Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment

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Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment Page 17

by Julie Johnson


  »Das lässt sich nicht wieder in Ordnung bringen«, keift er und hebt erneut seine Faust.

  Aiden hält ihn zurück, indem er mit stahlhartem Griff seinen Bizeps umfasst. »Das reicht, Linc.«

  Sie starren mich beide an. Ich bin mir sicher, dass mein Gesicht wie ein zermatschtes Steak aussieht, geschwollen und blutig. Ich bemerke kaum, dass Lacey verschwunden ist. Sie rettet immer zuerst ihre eigene Haut, wenn die Fäuste fliegen.

  »Du und ich?«, spuckt Linc. »Wir sind fertig miteinander. Für immer. Wenn du deinen Kram aus dem Loft suchst, findest du ihn draußen im Müllcontainer. Ich wünsch dir noch ein schönes Leben.«

  Er dreht sich um und marschiert davon.

  Aiden hält kurz inne, bevor er ihm folgt. Seine Augen sind traurig. »Falls es dich tröstet … Ich verstehe, warum du es getan hast, Mann. Ich verstehe nur nicht, wie du damit leben willst.«

  Dann sind sie beide fort.

  Ich stehe allein da, blutend und gebrochen.

  Keine Familie. Keine Freunde. Keine Felicity.

  Als Trost bleiben mir nur meine Träume.

  Seltsam, wie leer sie sich anfühlen, wenn es niemanden mehr gibt, mit dem man sie teilen kann.

  16. KAPITEL

  Felicity

  Ich sitze in meinem dunklen Zimmer und kaue auf meiner Unterlippe herum.

  Es ist spät. Ich kann hören, wie Adam, Isaac und Jay unten die Bar schließen und die Leute zur Tür hinausgeleiten. Ihr Gelächter macht das Elend, das mich verzehrt, nur noch deutlicher.

  Wie schnell sich Liebe, Licht und Musik in Blut, Dunkelheit und Chaos verwandelt haben.

  Carly hat mich vom Tootsie’s aus zu Fuß nach Hause begleitet. Die ganze Zeit über hielt sie fest meine Hand und plapperte pausenlos, während sie mich durch die Straßen führte. Doch selbst wenn mein Leben davon abhinge, könnte ich nicht wiedergeben, was sie sagte. Ich war ganz in meinen Gedanken verloren und sah immer wieder Ryders Gesicht vor mir. Ich sah, wie er hochschaute und mich in der Menge entdeckte. Ich sah, wie Blut aus seinem Mund lief. Ich sah einen unumstößlichen Abschied in seinen Augen, als er sie fest auf meine richtete.

  Carly, bring sie hier raus!

  Ich wehrte mich. Ich versuchte zu bleiben. Doch Carly zerrte mich weg wie eine Besessene. Auf unserem Weg zur Tür kamen wir an mehreren Türstehern vorbei, die alle mit Vollgas und grimmigen Mienen in Richtung Dachterrasse liefen. Zwei uniformierte Polizisten waren ihnen dicht auf den Fersen.

  Ryder könnte jetzt im Gefängnis sein. Oder Schlimmeres, falls Lincoln seinen Willen durchgesetzt hat.

  Ich greife nach oben und streiche mit einer Fingerspitze über meine Lippen. Wenn ich die Augen schließe, kann ich immer noch spüren, wie er mich mit seinem Kuss verschlungen hat. Das war mit Abstand der beste Kuss meines Lebens. Die paar ungeschickten Jungs, mit denen ich beim Flaschendrehen und ähnlichen Spielen auf der Highschool rumgemacht habe, sind absolut kein Vergleich.

  Das liegt nicht nur daran, dass Ryder mehr Erfahrung hat. Es liegt daran, dass er er ist.

  Er legte seine Lippen auf meine, und ich spürte es überall, wie Defibrillator-Elektroden, die das Herz während eines Notfalls wieder zum Schlagen bringen. Mir war nicht klar, dass ich halb tot war, bis er mein angeschlagenes, versagendes Herz auf Touren brachte. Er küsste mich, und plötzlich bin ich zum ersten Mal seit Jahren zum Leben erwacht. Ich lebe.

  … und er verlässt die Stadt.

  Darum ging es bei der Schlägerei. Deswegen war er letztens so seltsam, nachdem Lacey ihn angerufen hatte. Er hat einen Plattenvertrag von einer Firma in Los Angeles angeboten bekommen. In ein paar Stunden wird er in einem Flugzeug sitzen und in die weite Ferne fliegen.

  Weit weg von mir.

  Ich fühle mich, als wäre ich gegen jede Wahrscheinlichkeit aus einem Koma aufgewacht, ein medizinisches Wunder, nur um dann zu erfahren, dass ich nur noch wenige Stunden zu leben habe. Es ist nicht fair, dass der einzige Mann, in den ich mich wirklich hätte verlieben können, der einzige Mann, mit dem so viel mehr hätte sein können …

  Nein.

  Ich verdränge diesen Gedanken, bevor er sich vollständig in meinem Gehirn einnisten kann. In meinem Lieblings-T-Shirt lasse ich mich unter die Bettdecke gleiten und rolle mich dort zusammen. Ich weiß nur zu gut, dass es keine Rolle spielen wird, wie lange ich hier liege. Ich werde heute Nacht sehr lange darauf warten müssen, dass mich der Schlaf endlich übermannt.

  Ich bin nicht sicher, was mich aufweckt.

  Ein leises, gedämpftes Geräusch auf der Treppe vor meinem Zimmer. Oder vielleicht reagiert mein Körper einfach auf seine Anwesenheit, weil er diese magnetische Strömung spürt, die unter seiner Haut zu verlaufen scheint und jedem, der ihm zu nah kommt, Stromschläge verpasst.

  Vor meinem Fenster ist es noch dunkel, als ich vorsichtig aufstehe und nach draußen spähe. Es gibt keine Lebenszeichen, aber als ich in die Schatten blinzle, kann ich gerade so eben eine klobige, vertraute Gestalt auf meinem kleinen Treppenabsatz ausmachen. Mein Herz rast, als ich den schweren Schaukelstuhl, den ich jede Nacht als Barrikade benutze, beiseiteschiebe, die Sicherheitskette wegziehe und die Tür aufreiße.

  Mein Gitarrenkoffer lehnt am Treppengeländer und wartet auf mich. Von demjenigen, der ihn hier abgestellt hat, gibt es keine Spur, aber in meinem Herzen weiß ich, dass nur eine einzige Person auf der Welt dahinterstecken kann.

  »Ryder?«, rufe ich in einem zögerlichen Flüsterton und suche mit den Augen den leeren Parkplatz ab. Ich bekomme keine Antwort. Nirgends ist ein Zeichen von ihm. »Ryder!«

  Er ist bereits weg.

  Ich denke nicht nach. Verflixt, ich ziehe mir noch nicht einmal Schuhe an. Ich renne einfach los – vorbei an meiner Gitarre, die Treppe hinunter und über den geteerten Parkplatz. Ich muss ihn unbedingt erwischen. Mein Herz hämmert gegen meine Rippen, als ich um eine Ecke des Gebäudes biege und in die Gasse laufe. Ich hoffe inständig, dass er noch nicht zu weit weg ist. Da ich lediglich ein zu großes T-Shirt und eine knappe Unterhose trage, bin ich nicht wirklich für einen langen Ausflug durch die Straßen von Nashville gerüstet.

  Ich bleibe ruckartig stehen.

  Er sitzt genau an der Stelle, an der wir uns zum ersten Mal begegnet sind – auf den Stufen des Hintereingangs. In seinem Mundwinkel hängt eine Zigarette, und er bewegt den Daumen rhythmisch über die Reibradzündung seines Feuerzeugs. Jedes Mal wenn sich die Flamme entzündet, wird sein Gesicht in der tiefschwarzen Dunkelheit kurz erhellt.

  »Ryder.«

  Er zuckt zusammen, als er meine Stimme hört, schaut aber nicht auf.

  »Wolltest du dich nicht mal verabschieden?« Meine Stimme bricht.

  »Ich habe mich verabschiedet«, murmelt er und zündet erneut das Feuerzeug an. »Auf der letzten Seite deines Notizbuchs steht eine Nachricht.«

  Ich vertage die Diskussion, die wir über das Eindringen in die Privatsphäre anderer Leute führen werden, und mache ein paar Schritte auf ihn zu. Ich verziehe das Gesicht, als sich meine nackten Füße über den steinigen Boden bewegen. Er hört meinen leisen schmerzerfüllten Atemzug und schaut mir in die Augen.

  Sein Anblick sorgt dafür, dass ich nach Luft schnappe. Sein Gesicht ist eine Katastrophe aus Schwellungen und Blutergüssen. Sein linker Wangenknochen verfärbt sich bereits schwarz und blau. Seine Unterlippe ist aufgeplatzt und auf das Doppelte ihrer normalen Größe angeschwollen. Seine Nase sieht schiefer aus, als ich sie in Erinnerung habe. Aber seine Augen jagen mir am meisten Angst ein. In ihnen liegt keinerlei Hoffnung mehr. Sie sind voller … Qual.

  »Oh, Ryder«, flüstere ich und mache einen weiteren Schritt.

  »Du solltest wieder reingehen.« Seine Stimme ist tonlos. Er tritt seine Zigarette mit dem Absatz seines Stiefels aus. »Es ist spät, und du bist nicht angezogen.«

  »Das ist also alles, ja?«

  Er schweigt.

  Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen, und kämpfe mit meiner ganzen noch verbliebenen Selbstkontrolle dagegen an. »Das ist der
Abschied, den ich bekomme? Nach allem, was passiert ist?«

  »Was willst du von mir, Felicity?« Seine Stimme bricht, als er meinen Namen ausspricht, und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich schwören, dass er kurz vor einem Zusammenbruch steht. »Ich habe nichts mehr, was ich dir geben kann.«

  »Weil du gehst«, sage ich leise.

  Er schaut ruckartig auf, und ich sehe, dass ich recht habe – seine Augen schimmern in der Dunkelheit feucht.

  »Weil ich gehe«, wiederholt er mit brüchiger Stimme.

  Eine schwere Stille legt sich über uns. Das einzige Geräusch kommt vom Wind, der Abfall hochweht und ihn in kleinen Wirbeln über den Boden der Gasse tanzen lässt. Ich trete von einem Fuß auf den anderen und verschränke die Arme vor der Brust.

  »Du siehst furchtbar aus«, sage ich geradeheraus.

  Er verzieht die Lippen zu einem düsteren Grinsen. Es ist nur ein Schatten seines üblichen Charmes. »Danke.«

  Mit einem Seufzen bringe ich die verbliebene Entfernung zwischen uns hinter mich und lasse mich neben ihm auf die Stufen sinken. Dabei stoße ich mit meiner Schulter absichtlich fest gegen seine, um ihn aus seiner Benommenheit zu reißen. Er schaut zu mir und zieht die Augenbrauen hoch. Ich glaube, einen Hauch von Humor in den Tiefen seiner Augen zu erkennen.

  »Wofür war das denn?«

  »Dafür, dass du versucht hast abzuhauen, ohne dich zu verabschieden.«

  »Tut mir leid.« Er atmet geräuschvoll aus. »Ich dachte, dass es leichter wäre, wenn …«

  »Wenn du einfach verschwinden würdest? Bitte entschuldige, wenn ich da anderer Meinung bin.«

  »Ich habe darüber nachgedacht, an deine Tür zu klopfen. Dich zu wecken.«

  »Warum hast du es nicht getan?«

  Das Feuerzeug in seiner Hand erwacht erneut flackernd zum Leben. Er schaut mir nicht in die Augen. »Ich hatte Angst, dass ich morgen nicht in der Lage sein würde, in dieses Flugzeug zu steigen, wenn ich dich sehen würde, wenn ich die Nacht bei dir verbringen würde … Vielleicht würde ich dann nicht mehr in der Lage sein, dich gehen zu lassen.«

  Ich atme scharf ein. »Ryder …«

  Er dreht sich zu mir um, greift mit einer Sanftheit, die ich bei ihm noch nie zuvor erlebt habe, nach dem Haargummi am Ende meines Zopfes und zieht es ab. Ich versuche krampfhaft weiterzuatmen, während er seine Finger in den dicht geflochtenen Zopf schiebt und ihn mit großer Konzentration systematisch löst. Als mein Haar offen ist und wie ein dichter Vorhang bis auf meinen Rücken fällt, streicht er mit flachen Händen von meinem Scheitel bis zu meinen Haarspitzen, die sich an meinem Bizeps kräuseln. Es ist nur eine einzige, ehrfürchtige Liebkosung. Dann zieht er seine Hand weg, ballt sie zu Fäusten und setzt eine ausdruckslose Miene auf. Als ob diese kurze Berührung alles ist, was er sich gestatten wird.

  Ich spüre, wie der Abschied über uns in der Luft hängt. Er lauert dort wie ein Geist in der Dunkelheit.

  Nein. Noch nicht.

  Verlass mich noch nicht.

  »Weißt du«, murmle ich. »Für jemanden, der gerade alles bekommen hat, was er je wollte, siehst du ziemlich mitgenommen aus.«

  »Nicht alles«, erwidert er nach einem langen Moment des Schweigens.

  Mir stockt der Atem. Bevor er mich davon abhalten kann, lehne ich mich vor und küsse ihn. Vorsichtig. Mit der ganzen Zärtlichkeit, die ich aufbringen kann. Es ist ganz anders als unser erster Kuss. Nicht verzweifelt oder verschlingend. Ich presse meinen Mund auf seinen, als würde ich ein Geheimnis mit ihm teilen. Mit der Zunge fahre ich behutsam über seine geschwollene Unterlippe und schmecke Blut. Dann bewege ich sie nach oben, um ganz leicht an der unverletzten Oberlippe zu saugen. Er stöhnt tief in seiner Kehle.

  »Felicity«, murmelt er. Er bleibt ganz steif, um sich davon abzuhalten, mich zu berühren. »Das ist nicht …«

  »Schhh«, atme ich gegen seinen verletzten Mund. »Sag nichts.«

  Ich verschränke meine Finger mit seinen und halte ihn fest. Dann stehe ich auf, ziehe ihn mit mir hoch und setze mich in Bewegung. Wir sagen kein Wort, als wir die Treppe zu meinem Zimmer hinaufsteigen. Er hält kurz auf dem Absatz inne, um meine Gitarre mitzunehmen, bevor er mir hineinfolgt. Ich beobachte sein Gesicht, als er eintritt. Seine Augen zucken umher und nehmen jedes Detail wahr. Sein Blick verweilt sehr lange auf meinem Schaukelstuhl, den ich benutze, um die Tür zu verrammeln.

  »Ich weiß, dass es nicht viel ist …« Ich zucke mit den Schultern. »Aber ich komme hier klar.«

  Er schließt die Tür hinter sich. Das Zimmer wirkt plötzlich unendlich viel kleiner.

  Ich schlucke schwer und gehe rückwärts auf mein nicht gemachtes Bett zu. Er beobachtet mich und mustert mich von Kopf bis Fuß, so als würde er sich meinen Anblick einprägen, damit er sich später daran erinnern kann, wenn er weit von mir entfernt ist.

  Ich will nicht daran denken, also verdränge ich den Gedanken.

  »Ich würde dir Eis oder Erste Hilfe anbieten, aber ich habe nichts hier.« Meine Stimme zittert. »Ich kann dir lediglich eine Schmerztablette und Wasser geben. Du hast doch bestimmt Schmerzen.«

  »Ich komme schon klar.« Er ist drei Schritte von mir entfernt, aber es fühlt sich wie drei Kilometer an.

  »Kann ich irgendetwas tun, damit es dir besser geht?«

  In seinen Augen flackert ein Lebensfunke auf. Ich werte das als gutes Zeichen. »Eine Sache gäbe es da.«

  »Was denn?« Mein Herz pocht heftig. »Ich werde alles tun.«

  Er kommt einen Schritt näher, und sofort ist der Abstand zwischen uns nur noch halb so groß. »Alles?«

  Ich nicke und bekomme plötzlich kaum noch Luft. Ich spüre, wie meine Brustwarzen unter dem Stoff meines Schlaf-T-Shirts steif werden, während Lust durch meinen Körper schießt wie ein Blitz.

  Ja, alles.

  Ich werde alles für diesen Mann tun.

  Ryders Kehle verkrampft sich, als er schwer schluckt. Er macht den letzten Schritt, bis wir Brust an Brust stehen und nur wenige Zentimeter von meinem Bett entfernt sind. Wir müssten uns nur fallen lassen und würden in einem Bündel aus zerwühlten Laken und umschlungenen Gliedmaßen enden. Ich lecke mir über die Lippen, als er sich vorlehnt. Seine Bartstoppeln kratzen an meiner Ohrmuschel, als er mir zuflüstert, was er will.

  »Sing für mich.«

  »Ich … ich …« Das habe ich nun wirklich nicht erwartet.

  »Du hast gesagt, dass du alles tun würdest«, ruft er mir ins Gedächtnis und zieht sich zurück, damit er mir in die Augen schauen kann. »Und genau das will ich.«

  Ich schlucke heftig. »Hast du irgendein bestimmtes Lied im Sinn?«

  »Wie wäre es mit dem letzten, das du geschrieben hast?«

  Hitze strömt in mein Gesicht, als er mein letztes Lied erwähnt. Es ist das Lied, das ich schrieb, nachdem ich ihn am frühen Morgen schlafend in der Bar vorgefunden hatte.

  »Das ist noch nicht fertig.«

  »Das macht nichts. Genau das will ich hören.«

  »Weißt du, wenn du nicht schon grün und blau geprügelt worden wärst, würde ich dich jetzt dafür prügeln müssen, dass du ohne meine Erlaubnis mein Notizbuch gelesen hast«, sage ich und kneife die Augen zusammen. »Das ist eine ernsthafte Verletzung meiner Privatsphäre, Ryder.«

  »Ich weiß. Tut mir leid. Ich verspreche, dass ich kaum einen Blick riskiert habe.« Er verzieht den Mund und zuckt dann vor Schmerz zusammen. »Aber ich konnte nicht widerstehen, einen Blick in deinen Kopf zu werfen.« Er streicht mit dem Daumen sanft über meine Schläfe. Ich muss meine ganze Willenskraft aufbringen, um meinen Kopf nicht an seine Hand zu schmiegen.

  Ich kann wegen des Notizbuchs nicht wütend auf ihn bleiben. Nicht jetzt. Nicht wenn das hier unsere letzte gemeinsame Nacht ist – möglicherweise für immer. Selbst eine Minute, die wir mit Streiten verbringen, wäre eine unverzeihliche Verschwendung.

  »Ein Lied«, willige ich ein.

  Seine Augen leuchten triumphierend auf.

  Ich gehe um ihn herum und
schnappe mir meinen Gitarrenkoffer, der neben der Tür steht. Er lässt sich unterdessen aufs Bett sinken. Das Quietschen der Federn in der Matratze sorgt dafür, dass mein Puls rast. Als ich mich umdrehe, stelle ich fest, dass er sich nach hinten gegen meine Kissen gelehnt und die Arme hinter dem Kopf verschränkt hat. Seine Füße baumeln über den Rand der Matratze.

  Ich muss lachen.

  »Was ist?«, fragt er.

  »Du siehst auf diesem winzigen Bett einfach zu komisch aus.« Ich schüttle den Kopf, während ich mit der Gitarre in der Hand auf ihn zugehe. »Ich weiß nicht, ob darin Platz genug für uns beide ist.«

  Er rutscht ein paar Zentimeter zur Seite. »Hier ist jede Menge Platz«, flüstert er und sieht zu, wie ich mich ihm nähere.

  Ich lasse mich auf die Matratze sinken und schlage die Beine unter mir zusammen. Mein nackter Oberschenkel ist an seine Hüfte gedrückt. Der grobe Stoff seiner Jeans reibt an meiner empfindlichen Haut, wann immer sich einer von uns auch nur einen Millimeter bewegt. Ich beiße mir angesichts dieser Empfindung auf die Unterlippe.

  »Okay, es geht los …«

  Ich stimme die Gitarre und räuspere mich leise. Ich will gerade anfangen, als er meinen Namen sagt.

  »Ja?«, murmle ich und schaue auf.

  »Tust du mir einen Gefallen?«

  »Was denn?«

  »Verbirg deine Augen nicht vor mir. Ich weiß nur deswegen ständig, was du denkst, weil du so verdammt ausdrucksstarke Augen hast.« Sein Adamsapfel hüpft auf und ab. »Ich will sie beobachten, während du singst.«

  Ich atme scharf ein. Als wäre dieser Augenblick nicht schon intensiv genug. Jetzt will er auch noch Augenkontakt halten. Die Vorstellung, für ihn zu singen, während wir uns tief in die Augen schauen, hat etwas schockierend Intimes an sich. Ich werde nicht in der Lage sein, mich vor ihm zu verbergen – weder meine Gedanken noch meine Gefühle noch meine Ängste.

  »Bitte, Felicity.«

  Ich nicke und schlage die Saiten an, bevor ich einen Rückzieher machen kann. Meine Stimme ist ein wenig belegter als normalerweise, aber ich schaffe es, die Töne hervorzubringen, während er mich mit seinen blau-braunen Augen gefangen hält.

 

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