Kiss Me Once

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Kiss Me Once Page 35

by Stella Tack


  »Miss Redmond, wir sind da.«

  Ich schreckte auf, als Maxton plötzlich neben mir stand und mir die Tür aufhielt. Tatsächlich. Wir waren zu Hause. Die drei Stunden Fahrt waren einfach an mir vorbeigezogen. Wie so viel in letzter Zeit.

  »Danke«, murmelte ich, nahm meine Tasche, atmete einmal tief durch und stieg aus. Langsam ging ich die kiesbestreute Auffahrt hoch und sah mich um. Links und rechts erstreckte sich der grüne Rasen, der von einer Sprinkleranlage frisch gehalten wurde. Meine Mutter musste in den letzten Wochen sehr fleißig gewesen sein, denn neben dem Haus stand ein neuer Pavillon. Der alte war meistens für Teepartys verwendet worden. Keine Ahnung, was sie jetzt mit dem neuen vorhatte, aber er war groß genug, um ihn als Elefantengehege zu nutzen. Außerdem schien Dad sich ein neues Auto gekauft zu haben. Zumindest kannte ich den schwarzen Ferrari, der direkt vor der Haustür parkte, noch nicht. Vielleicht hatten wir aber auch nur Besuch – was ich allerdings gerade nicht gebrauchen konnte. Alles, was ich im Augenblick wollte, war, kurz meine Eltern zu begrüßen und danach direkt in mein Zimmer zu gehen und so lange Avatar – Der Herr der Elemente zu sehen, bis ich einschlief. Prinz Zuko hatte es mir irgendwie angetan. Vor allem in der dritten Staffel erinnerte er mich mit den ungebändigten Haaren ein wenig an Ryan.

  Seufzend ließ ich mir von Maxton die Tür aufschließen und betrat die große Eingangshalle. Das Haus war so aufgebaut, dass man immer durch die Halle gehen musste, egal wo man hinwollte. Dementsprechend war sie auch sehr geschmackvoll eingerichtet worden – inklusive einer riesigen Glaskuppel, die mein Vater für antiquiert hielt. Ich fand es einfach nur völlig übertrieben, doch meine Mutter hatte schon immer ein Faible für den imperialistischen Stil gehabt.

  Der Marmor quietschte unter meinen Schuhen, während ich das große Wohnzimmer ansteuerte. Wir hatten insgesamt drei Wohnzimmer: eines für die Familie, eines, in dem wir Besuch empfingen, und ein drittes, weil es offensichtlich nicht reichte, wenn man nur zwei Wohnzimmer besaß.

  Wie es der unglückliche Zufall wollte, hatte ich das richtige Wohnzimmer ausgesucht, denn als ich näher kam, hörte ich Gläser klirren, gefolgt von dem perfekten Lachen meiner Mutter. Keine Ahnung, wie man bei einem Lachen die richtige Tonlage treffen konnte, aber meine Mutter war dazu imstande.

  Ich bog um die Ecke und lugte misstrauisch in das sonnendurchflutete Zimmer. Zwei helle Sofagarnituren dominierten den Raum. Der Tisch in der Mitte war aus hellem Holz und so riesig, dass man darauf Stepp tanzen konnte. Die Südseite war vollkommen verglast, sodass man einen wundervollen Ausblick auf den gepflegten Garten und den Pool hatte. Die Terrassentür stand weit offen und mein Dad war gerade dabei, einem Pärchen den perfekten Ausholschwung zu demonstrieren, während meine Mom auf dem Sofa saß und zusah.

  Ich seufzte. So viel zu meinen Plänen. Typisch, dass sie sich nicht mal heute nur für mich Zeit nahmen und stattdessen Gäste einluden. Aber ich kannte es nicht anders. Am Ende schwatzte mein Vater ihnen eine Partie Golf auf, spendierte ein Dinner im Club und eventuell noch die Platzreife und zog somit elegant den nächsten großen Deal an Land.

  Sophie – unsere aktuelle Haushälterin aus Frankreich –, die gerade an der Bar meines Vaters etwas mixte, das wie ein Martini aussah, bemerkte mich als Erste und zwinkerte mir freundlich zu. Sekunden später drehte sich auch meine Mutter zu mir um. Sofort hatte ich das Gefühl, von einem Falken anvisiert zu werden.

  »Ivy«, rief sie überrascht, während sie mich kritisch musterte. Ihr war deutlich anzusehen, was sie von meinen Shorts und dem Einhorn-T-Shirt hielt. Dazu trug ich Sneaker und soweit ich mich gerade erinnerte, hatte ich mir heute Morgen nicht mal die Mühe gemacht, meine Haare zu kämmen, sondern sie nur schnell zu einem Dutt aufgetürmt.

  »Mäuschen, da bist du ja!«, sagte mein Vater erfreut, während er mir fröhlich zuwinkte. »Wir haben schon auf dich gewartet!«

  Die Besucher lächelten über seine Begrüßung und ich setzte meine beste Miene auf. Immer wenn Besuch anwesend war, spielten wir das Glückliche-Familie-Spiel. Die Regeln waren simpel: Es wurde freundlich gelächelt, mein Vater prahlte mit seinem schlauen Mäuschen, ich nickte, war brav und erzählte nur Unverfängliches. Und wenn die Gäste am Ende des Abends wieder gingen, hatten sie von den Redmonds den Eindruck einer Bilderbuchfamilie, die sich liebte und von der man nur bewundernd sprechen konnte.

  »Ivy, Liebes, schön, dass du da bist. Wir haben dich vermisst«, fügte nun auch meine Mutter hinzu. Dabei klang sie bewundernswerterweise weder affektiert noch gekünstelt. Sie schaffte es immer, solche übertriebenen Aussagen völlig ehrlich rüberzubringen.

  Ich unterdrückte ein Seufzen, ließ meine Handtasche neben das Sofa fallen und küsste sie auf die Wange.

  »Hallo, Mama. Schön, wieder hier zu sein«, spielte ich mit. Nach ein paar Sekunden richtete ich mich wieder auf und ließ mich von meinem Vater drücken, der mit seinem Besuch im Schlepptau hereinkam.

  »Mein Mäuschen. Frisch von der Uni für die Feiertage zurück«, prahlte er prompt los. »War die Fahrt sehr schlimm?«

  »Nein, alles gut.« Ich lächelte und streckte höflich meine Hand zu den Besuchern aus. »Hallo, ich bin Ivy«, stellte ich mich vor.

  Das Pärchen musste bereits auf Ende sechzig zugehen. Beide hatten grau melierte Haare und trugen Kleidung, die wohl leger aussehen sollte, der man aber allein an den perfekten Bügelfalten und dem Glanz des Stoffes ansehen konnte, dass es teure Qualität sein musste.

  »Das sind Mr und Mrs Goldberg. Sie sind Investoren unserer Kampagne«, stellte mein Vater das Ehepaar vor, während wir uns die Hand schüttelten. Der Händedruck der Frau war so schwach und flüchtig, als hätte sie Angst, mich zu berühren.

  »Goldberg?«, fragte ich und legte den Kopf schief. »Gehören Ihnen die Hotels und Boutiquen rund um Silicon Valley und Aspen?«

  »Ja, genau!« Mrs Goldberg nickte erfreut. Ihr Hals war so dünn, dass ich Angst bekam, ihr Kopf könnte einfach abbrechen. Ihr Mann war um einiges stämmiger und hatte ein Lächeln, das mehr wie ein Zähnefletschen aussah.

  »Sie haben eine sehr aufmerksame Tochter, Mr Redmond«, sagte er zu meinem Vater.

  »Ja, das habe ich wirklich. Sie ist ein tolles Mädchen«, erwiderte mein Vater und küsste meine Wange. Oha, es musste um verdammt viel Geld gehen. »Was möchtest du trinken, Liebes?«

  »Eine Cola, bitte.« Als ich den Blick meiner Mutter auffing, wandte ich mich mit einem unterdrückten Seufzen an das Hausmädchen. »Sophie, könntest du mir bitte eine Diät-Cola geben?«, fragte ich sie auf Französisch.

  »Gerne«, erwiderte sie freundlich, stellte den Martini auf den Tisch und füllte ein Glas Cola für mich.

  »Oh, du sprichst Französisch?«, erkundigte sich Mrs Goldberg neugierig.

  »Ein wenig.« Ich setzte ein bescheidenes Lächeln auf, von dem ich wusste, dass meine Eltern es sehen wollten. »Meine Grammatik ist leider nicht perfekt.«

  »Das hat sich aber anders angehört. Du klingst beinahe akzentfrei«, wechselte Mrs Goldberg plötzlich selbst ins Französische. »Meine Familie stammt ursprünglich aus Kanada«, fügte sie hinzu, als sie meinen überraschten Blick bemerkte. »Es ist selten, hier Französisch zu hören. Woher kannst du es?«

  »Ivy ist sehr sprachtalentiert«, sprang mein Vater ein, ebenfalls auf Französisch, wobei ihm eindeutig ein schwerer Akzent anzuhören war.

  Die Goldbergs nickten anerkennend.

  »Und du studierst?«, fragte Mr Goldberg.

  »Ja.« Zögerlich sah ich zu meinem Vater.

  »Sie geht ab nächstem Semester nach Princeton«, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken.

  Mr Goldberg wirkte beeindruckt, während Mrs Goldberg mich mit einem seltsam stechenden Blick ansah. »Und freust du dich auf Princeton? Hast du dich schon für eine Richtung entschieden?«, fragte sie interessiert.

  »Nein«, platzte es aus mir heraus. Als mein Vater sich übertrieben räusperte, verbesserte ich mich schnell. »Also, ich meine, ich habe mich noch für keinen Schwerpunkt entschieden, nein. Aber ich mag Sprachen und
Literatur.«

  Mrs Goldberg nickte zwar, trotzdem hatte ich den Verdacht, dass sie mehr ahnte, als meinen Eltern lieb war. »Hast du schon mal überlegt, im Ausland zu studieren? In Vancouver gibt es eine fantastische Universität. Ich für meinen Teil halte es für eine gute Sache, wenn sich junge Menschen auch abseits von zu Hause entfalten können. Meine Kinder haben allesamt im Ausland studiert. Und da dein Französisch so gut ist, wäre es doch schade, wenn du dieses Talent nicht förderst. Ich stehe in Verbindung mit dem Dekan der Ashton University. Wenn du möchtest, lege ich ein gutes Wort für dich ein.«

  Mir verschlug es regelrecht die Sprache, während ich mir ihre Worte immer wieder durch den Kopf gehen ließ. An diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich könnte weggehen. Am anderen Ende des Kontinents eine Sprache sprechen, die hier nur in den Grundzügen unterrichtet wurde – und die für meine Mutter so uninteressant war, dass sie davor zurückschrecken würde, mich zu besuchen. Mein Vater war ohnehin zu beschäftigt und es war eindeutig zu weit weg, als dass sie mich für ein paar langweilige Galadinner zurückrufen konnten.

  »Ich … ja … das ist eine toll…«

  »Aber nein, das geht nicht! Wir würden Ivy viel zu sehr vermissen. Und sie uns«, unterbrach mich meine Mutter lachend. »Familienzusammenhalt wird bei den Redmonds großgeschrieben. Und Princeton ist eine hervorragende Universität. Ich war selbst dort und davor schon meine Mutter. Es ist eine wundervolle Tradition, wie ich finde.«

  Mrs Goldberg lächelte, sah dabei jedoch nicht besonders begeistert aus. »Tradition ist wirklich eine gute Sache, allerdings halte ich nicht viel davon, wenn es die Jugend davon abhält, sich selbst zu entfalten. Aber wie auch immer, ich muss Ihnen ein Kompliment zu Ihren Vorhängen machen, Mrs Redmond. Ist das Chiffon?«, wechselte sie ziemlich abrupt das Thema.

  Erleichtert ging meine Mutter auf den Themenwechsel ein, während ich mitten im Raum stand und mich weit, weit weg wünschte.

  Ryan

  »Fllleeeisch! Ich liieeebe Fllleeeeisch! Besonders von kleinen bööösen Zwillingen.«

  Ich ignorierte den Schmerz in meiner Schulter und stapfte breitbeinig auf die beiden zu. Dabei wackelte ich herum wie eine Made, während ich meine Hände nach den kleinen Monstern ausstreckte.

  »Aaah, der Zombie kommt näher«, kreischte Sherly, die einen Kochtopf auf dem Kopf trug und einen Kochlöffel in meine Richtung schwang.

  Josh schnaubte und rückte das Nudelsieb auf seinem Kopf zurecht. »Ach, so langsam wie der ist, kommt er frühestens übermorgen bei uns an.«

  »Na wartet! Ich kann auch schneller …«, brummte ich, ließ mich auf alle viere fallen und krabbelte auf sie zu.

  Sherly schrie auf und warf ihren Löffel nach mir. Er zog einen knappen Meter an mir vorbei und zerdepperte eine Vase. Überrascht hielt ich inne und musterte die Scherben. Das würde Ärger geben.

  »Auf ihn«, brüllte Josh und warf ein Kissen nach mir. Er konnte besser zielen als Sherly und da ich immer noch abgelenkt war, landete das Ding kurz darauf direkt in meinem Gesicht.

  »Bääh …«, krächzte ich. »Zombie mag kein Kissen, schon gar nicht mit Blümchen drauf.«

  Überrascht stöhnte ich auf, als Josh sich auf meinen Rücken schwang und mich zu würgen begann. Verflucht! Der Kleine war vielleicht doch nicht mehr so klein. Mein Arm knickte ein und ich ging zu Boden, während mich Sherly mit einem Handstaubsauger attackierte.

  »Saug ihm die fauligen Augäpfel raus«, befahl Josh.

  Sherly nickte wild entschlossen, sodass ihre dunklen Locken auf und ab hüpften. Sie kam meinem Gesicht gefährlich nahe.

  »Aua, das ist meine Nase«, rief ich.

  »Zombies haben keine Nase«, belehrte mich meine kleine Schwester in bester Klugscheißermanier.

  »Dieser hier schon.« Ich warf Josh ab und stürzte mich auf Sherly.

  Sherly quietschte vor Lachen, als ich an ihrem Bein zu knabbern begann. »Mhmm… lecker Beinchen … ich liebe Beinchen von Sherly!«

  »Josh! Hilf mir«, schrie sie lachend.

  »Lass sie los«, brüllte Josh und knallte mir ein Buch – wo hatte er das auf einmal her? – auf den Kopf.

  Ich verdrehte die Augen, röchelte, warf mich auf den Rücken und zuckte mit den Beinen. »Zombie von Literatur erschlagen!«, krächzte ich und schloss mit einem übertriebenen Gurgeln die Augen.

  »Na endlich, ich dachte schon, der stirbt nie«, sagte Josh erleichtert. »Komm Sherly, wir skalpieren ihn!«

  »Jaaaa!«, rief sie begeistert.

  Moment! Sie wollten was? Erschrocken riss ich die Augen auf.

  »Okay, ihr kleinen Monster, ich glaube, das ist genug. Lasst Ryan in Ruhe.« Konstantin kam in den Raum gehumpelt und sah die Zwillinge streng an.

  »Neeein! Wir haben doch gerade erst angefangen«, jammerte Sherly.

  »Genau!«, sagte Josh beleidigt. Er hielt bereits eine Schere in der Hand. Scheiße, wo hatte er die denn her?

  »Okay, das reicht wirklich. Holt euch Kekse. Dad versteckt welche ganz unten in seinem Schreibtisch.«

  »Kekse«, jubelte Josh. Sofort ließ er die Schere fallen und rannte aus dem Wohnzimmer.

  »Ich bin schneller«, rief Sherly und eilte ihm hinterher.

  Erleichtert ließ ich mich zurück auf den Wohnzimmerboden fallen, schloss die Augen und atmete ein paarmal tief durch.

  »Hast du Schmerzen?«

  Ich hörte, wie Konstantin sich auf das Sofa setzte, seine Knie ausstreckte und ächzte.

  »Ein wenig«, murmelte ich und tastete nach der Einschusswunde. Manchmal fühlte es sich an, als würde immer noch eine Kugel drin stecken. Seit ich im Krankenhaus aufgewacht war, wollte mein Kopf einfach nicht zur Ruhe kommen. Hauptsächlich, weil eine gewisse Person in meinen Gedanken herumspukte. Andauernd nur sie.

  »Hier!«

  Ich öffnete die Augen und sah ein gelbes Pillendöschen vor meiner Nase schweben.

  »Danke«, murmelte ich, nahm eine Tablette aus dem Döschen und schluckte das Schmerzmittel trocken hinunter.

  »Du kannst so viel gut gelaunter Zombie spielen, wie du willst, ich sehe dir doch an, dass du mies drauf bist«, stellte mein Bruder fest.

  »Ach echt?«, knurrte ich und schloss wieder die Augen.

  »Seit wann kannst du eigentlich so gut schauspielern?«, wechselte Konstantin das Thema, als die Stille zwischen uns unangenehm wurde.

  Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. »Ivy hat mich in den Schauspielunterricht geschleift. Ihr Vollkornweizen war toll.«

  »Muss ich das kapieren?«

  »Nein.« Ich lachte und wurde gleich darauf wieder ernst. Verzweifelt versuchte ich, die schmerzhaften Erinnerungen an Ivy als Vollkornweizen wieder zu verdrängen.

  »Du vermisst sie, oder?«, fragte Konstantin leise.

  »Wen? Die Vollkornweizenfelder?.«

  »Du weißt genau, wen ich meine …«

  »Nein, keine Ahnung.«

  »Ryan!«

  »Konstantin!«, äffte ich ihn nach.

  Mein Bruder schnaubte. »Du benimmst dich wie ein Kleinkind. Wenn du sie vermisst, dann ruf sie doch einfach an.«

  »Oh, ich glaube, du bist die letzte Person, die mir darüber einen Vortrag halten darf«, sagte ich und setzte mich ruckartig auf. Wütend funkelte ich ihn an.

  Konstantin presste die Lippen zusammen. »Ich will nur, dass es dir gut geht. Du stehst ziemlich neben dir, seit du aus dem Krankenhaus entlassen wurdest. Du isst fast nichts, schläfst wenig und bist wortkarg. So kenne ich dich gar ni…«

  »Genau!« Ich ballte die Fäuste und musste mich zusammenreißen, um ihn nicht anzubrüllen. »Du kennst mich nicht! Weil du dich jahrelang nicht gemeldet hast. Du hast kein Recht …«

  »Whoa, ganz ruhig! Du hast ja recht. Ich bin ein Arsch, das ist uns allen klar. Und ich werde mein Leben lang daran arbeiten, meine Fehler wiedergutzumachen. Aber mach bitte nicht dieselben wie ich. Vor allem, wenn du Ivy wirklich magst. Zieh dich nicht von ihr zurück. Wenn du Ivy
magst …«

  »Ich mag sie nicht«, fauchte ich und sprang auf. Die Schmerzen ignorierte ich. »Ivy ist ein verzogenes Rich Kid, das andauernd Süßkram in sich reinstopft und jede Vorlesung verschlafen hätte, wenn ich sie nicht geweckt hätte. Sie ist wie ein kleines Kind, dem man hinterherrennen muss. Sie grunzt beim Lachen, denkt sich dämliche Gedichte aus, die sich nicht reimen, und sie hat die schönsten blauen Augen …« Ich schnappte nach Luft und starrte heftig atmend auf meinen Bruder hinab, der genauso überrascht von diesem Ausbruch zu sein schien wie ich selbst.

  »Schön zu wissen, dass du vollkommen normal in der Birne bist«, sagte er schließlich trocken. »Im Ernst, warum meldest du dich nicht bei ihr?«

  »Weil ich keine Lust auf ihr dummes Mitleid … Woher weißt du, dass ich nicht auf ihre Nachrichten antworte?«, fragte ich und kniff die Augen zusammen.

  Konstantin zögerte kurz, bevor er die breiten Schultern straffte. »Ich schreibe mit ihr«, gestand er schließlich.

  »Du tust was?«

  »Ich halte sie auf dem Laufenden, wie es dir gesundheitlich geht«, korrigierte er sich selbst. »Sie hat mich darum gebeten, als du nicht geantwortet hast. Sie macht sich Sorgen um dich.«

  »Und wann zum Teufel hattest du vor, mir das zu sagen?«

  »Eigentlich gar nicht.«

  »Was?«

  Konstantin verdrehte die Augen. »Komm mal runter. Ich hatte nicht gedacht, dass du die ganze Sache so in den Sand setzen würdest.«

  »Die ganze Sache? Welche Sache? Zwischen Ivy und mir gibt es keine Sache.«

  »Das glaubst du doch selbst nicht. Mir kannst du nichts vormachen.«

  »Zwischen uns ist nichts.« Ich presste die Lippen aufeinander. Ich war kurz davor, ihn mit seinem eigenen Stock zu verprügeln, damit er endlich die Klappe hielt. Aber das würde wohl meine Schulter nicht mitmachen. Verflucht!

  »Was ist denn dein Problem? Ich verstehe dich einfach nicht.« Konstantins Stimme klang so genervt, wie ich mich fühlte.

  »Mein Problem? Mein Problem ist, dass ich gefeuert werde, wenn ich etwas mit meiner Klientin anfange.«

 

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