Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you

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Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you Page 2

by Iosivoni, Bianca


  »Hier, bitte schön.« Meine Wangen schmerzten von dem übertriebenen Lächeln. »Ein Cappuccino ohne Milchschaum.«

  Pryan betrachtete den Inhalt einen Moment lang, als wäre er ein Insekt, das er untersuchen müsste, dann schnappte er sich wortlos das Getränk und verschwand in der Menge.

  Gern geschehen, Pryan. Hab ich doch gern gemacht. Jederzeit wieder.

  Ich verdrehte die Augen und fing Charlies Blick auf. Mitfühlend verzog er das Gesicht, ehe er den nächsten Kaffee zubereitete. Ich seufzte tief. Das würde eine lange Schicht werden.

  Als ich Stunden später nach Hause kam, war das Haus dunkel und die Garage leer. Ich schloss die Haustür auf, gab den Sicherheitscode in die Alarmanlage ein und warf meine Schultasche im Vorbeigehen auf die Treppe, während ich durch den langen Flur und das Esszimmer lief, das wir nie benutzten, um in die Küche zu gelangen. Dieses Haus war mir schon als Kind riesig vorgekommen, und jetzt, als achtzehnjährige Fast-Highschool-Absolventin, ging es mir nicht anders. Vor allem nicht, wenn ich allein hier war. Was zugegebenermaßen fast die ganze Zeit war. Unsere Haushälterin Susanna hatte vermutlich schon vor einer Stunde Schluss gemacht, und Dad war wie an fast jedem Abend noch im Büro.

  In der Küche war es vollkommen still. Ich drückte auf den Lichtschalter, und mehrere teure LED-Lampen erwachten zum Leben. Sehr viel heimeliger wirkte der Raum dadurch allerdings nicht. Am Kühlschrank hing kein Zettel mit einer Nachricht von Dad, dass es heute später werden würde, sondern nur ein paar alte und wirklich hässliche Zeichnungen, die ich als Kind angefertigt hatte. Ich hatte keinen Schimmer, warum sie überhaupt noch hier hingen. Es war ja nicht so, als würde sie sich irgendjemand anschauen. Oder als würden sie an irgendein besonderes Ereignis erinnern. Wahrscheinlich waren sie bloß deshalb noch da, weil Mom sie vor Jahren an der Kühlschranktür befestigt und niemand sich die Mühe gemacht hatte, sie abzunehmen. Und das, obwohl meine Mutter schon seit über drei Jahren nicht mehr in diesem Haus wohnte.

  Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Was war heute nur los? Warum musste ich jetzt schon zum zweiten Mal an sie denken, wo ich alle Erinnerungen und jeden Gedanken in diese Richtung für gewöhnlich erfolgreich verdrängte? Offenbar hatte ich trotz Schule, Arbeit und den Games noch immer zu viel Zeit.

  Entschlossen stapfte ich zurück zu meiner Tasche im Flur und holte mein Handy heraus, um die Aufzeichnungen der heutigen Unterrichtsstunden weiterlaufen zu lassen. Da mir kaum Zeit für meine Hausaufgaben blieb, geschweige denn zum Lernen, hatte sich das als gute Methode bewährt, um in der Schule nicht komplett zu versagen. Außerdem beschäftigte es meinen Kopf und füllte ihn mit anderen Dingen. Dinge, die nichts mit meiner Mutter zu tun hatten oder der Tatsache, dass ich wieder mal ein kaltes Essen aus dem Kühlschrank holen und mich damit allein an die Kochinsel setzen würde, ohne mir die Mühe zu machen, das von Susanna zubereitete Gericht aufzuwärmen.

  Nach dem Essen räumte ich Besteck und Geschirr in die Spülmaschine, holte mir etwas zu trinken und schaltete das Licht in der Küche aus. Im Flur und auf dem Weg nach oben erwachten die LED-Leuchten dank Bewegungsmelder von allein zum Leben, aber ich hätte mich auch im Dunkeln zurechtgefunden. In meinem Zimmer angekommen warf ich meine Sachen samt Handy aufs Bett, schlüpfte aus Boots und Socken und stapfte barfuß zu meinem Schreibtisch hinüber. Oder, wie ich es viel lieber nannte: zu meiner Gaming-Zentrale.

  Mehrere Monitore, zwei Desktop-PCs, ein individuell zusammengestelltes Soundsystem, meine drei liebsten Headsets, fünf Controller – jeder in einer anderen Farbe – und der gemütlichste Drehstuhl auf Gottes Erden. Hier war ich zu Hause. Mit einem zufriedenen Seufzen ließ ich mich auf den Sessel fallen und schaltete alles an. Die violette LED-Lichterkette leuchtete fast im selben Moment auf, in dem die Monitore zum Leben erwachten. Meine Finger kribbelten vor Aufregung. Das hier war es, wofür ich lebte. Nicht für den Mist, den ich den ganzen Tag lang mitmachen musste, sondern hierfür. Für die Momente allein in meiner Höhle, die mir gleichzeitig den Zugang zur ganzen Welt ermöglichte. Aber vor allem den Zugang zu Gleichgesinnten.

  Ich prüfte meine Mails und die Social-Media-Kanäle, erinnerte alle an den bevorstehenden Livestream und stand dann wieder auf. Während im Hintergrund ein Update herunterlud, ging ich ins Bad, das direkt an mein Zimmer angrenzte. Noch im Gehen zog ich mir die Klamotten aus, die ich den ganzen Tag über angehabt hatte und die nach Menschen, Schweiß und Kaffee stanken, und stieg schnell unter die Dusche. Anschließend zog ich mir eine Leggings und mein liebstes Gaming-Shirt mit dem Aufdruck I play like a girl. Just try to keep up! an, das meine linke Schulter frei ließ, schminkte und frisierte mich und schaltete mein Handy auf lautlos. Jetzt begann der beste Teil des Tages.

  Während der Stream lud, strich ich mir das lange Haar hinter die Ohren, setzte das Headset auf … und wartete. Obwohl ich das schon seit über einem Jahr machte, hämmerte mein Herz noch immer viel zu schnell in meiner Brust, und mein Magen zog sich vor Erwartung zusammen. Inzwischen wussten meine Follower genau, wann ich streamte, trotzdem tauchten immer wieder kurz vor dem Stream dieselben Zweifel auf: Was, wenn niemand online kam? Was hatte ich den Leuten schon zu bieten, außer dass ich ein bisschen mit ihnen quatschte und Spiele zockte? Das taten Hunderte, ach was, Tausende andere Streamer auch – weit bekanntere als ich, mit mehr Erfahrung und angesagteren Games. Im selben Moment, in dem diese Zweifel auftauchten, biss ich mir fest auf die Lippen, bis der Schmerz diese Gedanken aus meinem Kopf vertrieb.

  Es spielte keine Rolle, wie viele Leute da waren oder wie viel ich heute Abend mit diesem Stream verdienen würde. Na gut, Letzteres war schon irgendwie wichtig, schließlich war das mein Collegegeld, aber ich machte das hier nicht nur für das Geld oder den Fame. Ich machte es, weil ich es liebte. Weil es mir tatsächlich Spaß machte, auf diese Weise mit anderen Leuten zu interagieren – zumindest wenn es keine Arschlöcher waren, die nur in den Chat kamen, um Ärger zu machen. Ich liebte es, in den Games neue Welten zu erkunden und mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und wenn ich dabei auch noch mein Sparkonto fürs College aufbessern konnte, umso besser.

  Der Chat war online – und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich die schnell hindurchrauschenden Nachrichten überflog. Die ersten Leute waren schon da, genauso wie meine treue Moderatorin AliceW, die dafür sorgte, dass alle nett blieben und den Regeln folgten, und die nichts lieber tat, als Idioten aus dem Chat zu kicken.

  Ich schaltete die Kamera ein – und war live.

  »Hey Leute«, begrüßte ich die Zuschauer mit einem Lächeln, das sich zum ersten Mal an diesem Tag nicht gezwungen anfühlte. »Ich hab zwar keine Ahnung, warum ihr nichts Besseres zu tun habt, aber schön, dass ihr da seid.«

  Ein paar lachende Emojis strömten durch den Chat. Ich grinste.

  Da mir mit Schule, Arbeit, Lernen und Collegebewerbungen keine Zeit blieb, irgendetwas für die Streams vorzubereiten, war es immer eine spontane Angelegenheit. Meist spielten wir bei Tomb Raider weiter. Ich hatte die ganz alten Spiele aufgetrieben, die praktisch nur aus Pixelblöcken bestanden, trotzdem gefiel es den Leuten, mir dabei zuzuschauen, wie ich mit Lara Croft durch Höhlen kroch, Wölfe abschoss und auf der ganzen Welt auf Schatzsuche ging. An anderen Tagen, wenn ich zu müde war, um mich richtig konzentrieren zu können, spielten wir Sims – aber selbst diese Sessions dauerten meist bis weit nach Mitternacht.

  »Wie geht’s euch heute Abend?«, fragte ich und nahm einen Schluck von meiner Cola. Daneben stand ein Energydrink für später.

  super! und dir?

  Toll!

  was spielen wir heute?

  wann geht’s loooos?

  wie gehts dir denn heute?

  Kommst du zur E3? oder RTX im Juli?

  Ich überflog die Fragen rasch und seufzte innerlich. Gott, ich würde so gerne zur E3, der Electronic Entertainment Expo, fahren. Sie fand in weniger als einer Woche in Los Angeles statt, und dort wurden alle neuen Spiele vorgestellt. Ich würde dafür morden, dabei sein zu können. Aber die Kosten für Flug, Übernachtung und die teuren Tickets würden ein riesiges Loch in meine Ersparnisse reißen. Außerdem war L. A.
einfach nicht drin. Die RTX in Austin hingegen …

  »Zur E3 schaff ich es leider nicht.« Ich zuckte mit den Schultern, als wäre es keine große Sache. »Aber vielleicht zur RTX.«

  Das entlockte den Leuten im Chat jede Menge glücklicher Emojis und weitere Fragen. Wann genau? Wo konnte man mich treffen? Wie lange würde ich da sein? Würde ich an den Championships teilnehmen?

  Ich zog eine Grimasse. »Hey, ich habe vielleicht gesagt. Wenn ich hingehe, wird das eine spontane Sache, aber ich gebe ­rechtzeitig Bescheid. Es wäre mega, euch alle treffen zu können!«

  In Gedanken ging ich schnell die Kosten und Reisedauer durch. Die Convention war im Juli, also war ich da endlich mit der Highschool durch. Allerdings fand sie am anderen Ende des Landes statt – und von meinem kleinen Kaff in der Nähe von Seattle konnte man sich leider nicht mal eben nach Austin, Texas, beamen. Wenn ich das allerdings mit einem Besuch auf dem Campus in der Nähe verbinden konnte, wo ich mich ohnehin beworben hatte … Hmmm. Das machte das Ganze um einiges interessanter.

  »Ich denk drüber nach«, wiederholte ich, als weitere Fragen im Chat auftauchten, und beschloss, das Thema damit abzuhaken. »Was wollen wir heute zocken? Weiter mit Tomb Raider? Ich glaube, letztes Mal sind wir von diesem riesigen Felsen zerquetscht worden, der den Gang runtergerollt ist. Kann das sein?«

  Ein paar widersprachen und nannten andere Orte, aber die Mehrheit stimmte mir zu. Und es wäre cool, mit Lara weiterzumachen, aber irgendwie war mir nach diesem Tag nach etwas, wo ich mehr Dampf ablassen konnte. Keine Simulation und erst recht kein Sports-Game, denn die konnte ich nicht leiden. Aber irgendein Multiplayer-Game, um gegen andere Spieler anzutreten und sie im Idealfall richtig fertigzumachen? Oh ja. Unbedingt. Allein wenn ich an die kleine Auseinandersetzung mit Maddison Mae heute Mittag oder an den nervigen Pryan im Coffeeshop dachte, zuckten meine Finger ungeduldig über der Maus.

  »Hey, wie wär’s stattdessen mit einem MMO?«, schlug ich spontan vor.

  Sofort warfen die Zuschauer im Chat mit verschiedenen Vorschlägen um sich. GTA, The Elder Scrolls Online, Need for Speed, Battlefield, Final Fantasy, Dead by Daylight. Teilweise waren Sachen dabei, die ich noch nie gespielt hatte und bei denen ich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit total versagen würde. Ich brauchte immer ein bisschen, um mich warm zu spielen, also würde ich sicher nicht als totaler Anfänger in einem Multiplayer-Universum starten, das ich nie zuvor betreten hatte.

  »Hello Kitty Online?«, las ich ungläubig vor und lachte auf. »Echt jetzt? Wollt ihr mich fertigmachen?«

  Ich überflog die Antworten und anderen Vorschläge. Plötzlich kribbelten meine Finger wieder, und ich konnte nicht anders, als zu grinsen. Ich hatte mein Spiel für heute Abend gefunden und loggte mich direkt als TRGame ein. In Guild Wars 2 jagte ich normalerweise Monster, erledigte Quests und kundschaftete die Welt aus, doch heute war mir nach ein bisschen PvP-Action. Player versus Player in den Arenen. Und ich würde alles daransetzen, zu gewinnen.

  Level 2

  Parker

  Mittwochabend. Eigentlich hätte ich viel früher mit dem Livestream anfangen wollen, aber mein idiotischer Mitbewohner Cole hätte uns fast alle in die Luft gesprengt. Der Mistkerl hatte nämlich vergessen, den Herd auszuschalten. Wenn Lincoln es nicht rechtzeitig bemerkt hätte, wären wir wahrscheinlich alle in einem riesigen Kaboom! draufgegangen. Danke auch, Kumpel. Jetzt klebte mitten in der Küche ein riesiges Blatt Papier am Schrank, auf dem in Sophies Handschrift stand: Wehe, du lässt den Herd noch mal an und tötest uns alle!

  Bei der Erinnerung daran prustete ich los. Diese WG war noch chaotischer als ich, und manchmal fragte ich mich, wie es möglich sein konnte, dass wir noch alle am Leben waren. Wenn es nicht der vergessene Herd war, tat sich Sophie in ihrer Tollpatschigkeit wieder weh und musste in die Notaufnahme, Eliza hinterließ ihr angestecktes Glätteisen zusammen mit einer Überschwemmung im Bad, oder einer von uns futterte etwas, das schon ein paar Wochen zu lange im Kühlschrank gelegen hatte. Aber irgendwie funktionierte es – oder wir hatten einfach sehr viel Glück. Bisher war zumindest keiner krepiert, und wir waren alle gesund und munter. Wenn man mal von einigen Nahtoderfahrungen und Besuchen in der Notaufnahme absah.

  Inzwischen stank es in der Wohnung nicht mehr so penetrant nach Gas. Ich hatte Zimmertür und Fenster wieder geschlossen und saß am Schreibtisch, das Headset auf dem Kopf und die Maus in der Hand. Auf dem rechten Monitor lief der Chat durch, links hatte ich ein paar Tabs offen und auf dem mittleren war das Game, das ich heute spielte. Ich hatte mich schon ewig nicht mehr in Guild Wars 2 eingeloggt und nach dem Chaos in der WG hatte ich auch nichts für den Stream vorbereitet, also hatten die Zuschauer entschieden. Und jetzt fand ich mich in der PvP-Lobby mit Spielern wieder, die ich alle nicht kannte: BugNight, *RockerGrrrl*, TRGame, Ameisen23, SmugShow und viele mehr.

  Ich summte einen neuen Taylor-Swift-Song vor mich hin, bei dem meine beste Freundin Callie sicher die Augen verdreht hätte. Dieses Mädchen hatte einfach keinen Musikgeschmack. Anders als meine Zuschauerinnen. Zu meiner eigenen Überraschung befanden sich genauso viele Frauen wie Männer unter meinen Followern. Cole amüsierte sich immer darüber und behauptete, die ganzen weiblichen Fans wären nicht wegen der Games da, sondern wegen mir. Aber selbst wenn es so wäre – kein Interesse. Ich hatte es einmal mit einem Gamer Girl versucht und mir die Finger verbrannt.

  Ich spülte das bittere Gefühl mit ein paar Schlucken Energydrink hinunter. Da. Schon vorbei. Ich hatte weder Zeit noch Lust, um mich in Selbstmitleid zu suhlen. Außerdem lud jetzt die Karte, und ich musste mich auf die anstehende Mission konzentrieren.

  Wenige Sekunden später fand ich mich zusammen mit vier anderen Playern an unserem Startpunkt in einer Festung wieder. Meine braunhaarige Norn-Frau mit den blauen Tattoos an den Stellen, die nicht von ihrer Rüstung bedeckt wurden, überragte alle anderen. Ich scannte kurz die Namen meines Teams – wir waren Rot, während die andere Gruppe Blau war. Auch hier kannte ich keinen, aber da ich so lange nicht mehr gespielt hatte, war das wahrscheinlich kein Wunder. Ich sollte echt öfter bei Guild Wars reinschauen. Vielleicht nahm mich dann auch meine alte Gilde wieder auf, in der ich seit dem Umzug und Beginn des Masterstudiums nicht mehr aktives Mitglied war.

  Und dann ging es auch schon los.

  Ich setzte mich mit meiner Norn-Frau in Bewegung, heilfroh darüber, ein Waldläufer zu sein und zwischen Fern- und Nahkampf wechseln zu können. Den ersten Typen aus Team Blau erledigte ich mit Pfeil und Bogen, dann wechselte ich zum Großschwert und nahm den nächsten Gegner ins Visier.

  Adrenalin pumpte durch meinen Körper, während ich alles gab, um die Auseinandersetzung zu bestehen. Wir mussten diesen Teil der Karte einnehmen und dann …

  Kämpft ums Überleben!

  Was? Wie? Plötzlich saß meine Waldläuferin schwer verwundet auf dem Boden und ein kleines Mistviech sprang um sie herum. Der Spieler, der mich gerade k. o. geschlagen hatte? Mit etwas Glück vergaß er mich, und ich konnte mich wieder hochheilen, damit ich …

  Ihr seid besiegt.

  »Alter! Was?«, rief ich und scannte den Bildschirm. Rechts unten erfuhr ich, wer mich gerade gekillt hatte: ein gewisser TRGame. Wie hatte mich dieser Typ so schnell erledigen ­können?

  Es dauerte ein paar Sekunden, in denen der Kampf ohne mich weiterging, bis ich wieder in der Festung erschien.

  »Ein Hoch auf Respawns«, murmelte ich und schickte meine Norn-Frau erneut los.

  Zum Glück waren die PvP-Karten nicht besonders groß – so konnte ich mich gleich wieder meinem Team anschließen und mich in die Schlacht stürzen. Und diesmal würde ich nicht … Mein Charakter lag schon wieder am Boden.

  Ihr seid besiegt.

  »Echt jetzt?!«

  Vor meinen Augen und den Augen von etwa fünfundsiebzigtausend Zuschauern, die den Livestream mitverfolgten, verpasste mir diese nervige, kleine Asura den Todesstoß: ein Lama tauchte auf, wurde von Scheinwerfern in Szene gesetzt und tanzte auf meiner Leiche herum.

  Mein Blick zuckte zum rechten Bildschirmrand. TRGame. Schon wieder.

  »Wer ist dieser Wichser?«, knurrte ich.
»Und was hat er gegen meine Norn?«

  Wieder dauerte es ein paar Sekunden, bis mein Charakter zurück war und ich weiterspielen konnte. Kostbare Sekunden, verdammt. Ich nutzte die Zeit, um einen Schluck zu trinken und die Nachrichten meiner Zuschauer im Chat zu über­fliegen.

  Wow, miese runde, kumpel!

  AAAAAHHH!! ICH HASSE ASURAS!! kleine drecks­viecher!

  hahahahahaha

  #ParkerLama

  Bei dem Hashtag verdrehte ich die Augen, ganz besonders, weil das alle anderen jetzt auch noch aufgriffen und ebenfalls posteten. Ganz toll.

  »Keine Sorge«, murmelte ich und konzentrierte mich wieder aufs Spiel. »Noch mal werden wir dieses dämliche Lama nicht sehen.«

  Diesmal würde ich mich nicht so einfach überrumpeln lassen. Meine Norn verschoss Pfeile und verpasste gleich zwei Leuten direkt nacheinander mit dem Großschwert den Todesstoß, dann hatten mein Team und ich diesen Punkt auf der Karte eingenommen. Endlich! Auf zum nächsten!

  Etwas Schwarzes flackerte neben mir auf, und meine Figur erlitt Schaden.

  »Was zum …?« Ich wich aus – oder versuchte es zumindest, denn es war so verdammt schwer, wenn dieses kleine Mistding mit den großen Kulleraugen ständig wie aus dem Nichts auftauchte und zuschlug. »Sagt mir nicht, dass das eine Diebin ist.«

  Argh . Diebe waren das Schlimmste in Guild Wars. Flink und schnell und praktisch unmöglich zu treffen. Und als Asura auch noch so verflucht klein und wendig, dass ich …

  Kämpft ums Überleben!

  Und dann tauchte auch schon wieder das tanzende Lama auf und gab mir den Gnadenstoß.

  »Ach, komm schon!« Ich war kurz davor, die Maus gegen die Wand zu werfen. Dreckskerl. Hatte dieser TRGame es auf mich abgesehen, oder was?

 

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