Die Sterne werden fallen

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Die Sterne werden fallen Page 19

by Kiefer, Lena


  »Cas? Ich geh dann.« Der namenlose heiße Kerl kam – diesmal vollständig bekleidet – aus dem Bad, beugte sich über den Tresen, küsste Dufort flüchtig, grüßte mich und ging dann zur Tür. Als sie hinter ihm zufiel, nickte ich beeindruckt.

  »Du hast auf jeden Fall Geschmack«, merkte ich an.

  »Halt die Klappe«, gab er fast schon gut gelaunt zurück. »Also, was gibt es so Dringendes, dass du mich am frühen Morgen aus dem Bett wirfst?«

  Sofort war meine Anspannung zurück.

  »Ich habe die Berichte und Untersuchungen von Leopolds Absturz durchgesehen. Und dabei –«

  »Moment.« Duforts gute Laune war wie weggeblasen. »Warum hast du das getan?«

  »Lucien hat da so ein Gefühl und ich hatte danach einen …« Vielleicht war es besser, nichts von dem Traum zu sagen. Dufort war ein Fan von Fakten, nicht von übersinnlichem Blabla. »Ich dachte einfach, es könnte nicht schaden, alles noch einmal zu überprüfen.«

  »Hast du Lucien davon erzählt, was du tun willst? Oder was du herausgefunden hast?«

  »Nein. Ich wollte erst mit dir reden. Lucien kann keine falschen Hoffnungen gebrauchen.«

  Dufort atmete aus. »Gut. Denn wir und die Garde haben diese Untersuchung mehr als gewissenhaft durchgeführt, Ophelia. Es gab keine Fehler dabei.«

  »Fehler nicht«, stimmte ich zu. »Alle Berechnungen, alle Biospuren, alle DNA-Abgleiche von den Verstorbenen stimmen. Aber ich habe trotzdem etwas gefunden, das nicht passt. Wenn ich die HeadLock-Wirkung nicht aufgehoben hätte, wäre es mir niemals aufgefallen, aber so …« Ich nahm das Pad in meiner Hand und verband es mit dem Terminal an Duforts Wand. Bestimmt war es abgesichert, da es sich in der Wohnung des Schakalchefs befand.

  Auf dem Screen erschienen mehrere Spalten mit Zahlenkolonnen. Es war ein typischer Auszug aus einer Datensammlung, nur sehr viel detaillierter als sonst üblich.

  »Was sehe ich mir da an?«, fragte Dufort.

  »Die Daten vom Absturzort«, erklärte ich und öffnete ein zweites Fenster. »Die vom ersten Scan der Drohne, die ihr direkt nach dem Unglück hingeschickt habt.«

  Duforts Augen folgte den Daten, dann nickte er nicht sonderlich beeindruckt. »Ja, und?« Er ging alles durch. »Das sind die inaktiven Biosignaturen, da die DNA-Spuren und hier die durch das Antriebsmodul verursachten Strahlungsdaten des Bodens nach dem Absturz. Nichts daran ist ungewöhnlich.«

  »Nicht auf den ersten Blick.« Ich zoomte den Teil der Daten heran, wegen dem ich hier war. »Aber an den Strahlungsdaten ist etwas seltsam.« Ich deutete auf einige Zeilen. »Wenn eine FlightUnit irgendwo am Boden aufkommt, egal ob sie landet, abstürzt oder dort explodiert, dann hinterlässt das jeweils typische Veränderungen am Boden. Die gibt es hier auch, alle Merkmale passen. Bis auf eines. Das hier sind nicht die Spuren einer abgestürzten FlightUnit. Sondern die einer gelandeten.«

  Dufort sah mich an. »Gelandet? Du willst sagen, an dieser Stelle hat eine FlightUnit aufgesetzt? Direkt nach dem Unglück?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Nicht danach. Davor.«

  »Okay. Wie lange davor?«

  »Maximal eine halbe Stunde.«

  Dufort runzelte die Stirn und starrte auf den Screen. »Ist die Strahlungssignatur irgendwie spezifisch? Kann man sie zu einem Unit-Typ zurückverfolgen? Zur OmnI oder zu Costard?«

  »Nein, leider nicht«, sagte ich. »Zumindest nicht anhand dieses Scans.« Rettungsmannschaften mussten sich normalerweise nur darauf konzentrieren, Überlebende zu bergen und herauszufinden, warum die FlightUnit abgestürzt war. Solche Details, wie sie uns nun interessierten, waren für sie unwichtig. »Aber Strahlungssignaturen einer FlightUnit sind über Monate messbar.« Ich sah ihn an.

  Dufort schaltete sofort. »Du willst in die schwarze Zone? Kommt nicht infrage.« Er sah mich an. »Ophelia, das ist Niemandsland zwischen Europa und Großasien. Allein unsere Anwesenheit dort könnte als kriegerischer Akt gewertet werden. Nach dem Absturz haben wir das Unglück als schiefgegangenes Experiment für neue Flugüberwachungstechnik getarnt, damit nicht rauskommt, dass in diesem Luftraum eine königliche FlightUnit abgeschossen wurde. Aber das funktioniert kein zweites Mal.«

  »Aber wir müssen dorthin, Caspar. Da ist etwas faul, und das können wir uns nur vor Ort ansehen.«

  »Wenn wir dabei erwischt werden, wird man vermuten, dass wir einen Angriff auf die Asiaten planen.« Dufort atmete aus. »Vor allem, nachdem die ohnehin immer öfter verlauten lassen, sie würden uns nicht mehr vertrauen.«

  So war es leider auch mit dem Rest der Welt. Die Kämpfe in Europa blieben den Oberhäuptern der anderen Länder nicht verborgen – und diese sorgten sich darum, ob der Abkehr zu folgen die richtige Entscheidung gewesen war, wenn sie schon im Mutterland der Maßnahmen zu so einer instabilen Lage führte. Bisher wusste die Welt noch nichts von der Existenz der OmnI, weil Maraisville und vor allem Lucien zu verbergen versuchten, wer da gegen uns Krieg führte. Offiziell war Costard der Feind. Aber selbst der fand immer mehr Zuspruch im Ausland. Und das, obwohl er bisher auf offene Propaganda verzichtet hatte.

  Ich straffte die Schultern. »Umso wichtiger, nicht bemerkt zu werden. Als Schakale sollten wir das doch hinbekommen, oder nicht?«

  »Möglicherweise.« Duforts Tonfall sagte mir, dass er Gefallen an meinem Vorschlag fand. »Ist nur die Frage, wie wir das intern verheimlichen wollen.«

  »Intern?«

  »Tu nicht so, Ophelia. Ich kann dir am Gesicht ablesen, dass du auf irgendetwas hoffst. Und dass du es Imogen und Lucien nicht sagen willst, bis wir was in der Hand haben.« Ich widersprach ihm nicht. Es wäre ohnehin sinnlos gewesen. »Du weißt, dass ich die beiden normalerweise über jede Untersuchung der Schakale informieren muss.«

  Ich nickte und sank auf die Sofalehne hinter mir. »Ja, schon, aber könnten wir das nicht vielleicht ein bisschen … aufschieben? Nur, bis wir Genaueres wissen.« Es behagte mir überhaupt nicht, Imogen oder Lucien anlügen zu müssen. Nicht, nachdem er und ich endlich wieder eine Verbindung zueinander hatten. Aber wir durften ihnen nichts davon sagen. Die Hoffnung würde sie vielleicht beflügeln – aber wenn sie sich zerschlug, könnte das beide zerstören.

  Dufort kratzte sich am Kopf und verwuschelte dabei seine Haare. Bei ihm, der nie weniger als perfekt aussah, war das ein ungewohntes Bild.

  »Gut, okay«, sagte er dann. »Wir fliegen hin und sehen es uns an. Nur wir beide. Ich kann das Ganze ein paar Stunden geheim halten. Aber wenn uns das um die Ohren fliegt …« Er sah mich ernst an.

  »Dann halte ich den Kopf dafür hin.« Ich nickte mit Nachdruck. Seine Zusage setzte in meinem Körper eine Energie frei, die mich beinahe sofort hätte aufspringen lassen. Duforts Blick zwang mich dennoch, sitzen zu bleiben.

  »Ich gehe ins Depot und besorge uns die nötige Ausrüstung«, sagte er. »Es ist besser, wenn dich dort niemand sieht.« Da hatte er allerdings recht. Seit meinem Undercover-Job war ich mit keinem Außeneinsatz mehr betraut worden. Wenn ich jetzt im Depot auftauchte, würde sich das sofort rumsprechen. »Wir treffen uns in zwei Stunden unten am See auf dem Gelände des Militärs. Ich schaue, dass ich uns bis dahin ein Transportmittel und ein Alibi besorge. Solange solltest du zurück in die Festung gehen, damit niemand etwas merkt. Vor allem Lucien nicht. Das Beste wäre, du begegnest ihm gar nicht erst. Er riecht Verschwörungen tausend Meter gegen den Wind.«

  »Nicht bei mir.« Unsere Vergangenheit hatte gezeigt, dass ich wohl als einzige Person in der Lage war, Lucien eine Lüge als Wahrheit zu verkaufen.

  »Auch wieder wahr«, gab Dufort zu. »Also ab mit dir. Bis in zwei Stunden.«

  Ich stand von der Sofalehne auf und ging zur Tür, wo ich mich noch einmal umdrehte. »Cas?« Ich sah ihn an. »Danke. Ich weiß, dass dich das in eine schwierige Lage bringen kann.«

  Er lachte auf. »Das ist kein Vergleich zu der Lage, in die es dich bringen kann.«

  Da hatte er verdammt recht. Ich würde wieder lügen müssen, wieder etwas verschweigen – vor jemandem, der mir unendlich viel bedeutete. Es fühlte sich nich
t richtig an, aber diesmal war es mein Kopf, der die Oberhand behielt.

  Wenn wir etwas herausfanden, konnten wir es Lucien immer noch sagen. Und wenn nicht, dann tat ich ihm nicht weh, indem ich ihn sinnlos hoffen ließ.

  »Hey, was hast du denn vor?«

  Ich beeilte mich, meinen Kopf durch die Halsöffnung des schwarzen Shirts zu friemeln, dann fuhr ich herum. Lucien lehnte an der Tür, in einem seiner üblichen schwarzen Hemden, die Arme verschränkt, auf dem Gesicht einen amüsierten Ausdruck.

  Was machte er hier? Lucien war tagsüber nie in seinen Räumen, weil er grundsätzlich von einem Termin zum anderen hetzte, bei denen es um nicht weniger als die Zukunft der Menschheit ging. Warum also musste er ausgerechnet heute hierherkommen, wo ich mich gerade für den Einsatz mit Dufort vorbereitete? Ich war zwar nicht blöd genug, in voller Schakalmontur durchs Juwel zu spazieren, aber zumindest Shirt und Hose hatte ich anziehen und mit meiner grünen Jacke tarnen wollen. Das funktionierte allerdings nur, wenn man mich nicht beim Umziehen sah.

  »Training«, sagte ich etwas verspätet. So viel dazu, dass ich Lucien ohne Probleme belügen konnte. »Im Zentrum am See. Dufort scheint zu glauben, man könne den Schakalen meine Anwesenheit endlich zumuten.« Ich verdrehte die Augen, um deutlich zu machen, was ich von der bisherigen Vorsicht hielt.

  »Training also?« Lucien kam zu mir und nahm mir meine grüne Jacke aus der Hand. Dann legte er locker die Arme um meine Mitte. »Kannst du das nicht verschieben? Ich habe unerwartet eine Stunde Pause, weil wir auf die Antwort des australischen Stabschefs warten, was die Unterstützung gegen Costard angeht. Ich dachte, wir könnten zusammen essen. Oder … auch nicht.« Er beugte sich zu mir und küsste mich auf diese ganz spezielle Lucien-Art, bei der sich alle vernünftigen Gedanken auf der Stelle verabschiedeten.

  »Tut mir echt leid.« Es brauchte meine sämtlichen Reserven an Selbstbeherrschung, um Abstand zwischen uns zu bringen. »Aber ich kann das nicht verschieben. Mein Stand bei den Schakalen ist eh nicht gut und Dufort hat das Training bereits angekündigt. Wenn ich jetzt nicht auftauche, wird das Gerede nur schlimmer.« Bedauernd sah ich Lucien an und versteckte meine Lüge hinter einem schnellen, harmlosen Kuss.

  »Schade.« Da war Enttäuschung in seinen rauchblauen Augen, aber sie ging nicht allzu tief. »Dann schaue ich mal, wen ich sonst so auftreiben kann, wenn meine Spezialberaterin keine Zeit für mich hat.« Er zog ein unglückliches Gesicht und ich lachte.

  »Oh, mein armer König«, spöttelte ich. »Aber heute Abend habe ich alle Zeit der Welt für dich. Versprochen.«

  Und dazu vielleicht sogar ein paar Neuigkeiten, die den Tag wesentlich besser machten als eine popelige Mittagspause mit mir.

  19

  Dufort wartete an dem schwer bewachten Eingang zum Militärbereich, als ich dort ankam. Ich nahm an, dass mein WrInk überprüft und mit dem Freigabesystem verglichen werden würde, aber stattdessen öffnete einer der Soldaten einfach eine vergitterte Seitentür und ließ mich hinein.

  »Was war denn das?« Ich sah dem Soldaten hinterher, der sich eilig entfernte.

  »Ich habe unseren Ausflug unter die Geheimhaltungsstufe Zeta gestellt.« Dufort setzte sich in Bewegung und ich folgte ihm über das Gelände. »Phoenix hat auf diese Art in der Vergangenheit heikle Operationen vor Leopold verheimlicht – solange nicht gezielt danach gesucht wurde, blieben die Einsätze unentdeckt. Lucien hat ein viel besseres Verständnis von Schakal-Operationen als sein Bruder, aber ich setze darauf, dass ihm die Zeit für Nachforschungen fehlt.«

  »Und was, wenn nicht?«

  »Dann habe ich wohl einen Freund weniger.« Dufort, der sein Gesicht so gut kontrollieren konnte wie sonst kaum ein Mensch, verzog es jetzt zu einer Grimasse. »Ich hoffe, deine Familie in Brighton hat noch ein Zimmer für dich, wenn du zurückkommst.«

  Ich machte »Haha«, aber es geriet ein bisschen zittrig. Lucien auf diese Art zu hintergehen, war immer noch die beste von allen Möglichkeiten – aber trotzdem hatte ich Angst davor, wie er reagierte, wenn er es herausfand. Wir mussten einfach hoffen, dass wir nicht entdeckt wurden. Oder erst dann, wenn wir etwas zu berichten hatten.

  Ich lief neben Dufort an einem Hangar vorbei und er gab mir im Gehen eine Tasche. »Kleidung, Waffe und InterLinks. Allerdings sind sie nur mit mir gekoppelt. Streck den Arm aus.« Ich tat, wie geheißen, und er legte mir eine der Manschetten um, die das WrInk-Signal unterdrückten. Unter der Kante seines Ärmels sah ich, dass er ebenfalls eine trug. »Sobald wir die Stadt verlassen, sind wir weder erreich- noch aufspürbar.«

  »Okay.« Das war ein heikler Punkt, denn wenn Lucien mich in den nächsten Stunden sprechen wollte, würde ich nicht zu finden sein. »Könntest du unser Signal nicht einfach maskieren?«

  »Sicher. Aber du weißt, wer selbst äußerst gerne auf diese Methode zurückgreift. Es wäre das Erste, was Lucien checken würde.«

  Meine Gedanken glitten weg von der Sorge, man würde unseren Ausflug entdecken. »Hat er das nie getan, seit er König ist? Sein Signal blockiert?« Ich hatte Lucien bisher nicht danach gefragt, ob er das Verbot, die Festung zu verlassen, nicht doch ab und zu umging.

  »Nein.« Dufort schüttelte den Kopf. »Er war auf dem Dach, aber nie draußen. Weil er weiß, dass es keinen Nachfolger gibt, wenn ihm etwas passiert. Also hält er sich an die Regeln.«

  »Auch wenn er sie hasst«, murmelte ich.

  »Auch wenn er sie hasst«, bestätigte Dufort.

  Das war vermutlich der Grund, warum ich den Gedanken nicht vertreiben wollte, dass mein Traum von Leopold doch einen wahren Kern haben könnte. Nur dann wäre es möglich, Lucien zu befreien – wenn schon nicht von der Bedrohung eines Weltkriegs, so doch wenigstens von seinem Amt. Aber ich wusste, dass die Chance verschwindend gering war. Diese Unregelmäßigkeiten in den Scans der Absturzstelle mussten zwar einen Grund haben, nur hatte der wahrscheinlich nichts mit Leopold zu tun.

  Wir umrundeten eine kleine Wartungshalle und gingen auf eine Reihe verschiedener Gefährte zu. Dufort steuerte eines an, das ganz am Rand stand. Als ich erkannte, was es war, blieb ich wie angewachsen stehen.

  »Gibt es ein Problem?« Dufort sah mich aufmerksam an. »Wir können keine FlightUnit nehmen, sie fällt zu sehr auf. Und für alles andere ist unser Ziel zu weit entfernt.«

  »Nein, ich … kein Problem.« Ich gab mir einen Ruck und ging auf den FlightJack zu. »Ich habe ein kleines Trauma, das ist alles. Meine letzte Reise in einem solchen Ding endete nicht so gut.«

  »Oh, richtig. Amber Island.« Dufort nickte. »Das hatte ich ganz vergessen. Ich kann dir etwas zur Beruhigung geben, wenn du willst.« Er klopfte auf seine Tasche, in der vermutlich auch das medizinische Notfallset war.

  Tatsächlich dachte ich eine Sekunde darüber nach, aber dann schüttelte ich den Kopf. »Es wird schon gehen. Solange dein Plan ist, einfach nur in der schwarzen Zone zu landen und nicht dich über ihr abschießen zu lassen.«

  »Keine Sorge, ich bin bei Weitem nicht so irre wie Lucien«, sagte Dufort.

  »Es war eine brillante Idee«, erinnerte ich ihn.

  »Nein, in erster Linie war es eine wahnsinnige Idee. Dass sie brillant war, konnte man erst im Nachhinein beurteilen.«

  Ich grinste und öffnete die Tür des FlightJacks, warf meine Tasche in den Raum hinter den Sitzen und stieg dann selbst ein. Dufort verstaute ebenfalls seine Sachen und begann dann mit den Startvorbereitungen. Ein paar Minuten später waren wir in der Luft.

  Die erste halbe Stunde krallten sich meine Finger noch um meinen Gurt, aber dann entspannte ich mich, soweit das bei einem Flug in die schwarze Zone möglich war. Dieser hundert Kilometer breite neutrale Korridor zwischen europäischem und großasiatischem Gebiet war nach der Abkehr eingerichtet worden, um den Schmuggel mit Schwarzmarkt-Technologie zwischen den Ländern zu verhindern. Allerdings sollte die Zone auch den Frieden sichern, der seit sechs Jahren bestand und in der letzten Zeit ins Wanken geraten war. Wenn die Asiaten Wind von der OmnI bekamen, schlugen sie sich vermutlich schneller auf deren Seite, als man »Verräter« sage
n konnte. Und deswegen durfte uns niemand erwischen.

  Der Flug verlief ruhig – so ruhig, dass ich nach einer Weile aufstand, um mich im hinteren Teil des FlightJacks umzuziehen und eine Weste anzulegen, die mit Tarn- und Ablenktechnik ausgerüstet war. Den Blick zum ProtectRoom, der auch in diesem Jack installiert war, mied ich.

  »Habt ihr euch passend eingekleidet, eure Majestät?« Dufort sah mich kurz an, als ich zurückkam. Noch flogen wir über europäisches Gebiet, und es gab kein Anzeichen dafür, dass wir entdeckt worden waren. Offenbar blieb daher noch Zeit zu scherzen. Auf meine Kosten.

  Ich streckte ihm die Zunge heraus. »Darüber macht man keine Witze, Caspar.«

  »Das ist kein Witz. Das ist deine Zukunft.«

  »Ich bin 18 Jahre alt«, wehrte ich mich. »So ein genaues Bild meiner Zukunft brauche ich jetzt nicht.«

  »Ach so, dann willst du schauen, ob dir noch etwas Besseres als Lucien über den Weg läuft?«, fragte Dufort mit gespieltem Interesse. Als Antwort bekam er nur einen langen Blick von mir. »Dann solltest du wohl anfangen, dich damit anzufreunden. Auch wenn wir die OmnI und Costard besiegen können, endet Luciens Job nicht.«

  »Das weiß ich.« Trotzdem träumte ich von einem Leben irgendwo weit weg von Maraisville, wo wir tun konnten, was wir wollten. So, wie wir es geplant hatten, bevor Leopold gestorben war. »Aber auch wenn er immer König sein wird, muss ich keine Königin werden. Ich bin gern im Hintergrund. Und wenn man sich anguckt, wie beliebt ich in Maraisville bin, ist es auch besser, wenn das so bleibt.«

  Dufort sah auf die Instrumente und glich die Daten mit dem Zielpunkt ab. »Du bist schon ein ungewöhnliches Mädchen, Ophelia Scale.«

  »Ja, das höre ich öfter.« Ich grinste schief.

  »Also willst du nicht heiraten? Niemals?«

  »Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Momentan jedenfalls nicht. Ich weiß, ich will Costard und die OmnI zur Hölle schicken. Und ich will mit Lucien zusammen sein, bis ich tot umfalle, wann auch immer das sein wird. Aber sonst habe ich keine Pläne. Du etwa?« Schließlich hatte er noch nicht einmal eine feste Beziehung, sondern nur gelegentliche Besucher.

 

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