Kiss Me Once
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»Ja?«, fragte ich patzig.
Mein Vater seufzte. »Halte dich an Ryan, okay? Ich weiß, du wolltest keinen Geleitschutz, aber ohne jemanden, der ein Auge auf dich hat, könnte ich keine Nacht mehr ruhig schlafen.«
»Wird er mir jetzt ständig an den Hacken kleben?«, erkundigte ich mich, obwohl wir dieses Thema schon mehrmals durchgekaut hatten. Nur, dass ich damals eben noch nicht gewusst hatte, dass ich mit dem Security schon am ersten Tag wild rumknutschen würde.
Mein Dad schnaubte. »Natürlich nicht. Sein Dienstplan ist flexibel auf deine Aktivitäten ausgerichtet. Er wird mit dir zu deinen Vorlesungen gehen. Und er wird dich begleiten, wenn du den Campus verlässt.«
»Und?«, bohrte ich nach. Wen wollte er für blöd verkaufen? Es gab immer ein »Und«. Eine versteckte Klausel, einen Unterpunkt, den er verschweigen wollte.
Mein Vater zögerte kurz. »Er wird dich auch begleiten, falls du ausgehst oder dich mit Freunden triffst. Aber er hat strikte Anweisung erhalten, dich dabei nicht zu stören. Er wird im Hintergrund bleiben und nur in Notfällen eingreifen.«
»Toll«, brachte ich hervor.
»Sei nett zu ihm«, bat mich mein Vater. »Seine Abschlussergebnisse waren hervorragend. Er wird seinen Job gut machen, solange du ihm nicht das Leben unnötig schwer machst.«
»Okay. Ich melde mich später wieder. Falls du wissen willst, ob ich auch aufs Klo gehen konnte.«
Mein Vater schnaubte. »Der arme Junge …«, murmelte er, bevor er auflegte.
Wütend funkelte ich den Plastikhörer an und gab ihn dann Libby zurück. »Also, kann ich jetzt einziehen?«
Sie nickte und händigte mir lächelnd zwei weiße Schlüsselkarten aus. »Verlier sie nicht!«, ermahnte sie mich. »Mit ihnen kommst du nicht nur in das Wohnheim und in dein Zimmer. Hier ist auch dein Essensgeld für die Cafeteria drauf. Dein Vater hat bereits Geld aufbuchen lassen. Für den Fall, dass du sie trotzdem verlierst, hat Ryan eine Ersatzkarte.«
»Natürlich hat er eine«, sagte ich und steckte die weißen Plastikkarten in meine Hosentasche. Die Handtasche hatte ich vor lauter Panik im Gemeinschaftsraum vergessen.
»Wie bitte?«
Ich lächelte freundlich. »Nichts. Danke schön.«
»Ach, Liebes. Das wird schon!« Sie tätschelte mir gutmütig die Hand.
Ich schenkte ihr ein schmales Lächeln, bevor ich mich langsam zu Ryan umdrehte. Er stand mit verschränkten Armen in der Tür und sah genauso angepisst aus, wie ich mich fühlte. Na, das konnte ja noch heiter werden.
Ryan
Fuck. Ich würde meinen Job verlieren. Ich hatte es versaut. Meine Reputation war dahin; mein Leben als Security vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Wie konnte ich nur so blöd sein und nicht erkennen, wer Haidi wirklich war? Ivy H. Redmond. Das H stand für Haidi. Verdammter Mist! Wieso hatte ich Harry nicht weiter danach gefragt? Es war eine gängige Taktik, sich mit dem zweiten Vornamen vorzustellen. Wie dämlich konnte man eigentlich sein? Ich hätte wissen müssen, wie sie aussah. Aber alles, was ich zuvor von ihr gesehen hatte, war ein Foto gewesen, das dem Original ungefähr so ähnlich sah wie ich Frankenstein. Einmal davon abgesehen, dass sie auf dem Foto vollständig blond gewesen war, musste sie ihre Sommersprossen unter einer zentnerschweren Schicht von Make-up versteckt haben. Nicht mal ihre Gesichtszüge ähnelten denen auf dem Foto. Aber vielleicht hatte sie diese Sache mit den Pinseln und Farben gemacht, dieses … wie nannte man das noch mal … Contouring? Zudem hatte sie auf dem Foto ein elegantes Chanel-Kostüm getragen und kein tanzendes Einhorn! Ich war davon ausgegangen, dass sie genau so aussah, und mit einem Aufgebot von ihrem Vater und ein paar begleitenden Securitys kommen würde.
Scheiße! Wenn herauskam, dass ich mit der Tochter meines Auftraggebers herumgeknutscht hatte, würde es mich Kopf und Kragen kosten. Die Angst davor war so erstickend, dass es mir für einen Moment die Kehle zuschnürte. Wieso hatte ich sie überhaupt geküsst? Und vor allem die Art, wie ich sie geküsst hatte, war das Werk eines Fachidioten gewesen. Kein unschuldiger, verspielter Kuss, wie ich es geplant hatte – okay, zugegeben, nichts von der ganzen Aktion gerade eben war geplant gewesen. Schon gar nicht, wie katastrophal es geendet hatte. Aber ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen.
»Also bin ich dann wohl der Kerl, den du vorhin gesucht hast, oder?«, durchbrach ich das eisige Schweigen, das zwischen uns herrschte, seit wir die Verwaltung verlassen hatten. Ich war noch nie gut darin gewesen, die Klappe zu halten. Vor allem nicht in Situationen, die mir unangenehm waren. Und die hier kam eindeutig in die Top Ten.
Ivy funkelte mich böse an. Es sah fast so aus, als würde sie gleich Eispfeile aus ihren Augen schießen. Nach dem Telefonat mit ihrem Vater hatten wir uns auf den Weg zu ihrem Auto gemacht, um ihre Sachen zu holen, damit sie endlich neben mir einziehen konnte. Und ich hatte ihrem Vater versprochen, ihr dabei zu helfen.
Gedankenversunken beobachtete ich, wie Ivy ein paar Schritte vor mir auf den Parkplatz zusteuerte. Die Haare fielen ihr offen über die Schultern und ich musste wieder daran denken, wie ich vorhin meine Hände in den weichen Strähnen vergraben hatte. Etwas, das ich verflucht noch mal bleiben lassen sollte. Sie war mein Job. Es war meine Aufgabe, sie zu beschützen. Und das war’s. Wir hatten uns zwar gegenseitig in diesen Schlamassel hineinmanövriert, aber jetzt mussten wir da schnellstmöglich wieder heraus. Sonst konnte ich nicht für ihre Sicherheit garantieren – von meinem Seelenfrieden ganz zu schweigen.
Aber ich hatte keine Ahnung, was wir jetzt machen sollten. Wir schafften es ja nicht mal, uns in die Augen zu sehen. Die Spannung von vorhin war immer noch spürbar, und jede Bewegung fühlte sich irgendwie merkwürdig und falsch an. Als hätte man uns plötzlich gezwungen, in eine komplett andere Richtung zu gehen.
Ich atmete ein paarmal tief durch. Cool bleiben. Ich musste das Ganze irgendwie wieder geradebiegen. Egal, wie, und egal, ob es sich anfühlte, als würden mir sämtliche Zähne gleichzeitig gezogen.
»Sollten wir uns vielleicht mal vorstellen, damit wir endlich wissen, wen wir vor uns haben?«, witzelte ich schwach.
Ivy blieb stehen und musterte mich mit hochgezogener Augenbraue. »Schön. Hi, ich bin Ivy Redmond. Achtzehn Jahre alt. Steinbock im Sternzeichen. Aber was rede ich da? Das weißt du bestimmt schon alles aus meiner Akte, mein Daddy bezahlt dich ja schließlich dafür, mir hinterherzuspionieren.«
Knirschend biss ich die Zähne zusammen und erwiderte ihren herausfordernden Blick. Sie wollte mich unter der Gürtellinie treffen? Bitte schön, das konnte ich auch. Ich legte ein träges Lächeln auf meine Lippen und beugte mich so weit vor, dass mir ihr Duft in die Nase stieg. »Hallo, freut mich, dich kennenzulernen, Ivy. Ich bin Ryan MacCain. Neunzehn Jahre alt. Skorpion im Sternzeichen und der Pechvogel, der das kurze Stäbchen gezogen hat, weshalb er jetzt sinnlose zwei Jahre mit einem reichen, verwöhnten Gör am College festsitzt. Ich freue mich schon sehr darauf, dich morgens aus dem Bett zu werfen, dir das Pausenbrot zu schmieren und dich davon abzuhalten, dir mit Jello Shots die Birne wegzuschießen.« Meine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut. Auf sie. Auf mich. Auf diese ganze Situation.
»MacCain?«, echote Haidi langsam, als würde sie erst jetzt begreifen, wer ich war.
»Ja, ich nehme an, du kennst meinen Dad. Immerhin ist er der Bodyguard deines Vaters. Hast du dich vorher nicht erkundigt, wer dich babysitten darf?«
»Nein.«
»Das ist verdammt dumm von dir.«
»Ja, fast so dumm, wie mich nicht zu erkennen«, fauchte sie. »Oder hast du es gewusst?« Sie funkelte mich wütend an.
Fuck! Diese blauen Augen. Ihre Emotionen huschten so schnell durch das Blau, dass es mich an das Zusammenballen von Sturmwolken erinnerte.
»Was gewusst?«, fragte ich und musste mich im gleichen Augenblick räuspern, weil ich klang, als hätte ich einen Frosch verschluckt.
»Wer ich bin.« Ivys Unterlippe zitterte. Schnell biss sie drauf und straffte die Schultern. »War das alles nur eine Art blöder Scherz oder so?«
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br /> »Was? Nein!«, fuhr ich sie an. Mein aktuelles Gefühlschaos schlug wieder in Wut um. Das war gut. Wut war besser als … das andere Zeug.
»Wie kannst du mich dann nicht erkannt haben?« Ihre kleinen Hände ballten sich zu Fäusten. »Du musst doch meine Akte gelesen haben. Du musst doch ein Foto von mir gesehen haben. Wie kannst du mich da nicht erkannt haben?«
Tja, das war die Frage, die ich mir schon die ganze Zeit stellte. Wie konnte ich sie nicht erkannt haben? War ich blind gewesen? Scharf? Ein Idiot? Offensichtlich. Nur würde ich das ihr gegenüber niemals zugeben. Meine Stimme schlug von wütend zu provokant spöttisch um. »Auf dem Foto hast du ganz anders ausgesehen. Wo sagtest du hast du dein Chanel-Kostüm gelassen?«
Ivy presste die Lippen zusammen, ihre Nasenflügel bebten. Schließlich stieß sie einen Seufzer aus und ließ sich gegen ihre blaue Karre sinken, die wir inzwischen erreicht hatten. Offenbar hatte sie es nicht eilig, auszupacken. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich an. Aber leider nicht auf die gleiche heiße Art wie vorhin. Sie versuchte sichtlich, ruhig zu bleiben. Was ihr in etwa so gut gelang wie mir. Nämlich gar nicht.
»Hör zu, Ryan. Ich bin hier, um endlich leben zu können. Du warst die Bedingung dafür«, begann sie.
»Aha?« Genervt von dieser ganzen Situation hob ich eine Augenbraue und sah, wie sie wieder die Zähne zusammenbiss.
Ihre Brust hob und senkte sich, als sie tief durchatmete und nach Worten suchte. Scheiße, ich wusste ja selbst nicht, wie ich mich verhalten sollte. Vor einer Viertelstunde war sie noch mein heißer Aufriss gewesen und jetzt war sie … mein Job.
»Hör zu«, sagte Ivy nach ein paar Sekunden, in denen wir uns nur ratlos angestarrt hatten. »Ich darf hier nur studieren, weil du mich begleitest, und ich werde versuchen, uns das nächste Semester nicht unnötig schwer zu machen, indem ich dir davonlaufe, aber …«
Ich verschränkte ebenfalls die Oberarme vor der Brust und wartete, was als Nächstes kam. Ivy atmete noch einmal tief durch.
»… aber trotzdem will ich keinen Typen, der mir ständig an den Fersen klebt. So wird es verdammt schwer für mich, Freunde zu finden. Oder überhaupt ein normales Studentenleben zu führen. Du machst nur deinen Job, das weiß ich, aber bitte …« Sie sah aus, als würde sie jeden Moment davonlaufen. Was ich ihr nicht verübeln konnte. Ich würde am liebsten auch wegrennen.
Ivy räusperte sich. »Ich werde niemandem davon erzählen, was gerade zwischen uns … passiert ist.« Ihre Wangen wurden feuerrot. Meine wahrscheinlich auch, doch gleichzeitig atmete ich erleichtert auf. Sie würde also nicht petzen. Dem Himmel sei Dank. »Im Gegenzug«, fuhr sie fort, »hältst du die Klappe über alles, was meinen Vater dazu bewegen könnte, mich von der UCF zu holen.«
»Das da wäre?«, erkundigte ich mich argwöhnisch.
Ivy schnaubte. »Praktisch alles, was nicht mit schlafen, essen und lernen zu tun hat. Vor allem …« Zögernd biss sie sich auf die Unterlippe, bevor sie noch mal neu ansetzte. »Vor allem …« Sie schluckte und sah mich frustriert an.
Ich versuchte, meinen Gesichtsausdruck so unbewegt wie möglich zu halten. »Ist das dann alles, Miss Redmond?«, fragte ich kalt. Viel zu kalt. Mein Herz schlug immer noch schnell, wenn ich an unseren Kuss dachte, aber mein Hirn war mit der ganzen Situation so überfordert, dass ich es nicht schaffte, wirkliches Feingefühl zu zeigen.
Sie zuckte zusammen. Ihre Lippen wurden schmal. Sie sah aus, als wollte sie noch etwas sagen, doch dann nickte sie nur. Auch gut. Wortlos sahen wir uns an, bis das Schweigen zwischen uns immer unangenehmer wurde. Ivy trat von einem Fuß auf den anderen. Öffnete ein paarmal den Mund, nur um ihn gleich wieder zu schließen.
Plötzlich drehte sie sich ruckartig um und riss die Kofferraumtür auf. Erschrocken sprang ich zurück, als uns eine Flut an schlecht geschlossenen Umzugskartons und 7-Eleven-Tüten entgegenkam. Ivy fluchte. Ein wenig fassungslos schauten wir auf Kleider, BHs, Handtücher, Cremes und Dutzende andere Sachen, die sich auf der heißen Straße verteilt hatten.
»Na toll«, sagte Ivy, bevor sie sich bückte und damit anfing, alles achtlos in die geknickten Kartons zurückzuwerfen.
Was hatte sie nur gemacht? Das Ganze sah aus, als hätte sie all ihre Sachen mit Gewalt in das kleine Cabriolet gequetscht. Ich starrte einen Moment lang auf ihren gekrümmten Rücken, bevor ich mich ebenfalls bückte und begann, ihr beim Aufräumen zu helfen. BHs und sämtliche andere prekären Kleidungsstücke ließ ich liegen und hob stattdessen ihre T-Shirts, Röcke und Shorts auf, die aussahen, als hätte sie die gerade erst im Walmart gekauft. Ich hatte eigentlich Gucci-Taschen, Jimmy Choos und Chanel-Schnickschnack erwartet, aber nicht … Verwirrt starrte ich auf das gelbe Minion-Shirt in meiner Hand. Was sollte das? Kein Wunder, dass ich sie nicht erkannt hatte. Ivy war … seltsam. Ich sah kurz zu ihr. Eine Frage brannte mir auf der Zunge, doch ich schluckte sie hinunter.
Nachdem wir alle Kleidungsstücke wieder eingesammelt und die unzähligen Einkaufstüten in den Umzugskisten verstaut hatten, wuchtete ich mir drei Kartons übereinander auf die Arme. Ich hatte erwartet, dass Ivy mich alles allein tragen lassen würde, doch sie hatte sich ohne zu zögern die restlichen Kisten geschnappt. Es waren zwar nur zwei, aber sie schien eindeutig Probleme damit zu haben, das geballte Gewicht zu stemmen. Zu meiner Überraschung beschwerte sie sich nicht ein einziges Mal. Stoisch trug sie die Kisten zurück ins Wohnheim und die Stufen zu ihrem Zimmer hoch, obwohl ihre Arme sichtlich zitterten.
Ich ließ Ivy ein paar Schritte vor mir gehen, damit ich sie besser im Blick hatte. Dadurch hatte ich eine perfekte Sicht auf ihren Hintern, der sich bei jedem Schritt rhythmisch anspannte. Die Short, die sie trug, endete kurz unterhalb ihrer Pobacken. Verfluchte Scheiße! Ich stolperte über die letzte Stufe.
»Alles okay?«, schnaufte Ivy. Irritiert sah sie dabei zu, wie ich hektisch die Kartons in meinen Armen ausbalancierte.
Ich schluckte und ging wortlos an ihr vorbei. Ich konnte nicht. Wir konnten nicht.
Ivy
Ryan ging einfach an mir vorbei. Sein Gesichtsausdruck war genauso aussagekräftig wie die weiße Wand neben uns. Also null. Vor meiner Tür blieb er stehen und ließ die Kartons einfach fallen. Mit einem lauten Knall landeten sie auf dem Boden. Der Deckel des obersten Kartons sprang auf und ein Flipflop hüpfte heraus. Ryan verzog keine Miene und sah mich abwartend an.
Provozierend hob ich eine Augenbraue. Was guckte er so dumm? Er hätte mir ja nicht helfen müssen.
Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert. Oder mir selbst für so viel Dummheit. Aber ich tat es nicht. Denn im Grunde waren wir beide für diesen Schlamassel verantwortlich. Obwohl er der Sohn des Security meines Vaters war, hatten wir uns heute zum ersten Mal gesehen. Er hatte nicht damit rechnen können, mich heute zu treffen. Genauso wenig, wie ich auf die Idee gekommen war, dass mein Bodyguard bereits an der UCF sein könnte. Niemand hatte mir davon erzählt. Ich hatte nicht mal gewusst, dass Harry einen Sohn hatte, der ebenfalls im Security-Geschäft arbeitete. Aber das war meine eigene Schuld, denn ich hatte nicht wissen wollen, wer meinen Babysitter spielen würde. Er würde schließlich noch früh genug auf der Matte stehen. Natürlich war es auch ein bisschen aus Trotz gewesen. Okay, aus sehr, sehr viel Trotz. Ich konnte eben manchmal ziemlich … dumm sein. Ein dämliches, naives Mädchen, das einfach mal etwas erleben wollte, ohne dass seine Eltern sich ständig einmischten. Ich hatte mich so sehr nach dem Leben gesehnt, dass ich mich dem nächstbesten Typen an den Hals geworfen hatte. Es stand mir also nicht zu, sauer auf Ryan zu sein. Auch wenn er sich gerade wie ein arroganter Arsch aufführte. Ich war verletzt, ohne wirklich zu wissen, warum. Dabei war Ryan im Grunde nur … Im Prinzip war er nur ein Aufriss. Und ich der seine. Wir schuldeten uns nichts und selbst mir war klar, dass es nicht klug war, sich mit dem eigenen Bodyguard einzulassen. Falls herauskommen sollte, dass Ryan etwas mit seiner Klientin hatte, könnte er seinen Job und seine Reputation verlieren. Und so, wie ich meinen Vater kannte, würde er dafür sorgen, dass Ryan danach höchstens noch als Tellerwäscher Arbeit bekam. Ich konnte R
yans Verhalten also durchaus nachvollziehen. Trotzdem fühlte ich mich … verletzt.
Ryan blickte mich immer noch mit ausdrucksloser Miene an. Aber was er konnte, konnte ich schon lange. Wortlos schloss ich die Tür auf und war überrascht, dass Ryan mir – ohne zu zögern – half, die Kisten ins Zimmer zu bringen. Seine tätowierten Armmuskeln spannten sich an, als er erst alle drei Kartons auf einmal hineinbrachte und mir schließlich auch noch meine abnahm. Eine Geste, die ich fast nett gefunden hätte. Wenn er dabei nicht so genervt ausgesehen hätte.
Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass er mir nicht helfen musste, wenn es ihm so offensichtlich gegen den Strich ging. Aber ich hielt mich zurück. Die Stimmung zwischen uns war schon so geladen, dass ein falsches Wort gereicht hätte, um uns zum Explodieren zu bringen.
Nachdem wir alle Umzugskartons reingebracht hatten, sah ich mich neugierig um. Mein Puls stolperte kurz, als ich mein neues Zimmer betrachtete. Die Ernüchterung darüber, dass ich es für immer alleine bewohnen würde, machte den Einzug weit weniger aufregend, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Auch die Ausstattung war irgendwie nicht so mindblowing, wie ich es erwartet hatte. Der Raum war sehr spärlich eingerichtet: Links an der Wand des Acht-Quadratmeter-Raums stand ein schmales Bett, und ansonsten gab es nur einen Schreibtisch, einen Schrank und einen Spiegel. Mehr nicht. Der Prospekt, den Libby mir vor ein paar Stunden in die Hand gedrückt hatte und der ein paar Zimmer zeigte, präsentierte eindeutig nicht dieses hier. Aber wenigstens sah die Matratze neu aus.
Ich spürte, wie Ryan mich beobachtete, und versuchte, nicht ganz so enttäuscht auszusehen, wie ich mich gerade fühlte. Nein, das hier war eindeutig nicht das Ritz.
Seufzend begann ich in einer der Kisten herumzuwühlen, in der ich meinen Laptop vermutete. Ich suchte gerade nach Steckdosen, um ihn aufzuladen, als mir auffiel, dass Ryan immer noch im Zimmer stand. Ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt.