sprengstoff benötigen, um mich aus seiner Umklammerung zu befreien.

  Als sein Mund auf mein Ohr trifft, verfalle ich in vollkommene Schockstarre. Ich wage es nicht einmal z
u atmen und sitze wie angewurzelt da – ein hilfloser Vogel zwischen den Pranken eines Löwen.

  Eine falsche Bewegung und er könnte mich in Stücke reißen.

  »Das reicht«, befiehlt er in einem leisen Tonfall, der irgendwie jeglicher Sanftheit entbehrt – wie das Flüstern einer scharfen Klinge, die zwischen zwei Rippen dringt. Ich winde mich, aber er lässt mich nicht los. Tatsächlich zieht er mich nur noch fester an sich, bis ich jede wundervolle Vertiefung seiner Brust dicht an meinem Rücken spüren kann. Aus dieser Nähe ist sein Duft – alter Zigarettenrauch und teurer Bourbon und etwas Würziges, das ich nicht so richtig benennen kann – berauschend genug, um meinen Kopf schwirren zu lassen.

  »Lass mich los«, zische ich mit zusammengebissenen Zähnen.

  »Das werde ich, wenn du dich bereit erklärst, dich nicht mehr selbst zu verletzen.«

  »Mich selbst zu verletzen? Ich versuche, uns aus diesem Schlamassel zu befreien.«

  »Schätzchen, wir kommen hier nicht raus.«

  »Du hast es ja nicht mal versucht!«

  »Es gibt da etwas, das du über mich wissen solltest …« Seine Nase streift seitlich meinen Hals, und ich versuche, nicht zu erschaudern. »Ich gebe mir keine Mühe, wenn ich weiß, dass es nichts bringt. Ich stecke meine Energie lieber in … aussichtsreichere … Unterfangen, bei denen ich davon ausgehen kann, dass das Ergebnis zufriedenstellend sein wird. Für alle Beteiligten.«

  Meine Oberschenkel ziehen sich unwillkürlich zusammen. Ich hätte nie gedacht, dass das Wort »aussichtsreich« so verdammt sexy sein könnte.

  Das war eindeutig ein Irrtum.

  »Hör mir jetzt gut zu«, blaffe ich. »Dich mag die Tatsache, dass wir hier drinnen gefangen sind, vollkommen kaltlassen. Aber vermutlich werden uns diese Leute an Zuhälter verkaufen, die uns dann zur Prostitution zwingen. Oder an internationale Organhändler. Oder … an irgendwelche anderen illegalen Geschäftemacher, über die Netflix in den kommenden Monaten zweifellos eine Dokumentation herausbringen wird … «

 

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