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Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm

Page 43

by Peter Singewald


  Dann schloss sie die Tür, um die Kälte draußen zu halten. Ein letzter Blick nach draußen zeigte ihr, dass inzwischen wohl alle Gläubigen wach waren und sich um magere Feuer scharrten. Sie wagte nicht, sich vorzustellen, wie es erst vor Ohnfeders Haus zugehen würde, wenn die Kinder auf der Welt waren.

  Derzeit konnte sie nicht viel tun, also ging sie zurück in die Kammer um Grasglanzen beistehen zu können.

  Einen Moment lang dachte Treureigen schon, es wäre alles vorbei, weil Ohnfeder so still geworden war. Sie stellte jedoch schnell fest, dass ihre Freundin zu schweben schien. Einige Frauen hatten dieses Glück bei einer Geburt. Sie wurden ruhig und ein wenig abwesend, als wenn sie nicht ganz wach wären. Grasglanzen hatte ihnen davon erzählt. Sie hatte berichtet, dass einige Mütter sich anschließend nicht einmal mehr richtig an die Geburt erinnern konnten, während der Niederkunft jedoch auf jede Anweisung reagierten, die die Hebamme ihnen gab.

  Als Treureigen das nächste Mal die Tür öffnete, konnte sie die ersten Strahlen der Sonne über die Berge blinzeln sehen. Zwei Nachbarsfrauen waren eingetroffen, nachdem die Boten sie geweckt hatten.

  „Wir sind so schnell gekommen, wie uns unser Füße getragen haben. Wie steht es denn?“ Moosweihe war eine Plappertasche. Überall wo sie ging und stand verbreitete sie eine Wolke aus Worten um sich. Es fiel oft schwer, selbst ein Wort einzuwerfen, und sie zum Schweigen zu bringen war nahezu unmöglich, außer man nahm in Kauf, dass man sie beleidigte. Und das war das letzte, was man wollte, wenn man weiterhin die neusten Nachrichten, den neusten Klatsch der Umgebung hören wollte. Wie sie selbst davon erfuhr blieb Treureigen auf immer ein Rätsel, denn wer sollte ihr etwas erzählen, wenn man niemals zu Wort kam.

  Sie besaß jedoch genug Verstand, um auf Antworten zu warten und sich respektvoll in fremden Häusern zu verhalten.

  „Schön, dass ihr gekommen seid, kommt herein. Grasglanzen sitzt bei ihr. Es geht voran.“

  „Das ist bestens. Hast du schon gefrühstückt? Ich hab eine Kleinigkeit mitgebracht. Und Liebmandel hat eine Suppe vorbereitet.“ Moosweihe stellte ihren Korb auf den Tisch und begann ein Brot, Käse, Butter und Milch zu verteilen. Liebmandel, mit der Treureigen die Gottesschule einmal in der Woche besucht hatte, setzte den großen Topf, den sie mitgebracht hatte, neben der Feuerstelle ab. Sie lächelte ihre alte Freundin etwas verschämt an. Treureigen kannte den Topf. Dass sie ihn mitgebracht hatte bedeutete, dass ihr Mann heute kein Essen bekommen würde.

  Während Moosweihe weiter leise aber beständig erzählte, schmierte Treureigen sich eine Scheibe Brot und ging Grasglanzen ablösen, damit auch diese sich den Bauch füllen konnte. Ohnfeder brachte sie etwas Milch, die sie ihr mühsam einflößte.

  Auf diese Weise vergingen Morgen und Vormittag. Andere Frauen kamen und füllten ihre Runde auf. Sie wechselten sich an Ohnfeders Seite ab, aßen, tranken, schwatzten und räumten auf. Manchmal ging eine hinaus und kämpfte sich wenig später wieder hinein, um den Gläubigen zu entkommen.

  Kurz nach dem Mittag kamen auch Feldziehers Jungs und machten den Pilgern, die um das Haus herumlungerten, Dampf unter den Hintern, ließen sich aber auch gelegentlich mit Essen bestechen, dass die Leute auf Ohnfeders Hof kochten.

  Etwa zu dieser Zeit begann die letzte Phase der Geburt. Grasglanzen rief Treureigen zu sich und plötzlich war es mit der Gemütlichkeit, die die Frauen in der Stube geteilt hatten, vorbei. Wieder konnte Treureigen eine Mischung aus Gefühlen bei der Hebamme beobachten. Sie hatte bereits so viele Geburten begleitet und Kinder auf die Welt gebracht, dass sie eine gewisse Routine und Gelassenheit besaß. Aleneshi-Frauen gingen jedoch so gut wie nie mit mehr als einem Kind schwanger. Sechs Kinder bedeute so nicht nur sechs Mal ein kleines Bündel aus der Mutter in die Welt zu befördern, sondern auch Schwierigkeiten, von denen Grasglanzen nicht einmal geträumt hatte. Was ihr jedoch am meisten Sorgen machte, war die Mutter. Sie konnte sich nicht vorstellen, woher Ohnfeder die Kraft nehmen sollte, diese Strapazen durchzustehen.

  „Treureigen, am besten hältst du ihre Hand und sprichst mit ihr.“ Die jüngere nickte und kniete sich neben das Bett.

  „Ihr anderen haltet das Messer bereit; und Faden; und Tücher. Alles halt. Liegt ja alles da.“ Grasglanzen wedelte in die ungefähre Richtung des Tuchstapels. „Es kann jetzt jeden Augenblick losgehen.“

  Natürlich war Treureigen schon bei Geburten dabei gewesen, daher wusste sie, dass Grasglanzen damit nicht meinte, dass die Kinder jetzt einfach so herausflutschen würden. Was sie hatte sagen wollen war, dass jetzt der Kampf begann, dass Ohnfeder jetzt ihre ganze Kraft benötigen würde, um die nächsten Stunden zu überstehen. Jetzt ging es um Leben und Tod.

  Die Hebamme gab einer der Frauen mehrere Beutel mit Kräutern mit klaren Anweisungen, was damit zu geschehen hatte. Sie hatte gerade noch genügend Zeit, ihren Medizinbeutel wieder zu schließen und in eine Ecke aus dem Weg zu legen, als Ohnfeder wieder zu Stöhnen begann.

  Das erste Kind kam leicht auf die Welt. Grasglanzen durchschnitt die Nabelschnur und gab es an Moosweihe, die es wusch und warm einschnürte. Allen viel sofort auf, wie feingliedrig das Kind war, nicht schwächlich dennoch zart. Und es hatte einen dünnen Flaum auf dem Kopf, etwas ganz seltenes bei Aleneshibabys, besaßen doch auch die Erwachsenen kaum Haare.

  Auch das zweite Kind kam noch mit einer gewissen Leichtigkeit aus dem Mutterleib, ebenso zart wie sein Bruder, ebensolchen Flaum auf dem Kopf. So ähnlich die Kinder sich aber auch waren, jedes brauchte länger aus dem Mutterleib. Der Weg stand offen, aber die Mutter verlor die Kraft. Nach jedem Kind flößte Treureigen ihrer Freundin einen der Tränke gebraut aus den Kräutern der Hebamme ein. Ohnfeder verlor danach für einen Augenblick ihre Blässe, lächelte sogar einmal Müde. Grasglanzen ließ ihr diese Augenblicke der Erholung, in der Hoffnung, dass sie genügend Kraft für die nächste Anstrengung sammeln würde.

  Nach dem vierten gesunden Kind fiel Ohnfeder in Ohnmacht. Treureigen war kurz davor in Panik zu geraten, die Hebamme holte jedoch eine kleine Dose mit einer Paste hervor und hielt sie der Frau unter die Nase. Ohnfeder zuckte zurück in die wache Welt und rümpfte die Nase, sagte aber keinen Ton. Erst jetzt wurde sich Treureigen des Gemurmels außerhalb des Hauses bewusst. Sie hatte es wohl die ganze Zeit über gehört, es aber nicht beachtet, wie sie auch kaum noch die Frauen im Haus wahrgenommen hatte. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie die Worte verstand, bis sie begriff, dass die Gläubigen dort draußen bereits seit Ohnfeder zu schreien aufgehört hatte, beten mussten. Sie war gerührt, hoffte aber, dass Ohnfeder es nicht hörte.

  Über acht Stunden, nachdem die Hebamme das Haus betreten hatte, legten die Frauen das sechste Kind in eine Wiege. Inzwischen waren die ersten von ihnen bereits wieder gegangen und hatten damit Müttern mit ihren Neugeborenen Platz gemacht. Sie stillten abwechselnd die eigenen Kinder und die Ohnfeders. Dafür wurden sie reichlich von den anderen Frauen mit dem besten bewirtet, was sie an Essen aufbieten konnten. War es ursprünglich eine laute und gesellige Runde gewesen, waren inzwischen alle verstummt oder flüsterten wenn sie denn unbedingt etwas besprechen mussten.

  Ohnfeder war, sobald das letzte Kind aus ihr herausgekommen war, in einen tiefen, erschöpften Schlaf gefallen. Grasglanzen hatte sich sofort zu den Babys begeben und angefangen, sie zu untersuchen. Treureigen hatte mit Liebmandels Hilfe das Bett unter Ohnfeder neu bezogen, nicht ganz leicht in der engen Kammer mit der erschöpften Frau darauf, aber nichts im Vergleich zu den Geburten, bei denen die Hebamme an diesem Ort geholfen hatte. Anschließend wusch Treureigen die immer noch schlafende Ohnfeder mit einem Lappen und warmem Wasser die Körperteile, an die sie heran kam. Nicht die beste Reihenfolge, aber wie schmutzig ihre Freundin war, hatte sie erst wahrgenommen, als sie ihr das Gesicht abwischen wollte.

  Zu guter Letzt stellte sie sich einen Hocker neben das Bett. Sie wollte über ihre Freundin wachen, schlief aber allzu schnell ein, Ohnfeders Hand in der ihren.

  *

  „Nur mein Vater nennt mich Reigerin, Wohlerwürden.“ Die Stimme des Mädchens klang schüchtern, Owithir konnte aber auch den Trotz in ihr spüren.

  „Nicht einmal euer
Priester? Und wie nennen dich alle anderen?“

  „Reig.“

  „Gut Reig. Du musst trotzdem Wasser holen, wenn du etwas essen möchtest.“

  Das Mädchen nahm die Wasserbeutel und stapfte zum nahegelegenen Bach. Vermutlich hatte sie sich das freie Leben auf der Wanderschaft, fern des Bauernhofs ein wenig anders vorgestellt, weniger mit alltäglicher Arbeit gefüllt.

  Bisher hatte Reig sie nicht behindert, auch wenn Owithirs Bataga jetzt mehr Last tragen musste. Aber das Bataga war so viel kräftiger und größer als die Ges der Söldner, so dass das Gewicht des Mädchens kaum von Bedeutung war. Ein größeres Problem war die Stimmung der Söldner. Sie hatten es ihrem Anführer noch lange übel genommen, dass er ohne ihr Einverständnis oder ihren Schutz in den Wald gegangen war. Sie hatten kaum noch ein Wort mit ihm gewechselt, nur noch die nötigsten Tätigkeiten ausgeführt. Auch das Mädchen hatte unter dieser Ablehnung leiden müssen. Sie hatten sie kaum angesehen, ihr den Weg verstellt, ihr weder vom Bataga geholfen noch sie darauf gesetzt. Am schmerzhafteste waren aber wohl die Gespräche der Wächter gewesen, die sie in ihrem Beisein über sie geführt hatten.

  Aber mit der Zeit hatten sie sich beruhigt weil Owithir ruhig geblieben war. Er hatte ihre Wut nicht weiter angestachelt und sie hatten wohl die Lust verloren. Damit besserte sich auch Reigs Los. Zuerst schickten die Männer sie nur Holz oder Wasser holen. Innerhalb von zwei Tagen nach dem Ende des Schweigens war sie jedoch schon zu einer Art Glücksbringer geworden. Jetzt war es an Owithir, das Mädchen arbeiten zu lassen, damit sie sich nicht daran gewöhnte, alles geschenkt zu bekommen.

  „Was macht ihr, wenn ihr die Hexen fangt, Wohlehrwürden?“

  Owithir saß noch am Feuer und leistete Tafgen Gesellschaft, der die erste Wache gezogen hatte. Reigerin lag neben ihm, so nah am Feuer, wie es ging, in zwei Decken eingewickelt. Eigentlich hätte sie schlafen sollen. Aber es hatte sich in den letzten Nächten bereits gezeigt, dass sie unruhig schlief und sich immer wieder mitten in der Nacht jemanden suchte, an den sie sich kuscheln konnte, und die Männer ließen es geschehen. Sie achteten sehr darauf, sie nicht zu berühren und wagten am nächsten Morgen kaum, einander anzusehen.

  „Wir töten sie.“ Tafgen kam Owithir mit einer Antwort zuvor. Nach einer Pause, die Owithir bewusst machte, dass es Reig schwer fiel, dies zu verdauen, sah er sich genötigt, ihr die Zusammenhänge zu erklären.

  „Ich hab dir doch erzählt, dass die beiden, die wir verfolgen, Dämonenbeschwörer sind. Sie haben mit ihrem gotteslästerlichen Tun drei ehrwürdige Priester und mehrere Soldaten getötet. Wenn wir sie nicht finden, werden sie noch mehr Menschen töten. Und wir haben leider keine Möglichkeit ihre Magie zu bannen. Deswegen müssen wir sie töten.“

  „Wieso haben sie sie getötet?“ Reigs Worte klangen immer müder.

  „So ’ne Frage kann auch nur ein Kind stellen? Weil sie Dämonenanhänger sind.“ Owithir lag eine ähnliche Antwort auf der Zunge. Es war so einfach, die Schwarzmagier als ihre unversöhnlichen Gegner zu sehen. Schließlich war er als Priester für das Heil der Seelen aller Menschen verantwortlich. Und wenn die Magier seinen und alle anderen Orden bekämpften, bedeutete dies doch, dass sie gegen das Seelenheil kämpfen mussten. Als er jedoch diese Worte, die in ihrer Bedeutung auch aus seinem Mund hätten stammen können, von Tafgen ausgesprochen hörte, musste er an die vielen Stunden in den Verliesen denken. An die vielen Gefangenen, die er dort verhört hatte. All die Häretiker, Ungläubigen und Dämonenanbeter, deren Leben er dort herausgeschält hatte, waren fast nie wirklich böse gewesen. Sie waren Sünder, deswegen waren sie dort, deswegen war es wichtig und gerecht, dass er, Owithir, die Wahrheit von ihnen erfuhr.

  Trotzdem klangen Tafgens Worte falsch. Nicht nur in Owithirs Ohren, sondern auch in seinem Bauch, wie man in seinem Orden sagte.

  Was hätte er Reig auf ihre letzte Frage antworten müssen, wenn er ehrlich gewesen wäre? Dass er und seine Brüder das Versteck der Hexer angegriffen hatten, weil sich dort Magier befanden, die ohne mit der Wimper zu zucken Priester getötet hatten? Dass bei dem Kampf, zu dem es dabei gekommen war, nicht nur seine Brüder, sondern auch Kameraden der Wächter getötet worden waren, wie es zu oft geschah, wie es geschehen musste, wenn man gegen einen mächtigen Feind ins Feld zog?

  Konnte er den beiden ihr Entkommenen vorwerfen, oder dass sie ihre Heimat verteidigt hatten? Konnte er ihnen vorwerfen, dass sie nun vor ihm flohen?

  Andererseits: Konnte er ihnen verzeihen, dass sie Traldanka, den unschuldigsten Priester, dem Owithir jemals begegnet war, getötet hatten?

  Er merkte, wie müde er sein musste, wenn er damit begann, die Grundsätze seines Glaubens in Frage zu stellen. Er versuchte die Gedanken zu verwerfen, etwas ließ ihn jedoch nicht los: Tafgen hatte gesagt, dass nur ein Kind eine solche Frage stellen konnte. Konnten sie es jedoch nur, weil sie zu dumm waren, oder weil sie noch nicht zu sehr in ihren Gedankengängen festgefahren waren? Schließlich galten Kinder den meisten Göttern als besonders gesegnet, rein und unschuldig. Und etwas musste dran sein, denn die Priester von Sonne und Schwert befragten gerne die Kinder, wenn die Eltern uneinsichtig waren.

  Owithir schlief diese Nacht sehr unruhig und war nicht froh darum, dass Reig diesmal zu ihm unter die Decke schlüpfte.

  Als er erwachte, war Reig längst aufgestanden und hatte sein Frühstück bereitet. Sie hatte diese Aufgabe aus seinen Händen gerissen und er war sich nicht ganz sicher, warum. Vermutlich, um ihm ihre Dankbarkeit auszudrücken. Er dachte nicht weiter darüber nach, denn noch immer hingen ihm die Gedanken des Vorabends nach. Er war sich sicher, dass er das richtige tat. Alles, was er gelernt hatte, alles, was seine Kirche lehrte, bestärkte ihn darin: Magie war böse, sie stammte von den Oulo-Dämonen. Mehr brauchte man als Gläubiger nicht zu wissen. Er wusste jedoch mehr. Er wusste, dass es auch unter den Priestern wirklich schlechte Menschen gab, denen ihre Macht wichtiger war als ihr Glaube. Er wusste, dass die Götter ihren Dienern gelegentlich eine Gnade zu Teil werden ließen, die nur in ihren Zielen von den dämonischen Kräften zu unterscheiden waren. Und vor allem wusste er, dass er nicht die Weisung der Hierarchie ignorieren konnte, ohne ernste Konsequenzen dafür zu erwarten.

  Was er nicht wusste, war, wie er diese Gedanken auflösen sollte, diesen Zweifel, den ein Mädchen in ihm zu Tage gefördert hatte. Er zweifelte nicht daran, dass jedoch der Samen dieses Zweifels bereits in ihm gelegen hatte, wie das Unkraut, welches den Bauern ihre Frucht zerstörte.

  Owithir begann zu beten. Er betete um Klarheit im Glauben, um Ruhe im Geist, um den Sieg über seine Zweifel und über die Ungläubigen. Er fand Trost im Gebet, wenigstens für diesen Augenblick. Später war er sich nicht sicher, ob ihn damals die Götter erhört hatten, denn zu viel von dem, was er erbeten hatte, sollte ihm gewährt werden, wenn auch nicht auf die Weise, die er sich vorgestellt hatte.

  Als sie sich wieder auf den Weg machten, begann Owithir seine Männer anzutreiben. Er hatte die letzten Tage ruhiger angehen lassen. Er war noch zu müde gewesen von der Suche nach Reigerin und wollte das Kind auch an die Reise gewöhnen, jetzt galt es jedoch, die verlorene Zeit aufzuholen.

  Es fiel ihm leicht der Spur zu folgen. Sie war so deutlich zu sehen, wie lange nicht mehr, gerade so, als würden sie die Dämonenbeschwörer einholen. Und im Laufe des Tages verstärkte sich sein Verdacht. Sie kamen näher. Nicht nur er konnte es sehen. Auch die Wächter fanden jetzt zum ersten Mal wieder Spuren. Sie konnten nicht genau sagen, ob es die Spuren der Hexer waren, aber es waren zwei schnelle Läufer, die entlang der geistigen Spur wanderten. Vor allem jedoch meinte Owithir, sie zu spüren. Er wusste nicht, was es war, dass er spürte. Es war jedoch da, als wenn die Spur nicht nur vor seinen Augen war, sondern auch mit etwas in seinem Innern verbunden war.

  Er fühlte sie und wusste, dass er sie bald einholen würde.

  *

  Pethen erlangte nur langsam das Bewusstsein zurück. Es dauerte eine Weile, bis er seine Umgebung wieder klar erkennen konnte.

  Sie waren immer noch im Stall, jetzt jedoch jeder sitzend an einen Balken gefesselt. Pethen versuchte Gefühl in seine Zunge zu bringen, stellte dabei
aber fest, dass man ihm etwas in den Mund gesteckt hatte. Wenn er seinen schmerzenden Kopf ein wenig drehte, konnte er Hylei sehen, der man ihre Kapuze vom Kopf gezogen hatte, so dass ihre feingliedrige Andersartigkeit und ihr wundervolles, unnatürlich glänzendes Haar deutlich sichtbar waren. Jemand hatte ihr auch die Jacke ausgezogen, so dass sie unweigerlich frieren musste. Noch war sie jedoch betäubt und rührte sich nicht. Er war zu benommen, um sich darüber Gedanken zu machen, warum jemand sie geknebelt und gefesselt haben könnte. Er zog an seinen Fesseln, in der Hoffnung, sie zerreißen zu können, was natürlich hoffnungslos war. Anschließend versuchte er aufzustehen, die Fesseln waren jedoch zu eng, so dass er nur seinen Rücken ein wenig aufschrammte. Gerade als er den Entschluss fasste, erst einmal zur Ruhe zu kommen, um seine Gedanken ordnen zu können, sah er mit seinem inneren Auge die Tür hinter sich aufgehen und einige Leute den Stall betreten. Er konnte Naebaes und seinen Sohn sehen. Auch der Vetter war dabei. Als nächstes kamen ein paar Männer, die Pethen noch nicht gesehen hatte, vermutlich weitere Gäste. Der Gastwirt folgte als nächstes. Er hatte sie begrüßt, als sie an diesem Ort eingetroffen waren. Als letztes betraten die beiden Söldner den Raum und schlossen das Tor hinter sich. Eine Welle des Hasses schlug ihm von den Männern entgegen und ließ seinen Magen zusammenkrampfen. Ein wenig erbrochenes sammelte sich in seinem Rachen und er unterdrückte es so gut es ging, denn er fürchtete, ersticken zu müssen, wenn er sich übergab und sich sein Mageninhalt in seiner Kehle sammelte.

 

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