Ich nickte ihr zu, und kurz darauf eilte sie die Straße entlang, um die Gasse von der anderen Seite zu betreten, während ich bereits geräuschlos in sie abbog.
Der schmale Weg war unbeleuchtet, da das gelbe Licht der Straßenlaternen nur wenige Meter weit reichte. Dafür nahm ich nun deutlich den Duft nach Rosmarin wahr, der im Pub von den anderen Gerüchen überlagert worden war.
Ich räusperte mich. Laut genug, um die Aufmerksamkeit des Vampirs auf mich zu ziehen, der ein paar Meter vor mir mit seinem nichtsahnenden Opfer spazierte.
Die Frau blieb stehen und drehte sich zu mir herum. Als sie erkannte, wer ich war – was ich war –, zog sie die Oberlippe nach oben.
»Verschwinde«, knurrte sie mit kehliger Stimme, die so gar nicht zu ihrem attraktiven Äußeren passte.
Der Kerl an ihrer Seite wirkte irritiert, da er mich zuerst nicht sehen konnte; bis sein Verstand den Schleier der Amulett-Illusion durchdrang und er mich anschaute.
»Oh Shit!«, fluchte er mit weit aufgerissenen Augen, als er meine Waffen entdeckte. Er taumelte einen Schritt zurück, dann wirbelte er herum, um wegzurennen. Er kam nicht weit. Die Frau, die eigentlich seine Eroberung für die Nacht hatte sein sollen, packte ihn und zog ihn an sich. Ihre Hand war zu einer Klaue geworden, und ihre spitzen Fingernägel schwebten drohend über seinem Hals. Er versuchte, sich zu wehren, aber gegen den eisernen Griff des Vampirs hatte er keine Chance.
Die Frau lächelte grimmig, ihre Fänge nun deutlich sichtbar. »Verschwinde, oder er wird sterben.«
»Lass ihn gehen!«, verlangte ich mit fester Stimme.
»Damit du mich ungehindert töten kannst? Ich denke nicht.« Sie packte die Kehle des Kerls, der zu wimmern begonnen hatte. Seine Schluchzer hallten durch die Gasse.
»Oh, wir können dich auch so umbringen«, erwiderte ich.
Die Augen des Vampirs weiteten sich. »Wir …?«
In diesem Moment ging ein Ruck durch ihren Körper, und die rot gefärbte Spitze eines Bolzens ragte einige Zentimeter aus ihrem Brustkorb. Cain hatte sie von hinten mit einer Armbrust erwischt. Die Hand des Vampirs glitt von der Kehle ihres Opfers, kurz bevor ihr toter Körper in sich zusammensackte.
Einen kurzen Augenblick lang fühlte ich so etwas wie Triumph, doch dann kam die Enttäuschung. Wir hatten den Vampir nicht töten, sondern befragen wollen, und es war eine Schande, diese Spur zu Isaac ungenutzt ins Grab zu bringen. Doch sosehr wir Jules und den Vampirkönig auch finden wollten, wir konnten dafür nicht das Leben Unschuldiger aufs Spiel setzen.
Apropos …
Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Kerl auf die Leiche. Cain, die sich ihm langsam von hinten näherte, schien er überhaupt nicht wahrzunehmen.
»Mach dich vom Acker«, befahl ich.
Der Kerl starrte mich an und schluckte schwer. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er sah aus, als würde er sich jede Sekunde übergeben. In seinen Augen stand die nackte Angst.
»Wenn du irgendjemandem hiervon erzählst, finde und töte ich dich.«
Er nickte panisch, rührte sich aber nicht.
»Jetzt!«, knurrte ich und hob drohend einen meiner Dolche.
Das zeigte Wirkung. Er rannte los, an Cain vorbei, die ihm mit einem raschen Schritt zur Seite auswich – doch er kam nicht weit. In diesem Augenblick erschienen drei Männer und eine weitere Frau am Ende der Gasse. Ihr Geruch nach Rosmarin war unverkennbar. Einer der Vampire packte den flüchtenden Kerl bei der Kehle, und bevor dieser reagieren konnte, drückte er zu. Klauen glitten durch Haut wie ein Messer durch weiche Butter. Mit einem gurgelnden Laut sackte der Mann zu Boden, wo er zuckend liegen blieb, während sich der Vampir genüsslich das Blut von den Fingern leckte.
Offenbar war die Frau aus dem Pub nicht allein um die Häuser gezogen. Manche Vampire waren Einzelgänger, andere schlossen sich in Gruppen zusammen, um Hinterhalte besser planen zu können und sich dann die Opfer zu teilen. Letztere Kategorie war um einiges gefährlicher.
Cain ging neben mir in Kampfposition. Mir blieb grade noch genügend Zeit, um zu realisieren, dass sie ihren Mantel abgelegt hatte, um sich freier bewegen zu können, dann griffen uns die Vampire auch schon an.
Zwei von ihnen stürzten sich auf mich, die beiden anderen gingen auf Cain los. Was folgte, war ein wildes Durcheinander, denn in der schmalen Gasse war kaum genügend Platz für einen Kampf dieser Größe.
Ich riss meine Dolche in die Höhe. Der erste Vampir versuchte, mich zu Boden zu reißen, aber ich duckte mich geschickt unter dem Angriff hindurch und rammte ihm eine Klinge in den Rücken, die ich stecken ließ. Er kreischte auf, doch meine Aufmerksamkeit war bereits woanders. Der zweite Vampir attackierte mich mit einem Satz und erwischte mich mit seiner Klaue an der Wange.
»Mistvieh«, knurrte ich. Ich hatte mich schon gegen weitaus mehr Vampire behauptet, aber arrogant werden durfte ich deshalb nicht. Jeder Kampf barg seine eigenen Gefahren, und egal wie viele Vampire ich bereits getötet hatte: Überheblichkeit konnte mich das Leben kosten.
Während der eine Vampir mich angriff und ich ihn blockte, versuchte der andere, der inzwischen den Dolch aus seinem Rücken gezogen hatte, meine ungeschützte Seite für sich auszunutzen. Wir waren ein Wirbel aus Klingen, Klauen und Fängen, und ich spürte jeden Schlag, der mich traf, durch meinen Körper vibrieren. Aber ich hatte mich daran gewöhnt, den Schmerz auszublenden. Er war ein entferntes Summen, ähnlich wie die Geräusche der Straße, die Stimmen aus dem Pub und das Keuchen von Cain, die nur ein paar Meter entfernt kämpfte.
Einer der Vampire kam mir mit seinen Reißzähnen verdammt nah, aber ich nutzte die Nähe für mich aus, indem ich ihm meinen Dolch in die Kehle rammte. Mit der anderen Hand zog ich die Pistole aus meinem Gürtel und richtete ihren Lauf auf das Herz des Vampirs.
Ich drückte ab. Ein Knall hallte durch die Gasse, und der Blutsauger ging zu Boden. Da ich nur noch einen Gegner im Auge behalten musste, konnte ich ihm ein schnelles Ende bereiten. Ich täuschte einen Schuss auf sein Herz an, traf stattdessen aber die Schulter. Der Vampir krümmte sich, und ich stieß mit dem Dolch zu, der noch mit dem Blut seines Kameraden getränkt war. Leblos sackte er in sich zusammen.
Keuchend stand ich über den beiden Leichen. Auch die Kampfgeräusche auf der anderen Seite der Gasse waren verstummt, und ich kniete mich hin, um meinen zweiten Dolch wieder einzusammeln.
»Warden?« Cains Stimme wohnte ein ungewohnt zittriger Klang inne.
Ich drehte mich zu ihr herum und erstarrte. Sie saß zusammengesunken auf dem Boden zwischen den beiden Vampiren, die sie getötet hatte, und war dabei kaum von diesen zu unterscheiden. Leichenblass hielt sie sich mit blutüberströmter Hand das linke Bein.
An ihrem Oberschenkel klaffte eine riesige Fleischwunde.
17. KAPITEL
Cain
»Wir müssen dich auf die Krankenstation bringen.«
Ich schüttelte den Kopf – was keine gute Idee war. Sofort erfasste mich Schwindel, während massig Blut aus der Wunde an meinem linken Oberschenkel sickerte. Dort, wo der zweite Vampir mich mit meiner eigenen Klinge erwischt hatte, klaffte eine Wunde, die selbst ein Blood Hunter nicht so einfach wegsteckte.
Warden ging vor mir in die Hocke. »Cain, wir sollten wirklich –«
»Nein«, unterbrach ich ihn und hasste es, wie dünn und verletzlich meine Stimme dabei klang. Dazu zitterte ich auch noch am ganzen Körper, so kalt war mir. »Wenn du mich auf die Krankenstation bringst, wissen sie, dass wir auf der Jagd waren; und dann werden sie uns davon abhalten, weiter nach Jules zu suchen. Und das würde mich umbringen. Das hier nicht.« Ich deutete auf die Wunde.
Er presste die Lippen aufeinander, und sein Blick wanderte von mir ins Leere. Gedankenverloren starrte er auf einen unbestimmten Punkt in der Gasse, dann zog er sein Handy hervor.
»Ich habe gesagt keine –«
»Beruhig dich«, schnitt Warden mir das Wort ab. »Ich will nur etwas nachsehen.« Ein paar Sekunden, die sich zogen wie eine Ewigkeit, tippte er auf seinem Handy herum
, ehe er wieder aufblickte. »Ein paar Seitenstraßen von hier ist ein Tierarzt. Dort sollten wir alles finden, was wir brauchen, um dich wieder zusammenzuflicken. Kannst du laufen?«
Ich nickte, da ich keine andere Wahl hatte. Die Wunde musste genäht werden, der Blutverlust setzte mir trotz meiner beschleunigten Heilungsfähigkeiten zu.
Ich winkelte mein gesundes Bein an und versuchte, mich in die Höhe zu stemmen, wobei sich die schwarzen Punkte, die bereits die ganze Zeit in meinem Sichtfeld tanzten, verdoppelten. Ich schloss die Augen, als könnte ich den Schwindel, der mich zu Boden zerren wollte, ausblenden. Was sich als Fehleinschätzung erwies. Meine Beine zitterten unkontrolliert und knickten unter mir weg.
»Shit!«, fluchte Warden. Dabei zuckte sein Blick noch einmal an dieselbe leere Stelle in der Gasse. Wäre Warden ein Soul Hunter gewesen, der Geister sehen kann, hätte mir das Sorgen bereitet. »Vielleicht sollten wir dich doch ins Quartier bringen.«
»Nein.« Ich konnte nicht zulassen, dass meine Eltern und Grant hiervon Wind bekamen. Also biss ich die Zähne zusammen, kämpfte gegen die Schmerzen an, die meinen ganzen Körper durchzogen, und drückte mich hoch. Doch kaum dass ich stand, geriet ich erneut ins Wanken.
Blitzschnell legte Warden einen Arm um meine Taille, um mich zu stabilisieren.
Die Welt um mich herum drehte sich endlich ein bisschen langsamer – nur um eine Sekunde später teuflisch schnell wieder an Geschwindigkeit aufzunehmen. Meine Füße verloren den Kontakt zum Boden. Und dann lag ich auf einmal in Wardens Armen.
»Was soll das werden?«, protestierte ich schwach.
»Ich trage dich.«
»Das … Das musst du nicht.«
»Und ob ich das muss. Sonst bist du verblutet, bevor wir die Praxis erreichen«, sagte Warden mit einem Schnauben und setzte sich in Bewegung.
Ich hasste es, so verletzlich zu sein. Und noch mehr hasste ich es, dass er recht hatte, denn wie sollte ich laufen, wenn ich nicht einmal stehen konnte?
Wir verließen gerade die Gasse, als ich im Schein einer Straßenlaterne eine Klinge aufblitzen sah. »Unsere Waffen …«
»Ich habe Wayne geschrieben. Er kümmert sich.«
Ich wollte Warden gern ansehen, aber mein Kopf war zu schwer. »Du hast ihm von uns erzählt?«
»Nein, keine Sorge. Wie auch beim Schwimmbad glaubt er, ich wäre allein für die Sauerei verantwortlich.«
»Danke«, murmelte ich und ließ den Kopf gegen seine Schulter sinken. Das Verlangen, die Augen zu schließen und mich in seiner Wärme zu verlieren, war übermächtig. Ich fror und war unglaublich müde. Meine Augenlider waren tonnenschwer, während mein Verstand sich auf einmal so leicht anfühlte, als könnte er jeden Moment abheben und davonschweben.
»Hey, nicht einschlafen.« Warden klang gestresst.
Ich riss die Augen auf. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich sie geschlossen hatte, aber sie mussten schon eine Weile zu gewesen sein.
Warden hatte sich mit rasantem Tempo durch die Stadt bewegt. Wir befanden uns nun an einer großen Straße, umgeben von Menschen, die keine Kenntnis von uns nahmen, da uns die Magie von Wardens Amulett schützte.
»Erzähl mir was«, forderte ich ihn auf, nicht nur um wach zu bleiben, sondern auch um mich von dem schmerzhaften Pulsieren meiner Wunde abzulenken.
Er wich einem Pärchen aus, das uns händchenhaltend entgegenkam. »Was willst du hören?«
»Egal«, nuschelte ich an seiner Brust.
Ich konnte spüren, wie er tief einatmete, und schmiegte mich noch enger an ihn. Mehrere Atemzüge verstrichen, bis er schließlich etwas sagte. »Du hast mich im Schwimmbad doch gefragt, ob ich mich an unsere erste gemeinsame Jagd erinnere. Weißt du noch?«
»Mhhh«, brummte ich träge.
»Ich hab gelogen. Ich erinnere mich an jedes Detail, als wäre es gestern gewesen. Es war eine sternenklare Nacht, und ich war unglaublich nervös, aber das war okay, weil du bei mir warst.«
Ein Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln, aber ich konnte sie nicht wirklich heben, dafür war ich zu erschöpft. »Man hat dir angesehen, dass du nervös warst«, murmelte ich undeutlich.
»Wirklich?«
»Ja, ich sehe dir alles an.«
Ich war mir nicht sicher, ob Warden antwortete oder nicht oder ob ich noch einmal kurz das Bewusstsein verlor, aber das Nächste, was ich wahrnahm, war, dass wir die Praxis erreichten. Sie war geschlossen, und Warden musste mich kurz absetzen, um das Schloss aufzubrechen. Augenblicklich vermisste ich die Wärme, die sein Körper ausstrahlte.
Im Schein seines Handys führte er mich durch den Eingangsbereich. Erst im Behandlungszimmer, dessen Fenster man zum Glück verdunkeln konnte, schaltete er das Licht ein. Bläulich und grell leuchtete es von der Decke. Ich kniff die Augen zusammen.
Warden half mir dabei, mich auf den Behandlungstisch zu setzen. Es gab keine Unterlage wie bei richtigen Ärzten, sondern nur kühles Metall, und ich begann noch heftiger zu zittern. Ob vor Kälte, Schock, Blutverlust oder allem zusammen konnte ich nicht mehr unterscheiden.
Warden verschwand in einem angrenzenden Raum. Ich konnte hören, wie er Regale und Schubladen durchsuchte, dann kam er bepackt mit Desinfektionsmittel, Verbandsmaterial und Nähzeug zurück, das er neben mir auf dem Tisch ausbreitete. Er hatte auch eine Spritze und ein kleines Fläschchen mitgebracht. »Soll ich deine Hose aufschneiden, oder willst du sie ausziehen?«
»Ausziehen«, antwortete ich. Damit fühlte ich mich wohler als mit einer Schere in der Nähe meiner Wunde.
Stöhnend ließ ich mich vom Behandlungstisch gleiten und öffnete Knopf und Reißverschluss; aber es gelang mir nicht, die Hose über meinen Oberschenkel zu ziehen, da sie durch das viele Blut an meiner Haut klebte und jede Bewegung Schmerzen durch meinen Körper jagte.
Ich biss die Zähne zusammen. »Kannst du mir helfen?«
Warden schluckte schwer und trat an mich heran. Er war so himmlisch warm, dass ich am liebsten erneut meinen Kopf gegen seine Schulter gelehnt hätte. Er griff nach meiner Hose, und entgegen meiner Erwartung zog er sie mir nicht in einer fließenden Bewegung aus, sondern schob sie langsam über meine Oberschenkel, darauf bedacht, dass sie sich nicht in meiner klaffenden Wunde verfing.
Seine Berührungen waren fürsorglich, sanft und standen im starken Kontrast zu dem Schmerz. Mit einer Hand stützte ich mich an seiner Schulter ab, bis ich aus der Jeans heraussteigen konnte.
Ich wagte es nicht, die Wunde anzusehen. Zwar hatte ich kein Problem mit Blut, aber ich war nicht scharf darauf, das Innere meines Oberschenkels zu inspizieren. Dem Pochen nach zu urteilen musste der Schnitt ziemlich tief sein.
Warden half mir, mich zurück auf den Behandlungstisch zu setzen. Dann wusch er sich die Hände und zog sich einen Stuhl heran, bevor er nach dem kleinen Fläschchen griff, das er mitgebracht hatte.
»Was ist das?«, fragte ich und las das Etikett. Lidocain.
»Das betäubt dein Bein«, erklärte er und zog die Spritze auf, als hätte er das schon Hunderte Male gemacht. Vorsichtig setzte er die Nadel in der Nähe meiner Wunde an.
Ich presste die Lippen aufeinander, um keinen Laut von mir zu geben, da es verdammt wehtat, aber ohne die Betäubung genäht zu werden hätte noch um einiges mehr geschmerzt.
Warden setzte die Spritze an verschiedenen Stellen rund um die Wunde an, und mit jeder Sekunde ließen der Schmerz und das Pochen mehr nach, bis ich kaum mehr etwas davon spürte. Anschließend wusch er die Wunde aus und desinfizierte sie.
»Kann es losgehen?«, fragte er, die Nadel bereits in der Hand.
Als hätte ich eine Wahl gehabt.
Ich nickte. Es war nicht meine erste Wunde, die genäht werden musste. Beim ersten Mal hatte ich unglaubliche Angst davor gehabt, dass sich der Faden anfühlen würde wie eine kleine Schlange, die durch meine Haut kroch. Tatsächlich hatte ich aber gar nichts gespürt. Genauso wie jetzt.
Konzentriert setzte Warden einen Stich nach dem anderen. Seine Miene war dabei unbewegt, aber in seinen Augen blitzte Zorn
auf, als wäre es das größte Ärgernis in seinem Leben, dass er meinetwegen jetzt nicht auf der Jagd sein konnte.
Ich verstand ihn. Mir wäre es selbst sehr viel lieber gewesen, in diesem Moment weiter nach Jules suchen zu können.
»Tut mir leid«, flüsterte ich.
Unbeirrt arbeitete Warden weiter an meiner Wunde. »Was tut dir leid?«
»Dass ich verletzt wurde.«
»Dafür kannst du nichts.«
»Und warum starrst du mich dann so wütend an?«
Die Frage ließ ihn aufhorchen. Sekundenlang hielt er meinen Blick fest, ohne zu antworten, bis die Worte schließlich doch über seine Lippen kamen. »Ich bin nicht wütend auf dich, Cain, sondern auf mich selbst, weil ich das hier nicht verhindern konnte. Es waren nur vier Vampire. Ich hätte mit ihnen klarkommen müssen.«
»Nur vier Vampire.«
»Ich habe schon gegen deutlich mehr gekämpft.«
»Gleichzeitig?«
»Mhm«, brummte er, als wäre das keine Leistung, die es wert wäre, anerkannt zu werden.
Eigentlich hätte ich das Thema damit fallen lassen können, aber aus irgendeinem Grund war es mir wichtig, dass er sich meinetwegen nicht schlecht fühlte.
»Dass ich verletzt wurde, ist nicht deine Schuld. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Offensichtlich nicht.«
Ich blinzelte, und meine Hände schlossen sich um die Kante des stählernen Behandlungstisches. »Hältst du mich für eine schlechte Huntress?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Aber du hast es angedeutet.«
Warden schüttelte den Kopf. »Vergiss, dass ich überhaupt etwas gesagt habe. Du bist eine so großartige Jägerin, dass es ganz allein deine Schuld ist, dass du verletzt wurdest. Das hast du echt gut gemacht.«
»Danke.«
Was? Nein. Moment. Das war nicht das, was ich hatte hören wollen. Oder doch?
Ich war verwirrt, was vermutlich auch am Blutverlust lag. Ich hatte keine Ahnung, wie viel ich verloren hatte, aber es war eindeutig zu viel, und ich war bestimmt nicht mehr in der Lage, eine so komplizierte Unterhaltung zu führen. Eigentlich sollte es mir auch egal sein, ob Warden mich für eine gute Jägerin hielt oder nicht. Ich wusste, was ich draufhatte. Ich brauchte Warden, um Jules zu finden, nicht als Aufpasser. Und das heute … das war ein Ausrutscher gewesen. Es gehörte praktisch zur Jobbeschreibung, hin und wieder verletzt zu werden.
Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 17