by Stella Tack
»Holy Moly! Ist das rutschig«, stieß sie hervor, während sie sich an mich klammerte.
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. »Sollen wir umdrehen?«
»Ah, nein, alles gut«, nuschelte sie, suchte sich hektisch eine halbwegs trockene Stelle und setzte sich schnell nieder.
Ich balancierte am Rand entlang und genoss den Wind, der mir dabei durch die Haare fuhr. Neben uns leckten die Wellen am Holz des Stegs.
»Das solltest du lieber lassen, sonst fällst du am Ende noch ins Wasser.«
»Bitte, ich bin doch nicht du.« Ich schnaubte übertrieben, ließ mich aber trotzdem neben Ivy auf den Steg sinken. »Ist übrigens schön hier«, gab ich zu und atmete tief die warme Luft und den Geruch der Natur ein.
Außer uns war kein einziger Mensch zu sehen. Ivy begann, das Vogelfutter auszupacken und den Kranichen zuzuwerfen, die im Wasser herumstaksten und sich sofort hungrig draufstürzten.
»Wir haben ein Haus ziemlich weit außerhalb von Miami. Bei uns sprüht jeden Monat ein Angestellter Gift, sodass wir nicht mal Käfer in unserem Garten haben«, sagte sie leise.
»Magst du Käfer denn so gerne?«, fragte ich amüsiert.
Sie seufzte. »Nein, aber Tiere generell. Früher wollte ich immer ein Haustier haben. Hund, Katze, Hamster, egal was, aber meine Mom hat eine Allergie gegen so ziemlich alles, was Haare hat. Was Menschen nicht ausschließt.« Sie verdrehte die Augen. »Darum habe ich als Kind oft im Garten nach Tieren gesucht. Nach kleinen Schnecken oder Fröschen, aber ich habe nie welche gefunden.«
»Du hast Angst vor der Spinne in deinem Zimmer, aber wolltest Frösche als Kuscheltiere?«, fragte ich, nahm ebenfalls eine Handvoll Vogelfutter und warf es den Kranichen zu.
»Ja.« Sie zuckte mit den Schultern. »Frösche sind ja auch was anderes als Spinnen. Alles, was so viele Beine hat, ist mir nicht ganz geheuer.«
»Zumindest hattet ihr so keine Kakerlaken. Das ist uns nämlich mal passiert«, warf ich ein. »Die ganze Siedlung war überrannt von den Viechern und wir mussten für zwei Tage im Hotel wohnen, während die Häuser ausgeräuchert wurden.«
Ivy schauderte. »Gut, vielleicht war das mit dem Gift doch keine so schlechte Idee«, murmelte sie und griff im gleichen Moment in die Packung wie ich.
Als sich unsere Hände berührten, erstarrten wir gleichzeitig. Ich spürte, wie ihre Finger kaum merklich zurückzuckten. Mein Daumen hingegen verselbstständigte sich und streichelte sanft über ihren Handrücken. Ivy war nicht die Einzige, der plötzlich das Atmen schwerfiel.
»Was machen wir hier eigentlich, Ivy?«, fragte ich sanft und hörte selbst, wie rau meine Stimme klang.
»Ich bin nicht besonders gut in so was«, sagte sie unsicher.
»Was meinst du?«
Ihre Wangen liefen rot an. »Mich um andere zu kümmern und sie aufzuheitern. Ich war meistens alleine. Manchmal gab es noch meine Freundin Chloé oder meine Mutter. Aber wenn es einer von ihnen schlecht ging, bin ich mit ihnen shoppen gegangen. Wenn ich ihnen etwas geschenkt habe, waren sie danach immer fröhlich. Aber ich glaube, bei dir hätte das nicht wirklich geholfen. Da ist das hier besser.«
»Ja, das hier ist eindeutig besser als Shoppen«, flüsterte ich. Meine Brust zog sich immer weiter zusammen und ich musste mich mit Gewalt davon abhalten, sie nicht noch näher an mich heranzuziehen. »Aber du musst dich auch nicht um mich kümmern. Das ist schließlich mein Job, schon vergessen?«
»Aber dir geht es nicht gut«, sagte sie und eine Spur von Trotz blitzte in ihren Augen auf. »Etwas beschäftigt dich. Du bist seit dem Schauspielkurs irgendwie schlecht gelaunt. Es ist wegen mir, oder?« Sie verhedderte sich förmlich in ihren Worten, bevor sie frustriert aufgab und mich nur traurig anstarrte.
Dieses Mädchen. Sie machte mich vollkommen fertig. Seufzend lehnte ich meine Stirn gegen ihre, um nicht etwas Dummes zu tun. Wie sie zu küssen zum Beispiel.
»Mir geht es gut«, versicherte ich ihr mit rauer Stimme. »Ich habe nur einen Anruf bekommen, mit dem ich nicht gerechnet habe.«
»Von wem denn?«, erkundigte sie sich zögerlich. Als sie sich nervös auf die Unterlippe biss, musste ich wegsehen.
Ich atmete tief durch. »Von meinem Bruder.«
»Und das ist so schlimm?« Ivy blickte mich verwirrt an.
»Nein.« Abrupt stand ich auf und fuhr mir durch die Haare. »Nicht schlimm, nur kompliziert.«
»Oh…«, murmelte Ivy.
Aus irgendeinem Grund schien sie enttäuscht zu sein. Etwa weil ich ihr so wenig Informationen anvertraute? Oder weil ich unseren Körperkontakt unterbrochen hatte? Vielleicht war ich egoistisch, aber ich hoffte, es war Letzteres.
Plötzlich klapperte etwas neben uns. Der spitze Schnabel eines Kranichs schnappte sich die Packung mit dem Vogelfutter und riss sie Ivy aus den Fingern. Erschrocken sprangen wir auf. Ivy stolperte dabei gegen mich und rammte mir dabei ihren spitzen Ellenbogen knapp über dem Nabel in den Bauch. Sie erwischte genau meinen Solarplexus – Volltreffer. Mir ging kurz die Luft aus. Ich wich automatisch einen Schritt zurück, rutschte auf dem Steg aus und kippte. Mit einem lauten Klatschen landete ich auch schon im Wasser.
Scheiße, war das kalt! Und dreckig! Ich schluckte einen Mundvoll Brackwasser, während ich hustend nach Luft schnappte.
»Ryan? Lebst du noch?«, rief Ivy mit Panik in der Stimme.
Prustend stand ich auf und spuckte Wasser. Ivy beugte sich so weit über den Steg, dass sie beinahe selbst ins Wasser gefallen wäre. Der Vogel guckte währenddessen frech über ihre Schulter.
»Ryan?«, fragte sie nochmals, als ich mir langsam das Haar aus dem Gesicht strich.
»Duuuu«, knurrte ich und griff nach ihren Armen.
Ivys Augen wurden kugelrund. Sie stieß einen spitzen Protestschrei aus, aber ich zog sie gnadenlos zu mir ins Wasser.
»Holy Moly! Kalt! Kalt! Kalt!«, stieß sie hervor und strampelte kurz mit den Beinen, bis ihr klar wurde, dass sie hier stehen konnte. Ein wenig Schlamm rann ihr die Wange hinunter. »Das wirst du büßen, Ryan MacCain!«, fauchte sie und funkelte mich so böse an, dass ich in schallendes Gelächter ausbrach.
»Du solltest dich mal sehen. Das Schlammmonster kehrt zurück.«
Das Lachen verging mir, als ich eine volle Ladung Wasser abbekam.
»Hast du mich etwa gerade nassgespritzt?«, fragte ich blinzelnd.
»Ich? Nein, ich doch nicht«, sagte Ivy unschuldig.
»Na warte«, knurrte ich und feuerte ihr ebenfalls eine Handvoll Wasser ins Gesicht.
Ivy fluchte, rappelte sich auf und spritzte zurück. »Daneben«, höhnte ich und schluckte im nächsten Augenblick gefühlte drei Liter des Sees.
»Zehn Punkte«, jubelte Ivy.
Prompt revanchierte ich mich in aller Deutlichkeit. Für ein paar Minuten waren wir so damit beschäftigt, uns gegenseitig nass zu spritzen, zu brüllen, zu fluchen und zu lachen, dass ich erst merkte, dass etwas auf uns zukam, als sich die Oberfläche des Sees bereits kräuselte. Der Schreck ließ mich ruckartig innehalten, sodass ich einen Schwall abbekam.
»Scheiße, ein Alligator«, stieß ich hervor.
»Was? Wo?«, rief Ivy und sah sich hektisch um.
Schnell packte ich sie an der Hand, zog sie die wenigen Meter bis ans Ufer. Vorsichtshalber rannte ich noch ein Stück weiter. Alligatoren waren auch an Land verdammt gefährlich. Schnaufend blieben wir stehen. Ich stellte mich schützend vor Ivy – was vollkommener Blödsinn war, aber ich genoss es ein wenig, dass sie sich an mich klammerte und ängstlich über meine Schulter lugte, während das Wasser sich teilte und … eine mickrige Natter sich ans Ufer schlängelte.
»Uuuuuh…«, machte Ivy, »ich glaube, wir wurden gerade beinahe von einer Babyschlange gefressen.«
Shit. Peinlich. »Ja, wir wären fast gestorben«, stimmte ich ernst zu. »Aber ich habe dein Leben beschützt. Ich verlange eine Gefahrenzulage.«
Ivy lachte und kniff mich in die Seite. »Du bist so ein Idiot, Ryan.«
»Wenn du so undankb
ar bist, lasse ich dich das nächste Mal von einer Amphibie fressen.« Ich versuchte, so ernst wie möglich zu bleiben. Doch Ivys Lachen war ansteckend und kurz darauf stimmte ich mit ein. »Scheiße«, sagte ich schließlich, als wir uns etwas beruhigt hatten. Schwer atmend stützte ich mich auf den Knien ab. »Jetzt sind wir nass.«
»Ach wirklich? Ist mir noch gar nicht aufgefallen, Sherlock«, erwiderte Ivy und wrang sich das Wasser aus den Haaren, während sie die Nase kräuselte. »Du stinkst übrigens!«, stellte sie fest.
»Nein, das kommt alles von dir«, schoss ich zurück, während mein Blick über ihren Körper wanderte.
Ihr Kleid war klitschnass und zeigte deutlich jede ihrer Kurven. Hektisch sah ich weg und schüttelte mein Haar aus wie ein Hund. Ivy fluchte, als sie wieder nass wurde. Ich grinste nur.
»Danke«, sagte ich plötzlich.
Verwundert sah sie mich an »Wofür?«
»Für alles.«
Ivy lächelte. »Sollen wir zurückgehen?«
»Ja, gehen wir und trocknen uns ab. Ich hoffe, du hast Handtücher im Auto.«
Sie schnaubte. »Klar, so etwas habe ich doch immer dabei. Gleich neben meiner Überlebensausrüstung und meinem Surfbrett.«
Ich stöhnte. »Großartig.«
Schweigend liefen wir zurück zum Auto. Obwohl keiner von uns ein Wort sagte, berührten sich unsere Hände immer wieder wie zufällig – und ohne es zu wollen, musste ich zugeben, dass ich Ivys Nähe und Wärme genoss. Sehr sogar. Viel mehr, als gut für mich war.
Im Auto fanden wir letztendlich eine Vliesdecke, mit der wir uns abtrockneten. Und Floridas Hitze tat ihr Übriges. Immer noch schweigend setzte ich mich wieder hinters Steuer und fuhr vom Parkplatz.
Ivy
Mein Magen knurrte, als wir zurück ins Wohnheim kamen. Doch darum würde ich mich später kümmern. Erst musste ich unter die Dusche und die Reste des dreckigen Seewassers abwaschen. Ich bereute es gerade etwas, nicht vor dem Ausflug noch kurz in die Cafeteria gegangen zu sein. Morgen würde ich das anders machen – und für heute Abend hatten wir immerhin noch fünf Liter Eistee und so viele Gummibärchen, dass uns wahrscheinlich schlecht von dem ganzen Zucker werden würde.
»Soll ich uns Pizza bestellen?«, schlug Ryan vor. »Sie sollten da sein, bis wir uns geduscht haben.« Er schien tatsächlich wieder bessere Laune zu haben. Zumindest hatten wir uns auf dem Nachhauseweg nicht mehr in die Haare gekriegt. Ich verbuchte das als Fortschritt. Schlammschlachten schweißten einen dann eben doch zusammen.
»Ja, bitte«, sagte ich erleichtert. »Ich hole sie dann von unten ab.«
Ryan nickte. »Ich muss auch noch mit meinem Dad sprechen. Das Nummernschild muss auf jeden Fall ausgetauscht werden.«
Schnaubend holte ich ein Handtuch und Duschgel aus meinem Schrank. »Meinst du nicht, dass das etwas übertrieben ist? Der Student war doch harmlos.«
Ryan presste die Lippen zusammen. »Geh duschen, Ivy. Ich bestelle uns zwei Pizzen. Ist Salami okay?«
Ich nickte. Ryan drehte sich wortlos um und verschwand in seinem Zimmer.
Seufzend machte ich mich auf den Weg zu den Duschen. Nach dem unfreiwilligen Bad im See genoss ich das warme Wasser in vollen Zügen. Mit dem Schmutz verschwand auch die Anspannung, die sich den ganzen Tag über in mir angestaut hatte. Und was dabei im Abfluss verschwand, ließ mich schaudern. Der See war wirklich nicht gerade sauber gewesen. Trotzdem musste ich bei der Erinnerung an Ryans verdutzten Gesichtsausdruck, als er ins Wasser gefallen war, lächeln. Prompt schob sich ganz frech die Erinnerung an Ryans T-Shirt, das nass an seiner Haut geklebt hatte, in meine Gedanken. Holy Crap! Schnell verdrängte ich dieses Bild und versuchte, an etwas anderes zu denken, während ich auch die letzten Reste des Sees von mir abwusch.
In das Handtuch gewickelt, lief ich in mein Zimmer zurück und zog mir ein schlichtes Shirt und Shorts an.
Als ich wenig später bei Ryan klopfen wollte, um zu fragen, wann die Pizzen kamen, zögerte ich. Seine Stimme drang gedämpft durch die Tür und etwas in seinem Ton ließ mich innehalten.
»Nein, sonst ist nichts passiert. Das Austauschen des Nummernschildes sollte genügen. … Ja, danke, Dad. Es ist alles in Ordnung, wirklich. … Ja, ich habe Mom angerufen. … Nein, ich lüge nicht. … Okay, erwischt, aber du weißt doch, wie sie ist. Wenn ich anrufe, komme ich eine Stunde nicht mehr von ihr los. Ja … Ja … Nein, wir, also Ivy und ich, wir haben uns Pizza bestellt. Es wird also ein gemütlicher Abend. … Was? Nein, Dad! Ich bin nicht gemein zu ihr! Was denkst du denn von mir? Außerdem bin ich keine fünf mehr. … Hmm, okay, ich versuche es. … Ja, okay, aber Dad …«
Ich hielt unwillkürlich die Luft an, als Ryans Stimme leiser wurde. Er klang plötzlich verunsichert, ganz anders, als ich ihn kennengelernt hatte.
»Ist er wirklich wieder da? Konstantin?«
Eine Weile war es so still, dass mir mein Atem unnatürlich laut vorkam. Natürlich war mir klar, dass ich Ryans Telefonat nicht belauschen sollte, aber ich konnte nicht weghören. Prompt meldete sich auch mein schlechtes Gewissen.
Plötzlich stieß Ryan einen erstickten Ton aus. »Verstehe. Aber warum jetzt? Nach all den Jahren? … Ja, er hat versucht, mich anzurufen. Mehrmals. Ich habe ihn weggedrückt. … Nein, nein, sag ihm einfach gar nichts. … Ja. Tschüss.« Danach wurde es still.
Leise zog ich mich zurück und beschloss, nach unten zu gehen, um dort auf den Pizzalieferanten zu warten. Ryan brauchte eindeutig Zeit für sich selbst, auch wenn ich mir Sorgen um ihn machte. Was war nur mit ihm los? Hatte seine schlechte Laune etwas mit diesem Konstantin zu tun? War Konstantin sein Bruder, den er heute erwähnt hatte?
Tief in Gedanken versunken setzte ich mich vor dem Wohnheim auf die Treppe und musste beinahe noch eine Viertelstunde warten, bis der Pizzabote endlich auftauchte. Er war sichtlich erleichtert, dass er uns nicht suchen musste, und drückte mir die zwei Schachteln kommentarlos in die Hand, bevor er mit seinem Moped wieder davonfuhr. Offenbar hatte Ryan die Pizzen bereits online bezahlt. Ich schnaubte leise und starrte auf die Kartons, die gerade mal lauwarm waren. Na großartig. Jetzt würde ich sie in der Mikrowelle aufwärmen müssen.
Seufzend ging ich in den Gemeinschaftsraum, wo sich gerade eine Gruppe Mädchen auf den Sofas unterhielt, während ein paar Jungs Tischtennis spielten. Zwei weitere zockten auf einer Playstation Zombie Killer Attack 3. Ein paar neugierige Blicke folgten mir, als ich zu der kleinen Gemeinschaftsküche ging, die kalten Pizzen aufeinandergestapelt in die Mikrowelle schob und auf drei Minuten Vollhitze stellte. Wenn ich allerdings nicht die ganze Zeit steif vor der Maschine stehen und den Pizzen beim Rundendrehen zusehen wollte, musste ich etwas tun. Nur was?
Hilflos ließ ich den Blick durch den Raum schweifen und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie unsicher ich mich fühlte. Es musste doch möglich sein, zu den Mädchen zu gehen und mich mit ihnen zu unterhalten. Seit ich denken konnte, hatte ich mich nach Menschen gesehnt. Nach einem Zuhause, in dem es laut und lustig zuging. Nach einem Ort, an dem man Leute lachen und miteinander sprechen hören konnte. Und nicht nur das Quietschen von feinen italienischen Lederschuhen eines Sicherheitsmannes, der gerade seine Runden drehte. Jetzt hatte ich es endlich geschafft und war vor Nervosität wie gelähmt.
Die Mädchen kicherten und ich versuchte mir einzureden, dass es nicht um mich ging.
»Hey, wohnst du nicht in B12?«
Erleichtert sah ich auf und blickte in das Gesicht einer hübschen Brünetten, die mich neugierig musterte.
»Ja …« Lächelnd reichte ich ihr die Hand. »Hallo, ich bin Ivy.«
»Soya«, stellte sie sich vor und ergriff meine Hand. »Ich wohne schräg gegenüber. B6.«
»Soya?«, fragte ich verdutzt.
Soya seufzte und verdrehte die Augen. »Ja, leider. Meine Mom nimmt das mit dem veganen Lebensstil ein wenig zu ernst. Hätte aber auch schlimmer kommen können. Wenn ich ein Junge geworden wäre, hätte sie mich Tofu genannt.«
»Im Ernst?« Ich musste lachen und Soya stimmte mit ein.
»Nei
n, ist nur unser Running Gag. Aber egal – ich und die Mädels dachten, dass du dich vielleicht zu uns setzen möchtest.«
»Oh, ich …« Mein Blick schweifte zu der Mikrowelle, die gerade pling machte. Würde sie die Pizzen noch ein paar Minuten warmhalten? Andererseits, kälter als sie gekommen waren, konnten sie kaum noch werden. »Ähm, ja, gern«, sagte ich schließlich und ließ mich von Soya zum Sofa ziehen.
Vier weitere Mädchen nahmen mich in Empfang, wobei mein Blick zu der großen Blondine zuckte, die … Oh nein, es war eine der Studentinnen, die Ryan in der Vorlesung abgeschleppt hatte. Mein Lächeln fiel wie ein Soufflé in sich zusammen.
»Das sind Courtney, Brook, Basel und Charly«, stellte Soya ihre Freundinnen der Reihe nach vor. »Leute, das ist Ivy«, fügte sie an die Mädchen gewandt hinzu.
»Dann ist das Geheimnis also gelüftet«, sagte Courtney mit einem verhaltenen Grinsen und warf sich ihre künstlich blonde Haarpracht über die Schulter.
»Geheimnis?«, fragte ich verwirrt.
»Wir alle rätseln schon die ganze Zeit, wer das Mädchen ist, mit dem Ray die ganze Zeit herumhängt. Er klebt ja praktisch an deinen Fersen. Fast so, als wäre es sein Job!«
Die vier kicherten und mein Magen zog sich unruhig zusammen.
»Ray? Oh … der Ray. Ja, wir sind Zimmernachbarn«, murmelte ich, während sich meine Schultern anspannten.
»Ray ist umwerfend, oder?«, schwärmte Courtney. »Nicht so ein Milchbubi wie die anderen aus dem ersten Semester.« Abfällig deutete sie auf die Jungs, die gerade grölend an der Playstation zockten. »Er ist ein wenig älter, oder?«
»Mhm, ja, neunzehn, glaub ich«, sagte ich.
Soya grinste mich an. »Ich bin heute Morgen aufgewacht, als er versucht hat, dich wach zu klopfen.« Sie kicherte. »Ich glaube, ich habe noch nie so einen genervten Gesichtsausdruck gesehen.«
»Ja.« Ich verzog gequält das Gesicht. »Er hat’s nicht leicht mit mir.«
»Was uns aber alle brennend interessiert …« Courtney lehnte sich vor, sodass ich nicht nur einen sehr guten Blick auf ihren pinken BH, sondern auch einen weiteren Schwall ihres Parfums in die Nase bekam. »Seid ihr zwei zusammen oder ist er noch zu haben? Bei dem Kaffee, den er mir heute spendiert hat, wollte er partout nicht mit dieser Information herausrücken.«