Was für eine gottverdammte Vergeudung.
Je länger ich zuhörte, desto wütender wurde ich. Wie ist es möglich, dass Caerleon – eine angeblich fortschrittliche Nation, ein Industriestaat, eine Perle Europas – die Hälfte seiner Bevölkerung außer Gefecht gesetzt hat, wenn es darum geht, politische Entscheidungen zu treffen? Wie kann es sein, dass das Land, das ich so sehr liebe, mich nicht ebenfalls liebt, nur weil ich Eierstöcke habe? Und warum in Herrgottsnamen gehen diese Frauen nicht auf die Straße, um eine paritätische Vertretung in der Regierung einzufordern?
Ich war so sehr in der dunklen Abwärtsspirale meiner eigenen Gedanken versunken, dass mir Chloe mehrere Male einen Ellbogen in die Rippen rammen musste, wenn sich die Unterhaltung in meine Richtung bewegte. Was zu meinem großen Missfallen recht häufig passierte, wenn wieder einmal eine der anwesenden Frauen der zukünftigen Königin von Caerleon ihren unverheirateten Sohn schmackhaft zu machen versuchte.
Oliver ist gerade von einem Semester in Oxford zurückgekehrt! Er würde Sie liebend gerne kennenlernen!
Charles ist der Kapitän seiner Rudermannschaft. Sobald das Wetter besser wird, wird er Sie mit auf eine Bootsfahrt auf dem Nelle River nehmen!
Philippe hat Logenplätze für die Oper. Er muss Sie unbedingt einmal mit zu einer Aufführung nehmen!
Offensichtlich ist mittlerweile offiziell bekannt, dass ich Freier akzeptiere, was wohl oder übel darauf hinauslaufen wird, dass schon bald eine ganze Schar heiratsfähiger junger Männer vor den Toren des Palasts auftauchen wird, um verzweifelt um meine Hand anzuhalten – oder besser gesagt: um sich einen Platz in der Monarchie zu sichern.
Ich presse die Hacken in Gingers Flanken, um sie zu mehr Tempo anzutreiben. Dieser Ausritt könnte durchaus mein letzter Moment in Freiheit sein.
Freiheit.
Was für ein Witz.
Das ist keine Freiheit. Bloß die Illusion davon.
Es ist schließlich nicht so, als könnte ich das Anwesen verlassen. Und selbst in diesem Moment bin ich nicht wirklich allein. Auch wenn ich gerade nichts von meinen Wachen höre oder sehe, bin ich mir sicher, dass Galizia und Riggs irgendwo hinter mir sind – sie folgen mir in respektvollem Abstand auf zwei schwarzen Pferden.
Ich packe die Zügel fester und sporne Ginger an, damit sie schneller über den Pfad läuft und wir sie vielleicht abhängen können. Das schwindende Licht fällt schwach durch die schneebedeckten Baumkronen über uns. Ich weiß, dass ich umkehren sollte, bevor es dunkel wird, aber ich bin noch nicht bereit, mich wieder in die Gefangenschaft des Schlosses zu begeben.
Morgen geht alles erneut von vorne los.
Das Herausputzen. Das falsche Lächeln.
Die öffentlichen Auftritte und die erzwungenen Prinzessinnenpflichten.
Als der Wald dichter wird, ziehe ich die Zügel nach hinten, um Ginger in ein zögerliches Schritttempo verfallen zu lassen. Sie wiehert leise, und ihr Atem schwebt wie Nebel in der kalten Luft. Wir biegen um eine weitere Kurve, und sie trägt mich zwischen den letzten Bäumen hindurch bis zu einer Lichtung.
Ich blinzle angesichts des plötzlichen Wechsels von verschneiten Baumkronen zu bedecktem Abendhimmel. Die Sonne steht schon tief am Horizont und färbt die Wolken orange, während sie hinter den hoch aufragenden westlichen Bergen versinkt. Das Schloss in der Ferne sieht aus, als wäre es einem Märchen entsprungen. Seine Silhouette wirkt wie ein schlafender Riese, seine hellen Steine schimmern, und seine Türme und Balustraden brechen die unzähligen goldenen Lichtstrahlen.
Sobald ich den schmalen Pfad hinter mir lasse, spüre ich, wie sich Gingers Muskeln unter mir bewegen. Sie ist angespannt und bereit loszurennen. Ich betrachte die weite Fläche des gefrorenen Felds, das uns von den Toren des Schlosses trennt, und umfasse die Zügel fester mit meinen behandschuhten Händen.
»Okay, Mädchen«, flüstere ich und beuge mich im Sattel vor. »Dann leg mal los!«
Mir bleibt kaum Zeit, sie mit den Hacken anzustoßen, denn sie setzt sich bereits in Bewegung. Ihre kräftigen Hufe wirbeln mit jedem Schritt den schneebedeckten Boden auf. Luft weht mir ins Gesicht. Sie ist kälter als Eis, als sie meine Lunge füllt. Der Himmel um uns herum verwandelt sich in verschmierte Farbschlieren.
Ich weiß, dass ich langsamer reiten sollte, dass Hans dieses wilde, undisziplinierte Vorpreschen vermutlich missbilligen würde, da ich bislang kaum einen gleichmäßigen Galopp gemeistert habe. Aber ich bringe es einfach nicht über mich, Ginger zurückzuhalten. Ich kann ihre Freude in jedem Hufschlag spüren.
Sie braucht das hier ebenso sehr wie ich.
Wir galoppieren über das Feld und kümmern uns nicht um den Rest der Welt. Mein Haarband löst sich, und ich fühle, wie meine zerzausten braunen Locken hinter mir wehen wie eine Fahne im Wind und sich die einzelnen Strähnen miteinander verheddern. Der Wind sticht mir in die Augen, bis mir die Tränen kommen, aber selbst die können das triumphierende Lächeln, das sich auf meinem Gesicht ausbreitet, nicht aufhalten.
Genau so schmeckt die Freiheit.
»Schneller, Mädchen!« Ein Lachen entringt sich meiner Kehle. »Schneller!«
Vor lauter Freude stoße ich einen Jubelruf aus, während wir auf das Schloss zupreschen. Ich bin so sehr in meinem Adrenalinrausch gefangen, dass ich die beiden Männer, die in der Einfahrt stehen, nicht einmal bemerke. Auch ihre verzückten Blicke entgehen mir. Sie beobachten die verrückte junge Frau, die ihr Pferd mit Höchstgeschwindigkeit über das Feld jagt und dabei in der Ferne von zwei verärgerten Wachen verfolgt wird.
Am Ende des Felds angelangt, drosselt Ginger ihr Tempo von Galopp auf Trab, und wir überqueren die kreisförmige Einfahrt und passieren dabei eine Reihe leerer Springbrunnen und vereister Formschnitthecken. Die königlichen Stallungen befinden sich außerhalb des Westflügels. Ich schaue auf, um den Seitenweg auszumachen, der uns dorthin führen wird, und entdecke stattdessen an den vorderen Stufen zwei männliche Gestalten, die mir direkt im Weg stehen.
Mein Magen schlägt Purzelbäume.
Sie stehen neben einem schwarzen SUV und scheinen mich aufmerksam zu beobachten. Da ihre Gesichter im Schatten liegen, kann ich ihre Züge aus dieser Entfernung nicht richtig ausmachen. Während sich der Abstand zwischen uns mit jeder Sekunde verringert, kneife ich die Augen zusammen.
Dreißig Meter.
Zwanzig.
Zehn.
Die schattenhaften Gestalten nehmen allmählich Konturen an, und ich spüre, wie mein Herz ins Stolpern gerät. Ich spiele mit dem Gedanken, die Zügel scharf nach links zu ziehen und wie wild davonzupreschen, um sie komplett zu umgehen, aber dafür ist es bereits zu spät.
»Hey!«, rufe ich und bringe Ginger so abrupt zum Stehen, dass der Kies unter ihren Hufen durch die Luft gewirbelt wird. Ich streichle ihren verschwitzten Hals und gurre leise vor mich hin, während ich verzweifelt nach Luft ringe. »Braves Mädchen«, murmle ich und versuche, nicht in Panik zu verfallen, als ich den Kopf in Richtung der beiden Männer hebe.
Sie verharren reglos neben dem Auto und starren mich an. Selbst im Zwielicht sind sie noch unglaublich attraktiv, wenn auch auf vollkommen unterschiedliche Weise.
Alden, wie er zu mir heraufgrinst. Das platinblonde Haar perfekt gescheitelt, nicht eine Strähne tanzt aus der Reihe. Seine grünbraunen Augen strahlen vor Wärme, wie Kugeln aus Licht.
Und dann, einen knappen Meter und doch ein ganzes Universum weit entfernt, Carter. Die unglaublich blauen Augen auf die für ihn typische Weise zusammengekniffen, und mit dem zerzausten schwarzen Haar, das ihm in die gerunzelte Stirn fällt, ist seine Ausstrahlung dunkler als der tiefschwarze Stoff seiner Winterjacke.
Meine Kehle schnürt sich zusammen, als ich die beiden betrachte.
Licht und Dunkelheit.
Sonne und Schatten.
Verehrer und Stiefbruder.
»Ich dachte, ihr kommt erst morgen zurück«, bemerke ich lahm vom Sattel herunter. Ich habe den Blick fest auf Carter gerichtet und kann ihn aus irgendeinem Grund nicht von ihm abwenden, obwohl er mich finster anfunkelt. Ich denke an die schrecklichen Dinge, die ich bei unserer letzten Begegnung zu ihm gesagt habe, und muss di
e Zügel fest umklammern, um nicht von meinem Pferd zu fallen.
»Laut Wettervorhersage ist ein Schneesturm im Anmarsch«, informiert mich Alden mit heiterer Stimme. »Also haben wir beschlossen, früher zurückzukommen.«
»Oh.« Ich schlucke schwer und hoffe, dass das den Kloß in meinem Hals lösen wird. »Das ist schade.«
»Ist es das? Komm schon, Emilia – freust du dich nicht mal ein bisschen, uns zu sehen?«, fragt Alden und sorgt damit dafür, dass ich ihn wieder anschaue. »Und mit ›uns‹ meine ich vor allem ›mich‹«, fügt er mit einem kecken Augenzwinkern hinzu.
»Doch, schon«, lüge ich und wünschte, ich würde überzeugender klingen.
»Uff!« Alden taumelt rückwärts und legt mit einer theatralischen Geste eine Hand auf sein Herz. »Wie sehr sie mich mit ihrer Gleichgültigkeit verletzt!«
Carter lacht, aber es klingt alles andere als fröhlich. Er murmelt etwas Abfälliges vor sich hin, aber ich kann nicht genau verstehen, was.
»Wie bitte?« Ich ziehe die Augen zusammen. »Hast du etwas gesagt?«
»Keineswegs, Prinzessin.«
»Komisch. Ich hätte schwören können, dass ich meinen Namen gehört habe.«
Carter verzieht die sinnlichen Lippen zu einem Schmunzeln. »Glaub mir, wenn ich deinen Namen ausspreche, wirst du es mitkriegen .«
Ein Schub nicht zu leugnender Lust schießt durch meinen Körper. Dieser Ausdruck in seinen Augen …
Pure Hitze.
Purer Hass.
Der Anblick allein sorgt dafür, dass sich meine Oberschenkel zusammenziehen. Ich vergesse sogar, dass wir nicht alleine sind.
Aldens Lachen reißt mich in die Realität zurück. »Oh, ihr müsstet euch mal reden hören! Ihr streitet euch bereits wie Geschwister.«
Daraufhin blendet Carters Gesicht sofort alle Emotionen aus. Ich senke den Blick, rutsche auf meinem Sattel herum und fühle mich unbehaglich. »Tja, ich schätze, dass ich Ginger besser zurück in den Stall bringen sollte. Es wird schon bald dunkel sein, und ich muss ihre Box noch ausmisten …«
»Unsinn! Das kann doch ein Stallbursche übernehmen.« Aldens Stimme duldet keinen Widerspruch. Er schnippt mit den Fingern, um einen der Bediensteten herbeizuordern, die sein Auto auspacken. Sofort rattert er einen Befehl herunter. Ich höre nicht, was er sagt, aber der Bursche eilt umgehend los und hält schnurstracks auf die Stallungen zu.
Ich rümpfe ungehalten die Nase. »Das war wirklich nicht nötig …«
Alden verscheucht meinen Protest mit einer wegwerfenden Geste. Er ist der Inbegriff eines Gentlemans, als er vortritt und mit einer Hand Gingers Zaumzeug packt, bevor er mir die andere hinhält.
»Mylady« , sagt er in einem gespielt formellen Tonfall und mit einem neckischen Grinsen. »Darf ich behilflich sein?«
Ich höre etwas aus Carters Richtung, das wie ein Schnauben klingt, wage es jedoch nicht, zu ihm hinzuschauen. Da ich keinen Ausweg sehe, lege ich meine behandschuhte Hand in Aldens und gestatte es ihm, mir beim Absteigen zu helfen. Der Kies knirscht unter meinen Stiefeln, als ich auf dem Boden lande.
»Danke«, murmle ich und starre in Aldens grünbraune Augen. Er hat meine Hand noch nicht wieder losgelassen. Ich versuche, sie aus seinem Griff zu ziehen, doch er hält sie fest.
»Es war mir ein Vergnügen, Eure Hoheit.«
»Einfach nur Emilia. Bitte.«
Sein strahlendes Lächeln ist so hell, dass ich befürchte, einen Sonnenbrand zu bekommen, nur weil ich mich in seiner unmittelbaren Nähe aufhalte. »Meinetwegen. Dann eben Prinzessin Emilia . Ist das besser?«
»Geringfügig.«
»Warum hast du mir nie erzählt, dass du reitest?« Er reicht die Zügel meines Pferds an einen Stallburschen weiter, der wie aus dem Nichts neben ihm aufgetaucht ist. Ich versuche, dem Jungen in die Augen zu schauen, doch er verschwindet mit Ginger, bevor ich auch nur eine Gelegenheit habe, ihm zu danken.
»Prinzessin?«
»Hmm?« Ich schaue wieder zu Alden und erinnere mich mit einiger Verspätung daran, dass er mir eine Frage gestellt hat. »Oh! Eigentlich kann ich gar nicht reiten.«
Er zieht die Augenbrauen hoch. »Was du nicht sagst. Warst das etwa nicht du, die wir da gerade über das Feld haben galoppieren sehen?«
»Es ist ein neues Hobby. Ich arbeite immer noch daran, mir die Grundlagen zu erarbeiten.«
»Tja, du bist wohl ein Naturtalent. Wir werden irgendwann mal zusammen ausreiten müssen.« Seine Augen leuchten. »Weißt du, rund um Westgate gibt es ein paar wirklich tolle Reitwege.«
»Tatsächlich war ich gerade erst heute Nachmittag dort. Deine Mutter hat eine Teegesellschaft gegeben.«
»Ah, ja, natürlich. Ava erwähnte so was.« In seinen Augen blitzt so etwas wie Besorgnis auf. »Ich hoffe sehr, sie hat dafür gesorgt, dass du dich willkommen gefühlt hast. Ich muss zugeben, dass ich gehofft hatte, ich würde derjenige sein, der dich auf unserem Anwesen herumführen darf. Mir ist …« Er errötet tatsächlich. »Mir ist wichtig, dass du dich in meinem Zuhause wohlfühlst.«
Ich ringe mir ein Lachen ab, aber es klingt selbst in meinen Ohren schwach. Zum Glück scheint er es nicht zu bemerken. Ich werfe einen schnellen Blick zu Carter und stelle fest, dass er uns beide mürrisch beobachtet. Sein besonderes Augenmerk liegt dabei auf meiner Hand, die immer noch fest in Aldens Umklammerung liegt. Er sieht so aus, als wollte er seinem Freund die Hand brechen.
Mist.
Ein Schauer überkommt mich.
»Bitte entschuldige – da plappere ich unablässig wie ein Idiot, obwohl dir doch eiskalt sein muss«, murmelt Alden, der mein Zittern falsch deutet. »Lass uns reingehen. Wir setzen uns ans Feuer und wärmen dich auf. Vielleicht trinken wir dabei einen Kakao und unterhalten uns ein wenig.«
»Oh, das klingt wundervoll, aber …«
Er lässt mich nicht ausreden. »Ich habe dich viel zu lange nicht mehr gesehen, Prinzessin Emilia. Und du …« Sein Blick wird ebenso sanft wie sein Tonfall. »Du bist wahrlich eine Augenweide.«
Ich kann spüren, wie Carters Blick ein Loch in meinen Hinterkopf brennt. Ich trete von einem Fuß auf den anderen, kaue auf meiner Unterlippe herum und versuche, mir eine höfliche Ausrede einfallen zu lassen. »Ich weiß deine Ritterlichkeit wirklich sehr zu schätzen, Alden, aber es war ein furchtbar langer Tag, und ich bin müde. Ich denke nicht, dass ich eine gute Gesellschaft abgeben würde.«
»Ah. Dann werde ich mich von dir verabschieden … so sehr es mich auch schmerzt, dich zu verlassen.« Er zwinkert mir frech zu, hebt meine Hand an seinen Mund und küsst die Oberseite meines Handschuhs. Mit einem letzten Drücken und einem nachdrücklichen Blick lässt er mich los. Ich stehe wie angewurzelt da, während er zum SUV zurückmarschiert und eine Hand in Carters Richtung ausstreckt.
»Thorne. Das war ein toller Ausflug, Mann.«
Carter nickt steif, gibt Alden aber nicht die Hand. Sein Kiefer ist so angespannt, dass ich überrascht bin, dass er in der Lage ist zu sprechen. »Danke fürs Fahren.«
Alden lässt die Hand sinken. Die Männer blicken sich noch einen Moment lang an. Keiner von ihnen sagt ein Wort, und die Luft zwischen ihnen wird vor Anspannung so dicht, dass mir der Atem stockt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit brechen sie den Blickkontakt endlich ab. Alden dreht sich langsam zum SUV um und wirft mir noch einen letzten Blick zu, bevor er auf den Fahrersitz steigt.
»Es ist immer wieder eine Freude, dich zu sehen, Prinzessin Emilia.«
»Bis dann, Alden.«
»Vergiss nicht … Ich werde dafür sorgen, dass du dein Versprechen bezüglich eines Ausritts einlöst.« Er schmunzelt. »Bald.«
Seine Autotür fällt mit einem Knall zu, der mich schlagartig zusammenzucken lässt. Die Reifen knirschen auf dem Kies, während der Wagen die lange Einfahrt hinunterrollt und auf die fernen Schlosstore zuhält. Ich starre ihm nach, bis der SUV nur noch ein schwarzer Fleck ist. Erst dann wage ich es, zurück zu dem Mann zu schauen, der drei Meter links von mir steht.
Unsere Blicke prallen aufeinander – wie Schwerter auf einem Schlachtfeld. Mir stockt der Atem, während ich seinem Blick standhalte. In seinem Gesicht spiegeln sich
keinerlei Emotionen, aber ich kann die Wut sehen, die in seinen Augen blitzt.
»Nicht«, sage ich leise. Vorsorglich.
Mit finsterer Belustigung verzieht er den Mund.
»Hör auf«, flüstere ich – flehentlich.
»Und womit soll ich aufhören, Prinzessin?« Die Frage klingt bedrohlich sanft, wie der erste schwache Regentropfen vor dem Hereinbrechen eines Hurrikans. »Soll ich aufhören, dich anzusehen? Soll ich aufhören, mit dir zu reden? Soll ich aufhören, mich in deiner Nähe aufzuhalten?«
Ich öffne den Mund, um etwas zu erwidern, stelle jedoch fest, dass ich kein einziges Wort herausbringe.
»Oder vielleicht willst du auch, dass ich komplett aus deinem Leben verschwinde«, sagt er leise und macht einen Schritt in meine Richtung, um den Abstand zwischen uns zumindest teilweise zu verringern. »Ist es das, Emilia?«
Ich atme scharf ein, während er einen weiteren tückischen Schritt auf mich zumacht. Nun trennt uns nur noch ein halber Meter voneinander.
»Wäre es praktischer für dich, wenn ich einfach ganz und gar aufhören würde zu existieren? Hast du das bei unserer letzten Begegnung nicht angedeutet?«
»N… Nein«, stammele ich und kann kaum atmen. »So war das nicht … Ich habe nur …«
Meine Worte verlieren sich und ergeben nicht den geringsten Sinn. Aber es ist ohnehin überflüssig, mit ihm zu sprechen – wenn wir eine komplette Unterhaltung mit unseren Augen führen.
Was willst du von mir, Prinzessin?
Nichts.
Lügnerin.
Hör auf.
Ich kann nicht aufhören. Und du kannst es auch nicht.
Ich weiß nicht, wovon du redest.
Rede dir das nur weiter ein, Prinzessin.
Die kleine Narbe, die seine Augenbraue teilt, sticht im kalten Abendlicht deutlich hervor. Es ist jetzt fast vollkommen dunkel. Die Lichter im Inneren des Schlosses fallen aus den Fenstern in die Einfahrt und erhellen unsere Silhouetten.
»Bitte« , sage ich, aber ich bin mir nicht mehr sicher, worum ich flehe. »Bitte … mach es nicht noch schwerer, Carter. Wir haben bei unserer letzten Begegnung alles gesagt, was es zu sagen gab.«
Forbidden Royals 02 - Golden Throne Page 18