Die Sterne werden fallen

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Die Sterne werden fallen Page 18

by Kiefer, Lena


  »Das weiß ich.« Luciens Stimme hatte etwas Flehendes, als wolle er sich vor allem selbst überzeugen, dass es nur ein Hirngespinst war. »Aber es lässt mich nicht los.«

  Ich wollte ihm nicht sagen, dass sein Wunsch, Leopold möge überlebt haben, wohl so stark war, dass er seiner Intuition einen Streich spielte. Aber ich wollte ihm auch keine Hoffnung machen, indem ich anbot, mir das Material vom Absturz anzusehen. Ich würde sicherlich nichts anderes herausfinden als die Schakale vor mir. Die OmnI hatte Leopold getötet. Sie hatte es selbst zugegeben. Und sie machte keine halben Sachen, wenn es darum ging, Rache zu nehmen. Diesen Teil glaubte ich ihr unbesehen, Costards Einfluss hin oder her.

  »Es tut mir so leid, dass er nicht mehr da ist«, sagte ich daher leise und streichelte Luciens Wange.

  »Ja.« Er schluckte. »Mir auch.«

  Der Pier lag dunkel da, ausgestorben wie eine Geisterstadt. Nur eine einzelne der altmodischen Laternen brannte und schickte einen schwachen Lichtkegel durch die neblige Luft der ansonsten rabenschwarzen Nacht. Ich schien zu wissen, wo ich hingehen wollte, denn meine Füße bogen von der Promenade ab und liefen wie von selbst die Holzplanken entlang, direkt auf die Laterne zu. Ihr Schimmer zog mich magisch an.

  Auf dem Weg kam ich an den vernagelten Buden und den leer geräumten Imbissen vorbei, am Kettenkarussell und der kleinen Achterbahn mit den Mäusewagen für die Kinder. Die glänzenden Oberflächen reflektierten das Licht der Laterne, der Niederschlag darauf verzerrte es zu einem Zickzackmuster. Es war ein Szenario wie aus einem Horrorfilm, aber ich hatte keine Angst. Ich wusste, was hier geschah. Ich wusste, dass es ein Traum war, noch bevor ich ihn entdeckte.

  Er stand an dem Geländer, das den Pier vom Wasser trennte, die Hände in den Taschen eines langen Wollmantels, die Augen in der Ferne auf einen Punkt gerichtet, den er unmöglich erkennen konnte.

  »Hallo, Leopold«, sagte ich leise und trat neben ihn.

  »Guten Abend, Ophelia«, antwortete er. Als er seinen Kopf mir zuwandte, lächelte er. »Du wirkst nicht überrascht, mich hier zu sehen.«

  »Nein. Es ist nicht das erste Mal, dass du und ich uns auf diese Art begegnen.« Da es ein Traum war, nahm er mir sicher nicht übel, wenn ich ihn duzte. »Nur warst du bei den letzten Gelegenheiten etwas weniger … lebendig.«

  »Wie beruhigend. Oder auch nicht.« Leopold lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer und sah auf den Pier. »Das ist ein eigenartiger Ort. Irgendwie trostlos und trotzdem friedlich. Ich glaube nicht, dass ich jemals hier war. Aber vielleicht erinnere ich mich auch nur nicht.«

  Ich versuchte, den Pier mit den Augen eines Menschen zu sehen, dem er fremd war. »Für mich war das hier mal so eine Art Heimat.« Was sicher auch der Grund war, warum ich diese Umgebung für meinen Traum heraufbeschworen hatte.

  »Heimat«, wiederholte Leopold langsam. »Ich glaube, ich habe vergessen, was das ist. Maraisville war es nie so richtig und alles davor liegt im Nebel. Wie das Leben eines anderen.« Er sah mich an. »Was mache ich hier, Ophelia? Warum hast du mich gerufen?«

  Hatte ich das? Wahrscheinlich schon. Schließlich fand das alles nur in meinem Kopf statt, und der schien es für wichtig zu halten, dass ich Leopold begegnete. Meistens konnte ich mich nicht an meine Träume erinnern – und wenn, dann wirkten sie wirr und unrealistisch. Aber die Träume von Leopold waren schon immer anders gewesen. Wie Vorahnungen von etwas, das passieren würde, wenn ich einen Fehler machte.

  »Ich denke, es hat mit Lucien zu tun«, sagte ich leise. »Er glaubt, du wärst noch am Leben, obwohl das unmöglich ist.«

  Leopold verzog den Mund zu einem wehmütigen Lächeln. »Mein lieber kleiner Bruder«, sagte er mit erstickter Stimme. »Ich wollte nie, dass er König werden muss. Nicht er. Amelie hätte …« Er brach ab, in seinen Augen sah ich Tränen. Es schmerzte mich, obwohl ich wusste, dass nichts davon real war.

  »Amelie war zu verletzt, um das Richtige zu tun.« Ich sagte es freundlich, nachsichtig, als könne ich Luciens Schwester verzeihen, was sie getan hatte. Was ich nicht konnte und was ich nicht würde, nicht in diesem oder allen weiteren Leben. Ich warf ihr nicht vor, dass sie aus Liebe zu Samuel Ferro falsche Ziele verfolgt hatte – Glashaus und Steine –, aber sie hätte sich anders entscheiden können, anders entscheiden müssen, als sie die Gelegenheit dazu bekommen hatte.

  »Sag das nicht«, bat Leopold mich. »Amelie hat ihren Platz in unserer Familie nie gefunden. Man kann es ihr nicht anlasten, dass sie uns verlassen hat.«

  »Auch nicht, dass sie euch verraten hat?« Ich sah ihn fragend an.

  Leopold schwieg und musterte stattdessen die Fahrgeschäfte auf dem Pier. »Das da sieht sehr nach Foltergerät aus.« Er zeigte auf den Tower of Horror, eine Vorrichtung, mit der man in einem Sitz mit hoher Geschwindigkeit hinaus aufs Meer geschossen wurde. Ich kannte es nicht von hier, sondern von Urlauben an der frankopäischen Küste, damals vor der Abkehr.

  »Es sieht zwar nach Folter aus, aber es macht ziemlich viel Spaß. Allerdings nur im Sommer.« Ich rieb meine Hände gegeneinander, die sich kalt anfühlten. Konnte man im Traum frieren?

  Wieder zeigte Leopold dieses wehmütige Lächeln. Es wirkte wie das eines alten Mannes, der auf sein Leben zurückblickt. Dabei war er nicht einmal vierzig Jahre alt geworden. »Lucien hat immer gesagt, dass meine Abneigung gegen alles Leichtsinnige genau das sei, was mir echten Spaß verwehrt.« Das Lächeln verschwand aus Leopolds Gesicht, als er mich ansah. »Wie schlägt er sich?«

  »Lucien?« Ich musste nicht über die Antwort nachdenken. »Gut. Mehr als gut. Er ist nicht du, aber er gibt alles, was er hat.«

  »Das sollte er nicht.«

  »Wie meinst du das?«

  »Er sollte nicht alles geben, was er hat. Sonst endet er noch wie ich.«

  »Du meinst … tot?« Das war respektlos, aber es war immer noch ein Traum. Selbst wenn Leopold mir das übelnahm, würde er es mir kaum nachtragen können. Oder? Vielleicht war an dieser Geistersache ja doch etwas dran.

  Er ließ ein leises Lachen hören. »Nein, nicht tot. Unglücklich.«

  »Ich gebe mein Bestes, um das zu verhindern.« Ich sah zu Boden, denn ich wusste, allein konnte ich das nicht. Für Lucien war ich bereit, gegen die ganze Welt anzutreten, aber ich würde sie mit Liebe und Willenskraft nicht ändern. Oder Costard auf diese Art besiegen. »Wenn du noch bei ihm sein könntest, dann wäre vieles leichter. Für uns alle.« Die Worte gerieten mir ein bisschen sentimental. »Nur auf Phoenix könnten wir verzichten«, schwächte ich das schnell mit einem Witz ab.

  Wieder lachte Leopold. »Ja, das glaube ich gerne.« Er warf mir einen prüfenden Blick zu. »Was ist mit dir, Ophelia? Hast du mittlerweile gefunden, was du gesucht hast?«

  »Ja.« Ich lächelte. »Nur war es etwas anderes als gedacht.« Ich hatte Rache gesucht und die Wahrheit gefunden. Dank ihm und Lucien.

  »Das ist oft so.« Leopold ließ seinen Blick wieder schweifen und blieb schließlich an der Mäuseachterbahn hängen. Ich sah Bedauern in seinen grauen Augen, das viel tiefer ging als normale Reue. Aber dann schreckte er hoch. »Was ist das?« Er sah auf den Boden und ich spürte es auch. Die Holzplanken unter meinen Füßen bebten. Wir fuhren herum. Und da sah ich sie.

  Es waren sechs Personen in schwarzer Kleidung, sie trugen Helme mit dunklem Visier und marschierten im Gleichschritt auf uns zu, Stöcke an ihrer Seite. Obwohl ich wusste, dass es ein Traum war, reagierte mein Körper wie im wahren Leben mit Adrenalin. Instinktiv schob ich mich vor Leopold, um das zu tun, was mein Job war: den König zu beschützen.

  »Sie kommen meinetwegen«, sagte er leise hinter mir. »Es ist so weit.«

  »Was ist so weit?« Ich sah über die Schulter. »Was meinst du damit?«

  »Es ist das Ende, Ophelia.«

  »Für uns alle?« Das hatte er beim letzten Mal gesagt, als wir uns auf diese Weise begegnet waren.

  Er schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Nur für mich.«

  Grimmig atmete ich ein. »Das werden wir ja sehen.« Ich hatte keine Waffe, aber ich ballte die Händ
e zu Fäusten. Wenn sie Leopold wollten, mussten sie erst einmal an mir vorbei.

  Das schienen sie zu wissen, denn bevor die Gruppe bei uns ankam, teilte sie sich auf. Zwei traten mir entgegen und ich wappnete mich für den Kampf. Als sie mich packen wollten, sprang ich hoch und trat dem einen direkt gegen den Brustkorb. Er taumelte zurück, aber es dauerte keine Sekunde, bis er sich wieder gefangen hatte. Genauso wirkungslos waren meine Schläge und Kicks, aber ich kämpfte trotzdem erbittert weiter. Solange ich sie beschäftigte, konnten sie Leopold nichts tun.

  Ich verausgabte mich völlig, während sie keinen Millimeter von mir wichen. Aber dann passte ich kurz nicht auf, prallte gegen das Geländer hinter mir und verlor die Balance. Das nutzten sie aus, packten mich und hielten mich fest. Ihr Griff war mehr als nur eisern, und mir kam der Gedanke, dass sie nicht menschlich sein konnten.

  Als sie sicher waren, dass sie mich unter Kontrolle hatten, traten die anderen auf Leopold zu.

  »Nein!«, brüllte ich sie an. »Geht weg von ihm! Lasst ihn in Ruhe!« Leopold war nicht Lucien, er war kein ausgebildeter Kämpfer, der sich gegen solche Typen verteidigen konnte. Er war nur ein Mensch, kein Schakal. Und auch wenn er einen brillanten Verstand hatte, würde der ihm hier nichts nützen. Ich schrie weiter, drohte denen, die ihn bedrohten. Traum oder nicht, ich wollte nicht erleben, was sie mit ihm vorhatten.

  Die Angreifer ignorierten mich. Sie stießen Leopold zu Boden, hoben ihre Stöcke, schlugen auf ihn ein. Knochen brachen, ich hörte ihn vor Schmerzen schreien, aber nicht um Gnade flehen. Selbst im Angesicht des Todes war er unerschütterlich. Seine Stärke erinnerte mich an meine eigene, ließ mich aufbrüllen, als wäre ich ein verletztes Tier – und setzte übermenschliche Kräfte in mir frei. Ich kämpfte erbittert gegen die beiden, die mich festhielten, ich schrie und fluchte, trat um mich und kam plötzlich frei. Blitzschnell stürzte ich nach vorne und packte den erstbesten Angreifer, riss ihn von seinem Opfer weg, stieß ihn über das Geländer ins Wasser, genau wie den zweiten. Dann fiel ich neben Leopold auf die Knie. Meine Knochen schlugen schmerzhaft auf dem Holz auf.

  »Nein«, hauchte ich, als ich das blutverschmierte Gesicht sah. Seine Augen waren geschlossen. »Leopold!« Vorsichtig rüttelte ich an seinem Arm. »Wach auf, bitte.« Zittrig fanden meine Finger seine Halsschlagader. In der gleichen Sekunde bewegte sich seine Hand und umfasste meinen Arm. Ganz schwach nur. Aber lebendig.

  Er blinzelte, sah jedoch nicht mich an. Sein Blick war auf etwas hinter mir gerichtet. Ich wandte mich um und wusste, wieso. Einer der Angreifer hatte seinen Helm abgenommen. Ich keuchte auf.

  Das Gesicht, das darunter zum Vorschein kam, gehörte mir.

  Leopolds Stimme war nur ein Flüstern. »Verschwinde hier. Sofort.«

  Als wären seine Worte ein Befehl, verschwand er vor meinen Augen, genau wie das Holz unter meinen Knien. Die Dunkelheit des Piers wurde gegen eine andere, viel tiefere Schwärze eingetauscht, aber ich spürte immer noch die Hände, die nach mir griffen. Wild schlug ich sie weg, strampelte mit den Beinen, um freizukommen. Wo war Leopold? Was hatten die mit ihm gemacht?

  »Lasst ihn gehen!« Ich musste Leopold retten. Ich musste –

  »Stunt-Girl!«, rief jemand. »Hey, beruhige dich!«

  Vor mir tauchte Luciens besorgtes Gesicht im Halbdunkel auf. Und jetzt spürte ich auch, dass es seine Hände waren, die mich festhielten. Mein Herzschlag hallte trotzdem so laut in mir, als wäre mein Körper eine Kathedrale.

  Ich zwang mich dazu, ruhig zu atmen. Es war nur ein Traum gewesen.

  »Alles okay«, murmelte Lucien und zog mich in seine Arme. »Hier passiert dir nichts.«

  »Ich weiß.« Mein Kopf sank auf seine Schulter und ich schloss die Augen.

  »Willst du mir von deinem Albtraum erzählen?« Er streichelte meinen Rücken.

  »Nein, ich … ich kann mich gar nicht richtig erinnern. Da waren irgendwelche großen Tiere mit Reißzähnen und sie wollten dich entführen.« Die Lüge kam mir leichter über die Lippen als die Wahrheit. Ich würde Lucien nicht von dem Traum erzählen und ihn damit an den Tod seines Bruders erinnern.

  »Wie du siehst, haben sie das nicht geschafft.« Ich hörte das Lächeln in Luciens Stimme. Er legte sich wieder hin, ohne mich aus seiner Umarmung zu entlassen. Ich schmiegte meine Wange an seine Brust und spürte bald, dass er wieder eingeschlafen war. Sein gleichmäßiges Atmen beruhigte mich. Aber wach blieb ich trotzdem.

  Was für ein Irrsinn. Während ich im Traum selbst genau gewusst hatte, dass nichts davon real war, musste ich es beim Aufwachen irgendwie vergessen haben. Die Schreie waren so echt gewesen, so … Was, wenn sie echt waren? Nein, unmöglich. Träume waren Träume. Man verarbeitete darin Erlebnisse, Traumata oder auch nur den letzten Besuch bei der Oma.

  Ich wusste das. Aber meine Träume von Leopold waren schon immer etwas anderes gewesen: Sie besaßen einen wahren Kern. Er hatte mich gewarnt, was passieren würde, wenn ich die Pläne von ReVerse weiterverfolgte – und so war es gekommen. Was, wenn auch dieser Traum einen wahren Kern hatte? Was, wenn Leopold noch irgendwo war, schwer verletzt oder halb tot?

  Noch vor ein paar Stunden hatte ich Lucien nicht anbieten wollen, dass ich mir das Untersuchungsmaterial von Leopolds Absturzstelle ansehen würde. Aber jetzt kam es mir wie eine absolute Notwendigkeit vor. Ich musste mir die Sachen anschauen. Wenn ich es nicht tat, würde ich nicht nur heute schlaflos bleiben, sondern auch in den kommenden Nächten.

  Sanft befreite ich mich aus Luciens Arm und flüsterte ihm zu, dass ich aufstehen und nach Jye sehen würde. Sein Murmeln hätte vermuten lassen können, dass er mich überhaupt nicht hörte, aber ich hatte genug Erfahrung mit dem schlafenden Lucien de Marais, um zu wissen, dass die Botschaft angekommen war. Er würde sich keine Sorgen machen, wenn er aufwachte und ich nicht neben ihm lag. Das war gut. Denn ich würde die nächsten Stunden sicher nicht zurückkommen. Was ich jetzt brauchte, waren ein einsames Terminal, Zugang zu den Datenbanken – und die Dose mit meinen Kapseln, um die Wirkung des HeadLock aufzuheben.

  Ich hatte endlich wieder eine Mission. Und ich würde nicht aufhören, bis ich wusste, ob sie zum Scheitern verurteilt war.

  18

  Wohneinheit Z38 lag direkt hinter dem Zugangspunkt der Altstadt, und ich hätte mich wahrscheinlich darüber gewundert, dass Caspar Dufort hier lebte und nicht in einem der historischen Häuser – wenn mir nicht so entsetzlich kalt gewesen wäre. An eine Jacke hatte ich nicht gedacht, als mich tief unten in der Festung die Wucht der Erkenntnis getroffen hatte. Nun bekam ich die Quittung dafür.

  Die wenigen Leute, die an diesem frühen, dunklen Morgen unterwegs waren, starrten mich noch komischer an als sonst, aber zum Glück kam das richtige Gebäude bald in Sicht. Mein WrInk öffnete die Zugangstür im Erdgeschoss, dann sprang ich die Treppe hinauf und kam vor der Wohnungstür zum Stehen. Bibbernd klopfte ich dagegen, statt wie ein normaler Mensch den WrInk zu benutzen, um mein Kommen anzukündigen. Klopfen war direkter. Dringender. Denn dringend war mein Besuch auf jeden Fall.

  »Ophelia? Was zum Teufel machst du denn um diese Uhrzeit hier?« Caspar Dufort stand in der Tür, nur in einem Shirt und Boxershorts, der Blick fragend, aber wach. Ich wunderte mich nicht darüber. Wenn ich eines in den letzten acht Monaten gelernt hatte, dann, dass Dufort kein normaler Mensch war. Wahrscheinlich konnte man ihn wecken, wann immer man wollte, und er stand für die Rettung der Welt parat. Zur Not auch in Unterwäsche.

  »Ich habe etwas entdeckt«, platzte ich heraus und schob mich an ihm vorbei in die warme Wohnung. Meine verfrorenen Gliedmaßen dankten es mir, allerdings nicht mein schmerzender Schädel, der sich noch nicht ganz von der Benutzung der letzten Kapsel erholt hatte. »Ich habe zwei Tage und Nächte dafür gebraucht, aber jetzt weiß ich es sicher: Es gibt eine Unregelmäßigkeit in den Scans von der Absturzstelle in der schwarzen Zo–«

  »Halt, stopp.« Dufort unterbrach mich harsch. »Wir können das nicht jetzt bereden.« Er sah zu einer der Türen. Ich kombinierte blitzschnell, dass sich dahinter das Schlafzimmer befand. Und dass sein Bett dari
n nicht leer war.

  »Ah, du hast Besuch. Sorry.« Ich verzog das Gesicht. »Sorry auch an dich, Echo!«, rief ich dann in dem Glauben, sie würde es durch die geschlossene Tür hören.

  »Echo?«, fragte mich Dufort und schnappte sich eine Jeans, die auf dem Sessel neben der Tür lag. »Warum glaubst du, Echo sei da drin?«

  »Ich dachte immer, du und sie … ihr beide wärt … du weißt schon. Kein Paar, aber vielleicht Schakalkollegen mit gewissen Vorzügen.« Ich machte eine unbestimmte Handbewegung.

  Ich hatte Dufort noch nie so verwirrt gesehen. »Echo ist eine Frau.«

  »Das hast du messerscharf erkannt«, sagte ich, als wäre mir das noch nie aufgefallen. »Und das ist ein Problem, weil … oh.« Mein Mund blieb offen stehen, als ein unbestreitbar heißer und zudem halb nackter Typ aus der Tür zum Schlafzimmer kam, müde grüßte und im Bad verschwand. »Verstehe.« Ich sah Dufort wieder an und runzelte die Stirn. »Warum hältst du das geheim?«

  »Tue ich nicht.« Dufort schüttelte den Kopf. »Ich trenne nur gut. Mein Job ist nicht gerade unkompliziert und mein Privatleben hat dort nichts verloren. Weder in meinem Kopf noch in dem der anderen.« Er nahm eine Kapuzenjacke von der Couch und zog sie über.

  »Dann ist das da dein fester Freund?« Ich zeigte zur Badezimmertür. Vielleicht wollte Dufort sein Privatleben vom Beruflichen trennen, aber ich war gerade mitten hineingestürmt. Da machte ein wenig Neugier auch nichts mehr aus.

  »Geht dich das etwas an?«, fragte er grinsend.

  »Ja?« Versuchen konnte man es ja mal.

  »Nein.« Er ging zur Küchenzeile und schaltete die Unit ein, die Kaffee kochen konnte. »Aber weil ich dich trotz deiner Frechheiten gut leiden kann, und weil du sonst nur Gerüchte verbreitest – er ist nicht mein fester Freund. Nur ein gelegentlicher Besucher.«

  Gelegentlicher Besucher? Ich grinste breiter. So nannte man das also heutzutage.

 

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