Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm

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Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 29

by Peter Singewald


  Etwas mühsamer, als es notwendig gewesen wäre, wankte Ohnfeder zu ihrem Stuhl, den Bauch immer weit vor gestreckt.

  Auf dem Tisch lag ein großes Essen ausgebreitet, grösser als sie für gewöhnlich ihre Abendmalzeiten hielten. Ein kurzer Gedanke der Sorge fuhr Ohnfeders durch den Kopf, aber schnell erinnerte sie sich daran, dass das, was ihre Gäste in ihrer Vorratskammer hinterließen jedes noch so üppige Mal aufwiegen würde.

  Neben der Tür hatte Shaljel mehrere Beutel aus einfachem Tuch zu einem Haufen gestapelt. Woher er das Tuch hatte, wusste sie nicht, aber der Haufen machte ihr klar, dass sie bald wieder allein auf dem Hof sein würde. Traurig ließ sie den Kopf hängen.

  „Dann geht ihr heute also wirklich. Noch ein Essen und dann lasst ihr mich wieder allein, nicht wahr?”

  Langsam kam Shaljel zu ihr hinüber und hockte sich neben sie.

  „Du wusstest, dass wir irgendwann wieder gehen mussten. Es tut mir leid, dass wir nicht länger bleiben können, aber wir haben schon länger verweilt, als wir eigentlich sollten.”

  „Ich hatte nur gehofft, dass du bei der Geburt dabei wärst.”

  „Ich? Da würden sich die Hebammen schön bedanken.”

  Ohnfeder blickte ihn prüfend an: „Hebammen? Ich hatte eigentlich nur an eine gedacht. Du hast schon alles geplant und vorbereitet, oder?”

  „Eigentlich bilde ich mir immer ein, dass ich kein großer Planer bin, aber ich mache mir einfach Sorgen um dich, selbst wenn ich weiß, dass über dich gewacht werden wird.”

  „Über mich gewacht?” fragte Ohnfeder grimmig. „Ich weiß nicht, ob ich wirklich möchte, dass der Gott über mich wacht. Nachher fällt ihm noch etwas Neues für mich ein, mit dem er mein Leben auf den Kopf stellen kann.”

  „An Emaofhia hatte ich eigentlich nicht gedacht, wobei vermutlich er auch nach dir sehen wird, Ich habe den Nachbarn jedoch eine gehörige Portion Gottesfurcht eingebläut, damit sie dir helfen und immer jemand in deiner Nähe ist. Und ich hoffe, dass, wenn sie es nicht aus Furcht vor Emaofhia tun, es sie wenigstens aus Furcht vor mir tun werden.” Shaljel schmunzelte und auch Ohnfeder konnte unter dem scheltenden Blick, den sie ihm zuwarf, das Lächeln nicht ganz verbergen.

  „Was hast du ihnen gesagt? Du hast ihnen hoffentlich nicht gedroht.”

  „Lass es einfach auf sich bewenden. Ich denke, sie werden sich zur Genüge kümmern.”

  In diesem Moment versuchte Streiter höflich an die Tür zu klopfen. Obwohl die Tür geschlossen war, konnte man sicher sein, dass es Streiter war, denn gleich, wie sehr er es auch versuchte, seine Tatzenhände verursachten immer einen ganz besonderen Klang.

  Shaljel eilte zur Tür und öffnete sie, um seinen Schüler hereinzuwinken. Hinter dem großen Wolf standen die drei Menschen, müde von der langen Nacht. Ohne viel Aufheben begannen sie mit ihrem Mal, wobei Ohnfeder immer wieder zu Estron hinüberblickte, der es vermied, irgendjemanden anzublicken. Kam-ma und Tro-ky schienen ein wenig eingeschüchterter zu sein als sonst und auch Streiter warf dem Keinhäuser ab und zu einen abschätzenden Blick zu.

  Und Shaljel beobachtete sie alle. Er konnte nicht sagen, warum, aber es machte sein Herz schwer, sie so zu sehen, vor allem Estron, der immer noch versuchte, sein altes Leben weiterzuführen.

  Es war bedrückend. Bald wäre das Mahl beendet. Sie würden noch aufräumen. Shaljel würde Ohnfeder umarmen, Streiter sich vor ihr verbeugen, die drei Menschen unter ihren missbilligenden Blicken vor ihr Niederknien.

  Dann würden sie gehen und niemals zurückkehren.

  *

  „Lass mich dir erklären, warum du mir alles erzählen wirst.” Enk näherte sich dem Gesicht des Priesters. „Ich bin ein Mensch, der sehr viel Geduld hat und ich bin ein Mensch, der sehr genau weiß, an welchen Orten er die meisten Schmerzen verursachen kann.” Langsam richtete er sich wieder auf, entfernte sein Gesicht von dem vor ihm knienden Priester, verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

  „Und du bist ein Mensch, der zwar weiß, wie er Schmerzen verursachen kann, sie aber nicht gut aushält. Zudem hast du keine Geduld. Deswegen werde ich dir länger Schmerzen bereiten können, als du sie bereit bist auszuhalten.”

  Er drehte ihm den Rücken zu und betrachtete für einen Augenblick die Folterinstrumente in der Kammer. Ein Blick auf die Feuerstelle, in der die Zangen erhitzt wurden, in welcher sich jedoch nur noch ein wenig Glut befand. Mit einer langsamen Drehung des Kopfes zu Tür blicken, gemächlich zu ihr schlendern und mit dem Gehstock, der zu seiner Tarnung als Invalider gehörte, leicht gegen das Schloss und den Balken klopfen, die die Tür von innen verriegelten. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass der Priester mit seinen Augen jeder seiner Bewegungen folgte. Bei ihnen wurde so etwas „Das Zeigen der Instrumente” genannt, um dem Gefangenen schon im Vorhinein so viel Angst zu machen, dass man eventuell gar nicht mehr zu Foltern brauchte.

  Man durfte nicht darüber nachdenken, was er hier eigentlich tat.

  Zehn Tage hatte er benötigt, um an die Informationen zu gelangen, die er gesucht hatte. Fasanal hatte, wie Yalamari, keine direkten Beweise gebracht. Aber die Quellen waren reichlich mit Hinweisen auf seltsame Ereignisse gespickt gewesen. Die Hilfe durch die Bibliothekare war weit weniger zuvorkommend gewesen, aber am Ende war Enk doch an all die Schriften gelangt, die er hatte sehen wollen. Nicht so sauber, nicht so unauffällig wie in Yalamari, aber das Ergebnis zählte auch wenn die Spur denkbar schwach war.

  Außerdem hatte er in dieser Zeit auch ein Auge auf den Tempel der Priester von Sonne und Schwert gehabt, hatte sich in den Kneipen umgetan und war nun sicher, dass er einen Priester ausgemacht hatte, den er nach weiteren Informationen angehen konnte.

  Er wusste, dass solche Euphemismen ein schlechter Charakterzug waren. Er wäre entsetzt gewesen, wenn eines seiner Kinder auch nur annähernd so skrupellos gewesen wäre, wie er. Aber er hatte vor vielen Jahren aufgehört, seine Taten vor sich selbst zu verteidigen und akzeptiert, dass er kein Mensch war, dem er selbst vertraut hätte. Dabei hatte er niemals vergessen, wie sein Clan einen guten Menschen definierte, einen guten Mann und eine gute Frau. Er hoffte, dass Sheka aus seinen Söhnen gute Männer machen würde. Aber der Weg, den er betreten hatte, bedeutete, dass er kein guter Mann sein durfte, wenn er ein lebendiger Mann bleiben wollte.

  „Und was möchte ich wohl wissen?” Langsam drehte er sich wieder zu dem gefesselten Priester um. Gemächlich ging er auf ihn zu und beugte sich langsam zu ihm herunter, um ihm in die Augen zu sehen.

  „Nun, zuerst natürlich, ob du schreien wirst, oder mit mir zusammen arbeitest, und mir in aller Ruhe antwortest.” Er richtete sich wieder auf. „Nick einfach, wenn du begierig darauf bist, mir zu antworten und wisse, dass ich den Knebel sehr schnell wieder in deinen Mund drücken werde, solltest du versuchen, um Hilfe zu rufen. Dabei werden dir vermutlich einige Zähne herausbrechen und anschließend muss ich dir, weil du dich als Lügner herausgestellt hast, eines dieser Eisen in deine Fußsohlen rammen.” Enk winkte wie beiläufig zu den heißen Eisen hinüber. Der Priester schien einmal zu schlucken, nickte dann aber eifrig.

  Viel schneller, als der Priester es bei einem Invaliden für möglich gehalten hätte, war Enk hinter ihm. Während er den Knebel schmaler schraubte, hauchte er ihm ruhig ins Ohr: „Eine weise Entscheidung. Ich sehe, wir werden uns hier unten gut verstehen. Sag mir erst einmal deinen Namen.”

  Der Priester würgte für einen Moment, als der Knebel seinen Mund verließ und stieß dann hervor: „Jufem ... Bruder Jufem heiß ich.”

  „Gut, Jufem. Du brennst sicher darauf zu wissen, warum dieser Wahnsinnige sich die Mühe macht, dich hier zu fesseln.” Ängstlich nickte Jufem und biss sich schlagartig auf die Lippe, als eine Klinge gegen seine Kehle gedrückt wurde.

  „Du hältst mich also für Wahnsinnig?” Enks Stimme klang wütend, unkontrolliert, gefährlich, aber innerlich lachte er. Ein Spiel. Ein böses, böses Spiel.

  „Du hast Glück, dass ich noch etwas von dir wissen möchte.” Die Klinge entfernte sich von der Haut.

  „Ihr habt Aufzeichnungen über einen Zauberer, der seit vielen Jahren immer wieder diese Gegend berei
st und oft mit den Hutzlern zusammen ist.” Eine bloße Vermutung, aber Enk war sich nach den letzten Nachforschungen fast vollkommen sicher. „Erzähl mir davon.”

  Jufem kam nicht einmal mehr auf die Idee, etwas vor diesem Mann zu verheimlichen. Die Worte sprudelten aus ihm heraus und er begann aus Angst zu stottern, wann immer ihm nichts mehr einfallen wollte.

  Das gute an den Priestern von Sonne und Schwert war, zumindest was Enk anging, dass sie so vieles sammelten und bemüht waren, sich ein Bild vom ganzen zu machen. Sie waren solch eine ergiebige Informationsquelle.

  Zwei Stunden hatte er mit Jufem verbracht. Zwei Stunden, in denen er ihm nicht nur die wichtigsten Informationen zu dem Feen entlockt hatte, sondern auch viel über die Strukturen in den Tempeln der Gegend, die Passwörter und potentielle Helfer erfahren hatte.

  Jufem war fast erleichtert gewesen, als er die Ordensgeheimnisse hatte Preis geben können, nachdem ihm der wahnsinnige Mann, dem er sich gegenüber fand, immer wieder beiläufig die exquisitesten Schmerzen zugefügt hatte. Deshalb hatte Enk ihm einen schnellen und möglichst schmerzlosen Tod gewährt. Er hätte ihn gerne am Leben gelassen, aber es war besser, wenn es so aussah, als wenn Jufem Selbstmord begangen hätte und niemand daher allzu schnell vermutete, dass man ihn ausgefragt hatte.

  Ein sehr ergiebiger Nachmittag und ausgesprochen hilfreich für seine Suche. Er musste wieder Reisen, aber das nächste Ziel versprach eine echte Spur. Dazu wusste er jetzt auch noch, wo die Priester die Hutzler vermuteten, was ihm ebenfalls von Nutzen sein konnte.

  Aber er musste aufpassen. Er kannte das Gefühl der Macht und des anschleichenden Wahnsinns, der sich mit den Gräueltaten, die er bereit war zu begehen, langsam anschlich, nur zu gut. Es war zu leicht, sich einfach gehen zu lassen und alles nur noch als Spiel zu betrachten, Aber wer so dachte, der beging Fehler und die konnte sich Enk nicht erlauben. Um Shekas und der Kinder willen.

  *

  Der Angriff auf den Ketzerunterschlupf lag nun neun Tage zurück.

  Die verbliebenen Soldaten hatten ihn dort aufgesammelt und ihm etwas Wasser eingeflößt. Er war nicht verletzt worden, wenn man von den Prellungen absah, aber hinter seinen Schläfen und in seinem Nacken hatte es gepocht, wie er es noch nie in seinem Leben zuvor gespürt hatte. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, nicht die ganze Zeit den Kopf mit den Händen festzuhalten, Die Männer hatten ihm aufgeholfen. Nur sieben waren übriggeblieben. Da er als einziger der Priester noch am Leben war, fiel ihm der Befehl zu. Der Bericht der Bewaffneten war ernüchternd ausgefallen. Nicht nur waren die drei anderen Priester tot, auch die Verluste an Soldaten waren zu hoch gewesen, selbst wenn seine Oberen dies nicht so sehen würden, da sie ihre Aufgabe erfüllt hatten: Die Ketzer und Dämonenanbeter waren tot. Die Soldaten hatten nach den Kämpfen jeden einzelnen aufgespürt, sie aus den Verstecken getrieben und mit Schwert oder Bolzen getötet.

  Owithir hatte vor der Entscheidung gestanden, den Toten ein angemessenes Begräbnis zu geben oder den beiden letzten Ketzern sofort zu folgen. Da die Doktrin der Kirche besagte, dass Dämonenbeschwörer selbst im Tod noch gefährlich waren, hatte er nicht lange überlegen müssen.

  Er hatte dabei gestanden, wie die Soldaten ihre gefallenen Kameraden aus den Höhlen geholt hatten, manche entsetzlich entstellt durch Feuer oder deformiert durch die unheiligen Kräfte der Magier. Für sie und die Priester hatten sie eine, den Umständen entsprechende, aber dennoch würdevolle Begräbniszeremonie abgehalten. Die Ketzer hingegen hatten sie in einem ihrer größeren Räume auf einen Haufen geworfen und alles an Büchern, Schrifttafeln und unheiligen Utensilien dazu geschmissen, um es anschließend in Flammen aufgehen zu lassen. Der Gestank war abscheulich gewesen.

  Sie waren nur noch zu sechst Unterwegs. Owithir hatte zwei der Soldaten mit einem Schreiben, dass er in aller Eile auf einem umgestürzten Baumstamm geschrieben hatte, zurück zum nächsten Tempel geschickt, um Bericht zu erstatten. Er hätte gerne um zusätzliche Soldaten gebeten oder vielleicht einen weiteren Priester von Sonne und Schwert. Es bestand jedoch kaum Hoffnung, dass die Verstärkung sie in der Wildnis finden würden. Trotzdem hatte er ihnen einen der Amtstäbe seiner Priesterkollegen mitgegeben, um seinem Bericht Gewicht zu verleihen. Die anderen beiden steckte er in eine Satteltasche, zu den Dokumenten, die seinen Auftrag beschrieben und ihm Befehlsgewalt über alle Soldaten gab, die er für seinen Auftrag benötigte. Mehr noch, sie erlaubten ihm, alles Benötigte unter den Bauern zu requirieren, eine Vollmacht, die während der Jagd, auf der sie sich befanden, von großem Nutzen sein konnte.

  Nur einer seiner Bewaffneten hatte Erfahrung mit der Jagd und es half wenig, wenn das Wild wusste, wie man seine Spuren verdeckte. Zuerst war es ihnen nicht aufgefallen, denn die Spuren, die direkt vom Unterschlupf der Ketzer fortführten, waren so deutlich gewesen, dass man sie nicht hatte übersehen können. Sie waren jedoch noch keine Stunde diesen Spuren gefolgt, als sie plötzlich verschwunden waren. Zuerst hatten sie vermutet, dass sie die Spuren vom Rücken ihrer Ges aus schlicht verloren hatten. Marinam, der Mann der schon einmal gejagt hatte, hatte ihn letztendlich darauf hingewiesen, dass die Verfolgung vom Gesrücken aus nur selten von Erfolg gekrönt wurde. Sie waren also abgestiegen und hatten ihre eigenen Spuren zurückverfolgt, bis sie wieder auf etwas trafen, dass die Ketzer hinterlassen hatten. Aber auch zu Fuß hatten sie keine Spur mehr finden können. Dabei war der Boden matschig vom Herbstregen, Blätter lagen herum und der Unterwuchs war zwar nicht üppig, aber doch vorhanden. Wenn man hier entlang floh musste man Spuren hinterlassen. Magier hingegen konnten fliegen, wenn man glaubte, was die Kirche lehrte. Owithir hatte es noch nicht gesehen und auch niemanden getroffen, der davon hätte berichten können. Er empfand sich als devoten Priester, aber er hatte gelernt, dass nicht alle Dinge, die die Kirche über die Katzer verkündete, der Wahrheit entsprachen. Nichtsdestotrotz war er davon überzeugt, dass sie gefährlich und gotteslästerlich waren. Das war für ihn ausreichend, ihnen zu folgen. Die Ketzer brachten Gläubige in Gefahr. Was er bei so vielen Verhören von den Gefangenen aber auch von den Anklägern über die Grausamkeit der Magie gehört hatte, fand er in den beiden, die es zu verfolgen galt, bestätigt. Er hatte ihre Magie gesehen und gespürt, was sie damit selbst ihm, der von seinem Gott mit heiligen Gaben gesegnet war, antun konnten. Er musste sie finden und gefangen nehmen und wenn dies nicht gelang, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie zu töten. Er bezweifelte, dass es ersteres sein würde und es machte ihn trotz allem traurig, denn noch immer hasste er es, zu töten.

  Zuerst hatten sie jedoch eine Spur der Ketzer finden müssen. Eingedenk der Art und Weise, wie er die Zuflucht der Dämonenanbeter hatte finden können, hatte er sich auf die Erde sinken lassen, und diesmal Veshtajosh angefleht, ihm bei der Suche zu helfen. Er war Aemavheas ein treuer Diener, in dieser Aufgabe diente er jedoch einem anderen Gott. Mit geschlossenen Augen hatte er sich wieder erhoben. Er wusste nicht, warum er seinen Körper nicht verlassen hatte, aber dieses Mal hatten ihm die Götter die Welt auf eine andere Art offenbart. Er hatte die Farben erkannt, die er sah, wenn seine Seele den Körper verließ, doch er sah so viel mehr. Die Götter hatten ihm einen schimmernden Schemen offenbart, der sich gleichsam einem Wurm entlang der alten Spur, mit einigen Verwirbelungen, weiter durch den Wald zog. Er hatte begonnen, dem niemals endenden Wurm zu folgen und ohne dass er ein Wort hätte verlieren müssen, waren ihm die Soldaten gefolgt. Sein Zustand göttlicher Klarheit hatte jedoch nur kurz angehalten, dann war er vor Erschöpfung zusammengebrochen.

  Seitdem hatte er immer wieder die Sicht des Gottes bemüht, um die Spur wieder aufzunehmen. Sie konnten reiten, wenn er sie sah. Er merkte jedoch sehr deutlich, wie viel Kraft ihn die Sicht kostete, weshalb er immer wieder die Augen öffnete und sich oft für sehr lange Zeit ausruhen musste. Manchmal fand Marinam dann einige Spuren, die ihnen erlaubten, die beiden Flüchtlinge weiter zu verfolgen, während sie den erschöpften Owithir auf seinem Ges hinter sich her führten. Oft genug mussten sie jedoch einfach anhalten und warten, bis die Erschöpfung nachgelassen hatte. Die Männer nutzten die Zeit, um nach Nahrungsmitteln zu suchen. Sie füllten ihre Wasserbeutel an Quelle
n und Bächen, sammelten Pilze und fanden auch ein paar wilde Früchte. Nur selten hatten sie jedoch Erfolg bei der Jagd, so dass sie schnell ihre Vorräte aufbrauchten.

  Owithirs Erschöpfungen kosteten jedoch zu viel Zeit. Wenn er den Spurenwurm sah konnten sie schnell reiten und etwas Zeit gut machen. Dennoch konnte Owithir sehen, dass die Spur immer blasser wurde. Ohne große Überraschung nahm er dabei zur Kenntnis, dass sie sich von den Dörfern und Gehöften fern hielt. Was ihn hingegen überraschte, waren die Umwege, die ihr Wild nahm. So mieden sie nicht nur die Dörfer, sie machten gewaltige Umwege, die sie immer wieder in eine andere Richtung führte, so dass Owithir immer noch nicht ahnen konnte, was ihr Ziel sein mochte. Es lag nahe, dass sie selbst nicht sicher waren, ob sie nicht doch verfolgt würden. Andererseits glaubte Owithir nicht, dass sie wirklich wussten, wer sie verfolgte. Sonst wären sie vielleicht umgekehrt und hätten versucht, ihnen aufzulauern. Aber vielleicht war es ein Glück für die beiden Ketzer, dass sie es nicht getan hatten. So wie er ihre Spur sah, wäre der Hinterhalt keine Überraschung für sie gewesen.

  Inzwischen war es Abend geworden und die Bewaffneten hatten ein Lager aufgeschlagen. Owithir hatte das Gefühl, dass sie ein wenig aufgeholt hatten, aber der Preis war, dass er sich von seinen Untergebenen vom Bataga helfen lassen musste. Seitdem er alleine das Kommando führte und die Gnade des Gottes demonstriert hatte, behandelten ihn die Männer mit viel größerem Respekt, als er es bisher gewohnt gewesen war. Früher war er vielen eher unheimlich erschienen, aber jetzt hatten sie erkannt, dass er keinesfalls wie die Hexer war, sondern die Götter ihn gesegnet hatten, wie seine Oberen es immer wieder behauptet hatten.

  „Wohlerwürdiger Herr, wir schlagen das Lager auf, wenn ihr nichts dagegen habt. Kalig meint, er kennt ein Dorf, nicht weit von hier. Wenn ihr den Befehl gebt, kann er heute Abend dorthin reiten und Proviant besorgen.“

 

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