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The Selected Poetry of Rainer Maria Rilke

Page 18

by Rainer Maria Rilke


  wird dein stärkstes Schauen aufgelöst:

  wie ein Tobender, wenn er in vollster

  Raserei ins Schwarze stampft,

  jählings am benehmenden Gepolster

  einer Zelle aufhört und verdampft.

  Alle Blicke, die sie jemals trafen,

  scheint sie also an sich zu verhehlen,

  um darüber drohend und verdrossen

  zuzuschauern und damit zu schlafen.

  Doch auf einmal kehrt sie, wie geweckt,

  ihr Gesicht und mitten in das deine:

  und da triffst du deinen Blick im geelen

  Amber ihrer runden Augensteine

  unerwartet wieder: eingeschlossen

  wie ein ausgestorbenes Insekt.

  DIE FLAMINGOS

  Jardin des Plantes, Paris

  In Spiegelbildern wie von Fragonard

  ist doch von ihrem Weiß und ihrer Röte

  nicht mehr gegeben, als dir einer böte,

  wenn er von seiner Freundin sagt: sie war

  noch sanft von Schlaf. Denn steigen sie ins Grüne

  und stehn, auf rosa Stielen leicht gedreht,

  beisammen, blühend, wie in einem Beet,

  verführen sie verführender als Phryne

  sich selber; bis sie ihres Auges Bleiche

  hinhalsend bergen in der eignen Weiche,

  in welcher Schwarz und Fruchtrot sich versteckt.

  Auf einmal kreischt ein Neid durch die Volière;

  sie aber haben sich erstaunt gestreckt

  und schreiten einzeln ins Imaginäre.

  BUDDHA IN DER GLORIE

  Mitte aller Mitten, Kern der Kerne,

  Mandel, die sich einschließt und versüßt,—

  dieses Alles bis an alle Sterne

  ist dein Fruchtfleisch: Sei gegrüßt.

  Sieh, du fühlst, wie nichts mehr an dir hängt;

  im Unendlichen ist deine Schale,

  und dort steht der starke Saft und drängt.

  Und von außen hilft ihm ein Gestrahle,

  denn ganz oben werden deine Sonnen

  voll und glühend umgedreht.

  Doch in dir ist schon begonnen,

  was die Sonnen übersteht.

  FROM

  REQUIEM

  [German]

  (1909)

  Notes

  REQUIEM FÜR EINE FREUNDIN

  Ich habe Tote, und ich ließ sie hin

  und war erstaunt, sie so getrost zu sehn,

  so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht,

  so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst

  zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst

  an etwas stoßen, daß es klingt von dir

  und dich verrät. O nimm mir nicht, was ich

  langsam erlern. Ich habe recht; du irrst

  wenn du gerührt zu irgend einem Ding

  ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um;

  es ist nicht hier, wir spiegeln es herein

  aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.

  Ich glaubte dich viel weiter. Mich verwirrts,

  daß du gerade irrst und kommst, die mehr

  verwandelt hat als irgend eine Frau.

  Daß wir erschraken, da du starbst, nein, daß

  dein starker Tod uns dunkel unterbrach,

  das Bisdahin abreißend vom Seither:

  das geht uns an; das einzuordnen wird

  die Arbeit sein, die wir mit allem tun.

  Doch daß du selbst erschrakst und auch noch jetzt

  den Schrecken hast, wo Schrecken nicht mehr gilt;

  daß du von deiner Ewigkeit ein Stück

  verlierst und hier hereintrittst, Freundin, hier,

  wo alles noch nicht ist; daß du zerstreut,

  zum ersten Mal im All zerstreut und halb,

  den Aufgang der unendlichen Naturen

  nicht so ergriffst wie hier ein jedes Ding;

  daß aus dem Kreislauf, der dich schon empfing,

  die stumme Schwerkraft irgend einer Unruh

  dich niederzieht zur abgezählten Zeit—:

  dies weckt mich nachts oft wie ein Dieb, der einbricht.

  Und dürft ich sagen, daß du nur geruhst,

  daß du aus Großmut kommst, aus Überfülle,

  weil du so sicher bist, so in dir selbst,

  daß du herumgehst wie ein Kind, nicht bange

  vor Örtern, wo man einem etwas tut—:

  doch nein: du bittest. Dieses geht mir so

  bis ins Gebein und querrt wie eine Säge.

  Ein Vorwurf, den du trügest als Gespenst,

  nachtrügest mir, wenn ich mich nachts zurückzieh

  in meine Lunge, in die Eingeweide,

  in meines Herzens letzte ärmste Kammer,—

  ein solcher Vorwurf wäre nicht so grausam,

  wie dieses Bitten ist. Was bittest du?

  Sag, soll ich reisen? Hast du irgendwo

  ein Ding zurückgelassen, das sich quält

  und das dir nachwill? Soll ich in ein Land,

  das du nicht sahst, obwohl es dir verwandt

  war wie die andre Hälfte deiner Sinne?

  Ich will auf seinen Flüssen fahren, will

  an Land gehn und nach alten Sitten fragen,

  will mit den Frauen in den Türen sprechen

  und zusehn, wenn sie ihre Kinder rufen.

  Ich will mir merken, wie sie dort die Landschaft

  umnehmen draußen bei der alten Arbeit

  der Wiesen und der Felder; will begehren,

  vor ihren König hingeführt zu sein,

  und will die Priester durch Bestechung reizen,

  daß sie mich legen vor das stärkste Standbild

  und fortgehn und die Tempeltore schließen.

  Dann aber will ich, wenn ich vieles weiß,

  einfach die Tiere anschaun, daß ein Etwas

  von ihrer Wendung mir in die Gelenke

  herübergleitet; will ein kurzes Dasein

  in ihren Augen haben, die mich halten

  und langsam lassen, ruhig, ohne Urteil.

  Ich will mir von den Gärtnern viele Blumen

  hersagen lassen, daß ich in den Scherben

  der schönen Eigennamen einen Rest

  herüberbringe von den hundert Düften.

  Und Früchte will ich kaufen, Früchte, drin

  das Land noch einmal ist, bis an den Himmel.

  Denn Das verstandest du: die vollen Früchte.

  Die legtest du auf Schalen vor dich hin

  und wogst mit Farben ihre Schwere auf.

  Und so wie Früchte sahst du auch die Fraun

  und sahst die Kinder so, von innen her

  getrieben in die Formen ihres Daseins.

  Und sahst dich selbst zuletzt wie eine Frucht,

  nahmst dich heraus aus deinen Kleidern, trugst

  dich vor den Spiegel, ließest dich hinein

  bis auf dein Schauen; das blieb groß davor

  und sagte nicht: das bin ich; nein: dies ist.

  So ohne Neugier war zuletzt dein Schaun

  und so besitzlos, von so wahrer Armut,

  daß es dich selbst nicht mehr begehrte: heilig.

  So will ich dich behalten, wie du dich

  hinstelltest in den Spiegel, tief hinein

  und fort von allem. Warum kommst du anders?

  Was widerrufst du dich? Was willst du mir

  einreden, daß in jenen Bernsteinkugeln

  um deinen Hals noch etwas Schwere war

  von jener Schwere, wie sie nie im Jenseits

  beruhigter Bilder ist; was zeigst du mir

  in deiner Haltung eine böse Ahnung;

  was heißt dich die Konturen deines Leibes

  auslegen wie die Linien einer Hand,

  daß ich sie nicht mehr sehn kann ohne Schicksal?

  Komm her ins Kerzenlicht. Ich bin nicht bang,

  die Toten anzuschauen. Wenn sie kommen,

  so haben sie ein Recht, in unserm Blick

  sich aufzuhalten, wie die andern Dinge.

  Komm her; wi
r wollen eine Weile still sein.

  Sieh diese Rose an auf meinem Schreibtisch;

  ist nicht das Licht um sie genau so zaghaft

  wie über dir: sie dürfte auch nicht hier sein.

  Im Garten draußen, unvermischt mit mir,

  hätte sie bleiben müssen oder hingehn,—

  nun währt sie so: was ist ihr mein Bewußtsein?

  Erschrick nicht, wenn ich jetzt begreife, ach,

  da steigt es in mir auf: ich kann nicht anders,

  ich muß begreifen, und wenn ich dran stürbe.

  Begreifen, daß du hier bist. Ich begreife.

  Ganz wie ein Blinder rings ein Ding begreift,

  fühl ich dein Los und weiß ihm keinen Namen.

  Laß uns zusammen klagen, daß dich einer

  aus deinem Spiegel nahm. Kannst du noch weinen?

  Du kannst nicht. Deiner Tränen Kraft und Andrang

  hast du verwandelt in dein reifes Anschaun

  und warst dabei, jeglichen Saft in dir

  so umzusetzen in ein starkes Dasein,

  das steigt und kreist, im Gleichgewicht und blindlings.

  Da riß ein Zufall dich, dein letzter Zufall

  riß dich zurück aus deinem fernsten Fortschritt

  in eine Welt zurück, wo Säfte wollen.

  Riß dich nicht ganz; riß nur ein Stück zuerst,

  doch als um dieses Stück von Tag zu Tag

  die Wirklichkeit so zunahm, daß es schwer ward,

  da brauchtest du dich ganz: da gingst du hin

  und brachst in Brocken dich aus dem Gesetz

  mühsam heraus, weil du dich brauchtest. Da

  trugst du dich ab und grubst aus deines Herzens

  nachtwarmem Erdreich die noch grünen Samen,

  daraus dein Tod aufkeimen sollte: deiner,

  dein eigner Tod zu deinem eignen Leben.

  Und aßest sie, die Körner deines Todes,

  wie alle andern, aßest seine Körner,

  und hattest Nachgeschmack in dir von Süße,

  die du nicht meintest, hattest süße Lippen,

  du: die schon innen in den Sinnen süß war.

  O laß uns klagen. Weißt du, wie dein Blut

  aus einem Kreisen ohnegleichen zögernd

  und ungern wiederkam, da du es abriefst?

  Wie es verwirrt des Leibes kleinen Kreislauf

  noch einmal aufnahm; wie es voller Mißtraun

  und Staunen eintrat in den Mutterkuchen

  und von dem weiten Rückweg plötzlich müd war.

  Du triebst es an, du stießest es nach vorn,

  du zerrtest es zur Feuerstelle, wie

  man eine Herde Tiere zerrt zum Opfer;

  und wolltest noch, es sollte dabei froh sein.

  Und du erzwangst es schließlich: es war froh

  und lief herbei und gab sich hin. Dir schien,

  weil du gewohnt warst an die andern Maße,

  es wäre nur für eine Weile; aber

  nun warst du in der Zeit, und Zeit ist lang.

  Und Zeit geht hin, und Zeit nimmt zu, und Zeit

  ist wie ein Rückfall einer langen Krankheit.

  Wie war dein Leben kurz, wenn du’s vergleichst

  mit jenen Stunden, da du saßest und

  die vielen Kräfte deiner vielen Zukunft

  schweigend herabbogst zu dem neuen Kindkeim,

  der wieder Schicksal war. O wehe Arbeit.

  O Arbeit über alle Kraft. Du tatest

  sie Tag für Tag, du schlepptest dich zu ihr

  und zogst den schönen Einschlag aus dem Webstuhl

  und brauchtest alle deine Fäden anders.

  Und endlich hattest du noch Mut zum Fest.

  Denn da’s getan war, wolltest du belohnt sein,

  wie Kinder, wenn sie bittersüßen Tee

  getrunken haben, der vielleicht gesund macht.

  So lohntest du dich: denn von jedem andern

  warst du zu weit, auch jetzt noch; keiner hätte

  ausdenken können, welcher Lohn dir wohltut.

  Du wußtest es. Du saßest auf im Kindbett,

  und vor dir stand ein Spiegel, der dir alles

  ganz wiedergab. Nun war das alles Du

  und ganz davor, und drinnen war nur Täuschung,

  die schöne Täuschung jeder Frau, die gern

  Schmuck umnimmt und das Haar kämmt und verändert.

  So starbst du, wie die Frauen früher starben,

  altmodisch starbst du in dem warmen Hause

  den Tod der Wöchnerinnen, welche wieder

  sich schließen wollen und es nicht mehr können,

  weil jenes Dunkel, das sie mitgebaren,

  noch einmal wiederkommt und drängt und eintritt.

  Ob man nicht dennoch hätte Klagefrauen

  auftreiben müssen? Weiber, welche weinen

  für Geld, und die man so bezahlen kann,

  daß sie die Nacht durch heulen, wenn es still wird.

  Gebräuche her! wir haben nicht genug

  Gebräuche. Alles geht und wird verredet.

  So mußt du kommen, tot, und hier mit mir

  Klagen nachholen. Hörst du, daß ich klage?

  Ich möchte meine Stimme wie ein Tuch

  hinwerfen über deines Todes Scherben

  und zerrn an ihr, bis sie in Fetzen geht,

  und alles, was ich sage, müßte so

  zerlumpt in dieser Stimme gehn und frieren;

  blieb es beim Klagen. Doch jetzt klag ich an:

  den Einen nicht, der dich aus dir zurückzog,

  (ich find ihn nicht heraus, er ist wie alle)

  doch alle klag ich in ihm an: den Mann.

  Wenn irgendwo ein Kindgewesensein

  tief in mir aufsteigt, das ich noch nicht kenne,

  vielleicht das reinste Kindsein meiner Kindheit:

  ich wills nicht wissen. Einen Engel will

  ich daraus bilden ohne hinzusehn

  und will ihn werfen in die erste Reihe

  schreiender Engel, welche Gott erinnern.

  Denn dieses Leiden dauert schon zu lang,

  und keiner kanns; es ist zu schwer für uns,

  das wirre Leiden von der falschen Liebe,

  die, bauend auf Verjährung wie Gewohnheit,

  ein Recht sich nennt und wuchert aus dem Unrecht.

  Wo ist ein Mann, der Recht hat auf Besitz?

  Wer kann besitzen, was sich selbst nicht hält,

  was sich von Zeit zu Zeit nur selig auffängt

  und wieder hinwirft wie ein Kind den Ball.

  Sowenig wie der Feldherr eine Nike

  festhalten kann am Vorderbug des Schiffes,

  wenn das geheime Leichtsein ihrer Gottheit

  sie plötzlich weghebt in den hellen Meerwind:

  so wenig kann einer von uns die Frau

  anrufen, die uns nicht mehr sieht und die

  auf einem schmalen Streifen ihres Daseins

  wie durch ein Wunder fortgeht, ohne Unfall:

  er hätte denn Beruf und Lust zur Schuld.

  Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist:

  die Freiheit eines Lieben nicht vermehren

  um alle Freiheit, die man in sich aufbringt.

  Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies:

  einander lassen; denn daß wir uns halten,

  das fällt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.

  Bist du noch da? In welcher Ecke bist du?—

  Du hast so viel gewußt von alledem

  und hast so viel gekonnt, da du so hingingst

  für alles offen, wie ein Tag, der anbricht.

  Die Frauen leiden: lieben heißt allein sein,

  und Künstler ahnen manchmal in der Arbeit,

  daß sie verwandeln müssen, wo sie lieben.

  Beides begannst du; beides ist in Dem,

  was jetzt ein Ruhm entstellt, der es dir fortnimmt.

  Ach du warst weit von jedem Ruhm. Du warst

  unscheinbar; hattest leise deine Schönheit

  hineingenommen, wie man eine Fahne
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  einzieht am grauen Morgen eines Werktags,

  und wolltest nichts, als eine lange Arbeit,—

  die nicht getan ist: dennoch nicht getan.

  Wenn du noch da bist, wenn in diesem Dunkel

  noch eine Stelle ist, an der dein Geist

  empfindlich mitschwingt auf den flachen Schallwelln,

  die eine Stimme, einsam in der Nacht,

  aufregt in eines hohen Zimmers Strömung:

  So hör mich: Hilf mir. Sieh, wir gleiten so,

  nicht wissend wann, zurück aus unserm Fortschritt

  in irgendwas, was wir nicht meinen; drin

  wir uns verfangen wie in einem Traum

  und drin wir sterben, ohne zu erwachen.

  Keiner ist weiter. Jedem, der sein Blut

  hinaufhob in ein Werk, das lange wird,

  kann es geschehen, daß ers nicht mehr hochhält

  und daß es geht nach seiner Schwere, wertlos.

  Denn irgendwo ist eine alte Feindschaft

  zwischen dem Leben und der großen Arbeit.

  Daß ich sie einseh und sie sage: hilf mir.

  Komm nicht zurück. Wenn du’s erträgst, so sei

  tot bei den Toten. Tote sind beschäftigt.

  Doch hilf mir so, daß es dich nicht zerstreut,

  wie mir das Fernste manchmal hilft: in mir.

  FROM

  DIE AUFZEICHNUNGEN DES MALTE LAURIDS BRIGGE

  (1910)

  Notes

  [Ach, aber mit Versen ist so wenig getan]

  … Ach, aber mit Versen ist so wenig getan, wenn man sie früh schreibt. Man sollte warten damit und Sinn und Süßigkeit sammeln ein ganzes Leben lang und ein langes womöglich, und dann, ganz zum Schluß, vielleicht könnte man dann zehn Zeilen schreiben, die gut sind. Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug),—es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. Man muß zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah,—an Kindheits-tage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken mußte, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen—), an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, an Reise-nächte, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen,—und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das denken darf. Man muß Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreiß-enden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen. Aber auch bei Sterbenden muß man gewesen sein, muß bei Toten gesessen haben in der Stube mit dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen. Und es genügt auch noch nicht, daß man Erinnerungen hat. Man muß sie vergessen können, wenn es viele sind, und man muß die große Geduld haben, zu warten, daß sie wiederkommen. Denn die Erinnerungen selbst sind es noch nicht. Erst wenn sie Blut werden in uns, Blick und Gebärde, namenlos und nicht mehr zu unterscheiden von uns selbst, erst dann kann es geschehen, daß in einer sehr seltenen Stunde das erste Wort eines Verses aufsteht in ihrer Mitte und aus ihnen ausgeht.

 

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