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Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you

Page 30

by Iosivoni, Bianca


  Alles in mir erstarrte.

  »Dad …?«

  Er hob den Kopf und starrte mich an. Seine Augen waren gerötet, und er hatte tiefe Ringe darunter. Auf seinen Wangen schimmerten Tränen.

  »Donovan?«, krächzte er.

  Ich machte einen Schritt in die Küche hinein. Die Reisetasche fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. Ich hatte nicht mal gemerkt, dass ich sie losgelassen hatte. »Was ist passiert?«, stieß ich hervor, auch wenn ich die Antwort darauf überhaupt nicht hören wollte. Ich wollte ja nicht mal darüber nachdenken. »Ist Mom …?«

  Mein Vater schüttelte den Kopf und wischte sich mit zittrigen Fingern über die Wangen. »Es geht ihr … gut. Zumindest so gut es ihr gehen kann«, fügte er rau hinzu und zog die Nase hoch. »Letzte Nacht ist sie aufgewacht und durchs Haus geirrt. Ich habe sie nicht gehört, bis sie … Sie ist die Treppe runtergefallen.« Mit beiden Händen rieb er sich über das Gesicht, als könnte er immer noch nicht fassen, was passiert war. »Ich … ich hab nicht aufgepasst. Wahrscheinlich hatte sie vergessen, dass dort die Treppe ist, oder sie hat Panik bekommen und ist auf den Stufen ausgerutscht.«

  »Wo ist sie jetzt?«, fragte ich mit panisch hämmerndem Herzen.

  »Oben. Sie schläft. Der Arzt war schon da und hat ihr etwas zur Beruhigung gegeben.« Dad starrte mich aus blutunterlaufenen Augen an. »Sie hat nur ein paar Prellungen, aber es hätte so viel schlimmer ausgehen können. Und das nur, weil ich einen Moment nicht aufgepasst habe.« Die letzten Worte waren nur noch ein heiseres Flüstern.

  Wahrscheinlich sollte ich ihm jetzt sagen, dass es nicht seine Schuld war. Dass das jedem hätte passieren können und wir Glück hatten, dass noch mal alles gut gegangen war. Doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Und wo Erleichterung darüber hätte sein sollen, dass meiner Mutter nichts passiert war, waren jetzt nur blanke Panik und ein einziger Gedanke.

  Ich kann das nicht.

  Ich hatte meinen Vater nie zuvor weinen gesehen. Weder damals, als die Diagnose kam, noch im Jahr darauf, als wir Grandpa beerdigten. Und auch nicht, nachdem er seinen Job als Feuerwehrmann aufgegeben hatte, um rund um die Uhr für seine Frau da sein zu können – einen Job, den er immer mit ganzem Einsatz und vollkommener Überzeugung gemacht hatte. Aber jetzt hatte er geweint. Er war völlig am Ende. Wie zum Teufel sollte ich da noch eins draufsetzen und mit ihm über die Symptome reden, die ich seit einigen Wochen hatte? Wie um alles in der Welt sollte ich ihm das antun – und damit alles nur noch schlimmer machen?

  Nein. Das war nicht fair, und ich weigerte mich, ihm das anzutun. Ich weigerte mich, es einem anderen Menschen anzutun, so mit mir zugrunde zu gehen. Aber vor allem weigerte ich mich, es Teagan anzutun. Die Erkenntnis traf mich vollkommen unvorbereitet, und für einen Moment war das panische Hämmern meines Herzens alles, was ich noch wahrnehmen konnte.

  Das Ticken der Küchenuhr war das Erste, was wieder in mein Bewusstsein drang. Gefolgt von der gepressten Atmung meines Vaters, der noch immer zusammengesunken am Tisch saß. Fertig. Hilflos.

  Also sagte ich nichts. Schweigend ging ich in mein altes Zimmer, packte meine Reisetasche aus, sah nach Mom, kümmerte mich um den Haushalt und besorgte eine Sicherung für die Treppe, damit so etwas wie letzte Nacht nie wieder passieren konnte.

  Und ich ignorierte jede einzelne Nachricht, die in den folgenden Stunden auf meinem Handy einging.

  Teagan

  Alles okay bei dir?

  Dreizehn Stunden später

  Teagan

  Bist du etwa wieder eingeschlafen?

  Vierundzwanzig Stunden später

  Teagan

  Parker?

  Level 22

  Teagan

  Keine Nachricht. Kein Anruf. Gar nichts. Nicht vor ein paar Tagen. Nicht vorgestern. Nicht gestern. Und heute auch nicht.

  Ich schloss die Augen und zwang mich dazu, das Smartphone wegzulegen, auch wenn es in den letzten Tagen praktisch an meiner Hand klebte, weil ich immer wieder nachschaute, ob nicht doch etwas gekommen war. Ob er sich nicht doch gemeldet und auf meine Fragen, ob es ihm gut ging, geantwortet hatte. Gleichzeitig verfluchte ich mich für meine Reaktion. Dafür, wie sich mein Magen schmerzhaft zusammenzog und meine Augen brannten. Das war nicht nur völlig lächerlich, sondern auch total unangebracht. Was hatte ich denn erwartet? Dass ein paar Chats, zwei Treffen und eine gemeinsame Nacht genügten, um … was? Was genau hatte ich mir erhofft?

  Die Antwort auf diese Frage lag mir auf der Zunge, aber ich wollte sie nicht aussprechen. Ich wollte sie nicht mal denken . Also schob ich das Handy zurück in die alberne Schürze, die alle Mitarbeiter des Coffeeshops tragen mussten. Wenigstens war das ein Lichtblick: Ich musste diese hässliche rotbraune Uniform nur noch wenige Wochen anziehen, ganz egal für welches College ich mich letzten Endes entschied. Noch viel schöner war die Vorstellung, mich nicht mehr jeden Tag mit irgendwelchen Idioten und ihren Sonderwünschen herumschlagen zu müssen. Wenn das mal keine Motivation war, dann wusste ich auch nicht. Abgesehen davon freute ich mich auf den Livestream heute Abend.

  Entschieden verbannte ich jeden Gedanken an Parker, genauso wie dieses Ziehen in meinem Bauch, wann immer ich an ihn dachte. Ich hatte ihm nichts von der Zusage vom West Florida Media & Arts College gesagt, aber das war etwas, das ich ihm nicht per Textnachricht mitteilen wollte. Ich wollte seine Stimme hören und seine Reaktion live miterleben, wenn ich ihn schon nicht sehen konnte. Aber das war nicht möglich, wenn er mich aus irgendeinem unerklärlichen Grund anschwieg und auf keine meiner Nachrichten reagierte.

  Ich erwischte mich dabei, wie ich schon wieder auf mein Handy starrte und schob es frustriert zurück in meine Hosentasche.

  Doch als sich die Tür zum Coffeeshop öffnete, wünschte ich mir, ich würde noch daraufstarren. Oder dass ich meine Pause mit Charlie getauscht hätte. Denn in diesem Moment betrat niemand Geringeres als meine Vergangenheit den Laden. Händchenhaltend. Und so verliebt aussehend, dass ich mir einen Eimer wünschte, in den ich mich ausgiebig übergeben konnte. Leider hatte ich keinen da, also musste ich den Brechreiz wohl oder übel unterdrücken.

  Brandon Fitzgerald und Maddison Mae McKinnon. #Braddison. Großartig. Die beiden hatten mir gerade noch gefehlt. Dabei war ich so sicher gewesen, sie nach meinem Abschluss nie wiedersehen zu müssen. Sie und all die anderen Leute, mit denen ich die letzten vier Jahre in diesem Höllenhaus namens Highschool eingesperrt gewesen war.

  »Hiiii!«, quietschte Maddison Mae und winkte mir zu, obwohl sie keinen Meter von mir entfernt stand. Ihr Blick zuckte zu dem Schild an meiner Brust, weil sie allem Anschein nach wieder mal meinen Namen vergessen hatte. » Teagan Ramona! Oh mein Gott! Wie witzig, dich zu treffen! Du arbeitest ja immer noch hier.«

  »Offensichtlich«, erwiderte ich trocken und unterdrückte nur mit Mühe ein Augenrollen. Ich sah zwischen den beiden hin und her. Während Maddison Mae vor Freude praktisch auf und ab hüpfte, als hätte sie ihre verlorene beste Freundin wiedergefunden, hatte Brandon wenigstens den Anstand, etwas verlegen dreinzuschauen. »Was möchtet ihr?«

  »Oh, nur schnell zwei Iced Mocha zum Mitnehmen. Wir sind praktisch schon auf dem Weg zur UCLA, weil wir beide im nächsten Semester dort anfangen. In Ka-li-for-ni-en! Kannst du dir das vorstellen? Ich bin aus-ge-ras-tet, als die Zusage kam! Das wird sooo cool! Nicht wahr, Schatz?« Sie warf Brandon ein Lächeln samt mörderischem Augenaufschlag zu, sodass dem armen Kerl gar nichts anderes übrig blieb, als brav zu nicken und wenigstens halbwegs begeistert zu wirken.

  Als Brandon mich fallen gelassen hatte, war ich verletzt gewesen. Aber vor allem enttäuscht. Es war nicht so, als wäre er die Liebe meines Lebens gewesen, aber ich hatte ihn gern gehabt. Ich hatte ihm vertraut. Und er hatte dieses Vertrauen aufs Schlimmste missbraucht, indem er nicht nur mit einem, sondern mit Dutzenden anderen Mädels rumgeknutscht und weiß Gott was sonst noch alles getan hatte. Und dann nahm er mir auch noch die Chance, mich mit einer wütenden Tirade, bei der ich ihn aufs Schlimmste beschimpfte und ihm mindestens einen Drink ins Gesicht schüttete, von ihm zu trennen, indem er einfach vorher mit mir Schluss machte. Per Textnachricht. Arschloch.

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bsp; Ich war so lange derart wütend auf ihn gewesen, dass es eine ganze Weile gedauert hatte, bis ich gemerkt hatte, dass er mir überhaupt nicht fehlte. Um ehrlich zu sein, war ich ohne ihn wesentlich besser dran und mittlerweile sehr sicher, dass wir auch ohne sein Fremdgeknutsche nicht mehr allzu lange zusammengeblieben wären. Wenn ich mir ihn und Maddison Mae jetzt so ansah, merkte ich, wie gut die beiden zusammenpassten. Aber bevor ich das laut zugab, würde ich lieber nackt über eine Convention rennen.

  Mein Ex warf ein paar Scheine auf den Tresen und nickte mir zu. »Teagan.«

  »Brandon.« Ich gab ihm das Wechselgeld und damit war unsere vermutlich letzte Interaktion in diesem Leben erledigt.

  Aber seine Freundin ließ nicht so schnell locker. Sie folgte mir, während ich zur Kaffeemaschine ging, um ihre Bestellungen zuzubereiten, und Charlie in Gedanken verfluchte, dass er kein Retter-in-der-Not-Gen hatte und urplötzlich auftauchte, um für mich zu übernehmen. Andererseits: Wollte ich das wirklich? Einen Retter in der Not? Einen Prince Charming, der mir aus allen schwierigen Situationen heraushalf oder todesmutig für mich einsprang? Nein. Definitiv nicht. Sosehr ich Momente wie diesen hasste, ich wollte sie ganz allein durchstehen. Danach konnte ich mich immer noch bei irgendjemandem darüber auskotzen. Nicht bei Parker offensichtlich, aber hey, vielleicht lernte ich ja jemand anderen übers Internet kennen, der genauso lustig, charmant und …

  »Wo gehst du hin?«, fragte Maddison Mae und beobachtete mich, wie ich Eiswürfel in zwei Becher schüttete. Dabei zog sie die Nase kraus, als hätte ich gerade Maden in ihren Drink gekippt. »Du willst doch sicher nicht für den Rest deines Lebens als Barista in dieser Absteige arbeiten, oder?«

  Ich biss die Zähne zusammen und zwang mich dazu, all die bösartigen Gedanken, Beleidigungen und Rechtfertigungen für mich zu behalten. Zum Beispiel, dass sich nicht jeder ein Studium an der UCLA leisten konnte. Oder nicht jeder dorthin wollte. Mal ganz davon abgesehen, dass es sie einen Scheißdreck anging, was ich mit meinem Leben anfing. Wir waren keine Freundinnen.

  Aber sie ist eine Kundin. Sie ist eine Kundin. Sie. Ist. Eine. Kundin.

  Doch ganz egal, wie oft ich dieses Mantra in Gedanken wiederholte, es war so verflucht schwer, ihr nicht die Meinung ins Gesicht zu sagen und meinen ganzen Frust an ihr auszulassen. Dabei konnte Maddison Mae ausnahmsweise nichts dafür, dass ich noch immer hier war und diesen Job machte, statt wie sie und Brandon auf dem Weg in mein neues Zuhause zu sein. Genauso wenig konnte sie etwas für die schlaflosen Nächte, weil ich mich einfach nicht entscheiden konnte, auf welches College ich gehen sollte und weil Parker meine Nachrichten komplett ignorierte.

  Zuerst hatte ich mich für Pensacola entschieden, doch je länger Parker mich anschwieg, desto mehr geriet ich ins Zweifeln. Was, wenn es für immer so blieb? Wollte ich wirklich das Risiko eingehen, ihm und seinen Mitbewohnern dort zu begegnen? Womöglich sogar in einer ähnlichen Situation wie heute mit Brandon und Maddison Mae? Ugh. Nur über meine Leiche.

  In Austin könnte ich dagegen ganz neu anfangen. Bonuspunkte gab es dafür, dass Alice ebenfalls in der Stadt lebte, also würde ich sogar jemanden dort kennen. Jemanden, der mich nicht einfach ohne jede Vorwarnung mit Schweigen strafte. Und nach der Absage von New York war Austin definitiv mein Favorit geworden. Aber das war, bevor ich in Pensacola ge­wesen war. Nicht nur auf dem Campus, sondern auch am Meer.

  Argh! Wie sollte ich mich so jemals entscheiden können? Es war ja nicht so, als ginge es bloß um die Wahl zwischen einem Iced Latte und einem normalen Milchkaffee. Hier ging es um meine ganze Zukunft. Nicht nur für die nächsten drei, vier Jahre, sondern auch alles, was danach folgte. Also bloß kein Druck oder so.

  »Nicht wahr?«, hakte Maddison Mae nach, als ich nicht sofort auf ihre Frage reagierte, ob ich für den Rest meines Lebens hier arbeiten wollte.

  »Nein, will ich nicht«, antwortete ich schließlich, zwang mich zu einem Lächeln, das vermutlich eher einem Zähnefletschen glich, und stellte die beiden Getränke vor sie auf den Tresen. »Aber was ich tue, geht dich absolut nichts an. Gute Fahrt und auf Nimmerwiedersehen.«

  Ihr Lächeln verblasste, und ihre Lippen formten ein überraschtes O. Wenigstens war das ein Anblick, an den ich mich gerne zurückerinnern würde. Genauso wie an ihre Rückseiten, als sich Brandon die Getränke schnappte und zusammen mit seiner Freundin verschwand. Hoffentlich kamen die beiden nie mehr hierher zurück. Wobei … wenn man sich die Statistiken so ansah, würde Maddison Mae sowieso innerhalb der nächsten ein, zwei Jahre ungeplant schwanger werden und ihr Studium abbrechen, sie würden jung heiraten und mit Hund und Kindern in einem Vorort mitsamt weißem Gartenzaun landen. Wahrscheinlich nur ein paar Straßen von ihren eigenen Eltern entfernt. Ugh. Bei der Vorstellung stellten sich sämtliche Härchen an meinem Körper auf.

  »Alles klar?« Charlie stand im Durchgang zu den hinteren Räumen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Haben dir die zwei Ärger gemacht?«

  »Die beiden?« Ich deutete mit dem Daumen Richtung Tür, obwohl Braddison längst verschwunden waren. »Nope. Sie haben mir nur sehr deutlich vor Augen geführt, wie ich auf keinen Fall enden möchte.«

  Charlie lächelte und machte sich daran, eine der beiden Kaffeemaschinen zu reinigen, jetzt, da wir etwas Leerlauf hatten. »Ich hab zufällig das vom College mitbekommen«, erwähnte er nach einer Weile und griff nach dem Tuch, das ich ihm hinhielt.

  Ich schnaubte und lehnte mich mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsfläche. »Glaub mir, ich hab Optionen. Ich flippe nur nicht so aus wie gewisse andere Leute.«

  »Nein?«, hakte er nach und schüttete etwas Entkalker in den Wassertank. »Also möchtest du nicht nach Ka-li-for-ni-en?«

  Ich grinste. Fast gleichzeitig runzelte ich jedoch auch die Stirn. Konnte es sein … War das wirklich das erste Mal, dass wir ein richtiges Gespräch führten? Wie war das möglich? Ich arbeitete seit fast zwei Jahren hier!

  »Nope, definitiv nicht. Aber ich könnte nach Texas oder Florida«, fügte ich hinzu.

  »Im Ernst?« Charlie warf mir einen verwunderten Blick zu, bei dem seine braunen Augen riesig wirkten. »Was hält dich dann noch hier?«

  Das … war eine wirklich gute Frage. Eine, auf die ich keine Antwort hatte. Zumindest nicht sofort.

  Ich war so darauf fokussiert gewesen, überhaupt auf eines meiner Wunschcolleges zu kommen und das studieren zu können, von dem ich immer geträumt hatte, dass ich nie in Erwägung gezogen hatte, was passieren würde, wenn die Entscheidung plötzlich ganz allein bei mir lag. Ganz besonders nicht, nachdem New York mir abgesagt hatte, obwohl ich mir in Gedanken bereits ausgemalt hatte, jeden Tag dort in die Hörsäle zu gehen, mit den anderen Studenten spannende Projekte zu entwickeln, in hübschen Cafés zu sitzen, durch den Central Park zu spazieren und im Winter den ersten Schneefall zwischen all den Wolkenkratzern aus dem Fenster meiner Wohnung beobachten zu können. Gut, dass ich mir eine eigene Wohnung allein in New York City niemals würde leisten können, hatte ich dabei dezent ausgeblendet. Aber es war eine schöne Vorstellung gewesen. Eine, auf die ich mich viel zu sehr gefreut hatte und die mit einem einzigen Brief zerschmettert worden war.

  Danach hatte ich mich zurückgehalten, was meine Begeisterung und irgendwelche Wunschvorstellungen anging, auch wenn das nicht immer einfach gewesen war. Gerade in Austin und Pensacola. Und hätte man mich vor ein paar Wochen gefragt, hätte ich, ohne zu zögern, meine Sachen gepackt und wäre nach Texas geflogen. Das Privatcollege dort war zwar unheimlich teuer, genoss aber einen unglaublich guten Ruf. Doch jetzt … jetzt hatte ich diese beiden Optionen, und statt mich darüber zu freuen, verzweifelte ich an der Entscheidung.

  Und der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden wollte, reagierte nicht auf meine Nachrichten. Es war beinahe, als wäre er vom Erdboden verschluckt worden. Als hätte ich mir all die durchgezockten Nächte, die Chats, Gespräche, Blicke, Umarmungen und Berührungen bloß eingebildet. Als wären die paar Tage, die ich in der WG in Pensacola verbracht hatte, nichts weiter als ein schöner Traum gewesen. Einer, der genauso schnell zerplatzt war wie meine Hoffnung, nach dem Highschool-Abschluss nach New York zu gehen.


  Aber die Funkstille mit Parker würde mich nicht davon abhalten, das College zu wählen, auf das ich wirklich gehen wollte. Und wenn ich ganz ehrlich mit mir war, hatte mich das West Florida Media & Arts College schon längst von sich überzeugt – wenn nicht direkt auf dem Campus, dann spätestens, als ich am Meer gewesen war.

  Dass Cole mir alles gezeigt und erklärt und mir Tipps gegeben hatte, wo man am besten frühstückte, wo es den besten Kaffee gab und in welchen Hörsälen man schnell sein musste, weil sonst alle Sitzplätze weg waren, war nur ein Bonus. Mir gefielen der Campus, die Atmosphäre, die Kursauswahl und Schwerpunkte. Und ich liebte die Vorstellung, so nahe am Meer zu wohnen, dass ich jeden Tag hinfahren könnte. Gar nicht mal unbedingt, um zu schwimmen, sondern einfach nur, um den Sand unter meinen Füßen zu spüren, die Sonne zu genießen und den Wellen zuzusehen. Diese Möglichkeit hatte ich in Austin nicht, auch wenn ich mich in der Stadt wohlgefühlt hatte. Aber Pensacola war … einfach anders. Besonders. Und das nicht nur, weil ich dort bereits einige Leute kannte. Menschen, bei denen ich mich angenommen gefühlt hatte und die vielleicht sogar zu so etwas wie Freunden hätten werden können.

 

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