»Wie war es in Helsinki?«, fragte ich Ella, um mich auf andere Gedanken zu bringen.
Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht, und sie zog die wohlgeformten Augenbrauen zusammen. »Seltsam.«
»Waren die Hunter in Helsinki seltsam oder die Geister?«
Sie schüttelte den Kopf. »Weder noch. Owen war seltsam.«
»Wieso?«
Sie stieß ein Seufzen aus und rührte in ihrem Milchkaffee. »Normalerweise teilen wir uns ein Hotelzimmer, wenn wir unterwegs sind. So kann man sich leichter absprechen, und es ist günstiger für das Quartier. Aber dieses Mal hat er darauf bestanden, sein eigenes Zimmer zu bekommen.«
»Hat er gesagt warum?«
»Er meinte, er schläft gerade unruhig.«
»Owen schläft nie unruhig«, bemerkte ich. Das war eine Sache, über die sich Ella im Scherz immer wieder beschwerte. Sie hatte seit jeher Probleme einzuschlafen, während Owen wie eine Katze war. Er konnte zu jeder Zeit und innerhalb weniger Sekunden einpennen, egal wie kalt oder warm, unbequem oder laut es an einem Ort war.
»Eben. Merkwürdig, oder?«
»Ist irgendwas zwischen euch vorgefallen?«
»Nichts, das mir in Erinnerung geblieben wäre.«
»Vielleicht hat er jemanden kennengelernt«, warf Roxy ein, die in der Zwischenzeit ihren halben Brownie verputzt hatte. »Würde ich Owen daten, würde ich auch nicht wollen, dass er sich ein Zimmer mit einer anderen Frau teilt. Noch dazu mit einer, die aussieht wie ein verdammtes Victoria’s Secret Model.«
»Da ist was dran«, stimmte ich zu.
Ella runzelte die Stirn. »Aber wenn Owen jemanden trifft, würde er mir davon erzählen.«
»Sicher?«
»Ja, warum sollte er das nicht tun?«
Ratlos zuckte ich mit den Schultern. Owen und Ella hatten ein ähnliches Verhältnis wie Jules und ich, sie vertrauten einander alles an, denn bedingungsloses Vertrauen war für unseren Job unablässig. Bei Ella und Owen sogar noch mehr als bei anderen Hunterpaaren. Geister der Phase 1 und 2 konnten nur von Ella gesehen werden. Und auch Geister der Phase 3 und 4 nahm Owen nur wahr, wenn sie einen Körper besetzten oder ihren eigenen materialisierten. Sein Leben hing davon ab, dass Ella ihn vor unsichtbaren Gefahren warnte. Und wenn er ihr sein Leben anvertraute, wortwörtlich, warum dann nicht auch sein Liebesleben?
»Ich werde später einfach noch mal mit ihm reden«, sagte Ella und stocherte gedankenverloren in ihrem Brownie herum.
Als sich die Stille am Tisch ausdehnte, räusperte ich mich und sah zu Roxy. »Wie lief die Jagd?«
Zufrieden kratzte sie die Schokokrümel auf ihrem Teller zusammen. »Gut. Ein Geist weniger, der auf dieser Erde wandelt.«
»Warst du mit Shaw unterwegs?«, fragte ich weiter. In dem Fall wäre Grant sicherlich alles andere als begeistert. Zwar waren Roxy und Shaw ihm als Mitglieder des Londoner Quartieres nicht direkt unterstellt, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Shaw noch kein ausgebildeter Hunter war und somit in Edinburgh eigentlich nicht auf die Jagd gehen durfte.
»Nein, mit Finny. Er hat den Besuch bei seiner Familie abgekürzt.«
Ella, die scheinbar den Appetit verloren hatte, schob Roxy die Reste ihres Brownies zu. »Und was macht Shaw so?«
»Er trainiert für seine Prüfung und treibt sich viel in der Stadt rum, um etwas über seine Vergangenheit rauszufinden. Seit du erwähnt hast, dass du ihn in deinem Café gesehen hast, ist er wie besessen davon. Er lungert jeden Tag ein paar Stunden dort herum in der Hoffnung, von jemandem erkannt zu werden.«
»Und, hat er schon irgendetwas in Erfahrung gebracht?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Ella runzelte die Stirn. »Das mit seinem Gedächtnis ist wirklich eine verrückte Sache.«
»Mhm«, brummte Roxy mit vollem Mund. Sie schien dankbar für den Brownie, aber nicht dafür, dass Ella erneut ihr Vorgehen bei Shaws Geisteraustreibung infrage stellte.
»Er hat mir erzählt, du hast ihn im Ravenscourt Park gefunden?«
»Richtig.«
»Und der Geist, von dem er besessen war, ließ sich einfach austreiben?«
Roxy blickte auf. »Einfach würde ich es nicht nennen. Er hat mich angegriffen und hätte Shaw beinahe getötet.«
»Aber du hast ihn so ausgetrieben wie jeden anderen Geist auch?«
Roxy seufzte tief. »Ja. Ich habe alles wie immer gemacht. Wieso willst du das wissen?«
»Nur so«, antwortete Ella und trank einen Schluck Kaffee. »Ich würde nur gern eine Erklärung finden, damit wir ihm helfen können, aber das ergibt alles keinen Sinn.«
»Ergibt überhaupt etwas in unserem Job wirklich Sinn?«, gab ich zu bedenken.
Ella und Roxy stimmten mir zu, und damit wandte sich unser Gespräch anderen Themen zu. Roxy erzählte uns Geschichten aus London, und wir verrieten ihr ein paar Insider aus unserem Quartier, bis das Café schloss und es für mich Zeit wurde, mich mit Warden zu treffen, um mit ihm gemeinsam auf Jagd zu gehen. Fast wie in alten Zeiten.
16. KAPITEL
Cain
Ich fühlte mich beobachtet, obwohl ich nichts Verbotenes tat. Schließlich lief ich nur mit einer Tasche voller Waffen durch das Quartier. Das war nichts Besonderes, dennoch kam ich mir auf dem Weg zur Tolbooth Tavern vor wie ein Schwerverbrecher. Ich hatte sogar Sportkleidung oben in die Tasche gestopft, falls mich jemand kontrollieren sollte. Obwohl mir das noch nie passiert war, schließlich war das Quartier kein Gefängnis und wir durften uns frei bewegen. Dennoch konnte ich das Gefühl, beobachtet zu werden, einfach nicht abschütteln. Was vermutlich daran lag, dass ich es nicht gewohnt war, gegen die Anweisungen des Quartiersleiters zu handeln. Während der Trauerfeier für Jules und Floyd war es leicht gewesen, sich aus dem Quartier zu schleichen, aber an einem gewöhnlichen Abend sah das anders aus. Überall wimmelte es von Huntern, die Feierabend hatten und durch die Gänge schwirrten, um sich mit ihren Freunden zu treffen oder zu trainieren; andere wiederum machten sich bereit für die Jagd.
Unauffällig bewegte ich mich zwischen ihnen, meine Kopfhörer im Ohr, damit mich niemand ansprach. Ich hatte die Aufzüge schon fast erreicht, als ich plötzlich meine Mum entdeckte. Für einen Moment geriet ich ins Stolpern, fing mich jedoch schnell wieder. Vielleicht lief sie ja an mir vorbei, weil sie es eilig hatte, einen Auftrag zu erledigen.
Doch so viel Glück hatte ich nicht. Zielstrebig steuerte sie auf mich zu, ein sanftes Lächeln auf den Lippen.
Ich zog die Stöpsel aus den Ohren. »Hey.«
»Hey, ich wollte gerade zu dir.«
»Ich bin auf dem Weg zu einem Job«, log ich. Tatsächlich hatte ich von Agnes die Anfrage bekommen, ob ich übermorgen auf einem Kindergeburtstag auftreten wollte, aber ich hatte abgesagt. Die Suche nach Jules ging jetzt vor.
»Ach so, dann will ich dich nicht aufhalten.«
»Schon in Ordnung. Worum geht’s?«, fragte ich, neugierig darauf, was meine Mum zu sagen hatte. Zwar hatten meine Eltern und ich ein gutes Verhältnis, und sie waren immer für mich da, aber wir hatten alle unsere eigenen Leben. Sie waren Jäger mit Kampfpartnern und Verpflichtungen im Quartier, genau wie ich. Außerdem gingen sie beide noch einem Nebenjob nach. Mein Dad arbeitete viermal die Woche als Türsteher eines Clubs, und meine Mum verdiente ihr Geld, indem sie Selbstverteidigungskurse für Frauen anbot.
Sie lächelte. »Hättest du noch Zeit für einen Kaffee?«
»Ja, ich denke schon.«
Wir fuhren mit dem Aufzug nach oben in die Cafeteria, wobei mich ein mulmiges Gefühl beschlich. Ich war seit der Trauerfeier nicht mehr hier gewesen. Jeder Winkel des Raumes erinnerte mich an Jules.
Wir bedienten uns an den Kaffeevollautomaten und setzten uns auf die Couch in der hintersten Ecke.
Meine Mum rührte in ihrer Tasse, und ein kleines, fast schon nervöses Lächeln erschien auf ihren Lippen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte ich und nippte an meinem Kaffee, den ich tatsächlich gut gebrauchen konnte. Warden und mir
stand eine lange Nacht bevor, und zwischen dem Training, dem Besuch im Sorcerer, dem Treffen mit Ella und Roxy und der anstehenden Jagd hatte ich nicht viel Zeit gehabt, mich auszuruhen.
»Jaja, es ist nur … Grant hat mich gebeten, mit dir zu reden.«
Ich runzelte die Stirn. »Worüber?«
Sie holte tief Luft. »Was mit Jules passiert ist, ist eine Tragödie, und es wird vermutlich noch eine ganze Weile dauern, bis wir über seinen Verlust hinweg sind.« Ihre Stimme hatte einen ernsten Klang angenommen. »Aber das Leben geht weiter, und die Kreaturen der Nacht interessieren sich nicht für unsere Trauer. Sie fressen, töten und foltern, und wenn wir ihnen keinen Einhalt gebieten, tut es niemand.«
»Und?«, hakte ich nach. Das alles war nichts Neues für mich.
»Und Grant möchte gern wissen, ob du dir bereits Gedanken darüber gemacht hast, wer dein neuer Kampfpartner oder deine neue Kampfpartnerin werden soll, damit ihr möglichst bald anfangen könnt, zusammen zu trainieren.«
Obwohl mich die Worte nicht vollkommen unvorbereitet trafen, fühlten sie sich dennoch an wie ein Schlag ins Gesicht. Ich war noch nicht bereit, Jules zu ersetzen. Ja, ich ging mit Warden auf die Jagd, aber das war etwas anderes. Unsere Zusammenarbeit hatte ein klares Ablaufdatum.
»Nein, hab ich noch nicht.«
»Okay«, sagte meine Mum bedacht. »Du musst dich auch nicht sofort entscheiden, aber du solltest zumindest anfangen, dir Gedanken zu machen. Wenn du möchtest, kann dir Grant auch eine Liste möglicher Kandidaten geben.«
Ich nickte und schwor mir, diese Entscheidung so lange wie nur möglich hinauszuzögern. Denn sobald ich einen neuen Partner hatte und wieder offiziell auf Patrouille ging, würde es schwer werden, weiter nach Jules zu suchen. »Ist das alles?«
»Ja.«
Mit einem letzten großen Schluck trank ich meinen Kaffee aus und schnappte mir meine Tasche. »Dann sollte ich jetzt besser los. Ich will die anderen nicht warten lassen.«
»Okay, ich wünsch dir einen schönen Abend.«
»Danke. Dir und Jackson viel Erfolg auf der Jagd. Grüß ihn von mir.«
Sie lächelte. »Das werde ich.«
Warden
»Du bist zu spät.« Ich war direkt von meiner Werkstatt hergekommen und stand bereits seit einer halben Stunde vor dem alten Sandsteingebäude, das die Tolbooth Tavern beherbergte. Der Laden, zu dem uns Fallon Emrys geschickt hatte, stellte sich als ein Pub in der Nähe des schottischen Parlaments heraus. Soweit ich das beurteilen konnte, war er gut besucht. Was kein Wunder war, keine drei Minuten Fußweg entfernt befanden sich einige Gebäude der University of Edinburgh.
»Sorry«, murmelte Cain. Sie wirkte nachdenklich. »Meine Mum hat mich aufgehalten.«
Ich hob die Augenbrauen. »Hat sie rausgekriegt, dass wir Jules suchen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sie wollte mit mir über meinen neuen Kampfpartner reden.«
Das überraschte mich nicht. Jules war zwar erst vor ein paar Tagen verschwunden, aber bei den Huntern wurde schnell vergessen, ausgetauscht und ersetzt. Grant predigte regelmäßig, dass es absolut notwendig war, so zu handeln, da die Kreaturen der Nacht sich einen Scheiß für unsere Gefühle interessierten.
»Was hast du ihr gesagt?«
»Dass ich noch nicht bereit bin, wieder auf die Jagd zu gehen«, antwortete Cain und trat einen Schritt näher auf mich zu, um einer Gruppe Studenten Platz zu machen, die in den Pub wollten.
Ich lächelte. »Und das hat sie dir abgekauft?«
»Ja, ich habe sie bisher noch nie angelogen. Sie hat keinen Grund, mir nicht zu glauben.« Cain zuckte mit den Schultern und sah sich um. Sie trug einen grünen Mantel und eine schwarze Tasche bei sich, die ziemlich schwer aussah und in der vermutlich die Waffen für uns steckten. »Wollen wir reingehen?«
Ich nickte und öffnete ihr die Tür.
Im Pub wurden wir von einem Gewirr aus Stimmen und Gelächter begrüßt. Die Einrichtung war schlicht, aber elegant. Rechts vom Eingang befand sich eine große Bar mit Holztheke, dahinter waren mehrere Vitrinen aufgestellt, die mit bunten Alkoholflaschen bestückt waren. Der Boden war mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt, und die Tische und Stühle für die Gäste waren ebenfalls aus dunklem Holz. Was aber keineswegs eine gedrückte, sondern vielmehr eine gemütliche Stimmung erzeugte, die von der fröhlichen Musik untermalt wurde, die aus den Lautsprechern tönte.
»Riechst du etwas?«, fragte Cain.
Ich schüttelte den Kopf. Die Luft im Raum war schwer und der Duft nach Essen stark, was es praktisch unmöglich machte, den Geruch eines Vampirs herauszufiltern, sollte sich einer hier befinden. Kein Wunder, dass sich diese Biester so gern in Pubs herumtrieben. Nicht nur, dass der Gestank ihren Duft überlagerte, sie befanden sich auch gleich an einem All-you-can-eat-Buffet. Sehr praktisch.
Cain und ich beschlossen, dass es das Beste wäre, uns erst einmal unauffällig zu verhalten und zu beobachten. Wir besorgten uns etwas zu trinken und setzten uns an einen der wenigen freien Tische, von dem aus wir einen guten Überblick hatten.
Die Besucher des Pubs bildeten eine bunte Mischung aus Jung und Alt, Einwohnern und Touristen, Studenten und Berufstätigen, was an ihren Shirts und Anzügen deutlich zu erkennen war. Unser Vampir, Travis, hatte offenbar zu letzterer Gruppe gehört, also behielten wir diese besonders im Auge.
»Warum hast du keinen Kampfpartner?«
Die Frage von Cain kam aus dem Nichts. Ich sah zu ihr. Sie schlürfte ihren Eistee und beobachtete mich dabei aus großen Augen. Ihren Mantel hatte sie ausgezogen. »Ist das deine Art, mich zu fragen, ob ich dein Kampfpartner werden will, wenn wir Jules nicht finden?«
»Wir werden Jules finden«, erwiderte Cain, ohne zu zögern oder sich auf meine neckenden Worte einzulassen. »Ich meine es ernst, Warden. Du bist ein guter Hunter, aber im Team wärst du hervorragend. Warum willst du keinen Kampfpartner?«
Weil niemand dich ersetzen kann.
»Weil ich niemanden in meine Scheiße mit reinziehen will«, antwortete ich in bemüht neutralem Tonfall.
Ich hatte es mit Pietro, Cains Nachfolger, wirklich versucht, aber auf unserer ersten Jagd wären wir beinahe beide ums Leben gekommen, weil wir einfach nicht synchron liefen. Ich hatte ihm danach noch zwei weitere Chancen gegeben, aber es hatte einfach nicht funktioniert. Und auch die vier Hunter nach ihm hatten Cain nicht das Wasser reichen können. Weshalb ich es irgendwann vorgezogen hatte, allein auf die Jagd zu gehen, anstatt weiter zu versuchen, etwas zu ersetzen, das nicht zu ersetzen war. Irgendwann hatte dann auch Grant aufgegeben und mir keine neuen Partner zugeteilt.
»Dort draußen gibt es jede Menge Hunter, die sich liebend gern in deine Scheiße mit reinziehen lassen würden«, bemerkte Cain und spielte dabei mit den Eiswürfeln in ihrem Glas. »Nicht dass ich es nachvollziehen könnte, aber du hast unter den Jägern so was wie einen kleinen Fanclub.«
»Ja, aber nur, weil mich diese Leute nicht kennen.« Sie feierten mich dafür, dass ich Jagd auf Isaac machte und dass ich mehr Kreaturen erledigt hatte als all die anderen Hunter in meinem Alter. Aber das machte mich noch lange nicht unfehlbar, wie Dominique am eigenen Leib hatte erfahren müssen. Sie hatte an mich geglaubt und mir vertraut. Und was hatte es ihr gebracht? Den Tod. Ich war nicht der Hunter, für den sie mich gehalten hatte. Ich war kein Held. Ich wollte einfach nur meine Rache.
»Stimmt«, pflichtete Cain mir bei. »Sie wissen nicht, was für eine Pappnase du bist.«
Ich schnaubte und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Dabei blieb meine Aufmerksamkeit an einer Frau hängen, die allein mit einem Glas Wein in der Hand an der Bar saß. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, dennoch konnte ich mich nicht von ihr losreißen. Irgendetwas an ihr erschien mir falsch. Es war … ihre Haltung. Sie strahlte etwas Erhabenes, Anmutiges aus, eine Ruhe und Selbstsicherheit, die mir für eine Frau ihres Alters ungewöhnlich erschien und sie deutlich älter wirken ließ. Natürlich konnte das reiner Zufall sein. Oder sie war ein Vampir und sah nur aus wie zwanzig, während sie in Wirklichkeit zweih
undert war.
Cain schien die Veränderung in meiner Miene bemerkt zu haben, denn sie drehte den Kopf und folgte meinem Blick.
Noch waren wir dem Vampir nicht aufgefallen, aber wir mussten vorsichtig sein. Denn so wie Blood Hunter ein Gespür für Vampire hatten, so war es auch ihnen möglich, uns zu wittern. Unser Blut unterschied sich von dem der Menschen und anderen Huntern, weshalb wir für die Blutsauger ungenießbar waren. Was auch der Grund dafür war, dass wir nicht verwandelt werden konnten. Einmal hatte ein Vampir behauptet, ich würde für ihn riechen wie ein Sack fauler Eier, aber ich vermutete stark, dass er mich einfach nur beleidigen wollte.
»Was sollen wir machen?«, fragte Cain, während sie wieder mit dem Eiswürfel in ihrem Glas herumzuspielen begann, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.
»Warten. Sie ist vermutlich auf der Suche nach einem Snack. Sobald sie ihr Opfer gefunden hat, wird sie mit ihm oder ihr verschwinden, dann können wir ihr folgen.«
Cain nickte, obwohl ihr anzusehen war, dass es ihr nicht gefiel, einen Köder zu benutzen.
Lange mussten wir nicht warten. Eine Frau, die so aussah wie der Vampir, mit langem braunen Haar und in einem eng anliegenden Kleid, blieb selten lange allein. Bereits kurz nachdem wir sie bemerkt hatten, gesellte sich ein Typ zu ihr. Er war in meinem Alter, vermutlich ein Student. Die beiden redeten miteinander, aber schon ein paar Minuten später war das Gespräch beendet und sie verließen den Pub Hand in Hand. Das Grinsen des Kerls, der vermutlich dachte, einen Volltreffer gelandet zu haben, reichte bis über beide Ohren.
Wortlos schnappte Cain sich ihren Mantel und die Tasche, und wir folgten dem Paar. Im Gehen aktivierte ich mein Amulett, das Cain und mich für die Menschen um uns herum unsichtbar machte, und holte die beiden Dolche hervor, die ich unter meinem T-Shirt getragen hatte.
Zielstrebig, als hätte sich der Vampir genau überlegt, wie der heutige Abend ablaufen sollte, steuerte er eine Gasse unweit der Tolbooth Tavern an.
»Ich versuche mich von hinten anzuschleichen«, sagte Cain und reichte mir eine Pistole aus ihrer Tasche, die ich in meinen Gürtel steckte.
Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 16