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Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment

Page 14

by Julie Johnson


  In weniger als vierundzwanzig Stunden werde ich in Los Angeles sein.

  Ich darf diese Chance nicht vermasseln. Nicht jetzt, da ich im Grunde genommen arbeitslos bin und von meiner Familie verstoßen wurde. Aber ich kann auch meine Freunde nicht hintergehen. Zuerst muss ich jede andere Option ausschöpfen. Das schließt auch ein, Clay – und falls nötig auch Lacey – anzuflehen, unseren Vertrag zu überarbeiten, damit Aiden und Linc nicht außen vor gelassen werden.

  Es ist riskant. Ich könnte alles verlieren. Aber ich habe kaum eine andere Wahl, wenn ich mir meine Freundschaften und meine Integrität erhalten will.

  Als ich mein Schlafzimmer verlasse und in den Wohnbereich des Lofts gehe, sitzen die Jungs auf der Couch und trinken Bier.

  »Gibt es was Neues von Lacey?«, fragt Lincoln und wirbelt gedankenverloren einen Trommelstock zwischen den Fingern herum.

  Ich schüttle den Kopf.

  »Also wird sie heute Abend nicht zum Auftritt kommen?«

  »Ich bezweifle stark, dass sie auftauchen wird.«

  »Perfekt. Wirklich perfekt, verdammt noch mal.«

  Aiden trinkt einen ordentlichen Schluck Bier und stellt die Flasche dann auf den Wohnzimmertisch, bevor er sich in die Unterhaltung einschaltet. »Ich wollte das erst erwähnen, wenn ich mit Sicherheit wissen würde, dass es sich bezahlt machen wird, aber ich habe letztens mit ein paar Typen geredet, die bei Route 66 Records arbeiten. Wir haben uns ganz locker bei ein paar Bier unterhalten. Ich habe keine Ahnung, warum, aber sie haben tatsächlich zugestimmt, heute Abend vorbeizukommen und sich unseren Auftritt anzusehen.«

  »Alter!«, ruft Lincoln.

  Mein Mund klappt auf. »Ist das dein Ernst?«

  Aiden schnaubt eine grimmige Bestätigung.

  »Gottverdammt.« Lincolns Augen funkeln wild. »Von all den verdammten Abenden, an denen Lacey beschließt, uns hängen zu lassen, musste sie sich ausgerechnet diesen aussuchen …«

  Aiden leert sein Bier und starrt mir unverwandt ins Gesicht. Er ist noch nie besonders gesprächig gewesen, aber er starrt mich schon so seltsam an, seit ich letztens nach der Konfrontation mit meinem Vater nach Hause gekommen bin. Dieser scharfsinnige Mistkerl. Es ist, als wüsste er irgendwie, dass ich ihnen schlechte Neuigkeiten mitzuteilen habe, bevor ich den Mund aufmache.

  Ich muss ihnen von der Sache mit Red Machine erzählen. Den ganzen Tag über habe ich versucht, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Ich trinke einen Schluck Bier und bereite mich innerlich vor. »Jungs …«

  »Ich kann einfach nicht glauben, dass Lacey diese Nummer schon wieder abgezogen hat.« Lincoln murmelt vor sich hin und fährt mit einer Hand durch sein kurz geschorenes blondes Haar. »Seit wir angefangen haben, miteinander zu jammen, habe ich auf meine Chance gewartet, im Tootsie’s zu spielen. Das ist verdammt noch mal nicht fair.«

  Meine Schuldgefühle heben wieder ihr hässliches Haupt.

  Aiden seufzt tief. »Wir sollten in der Bar anrufen und ihnen sagen, dass sie unseren Platz vergeben können.«

  »Was?« Linc explodiert. »Heute Abend kommen Plattenproduzenten, um uns zuzuschauen! Uns! Ist dir klar, wie wichtig das ist?«

  »Da ich derjenige bin, der sie davon überzeugt hat, zu dem Auftritt zu kommen, kannst du mir ruhig glauben, wenn ich sage: Ja, das ist mir klar.« Aidens Augen sind ernst. »Und genau deswegen sollten wir absagen. Wir können nicht auf diese Bühne gehen und Coverversionen spielen.«

  »Nein«, stimme ich zu. »Das können wir nicht.«

  »Soll ich anrufen?«, fragt Aiden und zückt bereits sein Handy.

  »Nein.«

  Sie schauen mich beide an. Ich leere mein Bier in einem langen Zug.

  »Zum Teufel mit Lacey«, sage ich knapp. »Wir werden ohne sie auftreten.«

  »Wir können nicht ohne sie auftreten«, sagt Linc ungläubig. »Sie ist die komplette Show.«

  »Nein, das ist sie nicht«, schnauze ich gereizt. Ich habe Lacey Briggs so satt, dass ich kotzen könnte. »Ich habe diese Lieder geschrieben. Ihr könnt sie vorwärts und rückwärts spielen.«

  »Worauf willst du hinaus?«

  »Wenn ich ein paar der Texte so anpasse, dass sie zu unserem Stil passen und die Oktave ein bisschen nach unten verlagere … denke ich, dass ihr Jungs das Tempo entsprechend manipulieren könnt, damit wir weniger wie Taylor Swift und mehr wie Tim McGraw klingen …« Ich zucke mit den Schultern. »Es könnte eine Katastrophe werden. Oder wir retten damit den Abend.«

  »Er hat nicht ganz unrecht«, murmelt Aiden. »Wir verzichten einfach auf ›Liar‹ und ›Warn Ya‹ und all die anderen zuckersüßen Popprinzessinnenlieder. Aber ›Hurts Like Hell‹ und ›Burning Stars‹ können wir problemlos spielen, vor allem wenn wir Laceys elendes Hüftgewackel weglassen. Und selbst ›Told You So‹ könnte funktionieren, wenn wir die Zeilen über den betrügerischen Freund streichen.«

  Ich lache. »Ja, die müssen weg.«

  Aiden schnappt sich einen Bleistift und macht sich daran, sich ein paar Notizen zu machen und die Lieder umzumodeln. »Wenn wir die Tonart nach dem Refrain von Dur zu Moll wechseln …«

  Ich gehe zu ihm, schließe mich ihm an und schaue interessiert über seine Schulter.

  »Nur damit ich das richtig verstehe: Ihr zwei wollt unsere komplette Setliste überarbeiten?« Linc schaut zwischen mir und Aiden hin und her, als hätten wir beide den Verstand verloren. »Euch ist schon klar, dass der Auftritt in drei Stunden stattfindet, oder?«

  »Dann sollten wir besser keine Zeit mehr mit Diskussionen verschwenden und uns an die Arbeit machen«, murmelt Aiden.

  Linc lacht. »Ihr verrückten Mistkerle.«

  Ich grinse. »Heißt das, dass du dabei bist?«

  12. KAPITEL

  Felicity

  Tinte tropft aus meinem Stift, während ich den Text überfliege, den ich gerade zu Papier gebracht habe.

  He said make a little music with me, baby

  Sit here by my side

  Starin’ into my eyes

  Don’t worry ’bout that crowd going crazy

  It’s you and me now

  Just you and me now

  Wütend streiche ich die Worte durch, bis nur noch ein schwarzer Tintenfleck zu sehen ist. Das reicht mir immer noch nicht, also zerknülle ich das Blatt und werfe es in Richtung Wand.

  Mir fehlt meine Gitarre, ganz zu schweigen von meinem Notizbuch, das im Gitarrenkoffer steckt. Ohne diese beiden Gegenstände kann ich nicht anständig komponieren. In meinem Notizbuch befindet sich jedes Lied, das ich je geschrieben habe. Jeden tiefen, dunklen Fetzen Poesie, der mir je in den Sinn gekommen ist, habe ich an die tränenbefleckten Ränder der Seiten geschrieben. Ich bin wütend auf mich selbst, weil ich den Gitarrenkoffer in Ryders Transporter vergessen habe. Ganz zu schweigen davon, dass ich schreckliche Angst davor habe, dass er mein Notizbuch finden könnte.

  Der bloße Gedanke daran, dass er es aufklappen und meine Lieder lesen könnte …

  Nein. Das würde er nicht tun. Das ist ein totaler Eingriff in meine Privatsphäre.

  Besorgt kaue ich auf der Innenseite meiner Wange herum. Seit drei Tagen bin ich ein emotionales Wrack. Wut und Schmerz und Verwirrung und etwas, das ich nicht benennen kann, das aber im oberen linken Bereich meiner Brust wehtut wie ein körperliches Gebrechen, quälen mich.

  Meine Schichten im Nightingale sind abends eine willkommene Ablenkung gewesen, aber in den frühen Morgenstunden, wenn die Welt dunkel und mein Kopf voll ist, will ich nur eins tun: schreiben. Leider ist das ohne mein Notizbuch nahezu unmöglich.

  Schönen Dank auch, Ryder.

  Falls ich ihn je wiedersehe, habe ich vor, ihm ordentlich die Meinung zu geigen. Verflixt, wenn er es wagen sollte, mir unter die Augen zu kommen, werde ich …

  Eine Faust hämmert so heftig an meine Tür, dass sie in den Angeln wackelt.

  Oh, Torte noch mal. Ich musste das Schicksal ja unbedingt herausfordern …

  Ich atme ein wenig zu schnell, als ich mit zitternden Beinen
aufstehe.

  »Wer ist da?«

  »Carly!« Sie hämmert erneut an die Tür. »Mach auf!«

  Ich atme erleichtert aus und durchquere das Zimmer, um sie hereinzulassen. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Es ist vier Uhr an einem Freitagnachmittag – sie sollte unten sein und die Bar für die Gäste vorbereiten. »Was ist los? Musst du heute Abend nicht arbeiten?«

  »Das musste ich, bis mich Adam anflehte, meine Schicht zu tauschen.« Grinsend zwängt sie sich in mein Zimmer und lässt sich auf meine quietschende Matratze fallen. »Hier sieht es besser aus als bei meinem letzten Besuch.«

  Das stimmt – als wir uns das erste Mal in meinem Zimmer trafen, um Zeit miteinander zu verbringen, war ich gerade erst in Nashville angekommen, und meine kleine Unterkunft war ein spärlich ausgestattetes, muffiges Chaos. Im Laufe des vergangenen Monats habe ich den Staub beseitigt, die Rostflecken von den Armaturen im Bad geschrubbt und die Fenster vom Schmutz befreit. Ich habe mir sogar einen Satz hellblauer Bettlaken und marineblauer Dekokissen gegönnt, die ich letzte Woche in der Abteilung mit den preisreduzierten Artikeln eines Discountladens ein paar Blocks von hier entfernt entdeckt habe.

  Auf meiner Kommode steht ein Kaffeebecher aus Plastik, den ich mit frisch gepflückten Blumen aus dem Park bestückt habe. Außerdem habe ich mehrere Hochglanz-Bandposter aus dem Müll des Nightingales stibitzt und sie strategisch zu Wandschmuck umfunktioniert. Sie verleihen dem Zimmer nicht nur eine dringend benötigte künstlerische Atmosphäre, sondern verdecken auch noch den Großteil der Wasserflecken.

  Eine Win-win-Situation.

  »Wenn ich heute Abend deine Schicht übernehmen soll, macht mir das nichts aus«, sage ich zu Carly. »Ich muss mich nur schnell umziehen …«

  »Nein! Deswegen bin ich nicht hier.« Sie lächelt mich an. »Ich bin hergekommen, um dich zu entführen.«

  Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?«

  »Wir gehen heute Abend aus.«

  Ich starre sie ausdruckslos an.

  »Es ist Freitagabend! Wir sind jung! Wir haben ausnahmsweise beide mal frei!« Sie hält inne. »Außerdem hatte ich einen riesigen Streit mit meinem Quasifreund, der eigentlich mein richtiger Freund ist, aber nicht an ›Etikette‹ glaubt.« Sie verdreht die Augen. »Und nun muss ich mir etwas Scharfes anziehen und tanzen gehen, um ihn so eifersüchtig zu machen, dass er zur Vernunft kommt und zugibt, dass er mein amtlich bestätigter, Etikette liebender Freund ist.«

  »Aber …«

  »Felicity. Ich brauche das. Und was noch wichtiger ist, du brauchst das.« Ihr Blick ist ernst. »Du hast seit deiner Ankunft hier praktisch jeden Abend gearbeitet. Du lebst seit einem Monat in Nashville, hast das Nightingale aber so gut wie nie verlassen, um Himmels willen!«

  »Ich erkunde die Stadt tagsüber«, verteidige ich mich. »Ich spaziere überall herum. Ich war in den Parks, unten am Fluss, in der Music Row, im Gulch und in der Printers Alley. Letztens war ich sogar draußen bei Five Points und bin dort ein wenig herumgelaufen, bevor ich mich auf den Rückweg machen musste, um meine Schicht rechtzeitig antreten zu können.«

  »Ja, ja, das ist alles schön und gut, aber abends ist es an diesen Orten vollkommen anders.« Sie steht auf. »Nashville ist eine Stadt, die man am besten im Schutz der Dunkelheit genießt. Glaub mir, dann passiert die echte Magie.«

  »Magie?«

  »Musik.«

  Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. »Ich habe nichts anzuziehen …«

  »Das dachte ich mir. Deswegen habe ich das hier mitgebracht!« Sie präsentiert mir ihre riesige Umhängetasche. Bevor ich sie aufhalten kann, kippt sie den Inhalt auf mein Bett. Alles Mögliche fällt heraus – ein Schminktäschchen, zahlreiche unterschiedliche Klamottenkombinationen, Haarbürsten und sogar ein Lockenstab.

  »Das hast du alles mit dir herumgeschleppt?«, frage ich verblüfft.

  »Mein Arm ist vor einer halben Stunde taub geworden.« Sie zuckt mit den Schultern. »Wie dem auch sei. Du hast doch einen gefälschten Ausweis, oder?«

  Ich blinzle sie schockiert an.

  »Oh, entspann dich, ich werde dich nicht verraten. Isaac mag dir abkaufen, dass du einundzwanzig bist, aber ich bin nicht von gestern.«

  »Ja, ich habe einen gefälschten Ausweis.«

  »Lass mal sehen.« Sie streckt ihre Hand aus.

  Mit einem Seufzen wühle ich in meiner Tasche herum und ziehe die kleine laminierte Karte heraus. Ich erröte, als ich sie in ihre Hand lege.

  »Das Ding ist Mist«, verkündet sie, nachdem sie sich den Ausweis gerade mal eine Sekunde lang angeschaut hat.

  »Ich weiß.« Ich fahre mit einer Hand durch mein Haar. »Ein Typ, mit dem ich zur Highschool ging, hat ihn für mich gemacht. Er war nicht gerade ein Profi.«

  »Eindeutig nicht.«

  »Ich trinke nicht mal, also sollte das kein Problem sein.«

  »Am Eingang wird man trotzdem kontrolliert. Aber mach dir keine Gedanken. Das bedeutet nur, dass wir ein paar Türsteher bezirzen müssen.«

  »Na, toll.«

  »Das wird Spaß machen. Versprochen.« Sie zieht die Augenbrauen hoch, als meine vorherige Aussage bei ihr ankommt. »Moment, du trinkst überhaupt nicht? Nie?«

  »Nie.«

  »Hm. Was sagt man dazu?« Sie hält inne. »Aber du tanzt doch, oder?«

  »Ich tanze.«

  »Ausgezeichnet.« Sie stemmt die Hände in die Hüften und mustert mich von Kopf bis Fuß. »Ich schätze … neunzehn?«

  »Achtzehn«, gestehe ich.

  »Ein Baby!« Sie schnappt mit gespieltem Entsetzen nach Luft. »Ich kann es gar nicht abwarten, dich zu verderben. Da ich mit zweiundzwanzig deutlich älter bin als du, habe ich jede Menge Weisheiten auf Lager, die ich dir vermitteln kann.«

  »Zum Beispiel …?«

  »Die meisten Bars am Broadway haben nicht öffentliche Seiteneingänge, also kann man die Schlangen umgehen, wenn man von hier ist oder die Türsteher kennt. Im Tootsie’s gibt es drei Bühnen, aber im obersten Stockwerk hat man nach Mitternacht immer am meisten Spaß. Die Toilettenreinigungskräfte werden dich wie eine Göttin behandeln, wenn du ihnen regelmäßig Trinkgeld gibst. Du solltest immer ein wenig Bargeld in deinem BH dabeihaben, nur für den Fall, dass du deine Geldbörse verlierst. Und du darfst dich niemals zu nah an die Seitenwände der Gebäude im Bezirk mit den Nachtkneipen stellen, sonst riskierst du es, von jemandem angekotzt zu werden, der sich plötzlich schwallartig über das Geländer einer Dachbar übergibt.« Sie verzieht das Gesicht und erinnert sich offenbar an eine Erfahrung, die sie persönlich gemacht hat. »Falls dich allerdings doch mal jemand vollkotzt, bekommst du den Gestank mit Backpulver beim Waschen raus.«

  Ich blinzle sie an. »Wow.«

  »Betrachte mich als deine spirituelle Führerin.« Sie schnappt sich den Lockenstab. »Also, bist du dabei oder nicht?«

  Ich grinse breit. »Oh, ich bin dabei.«

  Carly nimmt ihre Rolle als meine spirituelle Führerin sehr ernst.

  Nachdem sie mich zu ihrer Zufriedenheit aufgebrezelt hat – ein Prozess, der mehr Augen-Make-up erforderte, als ich in meinem ganzen Leben je getragen habe, und außerdem so viel Haarspray, dass ich bezweifle, dass ich diese Locken je wieder rausbekommen werde –, steckt sie mich in ein rotes Kleid, das sehr viel körperbetonter als die fließenden Sommerkleider ist, die einen Großteil meiner Garderobe ausmachen. Dazu trage ich Riemchensandalen, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich darin laufen kann. Ich äußere nicht den geringsten Widerspruch, rechne aber damit, dass ich am Ende des Abends mehrere Blasen davontragen werde.

  Diesen kleinen Preis zahle ich jedoch gerne für die Freundschaft.

  Wir begeben uns auf die Suche nach etwas zu essen und schlendern ein wenig durch die Gegend, bis wir uns schließlich für einen hübschen Laden an der Hauptstraße entscheiden, der einen Bereich für Außengastronomie hat. Wir genießen die letzten paar Sonnenstunden und beobachten Leute. Wir lachen über die Touristinnen, die in Schärpen mit der Aufsch
rift »Bride to be« und schlecht sitzenden Cowboyhüten herumstolpern, an denen noch die Preisschilder hängen. Sie nippt an einem Gurkenmojito, während ich ein erfrischendes Mineralwasser trinke. Wir unterhalten uns über unsere Kollegen im Nightingale, die Bands, mit denen sie jeden Abend zu tun hat, ihre Wirtschaftskurse an der Belmont University und ihre Kindheit in einem Vorort von Denver. Sie kam mit achtzehn her, um aufs College zu gehen, und kehrte nie wieder nach Hause zurück.

  »Und, was ist deine Geschichte?«, fragt sie, während wir Stück für Stück eine große vegetarische Pizza verschlingen.

  »Meine Geschichte ist noch nicht passiert«, murmle ich mit einem großen Bissen im Mund. »Deswegen bin ich hergekommen. Ich bin bereit dafür, dass sie endlich anfängt.«

  Ihr Blick ist neugierig. »Und? Wie sieht dein Traum aus?«

  »Was meinst du damit?«

  »Jeder, der nach Nashville kommt, hat einen Traum. Die Leute wollen entweder ein Star werden, einen Star heiraten oder für einen Star arbeiten. In welche Kategorie fällst du?«

  »Bislang in keine.« Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass ich Lieder schreiben will. Und irgendwann will ich vielleicht sogar ein paar verkaufen, wenn sie gut genug sind.«

  »Dann bist du also eine Liedermacherin! Das ergibt total Sinn.« Sie legt den Kopf schief und kaut auf ihrem Strohhalm herum, während sie mich mustert. »Du hast die gequälte Seele einer Autorin.«

  Ich schnaube. »Da bin ich mir nicht so sicher.«

  »Lach nur, wenn du willst, aber es ist wahr! Das wusste ich schon bei unserer ersten Begegnung.« Ihre Augen funkeln. »Du hast Geschichten zu erzählen. Ich kann sie hinter deinen Augen sehen.«

  Ich erröte.

  »Oh, das muss dir nicht peinlich sein! Das ist etwas Gutes, Babe.« Sie zwinkert mir zu. »Herzschmerz bringt immer die besten Lieder hervor.«

  »Ich schätze, das stimmt.«

 

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