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Kiss Me Once

Page 24

by Stella Tack


  »Ist dir kalt?«, fragte Ryan.

  »Ein bisschen«, murmelte ich, während wir ein paar Studenten auswichen, die uns mitleidig ansahen.

  Zum Glück erreichten wir kurz darauf unsere Zimmer. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Ryan mich wie üblich ablud und dann nach nebenan verschwand, doch stattdessen zückte er seine eigene Magnetkarte, öffnete die Tür zu seinem Zimmer und schob mich hinein.

  »Was soll das?«, fragte ich verdutzt, als auch schon ein Handtuch auf meinem Kopf landete und Ryan kräftig an mir herumzurubbeln begann.

  »Du bist eiskalt«, knurrte er. »Ich will nur vermeiden, dass du einen Schnupfen bekommst.«

  »Bekomme ich gar nicht!«, verteidigte ich mich und spürte das Kitzeln in meiner Nase. Noch bevor ich oh nein denken konnte, rümpfte ich die Nase und musste heftig niesen.

  »Siehst du?! Du hast das Immunsystem einer Amöbe«, hielt mir Ryan vor, warf das Handtuch weg, fischte ein neues aus dem Schrank und schubste mich aufs Bett. »Hier, trockne dich ab. Ich hol dir einen Pyjama«, sagte er.

  »Den kann ich aber auch selbst holen«, rief ich. Doch mein Protest wurde völlig ignoriert und vom Zuschlagen der Tür kommentiert.

  Ein wenig verdattert saß ich auf dem Bett, trocknete mich ab und sah mich dabei flüchtig im Zimmer um. Obwohl es in etwa genauso unspektakulär war wie meines, begann mein Herz prompt schneller zu schlagen. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich schnupperte, ob der Raum nach Ryans Duschgel roch. Tat er. Holy Moly! Bevor ich noch auf dumme Ideen kommen konnte – wie mich zum Beispiel wie eine Irre in seinem Bett zu wälzen –, wurde die Tür auch schon wieder aufgestoßen und Ryan kam mit einem komischen Gesichtsausdruck zurück.

  »Sag mal, hast du keinen Schlafanzug?«, fragte er mich perplex. »Ich habe nur das hier gefunden und da scheint etwas zu fehlen. Der Stoff und so …«

  Er hob meine Unterwäsche hoch. Ein Seidennachthemd, das so knapp war, dass es gerade mal über den Po ging. Es war eines der wenigen Stücke, die ich von zu Hause mitgenommen hatte und tief – sehr tief – im Schrank vergraben hatte. Man musste schon danach wühlen, um es zu finden. Ich hatte es in dem Glauben mitgenommen, im Wohnheim endlich meine Fantasien ausleben zu können. Tja, das war zumindest der Plan gewesen, bevor Ryan MacCain es gefunden hatte. Er starrte das Teil immer noch an, als könnte es jederzeit losbeißen.

  »Ich schlafe nur im Shirt!« Blitzschnell riss ich ihm die Reizwäsche aus der Hand, knüllte das weiche Fabrikat zusammen und versteckte es unter seinem Kissen, weil mir spontan kein anderer Ort einfiel, wo ich es aus seinem Blickfeld bekam.

  Ryan sah mich gequält an. »Wann zum Teufel wolltest du denn so was anziehen? Und vor allem: für wen?«

  »Für Männer, die ich nicht bezahlen muss, damit sie an meiner Seite bleiben«, erwiderte ich bissig. Ich war immer noch wütend, weil er in meinen Sachen rumgewühlt hatte.

  Ryan presste die Lippen zusammen. Er war blass geworden, was aber auch daran liegen konnte, dass ihm ebenfalls kalt war. Im Gegensatz zu mir tropfte er immer noch den Boden voll, schien sich dabei allerdings mehr Gedanken um meine als um seine eigene Gesundheit zu machen.

  Er atmete einmal tief durch, sein rechtes Auge zuckte und ich sah es förmlich in seinem Hirn rattern, bevor er seinen Schrank erneut aufriss und mir etwas Schwarzes, Weiches in die Hand drückte. »Hier! Geh warm duschen und zieh das an.«

  »Und was ist das genau?«, fragte ich misstrauisch und rollte es auf.

  Ein großes schwarzes Shirt aus Baumwolle mit der Aufschrift Sorry I’m late. I didn’t want to come!

  »Das ist mein Bauchtanzkostüm.« Ryan verdrehte die Augen und schubste mich zur Tür. »Geh jetzt duschen, Ivy.«

  Ich schnaubte über seinen bossy Ton. »Sonst noch was, Sergeant?«

  Statt einer Antwort, zog er nur eine Augenbraue hoch.

  Ich schnaufte, drehte mich um und ging ins Bad, um mich mit Ryans Shirt bettfertig zu machen.

  Frisch geduscht und nicht mehr vor Kälte zitternd, machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Zimmer. Als ich vor Ryans Tür ankam, blieb ich zögernd stehen. Meine nassen Klamotten klemmten wie ein Päckchen unter dem Arm. Dummerweise befand sich meine Reizwäsche aber immer noch unter seinem Kissen und so, wie er vorhin schon geguckt hatte, würde er wohl einen Herzinfarkt bekommen, wenn er das Träger-Nachthemd mitten in der Nacht direkt unter seinem Kopf fand.

  Zögerlich hob ich die Hand, um zu klopfen, als ein tätowierter Arm hinter mir auftauchte und die Tür aufsperrte. Erschrocken drehte ich mich um und zuckte zurück, als ich sah, dass Ryan nur in Boxershorts hinter mir stand und frech grinste. Dabei klackerte das Zungenpiercing gegen seine Zähne. Was dieses Geräusch in mir auslöste, wollte ich gar nicht erst näher ergründen.

  »Na, schon Sehnsucht nach mir gehabt?«, zog er mich auf und ging in sein Zimmer.

  Eine Grimasse schneidend folgte ich ihm. »Hab nur etwas vergessen. Ich bin gleich wieder weg.«

  Schnell holte ich die Reizwäsche unter seinem Kissen hervor und packte sie zu den nassen Klamotten unter meinem Arm. Ich wollte gerade wieder verschwinden, als mir Ryan plötzlich den Weg versperrte.

  »Willst du …« Er biss sich auf die Lippe und räusperte sich. »Ähm … willst du noch mit mir einen Film ansehen?«

  Verwundert sah ich ihn an. »Was?«

  Er seufzte. »Film, du und ich.«

  »Ähm … klar«, sagte ich verblüfft. »Auf deinem Bett?«

  Er verdrehte die Augen, machte es sich auf dem Bett gemütlich und klopfte neben sich auf die Matratze.

  »Auf was hast du Lust?«, fragte er mich, nachdem ich mich misstrauisch gesetzt hatte.

  »Keine Ahnung … Twilight?«, zog ich ihn auf.

  Ohne mit der Wimper zu zucken, zog er den Laptop auf seinen Schoß, tippte etwas ein und einen Augenblick später huschte Edward Cullen über den Bildschirm.

  »Okay, was ist los mit dir?«, fragte ich lachend, legte die Wäsche ab und knuffte ihn gegen den Oberarm.

  »Warum?«

  »Du bist viel zu nett. Und überhaupt … Twilight?!« Ich deutete abwechselnd auf ihn und den Bildschirm.

  Ryan zuckte nur mit den Schultern und lehnte sich seufzend zurück. »Ich hab schon Schlimmeres gesehen. Ich bin abgehärtet.«

  »Was ist denn schlimmer als Glitzervampire?«, fragte ich neugierig.

  Er verzog das Gesicht. »Barbie – die Magie der Delfine.«

  Ich prustete. »Oh mein Gott! Lass uns das ansehen!« Ich griff nach dem Laptop, um den Film zu wechseln.

  »Niemals«, grollte er und packte mein Handgelenk, während er gleichzeitig den Laptop wegschob, sodass ich ihn nicht mehr erreichen konnte. Und bevor ich reagieren konnte, hielt er auch meine andere Hand fest.

  Grinsend hob ich meinen Fuß und fuhr mit dem großen Zeh auf dem Cursorpad herum.

  »Du kleines Biest«, schimpfte Ryan, während er den Laptop so weit wegschob, dass er auf den Boden polterte. Gleichzeitig warf er mich auf das Bett zurück und pinnte meine Handgelenke über meinem Kopf fest. Breitbeinig kniete er über mir und lachte unweigerlich auf, als ich versuchte, mich zu befreien.

  »Ich will das sehen!«

  »Das ist fürchterlich«, sagte Ryan, aber auch seine Mundwinkel zuckten.

  »Es geht um Delfine«, rief ich lachend, während ich erneut versuchte, ihn wegzudrücken, doch Ryan war in etwa so leicht wie ein Baum.

  »Nicht! Hör auf, Ivy! Sonst tue ich dir noch weh.«

  »Erst wenn ich Barbie auf Delfinen reiten sehen darf«, sagte ich entschlossen und bewegte mich wieder stärker unter ihm.

  Er knurrte und senkte sein gesamtes Körpergewicht auf mich herab.

  »Himmel, bist du schwer! Wie viel wiegst du? Zehntausend Kilo?«

  »Reine Muskelmasse, Baby«, sagte er grinsend. Plötzlich erstarrte er.

  Eine Sekunde später spürte ich auch, wieso. Eine Beule in seinen Boxershorts, die immer größer wurde. Augenblicklich wurde mein Mund trocken und ich hörte auf
, mich zu bewegen. Als ich zu ihm hochsah, trafen sich unsere Blicke. Dunkles Grün auf helles Blau.

  »Ich glaube, du hast da ein kleines Problem«, flüsterte ich, während mir langsam die Röte in die Wangen kroch.

  Ryans Rückenmuskeln versteiften sich und seine Hände umklammerten mich fester. Sein ganzer Körper war angespannt. »Problem ja … klein eher weniger«, murmelte er stockend.

  Ich schnaubte und traute mich nicht, mich zu bewegen. Er sich offensichtlich auch nicht.

  »Du bist ein echter Idiot, Ryan MacCain«, sagte ich leise und leckte mir über die trockenen Lippen.

  Ryans Blick folgte der Bewegung. Fasziniert beobachtete ich, wie seine Augen dunkler wurden.

  »Da muss ich dir ausnahmsweise mal zustimmen. In letzter Zeit komme ich auf ziemlich blöde Ideen«, sagte er mit rauer Stimme.

  Eine dunkle Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht, als er kaum merklich näher kam. Oder bewegte ich mich auf ihn zu? Das Denken fiel mir immer schwerer. Unsere Gesichter waren nur noch einen knappen Zentimeter voneinander getrennt. Unser Atem vermischte sich, seine harte Brust drückte gegen meine weiche und ich schloss die Augen, als Ryans Lippen meine streiften …

  Das Klingeln eines Handys ließ uns abrupt auseinanderfahren. Panisch starrten wir uns an. Eine Sekunde, zwei … Was zum Teufel taten wir da? Es war, als hätte uns jemand einen Kübel kaltes Wasser über den Kopf geschüttet.

  »Scheiße!« Ryan sprang wie von der Tarantel gestochen auf und schnappte sich das Handy. »Ja?«, blaffte er in den Hörer.

  Mit klopfendem Herzen richtete ich mich auf und lehnte mich schwer atmend mit dem Rücken gegen die Wand. Ich musste mich unbedingt beruhigen.

  Ryan hatte sich halb von mir weggedreht, die dunkle Haarsträhne hing ihm immer noch in die Stirn, aber ich konnte deutlich sehen, wie Ryan die Zähne fest zusammenbiss. Plötzlich spürte ich einen heftigen Stich der Sehnsucht.

  »Verstehe. Ja, danke, Dad«, sagte Ryan und legte auf.

  Wortlos warf er das Handy vor sich auf die Matratze, setzte sich in einigem Abstand zu mir aufs Bett und schob den heruntergefallenen Laptop wie einen Schutzschild zwischen uns. Hätte er nicht schneller geatmet als normal, hätte man meinen können, die letzten Minuten waren gar nicht passiert.

  »Was ist los?«

  Ryan warf mir einen flüchtigen Blick zu. »Das war Harry. Sie haben Austin Freeman eine Abmahnung zukommen lassen. Du musst dir also keine Sorgen mehr um ihn machen.«

  »Oh, das ist … gut«, flüsterte ich.

  Ryan nickte und drückte auf Play. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich hinterher nicht mehr sagen konnte, welchen Film wir uns nach Twilight angesehen hatten.

  Ivy

  Ich stand vor dem Spiegel und zupfte zum gefühlt tausendsten Mal an meinem Shirt herum. Eigentlich hatte ich es immer sehr gemocht, da sich der Stoff weich an die Haut schmiegte. Es war zartrosa und passte somit auch perfekt zu den rosa Strähnchen in meinen Haaren, die ich mir nach dem Duschen noch nass zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Da es draußen fast 35 Grad hatte und die Sonne bereits gnadenlos auf den Campus herunterknallte, hatte ich dazu eine eng anliegende, kurze weiße Hose angezogen. Ich versuchte mir einzureden, dass der Knopf auch letzten Sommer schon so gedrückt hatte und Blutzirkulation in den Beinen eindeutig überbewertet wurde. Ich kniff den Hintern zusammen und zog den Bauch ein, der seit vorhin nicht aufhören wollte, zu flattern und Purzelbäume zu schlagen. Und das alles nur, weil ich zum wiederholten Mal von diesen grünen Augen geträumt hatte. Verdammt. Frustriert stieß ich die Luft aus.

  Die restliche Woche und das Wochenende waren wie im Flug vergangen. Auch wenn die Zwischenprüfungen noch nicht anstanden, hatte ich mit Alex und Jeff bereits ein Lern-Wochenende eingelegt. Da die Bibliothek heillos überfüllt gewesen war und wir nicht leise sein wollten, hatten wir uns vor der Hitze in das italienische Café am Campus verkrochen und dort letztendlich mehr Eis gegessen als wirklich gelernt. All das hatte allerdings nicht geholfen, meine Gedanken an Ryan zu verdrängen. Seit unserem Filmabend hatte er kaum ein Wort gesprochen. Nachdem ich noch während des Films eingeschlafen war, hatte Ryan mich zurück in mein Bett getragen und zugedeckt. Ich war dabei kurz wach geworden, hatte aber nur noch mitbekommen, wie die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss gefallen war.

  Am nächsten Tag war Ryan irgendwie merkwürdig – und das hatte sich bisher auch nicht geändert. Er lächelte und antwortete zwar, wenn man ihn etwas fragte, allerdings nur sehr knapp. Und sobald ich ihn nicht in meiner unmittelbaren Nähe brauchte, verzog er sich wieder. Entweder in sein Zimmer oder er hielt sich im Hintergrund, wo er … na ja, so tat, als wäre er ein richtiger Bodyguard. Unauffällig, höflich, distanziert.

  Das ganze Wochenende über hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, ob ich etwas gesagt oder getan haben könnte, was seine plötzliche Distanziertheit erklärte. Leider fiel mir kein logischer Grund ein. Schließlich war an dem Abend zwischen uns nichts passiert. Wir hatten rechtzeitig aufgehört.

  Frustriert knabberte ich an meiner Unterlippe und zog erneut an dem T-Shirt herum. Vielleicht sollte ich doch lieber das Polo anziehen? Eine andere Hose? Oder vielleicht sollte ich auch die Haare offen …

  Ein Schlag krachte gegen die Tür und ließ mich einen Satz in die Luft machen. Heilige Scheiße! Ich war noch nicht lange an der Uni, trotzdem erkannte ich schon allein am Klang der Faust, die meine Tür malträtierte, wer in der nächsten Sekunde reingestürmt kommen und mir einen Caramel Marshmallow Latte unter die Nase halten würde.

  »Ivy, bist du fertig? Wir kommen zu spät zu deinem Kurs!« Die Tür flog auf und der Grund, warum ich so verdammt nervös war, stand unverschämt gut aussehend in der Tür. »Frühstück für den Morgenmuffel«, sagte Ryan und hielt mir den Kaffee samt glasiertem Schokodonut mit Vanillefüllung unter die Nase.

  »D…danke«, sagte ich zaghaft und musterte ihn. Ob er heute auch noch so distanziert war? Oder hatte sich seine Laune inzwischen gebessert? Ich schenkte ihm ein scheues Lächeln und roch genüsslich an meinem Kaffee, was Ryan das erste amüsierte Schnauben seit Tagen entlockte. »Was?«, fragte ich, als ich seinen Blick auf mir spürte.

  Ryan schüttelte den Kopf. »Wenn du jemals einen Mann so ansehen würdest wie diesen Zuckerkram, dann hätten wir ein großes Problem. Dann müsste ich meine Dienstwaffe auspacken, um ihn uns vom Leib zu halten.«

  Er machte wieder Scherze! Gott sei Dank. Damit er meine Erleichterung nicht sofort bemerkte, verdrehte ich trotzdem die Augen und versuchte, das Bild von Ryan mit Schokoladenglasur, das sich gerade in meine Gedanken geschlichen hatte, zu verdrängen.

  »Können wir los?«, fragte Ryan ungeduldig. »Oder bist du noch nicht fertig?«

  »Ich … äh … nein … also, eigentlich bin ich fertig. Sieht es … äh, sehe ich okay aus?«

  Sehe ich okay aus? Was redete ich denn da für einen Mist? Hektisch biss ich mir auf die Zunge und wich Ryans amüsiertem Blick aus, als er mich erneut von oben bis unten musterte.

  »Du siehst gut aus«, sagte er schließlich. Obwohl er eine professionelle Miene aufsetzte und die tätowierten Arme vor der Brust verschränkte, hatte sich etwas an Ryans Gesichtsausdruck verändert. Für einen Moment schien es, als würde er mich … sehnsüchtig ansehen. Doch der Ausdruck war so schnell wieder verschwunden, dass ich einen Stich der Enttäuschung spürte. Schnell hob ich den Becher an die Lippen und nahm einen viel zu großen Schluck von meinem Kaffee.

  »Vorsicht, heiß!«

  Ryans Warnung kam leider zu spät. Entsetzt riss ich die Augen auf, verschluckte mich und begann zu husten. Ryan schaffte es, gleichzeitig zu lachen und zu seufzen, machte einen Schritt auf mich zu und schlug mir ein wenig zu hart auf den Rücken. Ich stolperte hustend nach vorne und streckte hechelnd meine brennend heiße Zunge heraus.

  »Heif, heif, heif!«, jammerte ich und hüpfte auf der Stelle, was Ryan nur noch mehr zum Lachen brachte.

  Trotzdem drehte er sich um, hockte sich vor meinen Minikühlschrank, der für seine mickrige Größe unglaublich
viel Lärm machte, und begann darin herumzuwühlen. Seine Rückenmuskeln bewegten sich dabei geschmeidig und ich erwischte mich selbst dabei, wie ich ihn regelrecht anstarrte, während ich die pochende Zunge immer noch herausstreckte. Es wurde immer schlimmer.

  »Hier!« Ryan drehte sich zu mir um und hielt dabei triumphierend eine Packung Honig hoch.

  »Waf?«, fragte ich verdattert und zwang mich, die Zunge zurück in den Mund zu stecken. Meine Finger krallten sich in die Donuttüte, als Ryan plötzlich auf mich zuging und direkt vor mir stehen blieb.

  »Honig hilft gegen Verbrennungen«, klärte er mich auf und wedelte mit besagtem Heilmittel vor meiner Nase herum. »Zunge raus, Ivy!«

  Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, weil mein Hirn mit so viel berauschendem Ryan-Geruch ein wenig überfordert war, aber seine Stimme klang auf einmal ein wenig belegt. Prompt räusperte er sich und ich spürte seine Fingerspitzen, die sanft mein Kinn anhoben. Meine Zunge reagierte schon beinahe peinlich schnell.

  Ryan schmunzelte, öffnete klickend den Deckel und ließ ein paar schillernde Tropfen hinabfallen. Die blumige Süße landete auf meiner Zunge und sofort ließ das stechende Brennen etwas nach. Ich seufzte und schloss erleichtert die Augen. Als ich sie kurz darauf wieder aufschlug, bemerkte ich, dass Ryan auf meine Lippen starrte. Mein Herzschlag beschleunigte sich – nicht nur wegen seines Blicks, sondern auch, weil Ryan immer noch viel zu nahe war.

  Plötzlich zuckte er ertappt zusammen. »Du … ähm … solltest vielleicht den Honig mitnehmen, das wird wohl noch ein wenig wehtun«, sagte er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, sodass ich kurz die Ringe in seinen Ohren aufblitzen sah. »Können wir los? Wir haben noch fünf Minuten oder wir kommen zu spät. Schon wieder.«

  Ich riss den Blick von Ryan los und sah zu meinem Wecker … Oh shit! Er hatte recht. Wir hatten nur noch fünf, nein, vier Minuten und der Literaturkomplex lag ein gutes Stück entfernt.

 

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