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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

Page 35

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  Ich hatte schon viele Vampire kämpfen sehen, gegen mich, gegen andere Jäger, gegen Kreaturen und auch gegeneinander, doch einen Kampf wie den zwischen Isaac und Jules hatte ich noch nie beobachtet. Die beiden bewegten sich so schnell, dass sie zu Schatten verschwommen. Ich hörte sie fauchen und zischen, aber mit den Augen konnte ich ihnen kaum folgen. Isaac so zu sehen, überraschte mich nicht, er war schließlich der mächtigste Vampir der Welt. Jules dagegen … Er schien ihm ein ebenbürtiger Gegner zu sein. Nein, nicht nur ebenbürtig. Überlegen.

  Ich fragte mich ernsthaft, wie ich so lange gegen ihn hatte bestehen können. Er wehrte jeden von Isaacs Angriffen ab, und als Isaac ihn doch zu fassen bekam und gegen die Wand schleuderte, zahlte er es ihm mit voller Wucht heim. In diesem Moment packte er einen der Tische und schleuderte ihn auf Isaac, der davon mitgerissen wurde und gegen das Gemäuer flog. Putz rieselte zu Boden.

  Mir wurde klar, dass Jules jederzeit aus unseren Arrestzellen hätte ausbrechen können. Vielleicht lag es daran, dass er ein Grim Hunter war, vielleicht auch an dem Serum, das James ihm verabreicht hatte, aber er war nicht einfach nur ein Vampir. Er war mehr.

  Keuchend kam Isaac wieder auf die Beine. Sein Anzug war an mehreren Stellen zerrissen, und obwohl sich die Wunden bereits wieder geschlossen hatten, war sein Gesicht von Blut bedeckt, seinem eigenen und dem von Jules.

  Schwer keuchend standen sich die beiden gegenüber wie Raubtiere. Ich konnte die Anspannung und das Adrenalin nicht nur fühlen, sondern in Form von Blut, Schweiß und Rosmarin auf durchdringende Weise riechen.

  »Wenn du jetzt aufhörst, lass ich Gnade walten«, knurrte Isaac.

  Selbst ich erkannte, dass das eine Lüge war. Vermutlich würde er Jules allein dafür töten, dass er sich seinen Befehlen widersetzen konnte, denn damit war er eine unberechenbare Bedrohung.

  »Vergiss es«, war alles, was Jules darauf entgegnete, und mit einem Fauchen stürzten sie sich erneut aufeinander.

  Ich rutschte an die Wand, um den beiden Vampiren auszuweichen, doch meine Knie waren zu weich, als dass ich hätte aufstehen können. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich den Kampf und wie die zwei versuchten, den jeweils anderen niederzuringen.

  Jules war stärker als Isaac. Er zwang den König zu Boden und trieb ihm sein Knie ins Gesicht. Blut spritzte aus dessen Nase. Isaac fauchte und wollte gerade wieder aufstehen, als Jules ihn mit seinem ganzen Körper zu Boden riss. Rittlings setzte er sich auf ihn und holte mit seiner Klaue aus, um sie mit voller Wucht durch Isaacs Brust zu rammen. Ich konnte seine Rippen selbst aus der Distanz brechen hören. Er schrie auf, doch sein Schrei verstummte, als Jules ihm das Herz bei lebendigem Leib aus dem Körper riss. Blutig und rot lag es in seiner Klaue.

  Gespenstische Stille breitete sich aus. Nicht nur in der Cafeteria, sondern im ganzen Quartier. Für einen winzigen Augenblick schien alles innezuhalten.

  Der König der Vampire war tot. Sein Herz lag in der Hand der Kreatur, die er selbst erschaffen hatte.

  Jules ließ es fallen und stand auf. Hoch ragte er über Isaacs Leichnam auf. Sein Gesicht war eine stählerne Maske, die es mir unmöglich machte zu erkennen, was er in diesem Moment dachte oder fühlte.

  Gott, ich wusste noch nicht einmal, was ich selbst fühlte. Der Schock über das, was ich gerade beobachtet hatte, saß zu tief. Niemals hätte ich das für möglich gehalten. Wie alle Hunter war ich fest davon überzeugt gewesen, dass Vampire ihrem König unbedingten Gehorsam leisteten, der einen wesentlichen Teil seiner Macht ausmachte. Aber vielleicht hatte ich, hatten wir uns alle geirrt. Oder es lag an Jules … Immerhin war er nicht auf natürlichem Weg entstanden; man hatte ihn in einem Labor erschaffen. Isaac war vielleicht sein König, aber nicht sein Schöpfer, zumindest nicht auf die gleiche Weise wie für alle anderen Vampire.

  Als Jules zu mir sah und sich sein Blick in meinen bohrte, stockte mir der Atem. Sekundenlang starrten wir uns einfach nur an, und ich musste mir eingestehen, dass ein kleiner Teil von mir fürchtete, er könnte nun das beenden, was er kurz zuvor unterbrochen hatte. Er hatte mich vielleicht verschont, weil ein Teil von ihm sich noch an mich erinnerte, aber er war nicht mehr derselbe wie früher. Das hatte mir der Kampf mit Isaac bewiesen. Jules war stärker und mächtiger als je zuvor. Stärker und mächtiger, als ich nach seiner Verwandlung angenommen hatte. Sonst wäre es ihm nicht gelungen, sich gegen die Befehle seines Königs zu stellen.

  »Cain!«

  Ich zögerte, wandte den Blick dann aber doch von Jules ab und auf Warden, der in diesem Moment in die Cafeteria stürzte. Ein erleichtertes Keuchen kam mir über die Lippen. Er war am Leben, Gott sei Dank!

  Warden sank vor mir auf die Knie und umfasste mein Gesicht mit beiden Händen, um mich anzusehen. »Geht es dir gut?«

  Ich nickte. »Dir?«

  »Auch. Was ist passiert?«

  »Jules …« Mein Blick zuckte zu ihm, doch er stand nicht länger über Isaacs leblosem Körper. Suchend sah ich mich um, aber ich konnte ihn nirgendwo entdecken. Wie hatte er so schnell verschwinden können? Ich hatte ihn weder gehört, noch gehen sehen.

  »Was zum Teufel?« Ungläubig starrte Warden Isaacs Leiche mit dem aufgebrochenen Brustkorb an. »Das … Warst du das?«

  Ich schüttelte den Kopf und kämpfte mich auf die Beine. Mein ganzer Körper schmerzte, und ich fühlte mich so gerädert, als hätte ich nächtelang nicht geschlafen. »Nein, das war Jules.«

  Warden runzelte die Stirn. »Wie?«

  »Das erzähl ich dir später.« Ich musste das, was ich gesehen hatte, erst einmal verarbeiten, außerdem fehlte es mir an Kraft. Ich stützte mich gegen die Wand, da meine Knie unter mir nachzugeben drohten. Sofort war Warden bei mir und schlang einen Arm um meine Taille. »Was ist mit deinem Dad?«

  »Er ist tot.«

  »Das tut mir leid.«

  Warden schüttelte den Kopf. Erst jetzt bemerkte ich, dass er merkwürdig glücklich aussah. »So ist es besser, glaub mir. Aber … meine Mum ist aufgewacht.«

  Verwirrt sah ich ihn an. »Emma ist wach?«

  Er nickte, wobei sich ein Lächeln auf seine Lippen legte. »Ja, aber das erzähl ich dir später«, gab er mir meine eigene Antwort zurück. »Jetzt bring ich dich erst mal hier raus.«

  »Was ist mit den übrigen Vampiren?«

  »Um die können sich die anderen kümmern.«

  Ich nickte, bevor ich mich von Warden aus der Cafeteria führen ließ.

  Gemeinsam stiegen wir die Treppen nach oben. Stufe für Stufe ließen wir das Chaos und die Verwüstung zwar hinter uns, aber ich wusste, dass uns dieser Tag noch lange begleiten würde. Er würde in die Geschichtsbücher der Hunter eingehen und das Quartier in Edinburgh für immer verändern. Niemand, der ihn miterlebt hatte, würde ihn je wieder vergessen. Der Tag, an dem Isaac die Wände des Quartiers mit unserem eigenen Blut befleckt hatte.

  Der Tag des Blutbades.

  32. KAPITEL

  Cain

  Zweiundvierzig Kerzen. Eine Kerze für jeden Hunter und jeden Archivar, der am Tag des Blutbades sein Leben gelassen hatte.

  Ich blickte in die züngelnden Flammen und kämpfte gegen die Tränen an. Inzwischen war über eine Woche vergangen. Die Toten – Menschen wie Vampire – waren beerdigt oder verbrannt. Die Flure gereinigt. Die Kampfspuren, das Chaos und die Verwüstung beseitigt. Dennoch glaubte ich, das Blut und den überwältigenden Gestank nach Rosmarin noch immer riechen zu können. Und wenn ich die Augen schloss, sah ich das Rot, das die Wände gesprenkelt hatte. Mir wurde übel, wenn ich daran zurückdachte.

  Eine Berührung an meiner Schulter ließ mich zusammenzucken. Seit dem Angriff der Vampire war ich unglaublich schreckhaft. Doch als ich Warden erkannte, entspannte ich mich sofort wieder. Er schlang einen Arm um mich und gab mir einen Kuss auf die Schläfe. Seine Nähe brachte mein Herz dazu, ruhiger zu schlagen. Ich ließ mich gegen ihn sinken, die Kerzen, die auf einem Altar in einem der Trainingsräume standen, noch immer im Blick.

  »Wie geht es dir?«, fragte er, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. />
  Ich zuckte mit den Schultern, ratlos, was ich darauf antworten sollte. Ich war unversehrt, meine Wunden geheilt, zumindest die physischen. Meine Seele hingegen war eine klaffende Wunde, roh und blutig, und ich konnte nicht aufhören, an all die Menschen zu denken, die in diesen Räumen ihren letzten Atemzug getan hatten. Es waren einfach zu viele. Das Quartier war mir immer wie ein sicherer Hafen erschienen, aber ich hatte mich geirrt. Nach dieser Katastrophe würde nichts mehr so sein wie früher. Ich würde nie wieder ohne Messer unter meinem Kissen schlafen, nie wieder mein Zimmer ohne Dolch verlassen. Zwar war Isaac tot, trotzdem würde ich auf der Hut sein, und viele andere mit mir. Das Gefühl der Sicherheit war für immer zerstört.

  Als könnte Warden meine düsteren Gedanken spüren, drückte er mich noch fester an sich.

  Ich presste mein Gesicht an seine Brust und nahm einen zittrigen Atemzug. Es erschreckte mich, wie überwältigend sich die Trauer anfühlte, nun da meine Mauer aus Wut im Kampf mit Isaac gefallen war.

  Schniefend sah ich zu Warden auf. Er starrte noch immer die Kerzen an, den Kiefer angespannt, als ich eine Bewegung bemerkte und erkannte, dass er etwas in seiner anderen Hand hielt, das er nervös hin und her drehte. Eine weiße Kerze, ähnlich jenen, vor denen wir standen.

  »Ist die für deinen Dad?«

  Als er nickte, konnte ich den Kampf in seinen Augen sehen. Er wollte sie zu den anderen stellen, um seines Dads zu gedenken, der so lange Teil der Hunter gewesen war – und als Vampir zugleich so viel Leid erschaffen hatte. Ich war nicht dabei gewesen, als Warden ihn getötet hatte, aber er hatte mir unter Tränen davon erzählt, während er im Bett in meinen Armen gelegen hatte.

  »Stell sie dazu.«

  Warden zögerte. »Sicher?«

  Ich lächelte und antwortete, indem ich mich von ihm löste, damit er die Kerze anzünden konnte. Was James getan hatte, war nicht seine Schuld. Er hatte unter dem Einfluss von Isaac gestanden, der auch für das verantwortlich war, was mit Jules geschehen war.

  Warden zog ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche, das klackend zum Leben erwachte. Er zündete den Docht an und stellte die Kerze zu den anderen, ehe er wieder neben mich trat.

  Ich ergriff seine Hand, und er drückte dankbar meine Finger, während wir schweigend James’ gedachten, für den es keine Trauerfeier geben würde.

  Es war schwer zu sagen, wie lange Warden und ich beisammenstanden, als plötzlich Schritte hinter uns erklangen. Ich drehte mich um und entdeckte Harper. Sie erwiderte meinen Blick, und meine Trauer traf auf ihren Hass. Er loderte in ihren Augen wie ein Feuer, das darauf wartete, seine zerstörerische Gewalt auf die Welt loszulassen, um sie brennen zu sehen.

  »Hey«, kam es von Holden. Er saß in einem Rollstuhl, den Harper vor sich herschob. Die Strapazen des Kampfes waren ihm noch immer deutlich anzusehen. Seine Haut war blass, wirkte beinahe durchsichtig, so deutlich waren die Adern darunter zu erkennen. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, und sein rechter Arm steckte in einer Schlinge.

  Ich konnte noch immer nicht glauben, dass Jules ihm all das angetan hatte. Wäre er ein Blood Hunter, bestünde wohl der Hauch einer Chance, dass er irgendwann wieder würde laufen können, doch als Magic Hunter machten ihm die Ärzte keine Hoffnungen.

  Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Hey.«

  Holden sah zu Harper auf, die ihn fast schon widerwillig näher an uns heranschob. Später würde Holden gewiss auch allein zurechtkommen, aber noch war er zu geschwächt. »Wie geht es unserer Heldin?«

  Der Spitzname ließ mich verkniffen lächeln. Nach Isaacs Tod waren seine Vampire leider nicht zu Staub und Asche zerfallen, aber viele hatten den Rückzug aus dem Quartier angetreten, vermutlich irritiert vom Ableben ihres Königs. Dass Jules und nicht ich Isaac getötet hatte, wussten nur eine Handvoll Leute. Früher oder später würde Grant dieses Wissen sicherlich öffentlich machen, aber noch saßen der Schock und die Trauer zu tief, um die anderen wissen zu lassen, dass ein Vampir, ihr größter Feind, dem schlimmsten Tag ihres Lebens ein Ende bereitet hatte. Zumal keiner von uns wusste, wo sich Jules befand. Er war nach dem Kampf mit Isaac spurlos verschwunden, vermutlich, um nicht wieder in irgendeiner Zelle zu landen. Nach allem, was geschehen war, hatte Grant entschieden, ihn erst einmal ziehen zu lassen und das Quartier wiederaufzubauen. Jules schien keine unmittelbare Bedrohung für die Welt zu sein, auch wenn seine Fähigkeiten und seine Stärke erschreckend waren.

  Warden und ich wechselten noch ein paar Worte mit Holden, ehe wir ihn mit Harper allein ließen, damit sie in Ruhe der gefallenen Hunter und Archivare gedenken konnten. Anschließend machten wir uns auf den Weg in die Cafeteria, um die anderen dort zu treffen.

  Die Einrichtung, die Jules handverlesen und zum Teil sogar selbst hergestellt hatte, war im Kampf komplett zerstört worden. Jetzt gab es nur noch schlichte Bierbänke und ein paar Sessel, die Hunter, die außerhalb des Quartiers lebten, aus ihren Wohnungen gespendet hatten.

  Wir entdeckten Shaw, Roxy und Finn sofort. Die drei hatten nicht nur gemeinsam mit den anderen Erwachsenen die Kinder beschützt, sondern sich danach auch noch in weitere Kämpfe gestürzt und einen großen Teil dazu beigetragen, die verbliebenen Vampire aus dem Quartier zu vertreiben. Allerdings hatte es Finn in einem der letzten Kämpfe leider schlimmer erwischt. Sein linker Arm war von einem Vampir zerschmettert worden, und er hatte sich bei einem Treppensturz mehrere Rippen gebrochen. Außerdem hatte er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen, weshalb er die Tage nach dem Blutbad auf der Krankenstation gelegen hatte. Es würde wohl noch einige Wochen dauern, bis er wieder uneingeschränkt kämpfen konnte.

  »Hey«, begrüßte ich die drei und setzte mich zu ihnen an den Tisch.

  Ein Echo aus Begrüßungen schlug mir entgegen, und Shaw packte Warden und mir zwei Pizzastücke auf Servietten. Da ein Teil des Küchenpersonals ebenfalls getötet worden war, wurde hier nicht mehr gekocht.

  »Danke«, sagte Warden und nahm einen Bissen.

  »Was habt ihr heute so getrieben?«, fragte ich.

  »Gar nichts«, antwortete Finn, der parallel versuchte, einhändig seine Wasserflasche aufzuschrauben. »Ich lag im Bett rum und hab mir diesen Anime angeschaut, den Warden mir empfohlen hat. Kill la Kill? Ziemlich verstörend, aber irgendwie gut.«

  Warden schnaubte. »Ja, genau das hab ich dir gesagt.«

  »Roxy und ich waren gestern Nacht noch auf Geisterjagd und haben heute geholfen, die Zimmer auf der dritten Ebene zu renovieren«, erzählte Shaw und biss in seine Pizza. »Wir sind fast fertig und beginnen vermutlich morgen mit der vierten. Ich hätte niemals gedacht, dass mir Streichen so viel Spaß macht. Auch wenn Blutflecken erstaunlich schwer zu überdecken sind.«

  Wir redeten noch eine Weile über die positiven Veränderungen im Quartier, auch wenn wir alle wussten, dass wir das nur taten, um uns von der Tatsache abzulenken, dass wir unvollständig an diesem Tisch saßen.

  »Wie geht es Ella?« Es war Shaw, der die Frage stellte, die wir alle zu vermeiden versucht hatten.

  Ich seufzte und legte mein Pizzastück ab. Mein Appetit war in diesen Tagen ohnehin so gut wie nicht vorhanden, der Gedanke an Ella ließ ihn gänzlich verschwinden. »Keine Ahnung. Ich war vorhin bei ihr, aber sie hat sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert und lässt mich nicht rein.«

  »Shit.«

  Ich nickte. Ella hatte es ziemlich schwer getroffen. Körperlich war sie zwar unversehrt, aber ihr Herz war gebrochen. Nicht nur ihr Dad war im Kampf gegen die Vampire gefallen, sondern auch Owen, der in ihren Armen gestorben war. Sie hatte die zwei wichtigsten Männer in ihrem Leben am selben Tag verloren. Ich hatte sie seitdem erst einmal gesehen, bei der Beisetzung, bei der sie neben ihrer Mutter gestanden hatte. Jedem meiner Versuche, mit ihr zu reden, war sie ausgewichen. Ich gab mein Bestes, es nicht persönlich zu nehmen. Jeder trauerte auf seine eigene Art und Weise, und Ella brauchte eben Abstand, um verarbeiten zu können, was geschehen war. Auch wenn ich ihr gern geholfen hätte, das musste ich respektieren und darauf hoffen, dass sie mich eines Tages wieder an sich heranlassen würde.r />
  »Hey.«

  Ich blickte auf und entdeckte Wayne, der an unseren Tisch gehumpelt kam, einen Gehstock in der Hand. Sein schwarzes Haar war zerzaust, und er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Ebenso wie Finn und Holden hatte es ihn ziemlich schlimm erwischt. Dass er noch lebte, hatte er allein Ella und Owen zu verdanken.

  Ächzend setzte er sich zu uns auf die Bank und nahm sich eines der fettigen Pizzastücke. Etwas, das ziemlich viel über Waynes mentalen Zustand aussagte, wenn ihm seine Ernährung plötzlich egal war. Schweigend aß er ein paar Bissen, bevor er in die Runde sah. »Worüber habt ihr gerade geredet?«

  Verunsichert wanderte mein Blick zu Warden.

  »Über Ella«, sagte der geradeheraus.

  Wayne verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. »Habt ihr etwas von ihr gehört?«

  Ich schüttelte den Kopf. Sie redete zwar mit keinem von uns, aber Wayne schien ihre Schweigsamkeit aus irgendeinem Grund besonders hart zu treffen.

  »Wisst ihr inzwischen, wie Isaac und seine Leute ins Quartier gekommen sind?«, wollte Finn wissen.

  »Ja, sie haben einen unserer jungen Hunter abgefangen und gefoltert, bis er sie reingelassen hat. Dann hat Isaac ihn getötet«, antwortete Wayne und nahm sich ein zweites Stück Pizza.

  Shaw neigte den Kopf. »Ist es hier dann überhaupt noch sicher?«

  Wayne nickte. »Wir haben sehr ausführlich darüber gesprochen und uns letztendlich gegen ein neues Quartier entschieden. Isaac ist tot, und wir werden in den nächsten Wochen und Monaten die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärfen. Damit so etwas kein zweites Mal vorkommt.«

 

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