Don't HATE me (Die Don't Love Me-Reihe 2) (German Edition)

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Don't HATE me (Die Don't Love Me-Reihe 2) (German Edition) Page 1

by Kiefer, Lena




  Autorin

  Lena Kiefer wurde 1984 geboren und war schon als Kind eine begeisterte Leserin und Geschichtenerfinderin. Einen Beruf daraus zu machen, kam ihr jedoch nicht in den Sinn. Nach der Schule verirrte sie sich in die Welt der Paragraphen, fand dann aber gerade noch rechtzeitig den Weg zurück zur Literatur und studierte Germanistik. Bald darauf reichte es ihr nicht mehr, die Geschichten anderer zu lesen – da wurde ihr klar, dass sie Autorin werden will. Heute lebt Lena Kiefer mit ihrem Mann in der Nähe von Bremen und schreibt in jeder freien und nicht freien Minute. Mit der »Don’t«-Reihe startet sie nach dem Erfolg ihrer »Ophelia Scale«-Trilogie nun ihr erstes New-Adult-Projekt.

  Von Lena Kiefer sind bei cbj erschienen:

  Don’t LOVE me (Band 1)

  Don’t KISS me (E-Short)

  Ophelia Scale – Die Welt wird brennen (Band 1)

  Ophelia Scale – Der Himmel wird beben (Band 2)

  Ophelia Scale – Die Sterne werden fallen (Band 3)

  Ophelia Scale – Wie alles begann (E-Short)

  Mehr über cbj auf Instagram unter @hey_reader

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  © 2020 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der

  Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

  Neumarkter Str. 28, 81673 München

  Alle Rechte vorbehalten

  Umschlaggestaltung: Kathrin Schüler, Berlin

  unter Verwendung zweier Motive von © Gettyimages (oxygen/Moment)

  sh • Herstellung: AJ

  Satz und E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

  ISBN: 978-3-641-26273-0

  V001

  www.cbj-verlag.de

  Für Kathrin,

  weil du die Kenzie für meine Willa bist.

  1

  Lyall

  Der Lake Michigan sah um diese Jahreszeit aus, als wären wir auf einem fremden Planeten. Eis, so weit das Auge reichte, teils gebrochen, übersät mit Kristallen und Schnee. Ich stoppte und besah mir das surreale Bild, genau wie zahlreiche Leute entlang des Ufers, die ihre Smartphones gezückt hatten und das Schauspiel mit der Kamera festhielten. Meine eigene Faszination hielt sich in Grenzen, stattdessen war ich genervt. Zwar hatte ich nichts gegen Kälte, aber in diesem Fall bedeutete sie, dass ich schon seit Monaten nur im Indoor-Pool meines Wohnhauses schwimmen konnte und nicht draußen. Wahrscheinlich hätte ich vor dreieinhalb Jahren doch besser den Studienplatz in Los Angeles annehmen sollen.

  Ich skippte auf meinem Kopfhörer zum nächsten Track in der Running-Playlist und setzte mich wieder in Bewegung. Eisiger Wind blies mir um den Kopf, als ich Richtung Navy Pier joggte, auf den Ohren Water von Bishop Briggs. Ich ließ die Vergnügungsmeile rechts liegen und schlug den Weg abseits der Luxusgeschäfte ein, die links begannen. Es war ein typischer Januartag, grau und irgendwie düster, sodass man glatt vergessen konnte, dass es bald wieder Frühling sein würde. Vielleicht lag das aber auch nur an mir.

  Ich wich zwei Leuten aus, die Fotos vor dem Disney Store machten, und wurde langsamer. Vor mir ragte das John Hancock Center auf, dessen beeindruckender Fassade ich nach über drei Jahren in dieser Stadt immer noch nicht müde wurde. Der Teil meines Herzens, der für Architektur schlug, hüpfte erfreut bei diesem Anblick. Was gut war, denn so wusste ich, dass es noch zu Emotionen fähig war. Theoretisch zumindest.

  Die Kälte wurde beißender, also steuerte ich auf direktem Kurs meine Wohnung an und war froh, als ich ins warme Foyer kam. Der Portier grüßte mich freundlich, und ich erwiderte es, bevor ich den Aufzug nach oben zu meiner Wohnung nahm, mir ein Handtuch aus dem Schrank schnappte und dann ins Untergeschoss fuhr, wo das Apartmenthaus über ein Schwimmbad verfügte. Das war mir im Gegensatz zur Aussicht oder der Größe der Wohnung damals am wichtigsten gewesen.

  Das Becken war verlassen, niemand schien es am späten Nachmittag benutzen zu wollen. Ich zog die Trainingsklamotten aus und sprang nach einer schnellen Dusche ins Wasser, zog meine Bahnen, fast eine Stunde lang. Wie immer fegten mir die Stille und der sanfte Druck auf meinen Ohren alle Gedanken aus dem Kopf. Zu schwimmen war die einzig wirksame Methode, wie ich zur Ruhe kam. Mich von den Gefühlen frei machen konnte, die mich seit Ewigkeiten quälten, von dem Schmerz, der Schuld, dem Abgrund, der sich immer wieder vor mir auftat. Die Schwärze, die sich sonst nur ab und zu gemeldet hatte, war nun mein ständiger Begleiter. Als ich schließlich auftauchte und ausatmete, fühlte ich mich jedoch etwas leichter. Ich sank für einen Moment auf die Liege neben dem Ausgang und atmete durch.

  Da sprach mich jemand an.

  »Hey, Lyall. Was für ein Zufall. Ich wusste gar nicht, dass du auch um diese Zeit schwimmst.«

  Ich sah auf.

  »Hey, Sophia. Ist eigentlich nicht meine Zeit, aber ich habe noch an der Projektarbeit gesessen, deswegen bin ich spät dran.«

  Sophia wohnte zwei Stockwerke unter mir, ein hübsches Mädchen mit dunklen Haaren, hellen Augen und einer Figur, die selbst meinen Cousin Finlay hätte interessiert aufsehen lassen. Außerdem studierte sie wie ich Architektur, so viel hatte ich auf dem Flur schon erfahren, als sie vor ein paar Wochen eingezogen war.

  »Ich habe übrigens die Doku über Norman Foster gesehen, die du mir empfohlen hast«, sagte sie. »Die war echt krass interessant. Keine Ahnung, wieso ich sie noch nicht kannte, wo ich doch so auf strukturellen Expressionismus stehe.«

  Ich nickte. »Sag ich doch, es ist ein Geheimtipp.«

  »Wo du das erwähnst …« Sie lächelte. »Ich wollte mir heute Abend Pizza holen und die anderen Geheimtipps von dir ansehen. Hast du Lust? Meine Couch ist gestern endlich angekommen, wir müssten also nicht einmal auf dem Boden sitzen.«

  Es wäre so leicht gewesen, darauf einzugehen. Mit ihr etwas zu essen, die Dokumentation zu gucken, über Architektur zu quatschen, vielleicht mehr. Wäre ich ein normaler Typ gewesen, hätte ich keine Sekunde darüber nachgedacht. Aber Sophia war keines der Mädchen, mit denen man ins Bett ging und sie danach vergaß. Und ich suchte definitiv nicht nach mehr als Sex. Wenn mich der letzte Sommer eine Sache gelehrt hatte, dann, dass eine Beziehung etwas war, das ich nie haben konnte.

  »Würde ich gerne, aber ich habe bald Abgabe für die Projektarbeit und sollte vernünftig sein«, sagte ich deswegen.

  Sophias Lächeln wurde schwächer. Jeder Mensch, der auch nur ansatzweise zwischen den Zeilen lesen konnte, musste meine Worte als Abfuhr verbuchen.

  »Klar«, antwortete sie also gedämpft. »Uni geht vor.«

  »Ja, leider.« Ich hängte mir das Handtuch um den Hals und nahm meine Sachen. »Wir sehen uns.«

  Sie nickte nur, und ich ging, ihre Enttäuschung im Nacken. Es war richtig gewesen, sie abblitzen zu lassen, aber es tat mir dennoch leid. Sophia konnte nicht wissen, dass ich sie weder zu wenig interessant noch zu wenig hübsch fand. Sie konnte nicht wissen, dass mein Herz nicht nur gebrochen war, sondern auch besetzt. Dass ich manchmal auf meine Lernunterlagen starrte und nichts davon sah, weil nur sie in meinem Kopf war.

  Kenzie .

  Fast fünf Monate war es her, seit ich sie zuletzt gesehen hatte. Seit sie mich auf der Straße außer
halb von Kilmore angefaucht hatte, ihr die Wahrheit zu sagen. Immer noch sah ich ihren Gesichtsausdruck vor mir, diese Mischung aus Abscheu, Fassungslosigkeit und Kummer. Und einen Funken Hoffnung darauf, dass das, was sie erfahren hatte, gelogen war.

  Ich hatte diesen Funken erstickt. Und sie war gegangen. Für immer.

  Seither hatte ich nicht ein einziges Mal versucht, sie anzurufen. Klar, ich hatte oft das Telefon in der Hand gehabt und »Miss Bennet« vor mir auf dem Display gesehen, aber ich hatte nie auf das Symbol mit dem Hörer gedrückt. Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Wie ich das erklären oder wiedergutmachen konnte. Oder ob ich es sollte, wo sie ohne mich doch viel besser dran war. Also hatte ich es gelassen. Ihre Nummer war zwar noch da, und manchmal sah ich sie, wenn ich nach einem anderen Kontakt suchte. Gewählt hatte ich sie jedoch nie.

  Wie hatte ich glauben können, dass sie das mit Ada nie erfahren würde? Oder, noch dümmer, dass sie nicht gehen würde, wenn sie Bescheid wusste? Das waren nur zwei der Fragen, die mich seitdem quälten. Aber mit der Zeit waren sie leiser geworden, denn ich kannte die Antwort: Weil ich mich Hals über Kopf in Kenzie verliebt und darauf gehofft hatte, alles andere wäre unwichtig.

  Ich fuhr hoch in meine Wohnung und schaltete meinen Laptop ein, um nach den Mails zu sehen. Eine davon war von meinem Cousin Logan, der vor Kurzem seinen Abschluss gemacht hatte und jetzt unsere Augen und Ohren im Familienrat war. Seit er einen Platz am Tisch bekommen hatte, wussten wir – die jüngere Generation, die unsere Familie in naher Zukunft auf einen neuen Kurs bringen wollte – viel besser, was vor sich ging, und ich konnte schneller reagieren, um die Informationen zu nutzen. Immerhin, an dieser Front lief also alles nach Plan.

  Als ich aus der Dusche kam und mich abtrocknete, vibrierte mein Telefon nebenan auf dem Bett. Ich steckte das Handtuch um meine Hüften fest und nahm den Anruf an.

  »Hey, Mum. Zweimal in einer Woche? Hast du etwa nichts zu arbeiten?«

  »Haha«, kommentierte meine Mutter den Scherz. »Vielleicht möchte ich ja nur ab und zu hören, wie es meinem Lieblingssohn so geht?«

  »Du hast nur einen Sohn.«

  »Ach, Details. Wie geht es dir, mein Schatz?«

  Ich unterdrückte ein Seufzen. Seit mich meine Mutter vor ein paar Wochen besucht und festgestellt hatte, dass ich eigentlich nur noch in die Uni und zum Sport ging – wenn ich nicht gerade lernte – hatte sie beschlossen, sich zu sorgen. Dabei hatte sie keine Ahnung, warum ich mich in mein Studium vergrub.

  »Mir geht es gut, Mum«, versicherte ich ihr. »Genau wie am Mittwoch. Und in der Woche davor. Du hast keinen Grund, dir Gedanken zu machen.«

  Sie unterdrückte ihr Seufzen nicht. »Dann gehst du wieder aus? Hast Spaß? Oder Dates?«

  »Klar«, log ich. »Ständig.«

  »Du bist ein grauenhafter Lügner.«

  Etwas an dem Satz packte mein Inneres und mir blieb mit einem Schlag die Luft weg. Diese Worte waren so gängig, und trotzdem lag ich mit einem Mal wieder blutend auf dem dunklen Weg in Kilmore, Kenzie im Schein der Handytaschenlampe über mir, während sie genau diesen Satz sagte. Aber sie hatte unrecht gehabt, ich war ein hervorragender Lügner. Das hatte sie wenig später selbst gemerkt.

  »Ich habe Spaß, okay?«, brachte ich heraus.

  »Gut.« Mum wirkte nur halb überzeugt. »Was ist eigentlich mit der Einladung?«

  »Welche Einladung?« Ich gab mich unschuldig. Meine Post lag auf dem Schreibtisch am Fenster, darunter auch ein schwerer Umschlag aus teurem Papier, bedruckt mit dem Logo der Henderson-Hotelgruppe. Ich ging hinüber und nahm ihn in die Hand, zog die Karte aber nicht heraus. Ich hatte den Brief schon letzte Woche geöffnet und wusste, was drinstand.

  Lieber Mister Lyall Henderson, anlässlich der Eröffnung der Erweiterung unseres Hotels laden wir Sie herzlich zu unserer Eröffnungsfeier am 1. Februar ins Kilmore Grand ein. Abendgarderobe wird erbeten. Antwort bis 18. Januar. Wir freuen uns auf Ihr Kommen, Moira Henderson und das Team des Kilmore Grand.

  »Die Einladung, auf die du Moira hin abgesagt hast.«

  Wieder zog sich etwas in mir zusammen. »Ah, richtig, die Einladung. Und?« Mit einem präzisen Wurf beförderte ich den Umschlag in den Papierkorb am anderen Ende des Raums. Ich würde ganz sicher nicht zu der Eröffnung gehen.

  »Muss ich dir das wirklich sagen?«, fragte meine Mutter. »Man erwartet dich dort. Du warst an dem Projekt beteiligt, außerdem wünscht deine Großmutter die Anwesenheit der gesamten Familie. Nach Weihnachten solltest du dir das wirklich nicht erlauben.«

  Richtig, Weihnachten. Da hatte ich eine Grippe vorgetäuscht, um nicht anreisen zu müssen. Grandma hatte natürlich die Nase darüber gerümpft, aber doch eingesehen, dass ich in meinem Zustand besser nicht an den familiären Feierlichkeiten teilnahm.

  »Gibt es einen Grund, warum du nicht nach Kilmore willst?«, fragte Mum weiter.

  Ich schwieg, weil mir darauf keine Antwort einfiel. Zwar hätte ich ihr die Wahrheit sagen können, aber damit eine riesige Lüge aufdecken müssen: Meine Mutter glaubte nämlich, dass ich mich von Kenzie getrennt hatte, um meine Zukunft nicht zu gefährden. Nachdem sie im Sommer aus Kilmore verschwunden war, hatte ich niemandem außer Finlay erzählt, dass Kenzie über Ada Bescheid wusste. Denn wenn jemand aus der Führungsriege etwas davon erfahren hätte, dann wäre Kenzie unter Beschuss geraten. Man hätte sie Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen lassen und ihr Geld geboten, damit sie den Mund hielt. Nichts davon hatte ich für sie gewollt – und egal, wie sehr sie mich verachtete, hoffte ich doch, sie würde nichts verraten und die Aufnahme von Adas und meinem letzten Telefonat niemandem vorspielen. Also hatte ich Mum gegenüber geschwiegen. Und konnte ihr deswegen jetzt nicht die Wahrheit sagen.

  »Lyall Toran Henderson«, hörte ich sie jetzt sagen. Wenn sie meinen vollen Namen nannte, meinte sie es auf jeden Fall ernst. »Du wirst nicht wieder eine Ausrede erfinden, um nicht aufzutauchen.«

  »Okay, keine Ausrede. Wie wäre es dann damit, dass ich dieses Jahr meinen Abschluss mache und viel zu tun habe? Oder mit dem Ökowahnsinn, für einen einzigen Abend von Chicago nach Edinburgh zu fliegen? Das sind keine Ausreden, sondern Fakten.«

  Keine hundert Pferde würden mich zu dieser Eröffnung bringen. Allein schon bei dem Gedanken, Kenzie in Kilmore zu begegnen, befiel mich blanke Panik. Ich wusste, die Chance, dass sie dort sein würde, war gering. Auch wenn sie an dem Projekt mitgearbeitet hatte, wollte sie vermutlich nicht an den Ort zurückkehren, der für sie vor allem mit schlechten Erinnerungen an mich verbunden war. Und ich konnte es kaum riskieren, dass meine Großmutter mich noch mehr auf dem Kieker hatte als sonst. Aber trotzdem musste ich auf Nummer sicher gehen. Obwohl es einen Teil in mir gab, der alles dafür gegeben hätte, sie noch einmal zu sehen, wusste der andere, rationale Part von mir genau: Wenn ich auf Kenzie traf, würde es mich endgültig in meine Einzelteile zerlegen.

  »Es tut mir leid, Mum«, sagte ich. »Ich kann nicht.«

  Dann legte ich auf.

  2

  Kenzie

  »Du gehst schon?« Ein fragender Blick traf mich. Ein Blick aus schönen blauen Augen, die zu einem hübschen Gesicht mit zerstrubbelten blonden Haaren und einem sehr ansehnlichen Körper gehörten. Dem meines Ex. Und der war heute offenbar anhänglicher als sonst.

  »Ja, ich bin mit dem Kochen dran.« Eilig zog ich Shirt und Pullover zusammen über den Kopf – genauso, wie Miles mir beides ausgezogen hatte – und fahndete nach meiner Jeans. Lag die noch im Flur?

  »Okay, aber …« Er stützte sich auf seine Ellenbogen und sah mich an. »Wollen wir am Wochenende etwas essen gehen? Vielleicht in London. Du mochtest doch diesen Thai so gerne, draußen in Camden.«

  Ich atmete ein. »Ehrlich gesagt … Ich glaube, das ist keine gute Idee. Du weißt doch, wir taugen nicht für eine Beziehung.« Der letzte Versuch war schließlich desaströs gewesen. »Für mich ist es gut so, wie es ist. Aber wenn du anders darüber denkst, sag es einfach. Dann beenden wir das hier.«

  Er schüttelte den Kopf. »Nein, Quatsch, ich dachte nur, dass du … keine Ahnung. Dass dir das irgendwann nicht mehr reicht, eine schnelle Nummer und da
nn Ciao.«

  Ich lächelte ihn kurz an. »Es reicht mir, okay?« Eigentlich war es genau das, was ich wollte. Mein Hirn abschalten, nichts fühlen müssen, mich auf keinen Fall wieder öffnen. Miles war perfekt für dieses Arrangement. Ich kannte ihn, und auch wenn er ein Idiot war, konnte ich sicher sein, er würde mir nicht das Herz brechen. Denn dazu bedeutete er mir zu wenig. Ganz anders als … Nein. Aus.

  »Willst du mir eigentlich irgendwann sagen, was da los war? Im Sommer in Schottland?« Miles setzte sich auf und zog die Stirn kraus. »Du fährst weg, kommst wieder und bist … das hier.« Er deutete auf seine Wohnung, auf sein Bett, und fasste damit alles zusammen, was in der letzten Stunde passiert war. So lief das nämlich seit Monaten zwischen uns. Einer von uns rief an, es gab Sex, wir verabschiedeten uns, fertig. »Ich meine, ich will mich nicht beschweren, es ist toll, aber –«

  »Dann beschwer dich doch einfach nicht.« Ich lächelte leicht und war schon halb draußen. »Mach’s gut, Miles.«

  Die Wohnungstür lag hinter mir, bevor er antworten konnte, und ich lief eilig die Treppe hinunter, um zum Parkplatz zu gehen. Der alte Fiat meiner Schwester Willa stand in der hintersten Reihe, also zog ich meinen Mantel zu, während ich darauf zu stiefelte. Januar war definitiv mein Hass-Monat. Die behagliche Wärme von Weihnachten war weg, gute Vorsätze hatte ich mir gleich gespart und wurde stattdessen von dem Verdacht verfolgt, dass dieses Jahr kaum besser werden würde als das letzte. Wobei … schlimmer ging ja kaum.

  Ich rammte den Schlüssel in das vereiste Schloss, zog die knarzende Tür des Mini-Autos auf und ließ mich auf den Fahrersitz fallen, bevor ich den Wagen anließ. Oder eher, es versuchte – denn er gab nur ein hustendes Röcheln von sich, das schnell wieder erstarb.

  »Oh, komm schon, Fozzie Bear, lass mich nicht im Stich«, flehte ich den altersschwachen Fiat an, den Willa so sehr liebte, dass sie sich nicht dazu überreden ließ, ein zuverlässigeres Auto zu fahren. Sie behauptete beharrlich, dass der Wagen mit Benzin und Liebe einwandfrei fuhr. Was wohl der Grund dafür war, warum das Mistding trotz vollem Tank bei mir streikte.

 

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