Schließlich sah er sie, kleine Männer, vollkommen kahlköpfig, nicht einmal ein Ansatz von Flaum, wie er bei allen Aleneshi außerhalb der Höhlen zu sehen war, die er bisher getroffen hatte. Ungewöhnlich große, blassblaue, fast weiße Augen. Ähnliches hatte er bisher nur bei kleinen Tieren der Nacht gesehen. Und die Haut war so grünlichblass, dass sie eher wie Leichen schienen, denn wie lebendige, atmende Wesen. Erst später, als sich seine Augen an das Licht gewöhnt und er bemerkt hatte, dass es von grünlich schimmernden Moosen ausging, wurde ihm bewusst, dass auch seine Haut grünlich erschien, aber nicht so blass.
Shaljel winkte ihn heran und Estron wurde von oben bis unten begutachtet. Mehrfach wurde an seiner Kleidung und an seinen Haaren gezupft. Er wurde gekniffen und auch leicht geboxt. Er blieb jedoch still und versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen. Bei verschiedenen Feenvölkern und auch bei Menschen hatte er schlimmeres erfahren, aber Shaljel dauerte die Prüfung anscheinend zu lange, denn er erklärte plötzlich mit scharfer Stimme: „Ir wisset, dere Gode in erkiesene hat.”
Schlagartig ließen die Aleneshi von ihm ab und machten den Weg frei. Der Feen schritt voran, energisch und ganz ohne die müden Schultern der alten Männer, die ihm und dem Keinhäuser folgten. Anscheinend hatte sich der Besuch eines Menschen herumgesprochen, denn sobald der Gang etwas breiter wurde, säumten ihn Scharen von Aleneshi. An den vielen Kindern erkannte Estron bald, dass er anscheinend eine Art Familienattraktion war, aber anders als in den meisten Fällen, wenn man ihn als Belustigung vorgeführt hatte, waren hier viele dabei, die ihre Blicke abwandten und offensichtlich einen großen Widerwillen, wenn nicht sogar Ekel ihm gegenüber empfanden. Unwillkürlich begannen ihm Tränen die Wange hinunterzulaufen, weil er sich plötzlich seiner immer fortwährenden Scham gegenüber den vielen Völkern, denen seines Unrecht getan hatte, bewusst wurde. Und selbst für diese Tränen schämte er sich, weil sie so ungenügend erschienen, angesichts des Leides. Einige Kinder zeigten mit Fingern auf ihn und einige Stimmen wurden laut. Er war sich sicher dass man ihn gleich mit etwas bewerfen würde, oder sogar zu Waffen griffe, um sich seines Anblicks zu entledigen. Aber ob die Aleneshi so viel besser waren als die Menschen, oder ob es die Anwesenheit der Priester und Shaljels war, nichts dergleichen geschah und Estron erreichte, unter Tränen zwar, jedoch unbeschadet die Höhle des Gottes.
Dort hatte er jedoch nicht mehr genügend Zeit, all die Eindrücke, die plötzlich auf ihn einstürzten aufzunehmen, zu viel überflutete seine Sinne und zu schnell wurde seine Welt von etwas anderem eingenommen. Das pulsierende, rote Licht, die Stille, die Abwesenheit anderen Lebens, das seltsame Brummen und Pochen, welches dennoch kein Geräusch war. Und mit einem Mal der Gott in all seinen Gedanken, all seinem Fühlen.
Es war wahrlich ...
Bis an sein Lebensende konnte Estron nicht beschreiben, wie es sich anfühlte. Er meinte entsetzliche Furcht zu verspüren, was verständlich war in der Anwesenheit eines Gottes. Aber das war nicht das Gefühl, welches ihm der Gott vermittelte. Auch war da diese Ruhe gemischt mit einem tiefen Frieden, gleichzeitig aber auch Ausgelassenheit und Freude. Trauer schien da zu sein, Sehnen, Liebe, Schmerz und Hass. Er hatte all dies schon gefühlt und noch mehr. Er hatte sich den meisten Gefühlen schon so vollkommen hingegeben, wie es nur wenige Menschen bei einem Gefühl vermochten, wenn sie im Frühling ihrer Gefühle in den Taumel der Liebe und Lust verfielen. Aber niemals hatte er es in solcher Intensität gespürt. Dennoch war dies immer noch nicht alles.
Estron bemerkte gerade noch, wie er auf die Knie sank, dann wurde seine Welt schwarz.
Als er erwachte lag er immer noch vor dem Stein, das Pulsieren war jedoch abgeebbt und nichts schien mehr von ihm auszugehen. Er war dankbar dafür. Shaljel saß hinter ihm, Estrons Kopf in seinem Schoß. Sanft streichelte er über seine Haare.
„Gut, dass du wach wirst, die Priester werden langsam ungeduldig.”
„Wie lange war ich ohnmächtig?”
„Ohnmächtig würde ich es nicht nennen.”
„Shaljel, bitte, ich brauche jetzt keine Wortklaubereien, mein Kopf schmerzt, mein Herz schmerzt. Eigentlich schmerzt alles.”
Shaljel erstarrte mitten in seiner Streichelbewegung. Estron hatte ihn bei seinem Namen genannt. Leise fluchte er in jener Sprache, die er nur verwendete, wenn er mit Anai redete.
„Nichts hat der Gott mit mir gemacht!” Ruckartig setzte sich der Keinhäuser auf und blickte den Feen erstaunt an. Shaljel erwiderte nur kurz den Blick und starrte stattdessen den roten Stein mit säuerlicher Miene an.
„Antworte mir Anai, was hast du mit ihm gemacht.” Wieder bediente er sich der alten Sprache, diesmal nicht, um seine Sätze vor Estron geheim zu halten, sondern weil er fürchtete, dass unter den gebildeten Priestern einer sein könnte, der eine der anderen Sprachen, derer er sich hätte bedienen können, kannte und seine blasphemischen Äußerungen verstünde.
Es kam jedoch keine Antwort. Anai schwieg.
„Du bist mir verdammt nochmal eine Antwort schuldig!”
Estron sah die Aleneshigestalt betroffen an. „Bitte hör auf zu schreien? Was ist geschehen dass du auf den Gott schimpfst?”
„Was geschehen ist? Was geschehen ist? Nichts ist geschehen! Nur dass du tot warst. Kein Herzschlag, kein Leben in dir, ich kann sowas sehen. Für zwei ganze Stunden. Und hättest du dabei nicht die ganze Zeit aufrecht gekniet, dann hätte ich dich vermutlich schon den Sturzpriestern hier übergeben. Das ist passiert! Und dann wachst du auf und kannst das alte Ra-ulisch verstehen. Das geht nicht. Du kannst Ra-ulisch nicht verstehen können. Das ist unmöglich. Nur zwei Personen können seit über 4000 Jahren diese Sprache noch sprechen. Die eine bin ich und die andere bist nicht du.”
Der Mensch war tief betroffen langsam vor dem heftigen Ausbruch des kleinen Mannes zurückgewichen.
„Und dann nennst du mich auch noch bei meinem Namen, ganz ohne Unterwürfigkeit und Ehrfurcht.” Letzteres kam etwas ruhiger dafür vorwurfsvoller heraus.
*Ich habe ihm Wissen gegeben. Wissen und Selbstvertrauen. Er hat einen schweren Weg vor sich und der Tod wird sein ständiger Begleiter sein, damit andere weiterleben können.* Endlich antwortete Anai. Der Klang seiner ruhigen, monotonen Stimme in Shaljels Kopf, der er nur mühsam und über viele Jahrhunderte Gefühl beigebracht hatte, machte den Feen jedoch nur noch wütender.
„Und wer bist du, dass du das Leben der Menschen und Aleneshi bestimmst? Dass du deine Macht missbrauchst, um sie zu verändern?”
*Ich bin ihr Gott.*
„Ja, das ist leicht: 'Ich bin ihr Gott'. Damit redest du dich jetzt schon heraus, seitdem du den ersten Priestern, die dich nicht als Emaofhia verehrten, Macht verliehen hast. 'Ihr Gott'. Du bist Anai, ein Ra-ula, der einen Privatkrieg mit den Drachen führt.”
*Du hast Recht.*
„Ich habe Recht? Mehr hast du dazu nicht zu sagen?”
*Du hast Recht, dass ich es damals nicht soweit hätte kommen lassen dürfen und du hast Recht, dass es ein Fehler ist, sich nur auf meinen Status zu berufen. Aber ich versuche diesen Fehler zu beheben, oder wenigstens den Menschen einen Ausweg aufzuzeigen. Und Estron ist der erste, der diesen Weg beschreitet. Ihm werden viele folgen. Er wird die neue Priesterschaft begründen. Natürlich wird dies zu Leid führen, zu Krieg, zu Hass, zu Folter und zu Tod. Aber so werden auch die Priester des alten Glaubens wieder zu ihren Wurzeln finden können. Und bevor du jetzt etwas sagst: ja, es ist auch ein Schlag gegen die Drachen, aber das ist nur ein Nebengedanke bei dieser Gnade, die ich Estron erwiesen habe.*
Shaljel schwieg.
*
Mit einem kurzen Schrei erwachte Pethen. Hylei hockte neben ihm und zog ihre Hand erschrocken zurück.
„Psst. Ich bin es nur. Niemand anderes.”
Pethen sah sich um. Seit dem Kampf mit dem Priester hatte sich seine Sicht der Welt verändert. Immer mehr überlagerten sich der Blick mit den Augen und der Blick mit dem Geist, so dass er, während sie rannten oft stehen blieb, nur um sich sicher sein zu können, dass er nicht gegen etwas lief, dass, anders als all die anderen durchlässigen Dinge in seinem Weg, doch einen Widerstand geliefert
hätte. Nicht, dass er nicht sowieso ständig stehen bleiben musste, um ein wenig zu Atem zu kommen. Hylei legte mit ihren grazilen aber kräftigen Beinen ein Tempo vor, mit dem ein kleiner Magierlehrling wie er einfach nicht mithalten konnte. Und das ungerechte dabei war, dass sie nach ihrem Zauber gesagt hatte, dass sie bereits erschöpft gewesen sei. Wie schnell konnte sie denn laufen, wenn sie ausgeruht war?
Und jedes Mal, wenn er stehen blieb, rannte Hylei ein Stückchen weiter, bevor sie bemerkte, dass niemand mehr hinter ihr her tappte. Dann kehrte sie um, damit sie ihm einen bösen Blick oder auch ein paar hässliche Worte an den Kopf schmeißen konnte.
Sie waren in die Nacht hinein gelaufen. Beide zu erschöpft, um sich darüber Gedanken zu machen, dass Menschen in einem dunklen Wald kaum die Hand vor Augen sehen konnten. Hyleis Erfahrung als Sammlerin ihres Volkes kam ihnen hier zu statten, denn so war es ihr möglich, die Anzeichen für Siedlungen rechtzeitig zu erkennen und ihnen auszuweichen. Aber schließlich hatte sich Pethen an einen Baum lehnen müssen, um ein letztes Mal Luft zu holen, und war einfach umgefallen. So ging es jetzt schon zwei Tage und jeden Abend war er zu erschöpft gewesen, um noch irgendetwas sagen zu können. Hylei hatte ihn einfach schlafen lassen, bis ihn die Geräusche des Waldes weckten.
Aber heute hatte sie ihn geweckt, oder zumindest hatte sie ihn wohl versucht zu wecken, denn der Mensch war aus irgendeinem Grund sicher, dass sie ihn noch gar nicht berührt hatte.
„Hier hast du etwas zu essen.” Damit reichte der Feenling dem am Boden liegenden Pethen einige Wurzeln und Beeren, die wenig appetitlich auf einem großen Blatt zusammenrollten. Aber er wollte sich nicht beschweren, denn er hatte noch nichts zu ihren Mahlzeiten beigetragen.
Mühsam richtete er sich auf. Er meinte, dass ihm jeder Knochen wehtat, denn der nackte Waldboden hatte ihn ausgekühlt. Erst nachdem er sich langsam aus der Hocke aufgerichtet hatte, bemerkte er, wie hungrig er tatsächlich war und nahm die Gabe dankbar an. Hastig und zur Belustigung Hyleis schlang er das Essen herunter. Erst dann blickte er sie wieder an.
„Danke. Das war sehr nett.”
„Gut, dann können wir ja jetzt weiter.” Hylei tastete nach ihren Waffen und wandte sich ab.
„Du willst schon wieder los? Können wir nicht noch einen Moment bleiben? Hast du denn gar nichts zu sagen? Wir laufen jetzt seit Tagen durch die Gegend und das einzige was ich von dir höre, ist, dass wir weiter müssen.”
Mit grimmigem Blick drehte sich Hylei wieder zu Pethen hin.
„Was? Wir müssen weiter. Da gibt es nichts zu besprechen. Je weiter wir von der Schule weg sind, desto besser.”
„Wenn du es so eilig hast, warum hast du mich dann nicht einfach liegen gelassen? Warum hast du mich dann nicht einfach gleich bei der Schule gelassen? Ich bin viel langsamer als du und behindere dich nur. Und du magst mich nicht mal besonders.”
Einen kleinen Moment, nur einen kleinen Moment lang, zögerte Hylei, bevor sie antwortete:
„Weil ich dich noch brauche. Du fällst nicht so auf wie ich. Außerdem kann ich vielleicht noch was von dir lernen.”
„Was von mir lernen? Was sollst du von mir lernen können? Ich kann nichts von dem, was du beherrschst. Ich kann nur ganz andere Sachen.”
„Aber du hast die Übungen alle gemacht und kannst sie mir zeigen.”
„Und das ist es? Deswegen bringst du dich in Gefahr?” Pethens Ton war vielleicht ein wenig zu anklagend, aber er hätte selbst nicht sagen können, warum er sich daran stieß. Hyleis Antwort fiel entsprechend ärgerlich aus:
„Verdammt noch mal. Was hast du denn? Muss ich mich jetzt anmeckern lassen, dass ich dir helfe?”
„Nein, das meine ich doch gar nicht. Entschuldigung. Es ist nur, dass du die ganze Zeit immer so ablehnend warst. Ich wundere mich nur.”
„Dann wundere dich, und lass mich mit deinen Fragen in Ruhe.”
Damit stapfte sie von dannen und Pethen fragte sich schon, ob sie ihn jetzt doch zurück lassen würde. Einige Schritte von ihm entfernt verzögerte sie jedoch und kam schließlich wenig später zum Stehen, wartete dort, ohne ihn anzusehen. Pethen schloss zu ihr auf.
„Entschuldigung. Ich weiß nicht, was ich eigentlich damit sagen wollte. Aber wo sollen wir jetzt hingehen?”
Hylei zog die Schultern hoch. „Ich weiß es auch nicht. Mir fällt nur ein Ort ein, und dort sind wir nicht willkommen.”
„Würden sie uns töten?”
„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, aber sicher bin ich nicht.”
„Hört sich für mich an, als wenn es ein Ort wäre, an den ich nicht gehen möchte. Aber vermutlich finden wir an jedem anderen Ort noch sicherer den Tod, oder?”
*
„Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.”
„Und da fragst du mich? Bisher wusstest du genau, was du wolltest. Und einen Teil davon hast du jetzt erreicht. Der Gott hat dir Wissen geschenkt.”
Estron schüttelte den Kopf.
„Ich habe gar nichts erreicht. Ich wollte wissen erwerben. Es ging nie um den Besitz.”
„Aber wozu wolltest du es dann erwerben, wenn du es nicht besitzen wolltest? Das macht doch keinen Sinn!”
„Ja, das stimmt, aber andererseits macht es wieder Sinn.”
„Hör mal zu: Ich bin der Feen von uns beiden, Ich habe das Anrecht darauf, unlogisch zu handeln und Unsinn zu reden. Du bist ein Mensch, fast ein Ra-ula. Du musst logisch sein.”
„Auch das weiß ich ...”
„Ach wirklich?” Shaljel sah den Keinhäuser mit großen Augen an.
„Ja. Emaofhia hat mir gezeigt, wie Feen eigentlich sind. Und ich bin froh, dass ich dir und keinem anderen Feen begegnet bin.”
Mit ihren wenigen Haaren selbst in den Augenbrauen, waren Aleneshi nicht dafür prädestiniert, die Augenbraue hochzuziehen. Aber der Blick Shaljels war beinahe körperlich zu spüren.
„Außerdem ist es auf einer Ebene tatsächlich logisch, dass ich immer das Wissen gesucht habe, denn ich wusste nicht wirklich, was ich suchte und bildete mir nur ein, dass es Wissen sei. Aber eigentlich habe ich die Erfahrungen gesucht. Und die hat mir der Gott nicht gegeben.”
„Aber dann ist doch alles gut, denn wir werden heute noch aufbrechen und du wirst so viele Erfahrungen machen, wie du dir nur wünschen kannst.”
„Aber jetzt habe ich plötzlich eine Aufgabe. Ich meine, ich hatte vorher auch schon eine Aufgabe, aber diese hatte ich mir selbst gestellt. Jetzt hat mich Emaofhia damit beauftragt, über die Macht der Natur zu predigen, zu so vielen Menschen wie möglich zu sprechen, sie zu bekehren. 'Bekehren', wie sich das anhört. Ich bin doch kein Priester! Ich bin der Keinhäuser. Kam-ma und Tro-ky sind mir nur gefolgt, weil sie von zuhause fort wollten und alles, was ich bisher anderen 'gepredigt' habe, war nur, was ich selbst erlebt habe, was jeder hätte erleben können. Ich will nicht predigen. Die Priester jagen mich doch jetzt schon. Was werden sie tun, wenn ich tatsächlich Anfange, den Menschen zu sagen, dass der Glaube der Priester nicht der Glaube ist, mit dem sie Emaofhia nahe kommen?”
„Bist du sicher?”
„Was meinst du?”
„Das dir deine Schüler nur gefolgt sind, weil sie was erleben wollten. Auf mich haben sie die ganze Zeit eigentlich nicht den Eindruck gemacht, als würden sie darauf aus sein, ihre Triebe ausleben zu wollen. Eher das Gegenteil. Sie verehren dich. Sie wollen so sein wie du.”
Estron blieb stehen und hielt sich mit einer Hand an einem Felsen fest, den sie auf dem Weg von den Höhlen hinunter zum Hof umrunden mussten. Ihm war klar, dass er, bevor der Gott ihn berührt hatte, diesen Weg im Dunkeln kaum so leicht hätte gehen können. Aber das war nur ein kleiner Gedanke am Rande. Jetzt war wichtiger, dass er sich eingestehen musste, dass Shaljel Recht hatte. Und viel mehr: dass er, Estron es die ganze Zeit selbst schon gewusst hatte, es sich aber nicht hatte eingestehen wollen.
„Ja, du hast Recht. Sie sind nicht nur meine Schüler, sie sind auch Gläubige. Und das bedeutet, dass ich wohl ihr Priester bin.”
„So weit wäre ich nicht gegangen, aber vermutlich kann man es so sehen.”
Shaljel setzte sich wieder in Bewegung un
d Estron folgte ihm, tief in Gedanken versunken.
Als sie endlich den Hof erreichten, fanden sie Tro-ky und Kam-ma vor der Hütte sitzend. Kam-ma war eingeschlafen zuckte aber hoch, als Tro-ky sie leicht anstubste sobald er seinen Meister in der Dunkelheit bemerkt hatte. Sie erhoben sich langsam. Anscheinend hatten sie schon lange auf der nackten Erde gesessen. Mit einem zucken, das wie ein Blitzschlag in Estrons Gehirn fuhr, konnte er plötzlich sehen, wie Tro-ky einen Schritt nach vorne machen wollte, noch ehe die Muskeln mit der Bewegung begonnen hatten. Shaljel war plötzlich neben ihm und stützte ihn. Tro-ky führte die Bewegung nie zu Ende sondern erstarrte erschrocken.
In diesem Moment begriff Estron, dass das Wissen, welches ihm der Gott gegeben hatte, nicht nur in der Vergangenheit lag.
Ohnfeder erwachte am nächsten Morgen von den Geräuschen in ihrem Haus. Der erste Gedanke, der ihr klar durch den Kopf schoss war: „Wer wagt es, einfach in meinem Haus zu werkeln?”
Sie sprang auf griff nach ihrer Waffe und hatte die Hand bereits an der Tür, um sie aufzustoßen, als ihr plötzlich einfiel, dass es nur einen geben konnte, der es wagen würde in ihr Haus einzudringen, bevor sie aufgestanden war. Und dieser jemand konnte nur Shaljel sein.
Gefasster öffnete sie die Tür und lächelte, als sie sah, wie geschäftig er hin und her huschte.
„Ich höre euch wohl, liebe Frouwe, aber ihr verzeiht, wenn ich schnell alles bereiten möchte und nicht vor euren Füßen liege, um eure Schönheit zu bewundern.”
Ohnfeder lachte über sein vornehmes Getue, aber auch um ihre Verlegenheit ob des Kompliments zu verbergen. Gleichzeitig fasste sie an ihren immer runder werdenden Bauch. Aleneshi liebten die Rundungen an den Körpern, ob nun bei Männern oder bei Frauen. Und die Rundung eines schwangeren Bauchs hatte so manchen Bauern zum Poeten werden lassen. Einige der schönsten, und auch frivolsten Lieder, die man auf den Festen hören konnte, besangen den dicken Bauch. Sogar in einige Gebete hatte der Bauch Einzug gehalten.
Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 28