Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 20

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  »Und worüber?«

  »Das konnte mir niemand so genau sagen.«

  »Du hast nicht mit Ella gesprochen?«

  »Nein, sie ist gerade auf einer Mission und meldet sich im Anschluss. Allmählich mache ich mir allerdings schon ein wenig Sorgen. Sie meinte kürzlich erst, dass sich Owen im Moment merkwürdig verhält.«

  Warden hob die Augenbrauen. »Wie, merkwürdig?«

  »Er will nicht mehr mit ihr in einem Hotelzimmer schlafen, wenn sie unterwegs sind. Und dass er einen Streit mit ihr provoziert, sieht ihm auch nicht ähnlich. Er küsst normalerweise den Boden, auf dem Ella geht.«

  »Vermutlich ist das das Problem. Er ist in sie verliebt, sie erwidert seine Gefühle nicht. Daher der Zoff.«

  Ich schnalzte mit der Zunge. »Unsinn. Owen ist nicht in Ella verknallt. Die beiden sind schon ewig Kampfpartner.«

  »Und?«

  »Owen hatte noch nie Interesse an Ella.«

  »Gefühle ändern sich«, warf Warden ein.

  »Nicht nach so langer Zeit.«

  »Unsere Gefühle füreinander haben sich verändert.«

  Autsch.

  Seine Worte waren wie ein Weckruf, der mich daran erinnerte, dass dieser friedliche Moment der Zweisamkeit nicht mehr unsere Norm war. Auch wenn es uns beiden nach den ersten Startschwierigkeiten ganz offenbar leicht fiel, zu unserem früheren Miteinander zurückzukehren.

  Ich hatte damals viel Zeit damit verbracht, Warden zu vermissen; und anschließend hatte ich viel Zeit damit verbracht, mir einzureden, dass ich ihn nicht brauchte. Dass ich uns nicht brauchte. Aber wirklich vergessen hatte ich ihn nie. Immer wieder hatte es Momente gegeben, in denen er sich in meine Gedanken geschlichen hatte. Zum Beispiel wenn ich mir eine Pizza mit Ananas bestellte, was Warden, der das für einen kulinarischen Frevel hielt, immer hatte kommentieren müssen. Oder wenn Jules darauf bestand, dass wir mit den Attrappen trainierten anstatt mit richtigen Waffen. Oder wenn ich in der Buchhandlung an einem Regal mit Mangas vorbeilief. Ich wusste, dass Warden sie inzwischen nicht mehr las, aber mit zwölf war er wie besessen davon gewesen. Wir hatten stundenlang in der Bibliothek gesessen, weil sich seine Eltern die Hefte bei seinem hohen Konsum nicht hatten leisten können. Gott, wir hatten so viele Stunden auf dem Boden der Bücherei verbracht …

  Vorsichtig ließ ich den Blick zu Warden hinüberwandern und betrachtete ihn. Vielleicht lag es an der Brille, vielleicht auch daran, dass er keine Waffen bei sich trug und nun völlig entspannt wirkte, aber er erinnerte mich in diesem Augenblick so sehr an sein früheres Ich, dass es beinahe wehtat.

  »Manchmal vermisse ich dich«, entwischte es mir ohne jede Vorwarnung.

  »Wieso? Ich bin doch hier.«

  Ich zögerte, doch jetzt war es ohnehin zu spät für einen Rückzieher. Und wenn ich wirklich wollte, dass wir eine Zukunft hatten, musste ich ehrlich zu ihm sein. »Du weißt, wie ich das meine. Ich vermisse dich. Und ich vermisse es, Zeit mit dir zu verbringen.«

  Wardens Augen wurden schmal, während er mich ein paar schnelle Herzschläge lang betrachtete. »Du vermisst nicht mich, sondern deinen Partner von früher. Das ist etwas anderes.«

  »Du bist immer noch derselbe.«

  »Nein, bin ich nicht«, sagte er, wobei er seine wahren Gefühle hinter einem falschen Lächeln versteckte, das so steif auf seinen Lippen saß, dass es beinahe schmerzhaft wirkte. Und zum ersten Mal überhaupt erkannte ich, dass er den Mann, zu dem er sich entwickelt hatte, nicht unbedingt mochte. Wie auch? Er war aus Hass, Wut und Angst geboren worden.

  »Das redest du dir nur ein. Die letzten drei Jahre waren hart für dich, sie haben dich geprägt, vielleicht auch verändert, aber sie löschen nicht den Menschen aus, der du zuvor achtzehn Jahre lang gewesen bist«, erwiderte ich mit einer Überzeugung, die ich nicht spielen musste. Ich wusste, dass ich recht hatte. Läge ich falsch, säße ich jetzt allein in meinem Zimmer und nicht hier bei ihm. Er hätte mich nicht zu sich geholt und mir keine Cola und Schokolade vors Zimmer gestellt.

  Er schüttelte den Kopf. »Du irrst dich.«

  »Nein, tue ich nicht. Ich kenne dich, Warden, auch wenn du das vielleicht nicht wahrhaben willst.«

  Bei diesem letzten Satz nahm sein Gesicht einen merkwürdigen Ausdruck an, als müsste er intensiv über meine Worte nachdenken. Schließlich legte er sein Sandwich beiseite und klopfte sich die Brösel von den Fingern. »Kann ich dich etwas fragen?«

  Verwundert runzelte ich die Stirn. »Klar.«

  »Warum …« Er stockte und presste die Lippen aufeinander. Ich wartete darauf, dass er weitersprach und seine Gedanken sortierte, doch dann schüttelte er den Kopf. »Weißt du was, vergiss es. Es … Es ist nicht so wichtig.«

  »Sicher?«

  »Ja. Außerdem ist es schon spät. Du solltest jetzt besser gehen.«

  Es war noch nicht einmal elf, für uns Hunter praktisch Nachmittag, aber ich wollte Wardens Gastfreundschaft nicht überstrapazieren, zumal ich ihm sehr dankbar für die Unterbrechung meiner Langeweile war.

  Ich schnappte mir meine noch halb volle Cola, um sie mit in mein Zimmer zu nehmen, und stand auf. In der offenen Tür drehte ich mich noch einmal um. »Danke für den schönen Abend«, sagte ich und sah Warden an, der ebenfalls aufgestanden und mir gefolgt war. Ob aus Höflichkeit oder um dafür zu sorgen, dass ich auch wirklich verschwand, wusste ich nicht. Vor heute hätte ich auf Letzteres getippt, nun war ich mir allerdings nicht mehr sicher. »Wenn es irgendetwas gibt, das ich für dich tun kann, dann –«

  »Da gibt es tatsächlich etwas«, sagte Warden, noch ehe ich den Satz beenden konnte. »Du schuldest mir ja noch einen Gefallen. Ich wollte fragen, ob du meine Mum besuchen könntest?«

  Überrascht hob ich die Augenbrauen. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich war schon seit Monaten nicht mehr bei Emma gewesen. Nicht weil ich sie nicht sehen wollte, sondern weil ich immer davon ausgegangen war, dass es Warden nicht recht wäre, wenn ich Zeit mit ihr verbrachte.

  »Ich soll deine Mum besuchen?«

  Er nickte. »Sie hat dich immer sehr gemocht. Ich glaube, es würde sie freuen, deine Stimme zu hören.«

  »Okay, ich schau morgen bei ihr vorbei.«

  »Danke. Neben dem Bett liegt ein Stapel Bücher, aus denen kannst du ihr vorlesen.«

  »Ach, ich denke, wir werden nur ein bisschen reden.«

  Warden verzog die Lippen zur Andeutung eines Lächelns. »Solang du ihr nichts Schlechtes über mich erzählst.«

  Ich erwiderte sein Lächeln. »Das würde mir im Traum nicht einfallen.«

  20. KAPITEL

  Warden

  Ich wusste nicht, wie viel Zeit in meinem Leben ich schon auf Dächern, in dunklen Gassen oder versteckt in zwielichtigen Ecken verbracht hatte, um Vampiren aufzulauern. Es waren eindeutig zu viele, aber es war ein notwendiges Übel, wenn ich Isaac – und jetzt auch Jules – finden wollte. Seit fünf Tagen, genauer gesagt seit Cain wieder fit war, schlichen wir jede Nacht in der Nähe der Tolbooth Tavern umher in der Hoffnung, neuen Vampiren zu begegnen, die uns einen Hinweis auf Isaac lieferten. Doch die Spur war tot. Es tauchten keine weiteren Kreaturen in der Nähe das Pubs auf. Beinahe als wären sie von dem Massaker, das Cain und ich angerichtet hatten, gewarnt worden.

  »Shortbread?«, fragte Cain und hielt mir die Packung hin.

  Ich schüttelte den Kopf.

  Sie zuckte mit den Schultern und knabberte weiter an ihrem Gebäck, als säßen wir erneut in meinem Zimmer anstatt auf dem Dach eines zweistöckigen Familienhauses, verborgen hinter einer Baumkrone, die allerdings nur noch aus skelettartigen Ästen bestand. Ihr Schatten gab uns dennoch Deckung.

  Es war eine ungemütliche Nacht, mit Wind, der mir das Haar in die Stirn blies, und gelegentlichen Regentropfen, die auf meiner Haut zerplatzten. Ich schlang die Arme um die Beine, und ließ den Blick über die Nachbarschaft gleiten, die so ruhig und friedlich vor uns lag, dass es schwerfiel, ausgerechnet hier etwas Böses zu vermuten. Doch ich wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr de
r Schein trügen konnte. Ich war in einem ähnlichen Viertel aufgewachsen, und weder der sauber gestutzte Rasen noch der kitschige Fußabstreifer vor der Haustür oder die Blumen auf der Terrasse hatten Isaac davon abgehalten, in mein Elternhaus einzudringen. Weshalb Cain und ich auch nicht gezögert hatten, dem Gerede im Quartier Glauben zu schenken. Angeblich trieben sich in dieser Ecke der Stadt seit Neustem vermehrt Vampire herum. Es war nur eine schwache Spur, kaum mehr als ein Hoffnungsschimmer, aber es war besser als nichts. Und wenn wir eine andere Familie vor einem ähnlichen Schicksal bewahren konnten …

  »Du denkst an sie, oder?«, unterbrach Cain meine Gedanken.

  Ich blickte auf. »An wen?«

  »Deine Eltern.«

  Widerwillig nickte ich, auch wenn es mir nicht gefiel, wie leicht Cain mich durchschaute. Aber das war schon immer so gewesen. Mein Kopf war wie die verschüttete Bibliothek von Wan Shi Tong in Avatar – The Last Airbender, unzugänglich für die meisten, aber Cain hatte dennoch einen Weg hineingefunden. Sie konnte nun nach Herzenslust darin stöbern und brachte dabei alles durcheinander.

  Ich hatte mich mit meinem neuen Leben und der Einsamkeit abgefunden, die nur von kurzweiligen Bekanntschaften unterbrochen wurde. Drei Jahre lang war mir das genug gewesen, aber jede Minute, die ich mit Cain verbrachte, weckte in mir mehr und mehr das Gefühl, dass mir etwas fehlte. Dieses Verlangen nach mehr war es auch gewesen, das mich dazu getrieben hatte, Cain an jenem Abend in mein Zimmer zu holen. Es hatte Spaß gemacht, mit ihr zu zocken. Ich hatte mich in eine Zeit zurückversetzt gefühlt, die ich sehr vermisste. Aber Tatsache war, dass Cain nur Zeit mit mir verbrachte, weil Jules weg war. Sobald wir ihn gefunden hatten – ganz egal ob tot oder lebendig –, würde sie sich wieder ihm oder einem neuen Kampfpartner zuwenden. Ich war ihr Lückenbüßer, das durfte ich nicht vergessen, auch wenn sie es mir leicht machte, genau das zu tun. Vor allem, wenn sie mir sagte, dass sie mich vermisste, oder mich so ansah wie in diesem Augenblick.

  »Ich war heute noch mal bei deiner Mum.«

  »Warum?«, fragte ich verblüfft.

  Sie zuckte mit den Schultern und streckte die Beine aus. »Keine Ahnung, einfach so. Ich hab ihr von meinem Job erzählt. Meinem anderen Job.«

  Ich nickte, denn ich konnte mir gut vorstellen, wie meine Mum all ihren Freundinnen mit jüngeren Kindern von Cain erzählt hätte, damit diese sie als Prinzessin für ihre Geburtstage buchten. Cain hatte immer ihre bedingungslose Unterstützung gehabt, genau wie ich, egal welche Entscheidung ich getroffen hatte. Nur meine Entscheidung, Cain gehen zu lassen, hätte sie wohl nicht gutgeheißen.

  »Ich werde wahrscheinlich kündigen«, sagte Cain.

  »Warum?«

  »Die Agentur ist super, und ich mag es, mit Kindern zu arbeiten, aber ich musste jetzt schon zwei Jobs wegen der Suche nach Jules absagen; und das würde in nächster Zeit sicher noch häufiger passieren. Ich kann nicht riskieren, dass mir irgendwelche Geburtstage in die Quere kommen.«

  Das konnte ich gut nachvollziehen. Es war derselbe Grund, aus dem ich keinen Job länger als ein paar Wochen halten konnte. Wenn es hart auf hart kam, standen das Hunterdasein und die Jagd nach Isaac immer an erster Stelle.

  »Ihr hättet euch wirklich einen schöneren Tag für diese Observierung aussuchen können«, erklang plötzlich eine Stimme neben mir.

  Ich blickte auf und entdeckte einen jungen Mann mit hellbraunem Haar, der ein schwarzes T-Shirt trug, auf dem in weißer Schrift die Namen aller BTS-Mitglieder standen. Er kam vorsichtig das Dach nach unten gelaufen, einen Regenschirm in der Hand, und setzte sich neben mich.

  »Keiner hat dich gezwungen herzukommen.«

  Kevin zuckte mit den Schultern. »Mir war langweilig.«

  »Du könntest auch die Mitglieder von BTS stalken.«

  »Redest du mit mir?«, fragte Cain und schaute irritiert in meine und Kevins Richtung – mit der klitzekleinen Einschränkung, dass sie unseren Zaungast nicht sehen konnte. Todesboten waren nur für jene Menschen sichtbar, die wie Roxy verflucht waren oder in enger Verbindung mit dem Tod standen. Wie ich.

  »Mit Kevin.«

  Cain runzelte die Stirn. »Wer ist Kevin?«

  »Der mächtigste Todesbote, der je existiert hat«, antwortete dieser, was Cain nicht hören konnte.

  Ich schnaubte. Eine mächtige Nervensäge traf es wohl eher. »Er ist mein Todesbote.«

  Empört schnappte Kevin nach Luft. »Dein Todesbote? Ich bin kein Haustier.«

  »Und warum rennst du mir dann nach wie ein Hund?«

  »Hey, sei nicht so gemein. Ich dachte, wir wären Freunde.«

  »Moment mal«, unterbrach Cain unser Gestichel. »Du siehst einen Todesboten? Jetzt, in diesem Moment?«

  »Ja.«

  »Shit, und warum bleibst du dann so ruhig?« Cain warf mir einen Blick zu, der beinahe so tödlich war wie die Khukuri, die sie plötzlich in den Händen hielt. Sie sprang von ihrem Platz auf und sah sich in der Nacht um, bereit, mich gegen jede Kreatur, die es wagte, mir zu nahe zu kommen, zu verteidigen.

  Ich schmunzelte und griff nach ihrer Hand, um sie wieder nach unten zu ziehen, damit sie nicht versehentlich von jemandem bemerkt wurde. »Beruhig dich, ich werde nicht sterben.«

  »Du siehst einen Todesboten«, fauchte Cain. Sie schüttelte meine Hand nicht ab, machte aber auch keine Anstalten, sich wieder hinzusetzen. »Weißt du überhaupt, was das bedeutet?«

  »Ja, aber Kevin und ich … wir sind Freunde.«

  Kevins Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen, und er schob seinen Schirm in meine Richtung, der mich, obwohl er für Cain nicht sichtbar war, vor dem andauernden Tröpfeln schützte.

  Ich hatte keine Ahnung, wie genau Kevins Magie funktionierte, aber sie war anders als die von Hexern, Vampiren oder Elfen. Sie war einzigartig und unaufhaltsam, so wie der Tod selbst, weshalb Todesboten auch die einzigen Kreaturen waren, die wahrhaftig als unsterblich galten. Sie waren eine Notwendigkeit für das Gleichgewicht und die meisten von ihnen weder gut noch böse. Sie waren neutrale Vollstrecker des Unvermeidlichen und brachten die Seelen Verstorbener in die Geister- oder Unterwelt. Kevin hatte einmal geschworen, dass er mich in die Geisterwelt bringen würde, aber so sicher war ich mir da nicht. Ich hatte in meinem Leben – vor allem in den letzten drei Jahren – viel Mist gebaut, der in meinen Augen unverzeihlich war.

  »Du bist mit einem Todesboten befreundet?« Cains Stimme triefte vor Sarkasmus.

  »Sozusagen. Er wollte mich schon ein paarmal holen, aber … das hat nicht geklappt.«

  Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte sie von oben auf mich herab. »Und du findest das überhaupt nicht beunruhigend?«

  »Nicht beunruhigender als Vampire, und nach denen suche ich freiwillig.«

  Als Kevin das erste Mal aufgetaucht war, hatte ich an der Westküste Schottlands gegen Lamien gekämpft. Ich hatte den Kampf gewonnen, aber er hatte mir einiges abverlangt, und ich hatte anschließend eine ganze Weile neben den Leichen meiner Gegner auf dem Boden gelegen. Kevins Gesicht war aus dem Nichts über mir aufgetaucht. Im ersten Moment hatte ich ihn für einen Menschen gehalten, der mir helfen wollte. Zugegeben, Kevin hatte mir tatsächlich helfen wollen, aber seine Absicht war nicht gewesen, mein Leben zu retten, sondern mir das Überqueren der Brücke zur Geisterwelt zu erleichtern. Zu seinem Leidwesen war ich an diesem Tag nicht gestorben.

  »Und dieser Kevin ist jetzt gerade bei uns auf dem Dach?«

  »Ja, er sitzt hier.« Ich deutete auf ihn oder vielmehr die Stelle neben mir, und Kevin winkte, als könnte Cain ihn sehen.

  Sie verzog die Lippen. »Verarschst du mich?«

  »Nein.«

  »Gut, denn wenn du es tust, töte ich dich, und dann begegnest du wirklich einem Todesboten«, drohte sie mir, obwohl sie in ihrem Leben schon weitaus Verrückteres gesehen und gehört hatte als das hier. Sie steckte ihre Waffen weg und hockte sich wieder neben mich. Wachsam ließ sie dabei den Blick über die Stelle gleiten, an der Kevin saß.

  Der quittierte ihre Muster
ung mit einem schiefen Lächeln. »Ich mag sie«, stellte er wie bereits bei ihrem ersten Kennenlernen in der Gasse am Halloween-Abend fest. »Warum seid ihr keine Partner mehr?«

  »Das geht dich nichts an.«

  Verwirrt sah Cain mich an. »Was?«

  »Sorry, das war Kevin.«

  »Was hat er gesagt?«

  »Nichts«, erwiderte ich ausweichend.

  »Ach komm schon, sag es mir.«

  »Ja, sag es ihr«, echote Kevin.

  »Bitte?« Sie sah mich mit großen grünen Augen an, die mir manchmal erschienen wie ein Wald, so tief, dass ich mich darin verlieren konnte.

  Schlagartig fühlte sich meine Kehle kratzig und zu trocken an. Ich schluckte und beobachtete, wie ein Regentropfen auf ihre Wange traf und langsam daran herunterrollte. Ihr rotes Haar wellte und kräuselte sich durch die Feuchtigkeit noch mehr als sonst, und eine nasse Haarsträhne hing ihr in die Stirn, die ich gern beiseitegeschoben hätte. Aber Cain schien das überhaupt nicht zu interessieren. Es war ihr egal, ob sie für den Job nass wurde, durch Dreck kriechen oder durch Blut waten musste. Sie tat, was getan werden musste, und das hatte ich schon immer an ihr gemocht.

  »Kevin wollte wissen, wieso wir keine Kampfpartner mehr sind.«

  Cain blinzelte, wobei sich weitere feine Regentropfen in ihren Wimpern verfingen. Ihr Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Das ist eine gute Frage … die leider nur du beantworten kannst.«

  Ich hob eine Braue. »Wie meinst du das?«

  »Ich habe unsere Partnerschaft nicht beendet. Du warst derjenige, der nur über seine Leiche weiter mit mir zusammenarbeiten wollte.«

  »Ja, weil du mich verraten hast.«

  »Weil du mir keine andere Wahl gelassen hast.«

  Ich schnaubte. »Natürlich hattest du eine Wahl. Du hättest einfach deine Klappe hal- Was war das?«, unterbrach ich mich selbst, als ein grelles Licht am Himmel aufflackerte. Es war so schnell verschwunden, wie es gekommen war, und hätte Cain nicht genauso verwirrt dreingeblickt wie ich, hätte ich vermutet, es mir nur eingebildet zu haben.

 

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