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Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition)

Page 8

by Johnson, Julie


  Was nun offenbar auch mich einschließt.

  Emilia Victoria Lancaster.

  Die aufgrund ihrer Abstammung rechtmäßige Kronprinzessin von Caerleon.

  Ich verziehe das Gesicht.

  Ich würde nur zu gerne so tun, als wäre das alles ein alberner Witz, aber ich weiß es besser. Linus – ich kann mich nicht dazu durchringen, ihn anders zu nennen, nicht mal in meinem Kopf – meint das vollkommen ernst. Er beabsichtigt, mich öffentlich als designierte Erbin zu benennen. Er will mich vor der ganzen Welt als sein Kind anerkennen.

  Wie absurd ist das denn bitte?

  Ich meine … es ist der Traum jedes unehelichen Kinds. Nicht wahr? Von jemandem beansprucht zu werden. Legitimiert zu werden. Zu erleben, wie der Elternteil, der einen nie haben wollte, plötzlich wieder auftaucht und einem mitteilt, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hat. Dass es ihm leidtut. Dass von nun an alles anders laufen wird.

  Verdammt, das war einst auch mein Traum.

  Aber jetzt nicht mehr .

  Weil ich jetzt weiß, dass Träume immer einen Haken haben. Wie Mom immer sagte: Wenn etwas zu gut erscheint, um wahr zu sein … dann liegt das normalerweise daran, dass es so ist.

  Ein Zittern sorgt dafür, dass meine Zähne klappern. Gott, es ist eiskalt. Ich kann der Verlockung von Wärme und Zuflucht im Inneren des Herrenhauses immer schwerer widerstehen, je länger ich hier draußen auf dieser durchnässten Bank hocke. Ich wische mir den Regen aus den Augen und werfe einen sehnsüchtigen Blick auf das Lockwood-Anwesen.

  Zwei meiner Wachen stehen in den Schatten des großen Hauses und werden von dem Licht umrissen, das aus den Fenstern im Erdgeschoss strömt. Sie behalten mich trotz des stetig zunehmenden Regengusses im Auge. Sie haben noch nicht versucht, mich mit Gewalt nach drinnen zu befördern, aber ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Schließlich sind sie durch einen Schwur dazu verpflichtet, mich zu beschützen – und sei es vor meinen eigenen sturen Entscheidungen.

  »Ich muss schon sagen«, kommentiert eine ironische Stimme aus dem Dunkeln und erschreckt mich halb zu Tode. »Das ist der beste Plan, den ich je gesehen habe.«

  Ich werfe den Kopf herum und atme scharf ein, als ich Carter dort im Regen stehen sehe. Sein weißes Anzughemd klebt an seiner muskulösen Brust wie eine zweite Haut. Herr im Himmel. Es sollte verboten sein, dass jemand so heiß aussieht, wenn er pitschnass ist. Vor allem wenn dieser Jemand mein neuer Stiefbruder ist.

  »W… was?«

  »Das hier.« Er zuckt mit den Schultern. »Du nimmst es in Kauf zu erfrieren, nur um keine Prinzessin werden zu müssen. Das wird sicher funktionieren, aber ich denke, dass es eine einfachere Möglichkeit geben muss. «

  Ich versuche zu lachen, aber der Laut, der aus meinem Mund kommt, klingt stattdessen verdächtig nach einem Schluchzen. »Klar. Tja, lass es mich wissen, wenn dir eine einfällt, denn ich bin schon eine ganze Weile hier draußen und zermartere mir das Hirn, und bislang ist mir nichts eingefallen.«

  »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich kann sehr viel effektiver denken, wenn es um mich herum warm ist. Und trocken. Vorzugsweise habe ich dabei auch noch ein Glas Bourbon in der Hand.« Er zögert für eine Sekunde. Dann kommt er einen Schritt auf mich zu und streckt seine Hand aus. »Komm schon.«

  Ich rühre mich nicht vom Fleck, sondern lege einfach nur fragend den Kopf schief. »Ich dachte, du solltest ein Arschloch sein.«

  »Das bin ich auch.«

  »Was du nicht sagst. Meiner allgemeinen Erfahrung nach stellen sich Arschlöcher nicht den Elementen, um einer … als was hast du mich vorhin noch gleich bezeichnet?« Ich verziehe die Lippen. »Oh, ich erinnere mich. Um einer ›durchgeknallten lilahaarigen Elfe‹ zu helfen, die sie kaum kennen.«

  »Schön.« Er zieht seine Hand zurück. »Vergiss es. Meinetwegen kannst du hier erfrieren.«

  Er grummelt vor sich hin und macht sich über einen der Gartenpfade davon, bis er nach ein paar Schritten zwischen zwei Rosenbüschen verschwindet. Bevor ich genug Zeit habe, es mir auszureden, stehe ich auf und renne hinter ihm her.

  »Warte!«, rufe ich atemlos und rutsche beinahe auf dem glatten Steinpfad aus, während ich schlingernd um einen stacheligen Busch fege. »Warte, Carter, ich habe dich doch nur … uff! «

  Ich pralle so heftig gegen seine Brust, dass es mir die Luft aus der Lunge presst. Er schnauft vor Schmerz und biegt sich nach hinten, um den Aufprall abzufangen. Dabei legt er die Hände automatisch um meine Oberarme und stützt mich mit seinem Körper. Ich lange mit den Händen an seine Seiten und klammere mich mit aller Macht am feuchten Stoff seines Hemds fest.

  »Großer Gott!«, flucht er.

  »Tut mir leid!«, keuche ich. »Wirklich, ich wollte nicht …«

  »Für eine so winzige Person bringst du ganz schön viel Wucht mit.«

  Die Entschuldigung, die mir auf der Zunge liegt, kommt nicht über meine Lippen. Stattdessen breche ich in unkontrollierbares Lachen aus. Carter blinzelt zu mir herunter und zieht besorgt die dunklen Augenbrauen zusammen. Aus irgendeinem Grund bringt mich das nur noch mehr zum Lachen.

  Tief im Inneren weiß ich, dass nichts an diesem Tag auch nur im Entferntesten amüsant ist. Aber gerade im Moment fühle ich mich derartig vom Wahnsinn besessen, dass ich mich nicht im Geringsten darum schere, wie eine Verrückte zu wirken, die wild lachend im Regen steht.

  In den Armen meines Stiefbruders.

  Der abstruse Gedanke sorgt dafür, dass ich erneut in Gelächter ausbreche. Ich versuche, mich zusammenzureißen, aber ich kann nicht. Freudentränen – oder sind es am Ende vielleicht doch echte Tränen? – vermischen sich auf meinem Gesicht mit dem Regen. Carter legt die Finger fester um meine Arme, aber ich spüre sie kaum. Ich schwebe außerhalb meines Körpers, fühle mich leichter als Luft, leichter als Wind, leichter als das Gewicht der erdrückenden Verantwortung, die auf meinen Schultern lastet. So leicht, dass ich davonschweben würde, wenn er mich losließe – hoch, hoch und immer höher bis zu den Sternen hinauf, wo es keine Wörter wie »Geburtsrecht« oder »Schicksal« oder »Thronfolge« gibt, die mich nach unten drücken.

  »Hey! Hey .« Er schüttelt mich sanft. »Emilia. «

  Das ist das erste Mal überhaupt, dass er mich bei meinem Namen nennt, und das Gefühl, das damit einhergeht, schießt durch meinen Körper wie ein Stromschlag. Mein Gelächter verpufft so plötzlich, wie es entstanden ist, und hinterlässt einen hohlen Schmerz, der mir Angst einjagen würde, wenn ich irgendetwas spüren könnte.

  »Emilia?«

  »Es geht mir gut«, flüstere ich mit einer Stimme, die ich kaum als meine eigene erkenne. »Ich komme schon wieder in Ordnung.«

  »Gott, deine Haut ist eiskalt.« Er reibt meine Arme. »Wir müssen dich nach drinnen bringen.«

  »Ich will noch nicht wieder rein.«

  »Tja, das ist Pech. Denn das steht nicht zur Diskussion.«

  »Bitte.« Meine Stimme bricht, als ich dieses eine Wort ausspreche. »Zwing mich nicht, wieder da reinzugehen. Bitte, Carter …«

  Er atmet scharf ein. Seine Augen blitzen in der Dunkelheit auf, und in ihren Tiefen schwimmen Gedanken, die zu entschlüsseln ich mich fürchte. Und ich weiß, dass es falsch ist … aber jetzt gerade in diesem Moment fühle ich mich so schwach, dass es keine Rolle zu spielen scheint. Ich schlinge die Arme um seinen Rücken, lehne mich vor und sauge ihn in mich auf.

  Seine Hitze.

  Seine Stärke.

  Er verspannt sich, aber ich halte ihn nur noch fester – ich klammere mich an ihn, als wäre er mein Rettungsring in tosendem Wasser, als wäre er das Einzige, das meinen Kopf über den Wellen der Erschöpfung hält, die durch meinen Körper rauschen.

  Nach einem Augenblick spüre ich, wie er sein Kinn auf meinen Kopf legt. Nach einem weiteren Augenblick schlingt er die Arme vorsichtig um meinen Rücken. Er hält mich, als wäre er aus der Übung – als hätte eine simple Umarmung so wenig mit seiner normalen Welt zu tun, dass er nicht sicher ist, wie er dabei vorgehen soll. Tatsächlich würde ich Mitleid für ihn empfinden, wenn ich auch nur noch ein winziges Fitzelchen Emotionen übrig hätte, das ich für jemand anders erübrige
n könnte.

  Es mag vollkommen absurd erscheinen, aber wir stehen sehr lange im strömenden Regen und halten einander fest. Umarmen uns. Und die ganze Situation ist nicht von knisternder Spannung erfüllt wie auf der Rückbank des SUV. Sie ist nicht mal im Entferntesten erotisch. Hier geht es einfach nur darum, dass ein Mensch ein verzweifeltes Bedürfnis nach Trost verspürt und ein anderer ihn festhält und diesen Trost bereitwillig spendet.

  Oder vielleicht rede ich mir das auch einfach nur ein.

  Ich versuche, nicht an den Duft seiner Haut zu denken … den Klang seiner Atemzüge, den ich trotz des trommelnden Regens vernehme … die Konturen seiner Brustmuskeln unter meiner Wange … die Tatsache, dass unsere Münder nur wenige Zentimeter voneinander entfernt wären, wenn ich mein Gesicht zu seinem hochdrehen würde …

  Lass los.

  Tritt zurück.

  Geh weg.

  Ich ignoriere meinen eigenen Rat viel zu leichtfertig. Ich hole tief Luft, lege den Kopf in den Nacken und schaue zu ihm hoch. Sofort treffen seine Augen auf meine – blau, blau, blau und voller Fragen, die ich nicht beantworten kann. Aus dieser Nähe kann ich die schmalen marineblauen Ringe ausmachen, die seine Regenbogenhäute umgeben.

  »Danke«, flüstere ich und wünschte, dass meine Stimme nicht so zittern würde .

  Er erwidert nichts – er reagiert eigentlich gar nicht, hebt aber eine Hand und streicht mir langsam eine nasse Haarsträhne aus den Augen. Der heftige Regen lässt nicht nach und bespritzt unsere Gesichter. Ich starre auf die Tropfen, die an seinen Wimpern hängen, und beobachte, wie er sie wie Tränen fortblinzelt. Dabei ignoriere ich den Teil von mir, der sich danach sehnt, sie zu kosten, während sie über seine Wangen rinnen.

  »Carter, ich … ich …«

  Ein leiser Laut grummelt tief in seiner Kehle, als er sich dicht an mich heranlehnt und so den winzigen Abstand zwischen uns verschwinden lässt. Für einen winzigen Augenblick denke ich, dass er etwas vollkommen Verwegenes tun wird …

  Stattdessen lässt er die Arme sinken und zieht sich zurück.

  »Wir sollten gehen«, sagt er tonlos und schiebt die Hände in die Hosentaschen, während er es vermeidet, mich anzusehen. »Sie werden schon nach uns suchen.«

  »Klar. Natürlich.« Ich presse meine runzligen Finger fest zusammen, drehe ihm den Rücken zu und gehe den Pfad entlang, der zurück zum Haus führt, und zwar so schnell mich meine Füße tragen.

  Vor zehn Minuten wäre ich lieber die ganze Nacht über hier draußen geblieben, als noch einmal einen Fuß in dieses Herrenhaus zu setzen. Nun sieht das Lockwood-Anwesen verdammt gut aus – zumindest verglichen mit der Aussicht, auch nur eine weitere Minute in inniger Umarmung mit meinem neuen großen Bruder zu verbringen.

  7. KAPITEL

  In diesem Haus spukt es.

  Hier mag es zwar keine echten Geister geben, aber es gibt geisterhafte Wachen und Bedienstete, die sich lautlos durch die zahlreichen Korridore bewegen. Nur hin und wieder lässt ein leises Knarren der Bodendielen ihre Anwesenheit erahnen. Vielleicht bin ich paranoid, aber ich kann einfach das Gefühl nicht abschütteln, dass die ganze Zeit über Augen auf mich gerichtet sind.

  Sie beobachten mich.

  Und warten.

  Während wir in einem halbdunklen Flur in einem der oberen Stockwerke stehen, trete ich nervös von einem Fuß auf den anderen. Carter wühlt unterdessen auf der Suche nach Handtüchern in einem Wäscheschrank herum. Meine Beine, die nach dem Erklimmen dieser endlosen Treppe immer noch schmerzen, tropfen unablässig, bis sich auf dem Parkettboden unter meinen Füßen eine kleine Pfütze bildet.

  »Hier.«

  Es ist das erste Wort, das aus seinem Mund kommt, seit wir aus dem Garten zurück ins Haus gegangen sind. In dem unheimlich stillen Haus könnte es ebenso gut ein Schrei sein. Ich erschaudere und schaue mich um. Hier gibt es zu viele Zimmer mit verschlossenen Türen, zu viele umherhuschende Schatten, zu viele Fremde, die gerade so außer Sichtweite auf der Lauer liegen.

  »Hier« , wiederholt Carter ungeduldig und schüttelt das Handtuch, das er umklammert hält.

  Ich schnappe es mir und wickele den warmen Stoff um mein vom Regen durchnässtes Oberteil und den kurzen Rock. Beide Kleidungsstücke kleben nun eng genug an meinen Kurven, um selbst einer billigen Prostituierten die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Carter nimmt sich ein eigenes Handtuch aus dem Schrank und tritt die Tür zu. Der Knall sorgt dafür, dass ich vor Schreck in die Luft springe.

  »Entspann dich«, murmelt er. Seine Stimme klingt gedämpft, weil er sich gerade mit dem Handtuch das Gesicht abtrocknet. »Octavia hat mittlerweile längst ihr Schlafmittel genommen. Und Linus mag zwar König sein, aber der Mann könnte eine verdammte Revolution verschlafen. Er würde erst aufwachen, wenn man ihn auf die Guillotine gelegt hätte, um ihm den Kopf abzuschlagen.«

  »Das muss praktisch gewesen sein, wenn du dich als Teenager nachts aus dem Haus schleichen wolltest«, murmle ich und wringe Wasser aus meinen Haaren.

  Er zieht die Augenbrauen hoch. »Das musste ich nie heimlich machen. Die Lancasters sind nicht unbedingt Anhänger der aktiven Erziehung, wie du schon bald herausfinden wirst.«

  »Oh?« Meine tauben Finger fangen an zu kribbeln, als meine Durchblutung wieder in Gang kommt. »Du gehst also davon aus, dass ich bleibe.«

  »Etwa nicht?«

  »Warum sollte ich?«

  Er sieht mich wortlos an.

  »Ich kann nicht einfach mit den Fingern schnippen und … königlich werden.« Schon das Wort lässt mich das Gesicht verziehen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung von diesem Leben.«

  »Lass es dir von jemandem sagen, der mit diesem Leben aufgewachsen ist: Der Großteil besteht aus langweiligen Staatsbanketten und gelegentlichen Einweihungsfeiern oder Wohltätigkeitsveranstaltungen. Lächeln. Winken. Den Mund halten.« Er zuckt mit den Schultern. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie dich in einer Führungsrolle sehen wollen. Sie brauchen jemanden, den sie als Beweis dafür präsentieren können, dass die Blutlinie der Lancasters munter und wohlauf ist. Jemanden, den sie der Öffentlichkeit als Beweis vorführen können, dass der Fortbestand der Monarchie nach dem Tod von König Leopold und Königin Abigail nicht gefährdet ist.« Er zieht die Augen zusammen und starrt mich an. »Da Henry im Krankenhaus liegt … bist du momentan so ziemlich die einzige verbliebene Person auf diesem Planeten, die diese Rolle übernehmen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich einfach so gehen lassen werden. Ob es dir nun gefällt oder nicht … du bist ein unverzichtbarer Bauer in dieser speziellen Schachpartie.«

  »Meinst du, ich wüsste das nicht?«, schnaube ich wütend. »Meinst du, mir wäre nicht klar, dass der einzige Grund, warum ich gerade hier in diesem Flur stehe und mit dir rede, darin besteht, dass sie buchstäblich keine anderen Optionen zur Verfügung haben?« Meine Stimme schnellt eine Oktave höher. »Seht nicht hin, sie haben ein uneheliches Kind aus den Schatten gezerrt! Sie haben wirklich die letzten Möglichkeiten ausgeschöpft, nicht wahr?«

  »Das meinte ich nicht.«

  »Aber es ist die Wahrheit.« Ich schüttle den Kopf. »Hast du irgendeine Ahnung, wie es sich anfühlt, sein ganzes Leben damit zu verbringen, auf Bestätigung von jemandem zu warten und sie dann endlich zu bekommen … aber aus den absolut falschen Gründen?«

  Seine Miene versteinert sich. »Nein . Die habe ich verdammt noch mal nicht.«

  Stimmt. Davon kann er ja gar keine Ahnung haben – nicht mit Octavia als Mutter. Sie wirkt nicht unbedingt wie der Typ Mensch, der anderen Bestätigung zukommen lässt.

  Ich öffne den Mund, klappe ihn aber sofort wieder zu. Es hat kaum Sinn, ihn die Dinge aus meiner Perspektive sehen zu lassen. Lord Carter Thorne ist in diesem Leben voll übermäßigen Reichtums und bedeutender Verantwortungen aufgewachsen. Er könnte niemals verstehen, wie seltsam das Ganze für jemanden wie mich ist – eine gewöhnliche junge Frau, die man einfach so in ein Spiel geworfen hat, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, ihr die Regeln zu erklären.

  Ich werfe einen Blick zu der Tür des Zimmers, das das Hauspersonal auf Simms’ Anweisung hin für mich vorbereitet hat. In der dari
n eingelassenen Halterung für das Namensschild befindet sich ein Kärtchen, auf dem in verschnörkelter Schönschrift mein lächerlicher neuer Titel steht.

  Ihre Königliche Hoheit Emilia Victoria Lancaster

  »Ehrlich gesagt ist das Ganze ohnehin bloß ein theoretisches Problem«, sage ich nach einem langen Moment, als ich den Blick endlich von der Tür losreiße. »Weil sich Prinz Henry erholen wird. Er wird die Krone übernehmen, er wird das Land regieren … und ich werde in mein altes Leben zurückkehren.«

  »Bist du wirklich so wild darauf, dorthin zurückzukehren?«, fragt Carter und sieht mich an, als wäre ich ein Rätsel, das er nicht lösen kann. »Die meisten Frauen wären völlig aus dem Häuschen, wenn ihnen jemand mitteilen würde, dass sie in einem Schloss leben und eine Krone tragen dürfen. Das ist doch der Traum einer jeden Frau, oder etwa nicht? «

  »Meiner nicht.« Ich ziehe das Handtuch von meinen Schultern und falte es zusammen. »Ich habe in Vasgaard Verpflichtungen. Ich kann das nicht alles einfach ignorieren, weil irgendeine altmodische Repräsentationsfigur mit den Fingern schnippt und verlangt, dass ich mein Leben, mein Praktikum und meinen Platz an der Universität aufgebe. Ganz zu schweigen davon, dass es Menschen gibt, die mir wichtig sind …« Owens Gesicht blitzt vor meinem inneren Auge auf, und sofort überkommen mich Schuldgefühle. Er muss außer sich vor Sorge sein. »Ich kann ihn nicht einfach verlassen«, beende ich den Satz leise und schüttle den Kopf.

  Carters Blick wird scharf wie eine Klinge, die mich schneidet, wann immer er mein Gesicht betrachtet. »Die arme kleine Prinzessin kann ihren Geliebten nicht sehen, weil man sie zu einem Mitglied der königlichen Familie gemacht hat. Verschone mich. Das ist kein echtes Problem, und das weißt du. Du suchst nur nach Gründen, um etwas aus dem Weg zu gehen, das dir Angst einjagt.«

  Ich zucke angesichts seiner harschen Worte zusammen. »Wie ich sehe, verhältst du dich jetzt wieder wie ein Arschloch.«

  »Das passt doch. Schließlich bist du wieder mal durchschaubarer als Klarsichtfolie.«

  Ich starre ihn böse an. »Warum interessiert dich das alles überhaupt? Welche Entscheidungen ich treffe? Die Frage ob ich bleibe oder nicht?«

 

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