Exodus
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Es gelang den Juden, ein paar Maschinen in Dienst zu stellen, und sie errangen einen großen Luftsieg, indem sie einen ägyptischen Kreuzer vertrieben, der an der Küste erschienen war, um Tel Aviv zu beschießen.
WEST-GALILÄA
Kawukys Irreguläre hatten es im Laufe von sechs Monaten immer noch nicht fertiggebracht, auch nur eine einzige jüdische Siedlung zu erobern. Kawuky verlegte sein Hauptquartier in das vorwiegend arabisch besiedelte Gebiet in der Mitte von Galiläa, in der Gegend von Nazareth. Hier wartete er auf die Vereinigung mit den syrischen, libanesischen und irakischen Streitkräften, die aber niemals erfolgen sollte. Im Gebiet von Nazareth gab es viele Araber christlichen Glaubens, die nichts mit dem Krieg zu tun haben wollten und Kawuky wiederholt aufforderten, sich aus dem Teggart-Fort von Nazareth zu entfernen.
Der größte Teil von West-Galiläa war vom Feind gesäubert worden, bevor die Invasion der arabischen Armeen erfolgte. Haifa war in die Hand der Juden gefallen, und die Operation »Eiserner Besen« der Chanita-Brigade hatte mit vielen feindlichen Stützpunkten aufgeräumt. Nach dem Fall der arabischen Stadt Akko beherrschten die Juden das gesamte Gebiet bis hinauf zur libanesischen Grenze. Bis auf Kawuky war Galiläa frei vom Feind.
Der angekündigte großangelegte »Plan« der Araber war zu einem völligen Fehlschlag geworden. Der neugeborene jüdische Staat hatte die erste Erschütterung der Invasion mannhaft bestanden. Überall auf der ganzen Welt schüttelten die militärischen Fachleute ungläubig staunend die Köpfe. An hundert Fronten hatten die Juden einen Krieg gegen die irregulären Streitkräfte geführt und sich dort an einem Dutzend weiterer Fronten siegreich im Kampf gegen zahlenmäßig stark überlegene reguläre Truppen des Gegners behauptet.
Der größte Erfolg von der arabischen Seite war von der Legion errungen worden, die noch immer Latrun in ihrer Hand hatte, die Schlüsselstellung für die Blockade Jerusalems. Die übrigen arabischen Armeen hatten zusammen nur eine Handvoll von Siedlungen, aber keinerlei größere Ortschaften oder Städte erobert. Es war ihnen allerdings gelungen, bedrohlich nahe an Tel Aviv heranzukommen.
Waffen kamen jetzt in großen Mengen nach Israel herein, und mit jedem Tag verbesserte sich die militärische Ausrüstung der Juden. Am Tag der Proklamation eines unabhängigen jüdischen Staates war der erste Spatenstich für sechs neue Siedlungen erfolgt, und während der ganzen Zeit der Invasion begründeten neue Einwanderer weitere Gemeinschaftssiedlungen. Ein Staat nach dem andern erkannte Israel an.
X.
Barak ben Kanaan hatte in Europa eine Reihe diplomatischer Aufgaben erfüllt und Verträge über Waffenlieferungen abgeschlossen. Er war allmählich krank vor Heimweh und bat darum, nach Israel zurückkehren zu dürfen. Er war jetzt über Achtzig, und seine Kräfte begannen merklich nachzulassen, wenn er das auch nicht zugeben wollte.
Er kam nach Neapel, um von hier aus mit dem Schiff weiterzufahren. Er wurde von Israelis begrüßt, die in Neapel ein Büro unterhielten. Es waren größtenteils Agenten von Aliyah Bet, die jetzt damit beschäftigt waren, die DP-Lager in Italien zu räumen, so rasch es der Schiffsraum erlaubte, den sie beschaffen konnten. Denn alle Arbeitskräfte wurden in Israel dringend benötigt. Einwanderer in wehrfähigem Alter wurden sofort nach ihrer Landung in Ausbildungslager überführt. Alle anderen wurden zu einem großen Teil an die Grenzen geschickt, um dort Wehrsiedlungen zu errichten.
Baraks Ankunft in Neapel wurde zum Anlaß für eine Zusammenkunft, und die Lampen in den Quartieren der Israelis brannten bis spät um Mitternacht. Bei vielen Cognaks wollten alle immer wieder die Geschichte des »Wunders von Lake Success« hören.
Dann kam die Rede auf den Krieg. Besonders besorgt waren alle über die Belagerung von Jerusalem; eben war die Nachricht durchgekommen, daß ein neuer Versuch, Latrun zu erobern, fehlgeschlagen war. Niemand wußte, wie lange die hunderttausend eingeschlossenen Zivilisten noch aushalten konnten.
Gegen zwei Uhr morgens kam man auf einen kleinen Privatkrieg zu sprechen, den die Israelis hier in Neapel um ein Schiff namens Vesuvius führten, einen italienischen Frachter von viertausend Tonnen. Die Vesuvius war von den Syrern gechartert worden, um Waffen nach Tyra zu bringen. Die Ladung umfaßte zehntausend Gewehre, eine Million Schuß Munition, tausend Maschinengewehre, tausend Granatwerfer und alle möglichen anderen Waffen.
Vor einem Monat war die Vesuvius kurz vor dem Auslaufen gewesen. Durch einen befreundeten Beamten des italienischen Zolls hatten die Israelis Kenntnis von dem Schiff und seiner Ladung erhalten, und in der Nacht vor der festgesetzten Ausreise schwammen israelische Froschmänner an das Schiff heran und befestigten unterhalb der Wasserlinie Haftminen an seinem Rumpf. Die Minen sprengten zwar drei ansehnliche Löcher in die Bordwand der Vesuvius, brachten jedoch nicht, wie man gehofft hatte, die an Bord befindliche Munition zur Explosion. Das Schiff sank zwar teilweise unter die Wasseroberfläche, ging aber nicht unter.
Der syrische Oberst Fawdzi, der die Verantwortung für diese Ladung hatte, die einen Wert von vielen Millionen Dollar besaß, ließ das Schiff ins Trockendock bringen, wo die Löcher in der Bordwand repariert wurden. Er holte fünfzig arabische Studenten aus Rom und Paris herbei, die die Umgebung des Schiffes bewachten, und ersetzte die Crew von zwölf Mann durch Araber. Nur der Kapitän und der Erste und Zweite Offizier waren Italiener von der Reederei, der die Vesuvius gehörte. Der Kapitän, der den aufgeblasenen Oberst Fawdzi nicht riechen konnte, versprach den Israelis heimlich, daß er ihnen helfen wolle, allerdings nur, wenn sie ihm zusicherten, sein Schiff nicht noch einmal zu beschädigen. Und jetzt hatten sie gerade wieder die Mitteilung bekommen, daß die Vesuvius bereit zum Auslaufen sei.
Die Israelis mußten unter allen Umständen zu verhindern versuchen, daß die Waffen nach Tyra gelangten — doch wie sollten sie das Schiff aufhalten? Sie hatten sowohl den italienischen Beamten als auch dem Kapitän die Zusicherung gegeben, das Schiff im Hafen nicht in die Luft zu sprengen. Doch wenn die Vesuvius erst einmal auf hoher See war, konnte die israelische Flotte, die nur aus drei Korvetten bestand, sie nie und nimmer finden.
Barak ben Kanaan war von der Schwierigkeit des Problems sehr beeindruckt. Er hatte schon oft anscheinend unlösbaren Problemen ähnlicher Art gegenübergestanden und sie zu lösen gewußt. Sein Kopf begann zu arbeiten. Als der Tag anbrach, hatte er die Einzelheiten eines neuen phantastischen Planes entwickelt. Zwei Tage später verließ die Vesuvius ihren Liegeplatz im Hafen von Neapel, und Fawdzi hatte als besondere Vorsichtsmaßnahme den italienischen Zweiten Offizier aus der Funkbude entfernt. Doch die Israelis waren nicht auf Funkverbindung angewiesen. Sie waren auch so über den genauen Zeitpunkt des Auslaufens der Vesuvius informiert. Das Schiff hatte das Hafengebiet kaum verlassen, als ein Zollkutter mit dröhnendem Lautsprecher angebraust kam.
Fawdzi, der kein Italienisch verstand, kam in das Ruderhaus gestürmt und verlangte von dem Kapitän Auskunft, was das Ganze zu bedeuten hatte.
Der Kapitän zog die Schultern hoch und sagte nur: »Wer weiß?« »Hallo, Vesuvius!« ertönte es aus dem Lautsprecher. »Halten Sie sich bereit, ein Zollkommando an Bord zu nehmen!«
Eine Jakobsleiter wurde ausgebracht, und zwanzig Mann in italienischer Zolluniform kamen eilig an Bord.
»Ich verlange Auskunft, was das zu bedeuten hat!« schrie Oberst Fawdzi wütend.
Der Anführer des Zollkommandos, ein rotbärtiger Riese, der eine auffallende Ähnlichkeit mit Barak ben Kanaan hatte, trat vor und sagte zu Fawdzi auf Arabisch: »Wir haben Kenntnis davon erhalten, daß ein Mann Ihrer Crew in einem der Laderäume einen Zeitzünder angebracht hat«.
»Unmöglich!« schrie Fawdzi.
»Wir haben erfahren, daß der Mann von den Juden bestochen wurde«, erklärte der Mann mit dem roten Bart ernsthaft. »Wir müssen uns aus dem Hafengebiet entfernen, bevor das Schiff explodiert.«
Fawdzi wurde unsicher und verwirrt. Er hatte keine Lust, mit der Vesuvius in die Luft zu fliegen; ebensowenig gefiel ihm die Vorstellung, mit dieser sonderbaren Bande italienischer »Zollbeamter« an Bord hinaus auf See zu gehen. Andererseits konnte er sich auch nicht gut als Feigling erweisen und darum bitten, von Bord gebr
acht zu werden.
»Rufen Sie Ihre Crew zusammen«, sagte der bärtige Riese. »Wir werden feststellen, wer der Attentäter ist, und er wird uns mitteilen, wo sich die Höllenmaschine befindet.«
Die arabische Crew wurde im Laufgang versammelt und »verhört«. Im Verlauf dieses Verhörs passierte die Vesuvius die Drei-MeilenGrenze, und der Zollkutter kehrte nach Neapel zurück. Die getarnten Aliyah-Bet-Agenten nahmen Fawdzi und seine Crew fest. Einige Zeit später, als sie ein Stück weiter auf See hinaus waren, gaben sie der Crew einen Kompaß und eine Karte und setzten sie in einem Ruderboot aus. Oberst Fawdzi wurde an Bord in seiner Kabine eingesperrt. Die Israelis übernahmen das Schiff, das nun mit voller Fahrt auf die hohe See hinaussteuerte.
Sechsunddreißig Stunden später kamen zwei Korvetten, die den Totenkopf geflaggt hatten, an die Vesuvius heran, machten links und rechts von dem Frachter fest, übernahmen die Ladung und die israelische Crew und entfernten sich eiligst, nachdem sie das Funkgerät unbrauchbar gemacht hatten. Die Vesuvius kehrte daraufhin nach Neapel zurück.
Oberst Fawdzi tobte vor Wut und verlangte eine genaue Untersuchung dieser Seeräuberei. Der italienische Zoll, der von den Arabern beschuldigt wurde, den Juden Kutter und Umformen zur Verfügung gestellt zu haben, erklärte, ihm sei von der ganzen Sache nichts bekannt. Die Bewegung jedes einzelnen Zollkutters sei genau im Logbuch aufgezeichnet und für jedermann leicht nachzuprüfen. Die arabische Crew war nicht bereit, irgend etwas zuzugeben, was sie kompromittiert hätte, und so schilderten die zwölf Mann die Geschichte in zwölf verschiedenen Versionen. Der italienische Kapitän dagegen und sein Erster und Zweiter Offizier beschworen, daß die arabische Crew desertiert sei, als sie festgestellt habe, daß sich im Laderaum Sprengstoff befand. Bald hatte ein ganzes Heer von Anwälten die Sache durch einander widersprechende Darstellungen derart verwickelt, daß es völlig unmöglich war, den wahren Sachverhalt noch festzustellen. Die Israelis in Neapel machten die Verwirrung vollständig, indem sie das Gerücht in Umlauf brachten, daß Fawdzi ein jüdischer Agent und die Vesuvius ein jüdisches Schiff war, das die Araber gestohlen hätten.
Oberst Fawdzi tat das einzige, was ihm in dieser Lage noch übrigblieb. Er täuschte Selbstmord vor und verschwand spurlos. Und offenbar weinte ihm auch niemand eine Träne nach.
Zwei Tage nach der Übernahme der Ladung der Vesuvius brachten die Korvetten, die jetzt den Davidstern gehißt hatten, Barak im Triumph nach Israel zurück.
XI.
Ari ben Kanaan bekam den Befehl, sich in Tel Aviv zu melden. Das Oberkommando befand sich in einer Pension in Ramat Gan. Auf dem Dach des Gebäudes wehte der Davidstern, und überall standen uniformierte Posten der neuen israelischen Armee, die die Personalausweise prüften.
Vor dem Gebäude parkten an die hundert Jeeps und Motorräder, und überall herrschte lebhafte militärische Geschäftigkeit. Pausenlos kamen Telefongespräche an.
Von einer Ordonnanz wurde Ari durch den Beratungsraum des Generalstabs geführt, wo die Kampffronten auf großen Karten abgesteckt waren, dann durch den Nachrichtenraum, wo an zahlreichen Geräten Funker saßen, die die Nachrichtenverbindung mit den Frontabschnitten und den Siedlungen aufrechterhielten. Ari sah sich um und mußte daran denken, wie wenig Ähnlichkeit dies hier mit dem einstigen Hauptquartier der Hagana hatte, das aus einem ramponierten Schreibtisch bestand, der von Keller zu Keller geschleppt wurde.
Avidan, bisher Kommandeur der Hagana, hatte das offizielle Kommando an jüngere Männer von Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig abgegeben, die sich als Offiziere im britischen Heer Kriegserfahrung erworben hatten oder, wie Ari, in jahrelangem Kampf gegen die Araber gestanden waren. Avidan war jetzt Verbindungsoffizier zwischen der Armee und der provisorischen Regierung, und obwohl er keinen offiziellen Posten bekleidete, war er immer noch ein sehr angesehener und einflußreicher Mann.
Er begrüßte Ari mit großer Herzlichkeit. Es war für Ari schwer, festzustellen, ob Avidan müde oder eben aufgewacht, ob er bekümmert oder heiter war, denn Avidans Gesicht zeigte immer den gleichen Ausdruck feierlichen Ernstes. Sie gingen in sein Dienstzimmer, und Avidan gab Anweisung, ihn nicht zu stören. »Einen tollen Laden habt ihr hier«, sagte Ari.
»Ja«, sagte Avidan, »es sieht sehr anders aus als früher, und ich kann mich noch gar nicht so richtig daran gewöhnen. Manchen Morgen fahre ich hierher und erwarte allen Ernstes, daß plötzlich die Engländer ankommen und uns alle miteinander ins Gefängnis stecken könnten.«
»Keiner von uns hat erwartet, daß du deinen Abschied nehmen würdest.«
»Diese neue Armee zu organisieren und einen großen Krieg zu führen ist Sache eines jüngeren Mannes.«
»Wie ist die Lage?« fragte Ari.
»Jerusalem — und Latrun. Das sind die entscheidenden Probleme. Wir werden uns in der Altstadt nicht mehr sehr lange halten können. Und der Himmel mag wissen, wie lange die Neustadt noch standhalten kann, wenn es uns nicht bald gelingt, den Leuten dort Hilfe zu bringen. In deinem Abschnitt hast du unserer Sache jedenfalls wirklich sehr wertvolle Dienste geleistet.«
»Wir haben halt Glück gehabt.«
»Nein, Ari, Safed war nicht einfach nur Glück, genausowenig wie die großartige Verteidigung von Gan Dafna. Sei nicht unnötig bescheiden. Aber — Kawuky sitzt noch immer in Zentralgaliläa. Wir möchten den Kerl los sein. Das ist der Grund, weshalb ich dich gebeten habe, hierherzukommen. Ich möchte deinen Befehlsbereich erweitern, weil ich dich für den einzig geeigneten Mann halte, um die Operation gegen Kawuky zu leiten. Ich denke, daß es uns in einigen Wochen möglich sein wird, dir ein Bataillon und auch einiges an Waffen und Munition zur Verstärkung zugehen zu lassen.«
»Und wie stellst du dir die Sache vor?«
»Ich denke, wenn wir Nazareth in unsere Hand bekommen, ist das Problem gelöst. Wir kontrollieren dann ganz Galiläa und sämtliche Straßen in ostwestlicher Richtung.«
»Und was ist mit den arabischen Dörfern in diesem Gebiet?«
»Die Bewohner sind, wie du weißt, größtenteils Christen. Sie haben bereits Abordnungen hergeschickt, um mit uns zu verhandeln. Und sie haben Kawuky aufgefordert, sich aus ihrer Gegend zu entfernen. Jedenfalls haben sie kein Interesse daran, zu kämpfen.«
»Gut.«
»Doch bevor wir darangehen, diese Operation einzuleiten, möchten wir, daß du den letzten feindlichen Widerstand in deinem Gebiet beseitigst.«
»Fort Esther?« fragte Ari.
Avidan nickte.
»Dazu brauche ich Artillerie — das habe ich euch schon geschrieben. Wenigstens drei oder vier Davidkas.«
»Warum verlangst du nicht gleich Gold?«
»Da oben an der Grenze liegen zwei Dörfer, die den Zugang zu Fort Esther versperren. Ich kann einfach nichts machen, wenn ich nicht wenigstens ein paar weittragende Geschütze habe.«
»Also gut, du sollst sie haben.« Avidan stand unvermittelt auf und begann, im Raum auf und ab zu gehen.
Ari hatte schon die ganze Zeit eine sonderbare Ahnung darüber gehabt, weshalb ihn Avidan nach Tel Aviv gerufen hatte. Es mußte sich um mehr handeln als um die Planung der neuen Operation, und er wußte, daß Avidan jetzt davon anfangen werde.
»Ari«, sagte Avidan mit bedächtigem Ernst, »du hast vor zwei Wochen den Befehl bekommen, Abu Yesha einzunehmen.«
»Deshalb also hast du mich herbestellt?«
»Ich fand, es sei das beste, wenn wir die Sache miteinander besprächen, ehe darüber im Generalstab eine große Diskussion entsteht.«
»Ich habe euch einen Bericht geschickt, daß Abu Yesha meiner Meinung nach keine Bedrohung für uns darstellt.«
»Wir sind anderer Meinung.«
»Als Gebietskommandeur sollte ich die Sache doch wohl am besten beurteilen können.«
»Komm, komm, Ari. Abu Yesha ist ein Stützpunkt für Mohammed Kassi. Es ist eine Stelle, an der Irreguläre einsickern, und es blockiert zugleich die Straße nach Gan Dafna.«
Ari sah mit verschlossener Miene beiseite.
»Wir kennen einander zu lange«, sagte Avidan, »als daß wir uns etwas vormachen könnten.«
Ari schwieg einen Augenblick. D
ann sagte er: »Ich kenne die Leute von Abu Yesha, seit ich gehen lernte. Wir haben gemeinsam Hochzeiten gefeiert. Wir sind zusammen zu Beerdigungen gegangen.
Wir haben ihnen ihre Häuser gebaut, und sie schenkten uns das Land für Gan Dafna.«
»Das alles weiß ich, Ari. Dutzende unserer Siedlungen stehen dem gleichen Problem gegenüber. Aber wir kämpfen nun einmal um unsere Existenz. Wir haben die arabischen Armeen nicht aufgefordert, unsere Grenzen zu überschreiten.«
»Ich kenne aber diese Leute«, sagte Ari heftig, fast schreiend. »Sie sind nicht unsere Feinde. Sie sind einfache Bauern, die friedlich sind und keinen anderen Wunsch haben, als in Ruhe gelassen zu werden.« »Ari!« sagte Avidan mit scharfer Stimme. »Es gibt hier bei uns arabische Dörfer, die den Mut besaßen, sich Kawuky und den arabischen Armeen zu widersetzen. Die Leute von Abu Yesha haben sich anders entschieden. Du machst dir etwas vor, wenn du meinst, Abu Yesha sei nicht feindlich. Es muß verschwinden —.«
»Ohne mich«, sagte Ari, stand auf und wollte gehen.
»Bleib«, sagte Avidan ruhig. »Bitte geh nicht fort.« Der große, kahlköpfige Mann schien jetzt wirklich müde zu sein. Er ließ die Schultern hängen. »Tausendmal haben wir die Araber von Palästina gebeten, sich nicht an diesem Kampf zu beteiligen. Niemand von uns hat den Wunsch, sie von Heim und Hof zu vertreiben. Die Dörfer, die sich loyal verhalten haben, hat man in Ruhe gelassen. Doch bei den anderen blieb uns keine andere Wahl. Der Gegner hat sie als Waffendepots verwendet, als Ausbildungslager, als Stützpunkte für Angriffe auf unsere Transportkolonnen und für die Belagerung unserer Siedlungen. Wir haben wochenlang über dieses Problem diskutiert. Wir haben keine andere Wahl, als den Gegner zu vernichten oder selbst vernichtet zu werden.«
Ari ging ans Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Bedrückt starrte er durch die Scheibe. Avidan hatte recht.
»Ich könnte natürlich das Kommando in deinem Bereich einem anderen übertragen«, sagte Avidan. »Aber das möchte ich nicht gern. Solltest du dich allerdings nicht in der Lage fühlen, diesen Befehl auszuführen, dann würde ich dir vorschlagen, daß du um Versetzung bittest.«