Breathturn into Timestead

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Breathturn into Timestead Page 18

by Paul Celan


  weiß, wie oft ich dir bis

  in die Kehle hinaufsang, heidideldu,

  wie die heidelbeerblaue

  Erle der Heimat mit all ihrem Laub,

  heidudeldi,

  du, wie die

  Astralflöte von

  jenseits des Weltgrats – auch da

  schwammen wir, Nacktnackte, schwammen,

  den Abgrundvers auf

  brandroter Stirn – unverglüht grub

  sich das tief-

  innen flutende Gold

  seine Wege nach oben –,

  hier,

  mit bewimperten Segeln,

  fuhr auch Erinnrung vorbei, langsam

  sprangen die Brände hinüber, ab-

  getrennt, du,

  abgetrennt auf

  den beiden blau-

  schwarzen Gedächtnis-

  schuten,

  doch angetrieben auch jetzt

  vom Tausend-

  arm, mit dem ich dich hielt,

  kreuzen, an Sternwurf-Kaschemmen vorbei,

  unsre immer noch trunknen, trinkenden,

  nebenweltlichen Münder – ich nenne nur sie –,

  bis drüben am zeitgrünen Uhrturm

  die Netz-, die Ziffernhaut lautlos

  sich ablöst – ein Wahndock,

  schwimmend, davor

  abweltweiß die

  Buchstaben der

  Großkräne einen

  Unnamen schreiben, an dem

  klettert sie hoch, zum Todessprung, die

  Laufkatze Leben,

  den

  baggern die sinn-

  gierigen Sätze nach Mitternacht aus,

  nach ihm

  wirft die neptunische Sünde ihr korn-

  schnapsfarbenes Schleppseil,

  zwischen

  zwölf-

  tonigen Liebeslautbojen

  – Ziehbrunnenwinde damals, mit dir

  singt es im nicht mehr

  binnenländischen Chor –

  kommen die Leuchtfeuerschiffe getanzt,

  weither, aus Odessa,

  die Tieflademarke,

  die mit uns sinkt, unsrer Last treu,

  eulenspiegelt das alles

  hinunter, hinauf und – warum nicht? wundgeheilt, wo-,

  wenn –

  herbei und vorbei und herbei.

  * * *

  III

  SCHWARZ,

  wie die Erinnerungswunde,

  wühlen die Augen nach dir

  in dem von Herzzähnen hell-

  gebissenen Kronland,

  das unser Bett bleibt:

  durch diesen Schacht mußt du kommen –

  du kommst.

  Im Samen-

  sinn

  sternt dich das Meer aus, zuinnerst, für immer.

  Das Namengeben hat ein Ende,

  über dich werf ich mein Schicksal.

  * * *

  HAMMERKÖPFIGES, im

  Zeltgang,

  neben uns her, der doppelten,

  langsam strömenden Rotspur.

  Silbriges:

  Hufsprüche, Schlaflied-

  gewieher – Traum-

  hürde und -wehr –: niemand

  soll weiter, nichts.

  Dich unter mir, kentaurisch

  gebäumt,

  münd ich in unsern hinüber-

  rauschenden Schatten.

  * * *

  LANDSCHAFT mit Urnenwesen.

  Gespräche

  von Rauchmund zu Rauchmund.

  Sie essen:

  die Tollhäusler-Trüffel, ein Stück

  unvergrabner Poesie,

  fand Zunge und Zahn.

  Eine Träne rollt in ihr Auge zurück.

  Die linke, verwaiste

  Hälfte der Pilger-

  muschel – sie schenkten sie dir,

  dann banden sie dich –

  leuchtet lauschend den Raum aus:

  das Klinkerspiel gegen den Tod

  kann beginnen.

  * * *

  DIE GAUKLERTROMMEL,

  von meinem Herzgroschen laut.

  Die Sprossen der Leiter, über

  die Odysseus, mein Affe, nach Ithaka klettert,

  rue de Longchamp, eine Stunde

  nach dem verschütteten Wein:

  tu das zum Bild,

  das uns heimwürfelt in

  den Becher, in dem ich bei dir lieg,

  unausspielbar.

  * * *

  WENN DU IM BETT

  aus verschollenem Fahnentuch liegst,

  bei blauschwarzen Silben, im Schneewimperschatten,

  kommt, durch Gedanken-

  güsse,

  der Kranich geschwommen, stählern –

  du öffnest dich ihm.

  Sein Schnabel tickt dir die Stunde

  in jeden Mund – in jeder

  glöcknert, mit glutrotem Strang, ein Schweige-

  Jahrtausend,

  Unfrist und Frist

  münzen einander zutode,

  die Taler, die Groschen

  regnen dir hart durch die Poren,

  in

  Sekundengestalt

  fliegst du hin und verrammelst

  die Türen Gestern und Morgen, – phosphorn,

  wie Ewigkeitszähne,

  knospt deine eine, knospt auch die

  andere Brust,

  den Griffen entgegen, unter

  den Stößen –: so dicht,

  so tief

  gestreut

  ist der sternige

  Kranich-

  Same.

  * * *

  HINTERM KOHLEGEZINKTEN Schlaf

  – man kennt unsre Kate –,

  wo uns der Traumkamm schwoll, feurig, trotz allem,

  und ich die Goldnägel trieb in unser

  nebenher sargschön

  schwimmendes Morgen,

  da schnellten die Ruten königlich vor unserm Aug,

  Wasser kam, Wasser,

  bissig

  gruben sich Kähne voran durch die Großsekunde Gedächtnis,

  es trieb das Getier mit den Schlamm-Mäulern um uns

  – so viel

  fing noch kein Himmel –,

  was warst du, Zerrissene, doch

  wieder für eine Reuse! –, trieb das Getier, das Getier,

  Salzhorizonte

  bauten an unsern Blicken, es wuchs ein Gebirg

  weit hinaus in die Schlucht,

  in der meine Welt die deine

  aufbot, für immer.

  * * *

  IN PRAG

  Der halbe Tod,

  großgesäugt mit unserm Leben,

  lag aschenbildwahr um uns her –

  auch wir

  tranken noch immer, seelenverkreuzt, zwei Degen,

  an Himmelssteine genäht, wortblutgeboren

  im Nachtbett,

  größer und größer

  wuchsen wir durcheinander, es gab

  keinen Namen mehr für

  das, was uns trieb (einer der Wieviel-

  unddreißig

  war mein lebendiger Schatten,

  der die Wahnstiege hochklomm zu dir?),

  ein Turm,

  baute der Halbe sich ins Wohin,

  ein Hradschin

  aus lauter Goldmacher-Nein,

  Knochen-Hebräisch,

  zu Sperma zermahlen,

  rann durch die Sanduhr,

  die wir durchschwammen, zwei Träume jetzt, läutend

  wider die Zeit, auf den Plätzen.

  * * *

  VON DER ORCHIS HER –

  geh, zähl

  die Schatten der Schritte zusammen bis zu ihr

  hinterm Fünfgebirg Kindheit –,

  von ihr her, der

  ich das Halbwort abgewinn für die Zwölfnacht,

  kommt meine Hand dich zu greifen

  für immer.

  Ein kleines Verhängnis, so groß

  wie der Herzpunkt, den ich

  hinter dein meinen Namen

  stammelndes Aug setz,

&nbs
p; ist mir behilflich.

  Du kommst auch,

  wie über Wiesen,

  und bringst das Bild einer Kaimauer mit,

  da würfelten, als

  unsre Schlüssel, tief im Verwehrten,

  sich kreuzten in Wappengestalt,

  Fremde mit dem, was

  wir beide noch immer besitzen

  an Sprache,

  an Schicksal.

  * * *

  HALBZERFRESSENER, masken-

  gesichtiger Kragstein,

  tief

  in der Augenschlitz-Krypta:

  Hinein, hinauf

  ins Schädelinnre,

  wo du den Himmel umbrichst, wieder und wieder,

  in Furche und Windung

  pflanzt er sein Bild,

  das sich entwächst, entwächst.

  * * *

  AUS FÄUSTEN, weiß

  von der aus der Wortwand

  freigehämmerten Wahrheit,

  erblüht dir ein neues Gehirn.

  Schön, durch nichts zu verschleiern,

  wirft es sie, die

  Gedankenschatten.

  Darin, unverrückbar,

  falten sich, heut noch,

  zwölf Berge, zwölf Stirnen.

  Die auch von dir her stern-

  äugige Streunerin Schwermut

  erfährts.

  * * *

  SCHWIRRHÖLZER fahren ins Licht, die Wahrheit

  gibt Nachricht.

  Drüben die Ufer-

  böschung schwillt uns entgegen,

  ein dunkler

  Tausendglanz – die

  auferstandenen Häuser! –

  singt.

  Ein Eisdorn – auch wir

  hatten gerufen –

  versammelt die Klänge.

  * * *

  ABENDS, in

  Hamburg, ein

  unendlicher Schuhriemen – an

  ihm

  kauen die Geister –

  bindet zwei blutige Zehen zusammen

  zum Wegschwur.

  * * *

  BEI DEN ZUSAMMENGETRETENEN

  Zeichen, im

  worthäutigen Ölzelt, am Ausgang

  der Zeit,

  hellgestöhnt

  ohne Laut

  – du, Königsluft, ans

  Pestkreuz genagelte, jetzt

  blühst du –,

  porenäugig,

  schmerzgeschuppt, zu

  Pferde.

  * * *

  DAS AUFWÄRTSSTEHENDE LAND,

  rissig,

  mit der Flugwurzel, der

  Steinatem zuwächst.

  Auch hier

  stürzen die Meere hinzu, aus der Steilschlucht,

  und dein sprach-

  pockiger, panischer

  Ketzer

  kreuzt.

  * * *

  DAS UMHERGESTOSSENE

  Immer-Licht, lehmgelb,

  hinter

  Planetenhäuptern.

  Erfundene

  Blicke, Seh-

  narben,

  ins Raumschiff gekerbt,

  betteln um Erden-

  münder.

  * * *

  ASCHENGLORIE hinter

  deinen erschüttert-verknoteten

  Händen am Dreiweg.

  Pontisches Einstmals: hier,

  ein Tropfen,

  auf

  dem ertrunkenen Ruderblatt,

  tief

  im versteinerten Schwur,

  rauscht es auf.

  (Auf dem senkrechten

  Atemseil, damals,

  höher als oben,

  zwischen zwei Schmerzknoten, während

  der blanke

  Tatarenmond zu uns heraufklomm,

  grub ich mich in dich und in dich.)

  Aschen-

  glorie hinter

  euch Dreiweg-

  Händen.

  Das vor euch, vom Osten her, Hin-

  gewürfelte, furchtbar.

  Niemand

  zeugt für den

  Zeugen.

  * * *

  IV

  DAS GESCHRIEBENE höhlt sich, das

  Gesprochene, meergrün,

  brennt in den Buchten,

  in den

  verflüssigten Namen

  schnellen die Tümmler,

  im geewigten Nirgends, hier,

  im Gedächtnis der über-

  lauten Glocken in – wo nur?,

  wer

  in diesem

  Schattengeviert

  schnaubt, wer

  unter ihm

  schimmert auf, schimmert auf, schimmert auf?

  * * *

  CELLO-EINSATZ

  von hinter dem Schmerz:

  die Gewalten, nach Gegen-

  himmeln gestaffelt,

  wälzen Undeutbares vor

  Einflugschneise und Einfahrt,

  der

  erklommene Abend

  steht voller Lungengeäst,

  zwei

  Brandwolken Atem

  graben im Buch,

  das der Schläfenlärm aufschlug,

  etwas wird wahr,

  zwölfmal erglüht

  das von Pfeilen getroffene Drüben,

  die Schwarz-

  blütige trinkt

  des Schwarzblütigen Samen,

  alles ist weniger, als

  es ist,

  alles ist mehr.

  * * *

  FRIHED

  Im Haus zum gedoppelten Wahn,

  wo die Steinboote fliegen

  überm

  Weißkönigs-Pier, den Geheimnissen zu,

  wo das endlich

  abgenabelte

  Orlog-Wort kreuzt,

  bin ich, von Schilfmark Genährte,

  in dir, auf

  Wildenten-Teichen,

  ich singe –

  was sing ich?

  Der Mantel

  des Saboteurs

  mit den roten, den weißen

  Kreisen um die

  Einschuß-

  stellen

  – durch sie

  erblickst du das mit uns fahrende

  frei-

  sternige Oben –

  deckt uns jetzt zu,

  der Grünspan-Adel vom Kai,

  mit seinen Backstein-Gedanken

  rund um die Stirn,

  häuft den Geist rings, den Gischt,

  schnell

  verblühn die Geräusche

  diesseits und jenseits der Trauer,

  die näher-

  segelnde

  Eiterzacke der Krone

  in eines Schief-

  geborenen Aug

  dichtet

  dänisch.

  * * *

  DEN VERKIESELTEN SPRUCH in der Faust,

  vergißt du, daß du vergißt,

  am Handgelenk schießen

  blinkend die Satzzeichen an,

  durch die zum Kamm

  gespaltene Erde

  kommen die Pausen geritten,

  dort, bei

  der Opferstaude,

  wo das Gedächtnis entbrennt,

  greift euch der Eine

  Hauch auf.

  * * *

  WO?

  In den Lockermassen der Nacht.

  Im Gramgeröll und -geschiebe,

  im langsamsten Aufruhr,

  im Weisheitsschacht Nie.

  Wassernadeln

  nähn den geborstenen

  Schatten zusammen – er kämpft sich

  tiefer hinunter,

  frei.

  * * *

  KÖNIGSWUT, steinmähnig, vorn.

  Und die verrauchten

  Gebete –

  Hengste, hinzu-

  geschmerzt, die

  unbezähmbar-gehorsame

  Freischar:

  psalmhufig, hinsingend über

  auf-, auf-, auf-

  geblättertes Bibelgebirg,

  auf die klaren, mit-

  klirrenden,

  mächtigen Meerkeime zu.
/>   * * *

  SOLVE

  Entosteter, zu

  Brandscheiten zer-

  spaltener Grabbaum:

  an den Gift-

  pfalzen vorbei, an den Domen,

  stromaufwärts, strom-

  abwärts geflößt

  vom winzig-lodernden, vom

  freien

  Satzzeichen der

  zu den unzähligen zu

  nennenden un-

  aussprechlichen

  Namen aus-

  einandergeflohenen, ge-

  borgenen

  Schrift.

  * * *

  COAGULA

  Auch deine

  Wunde, Rosa.

  Und das Hörnerlicht deiner

  rumänischen Büffel

  an Sternes Statt überm

  Sandbett, im

  redenden, rot-

  aschengewaltigen

  Kolben.

  * * *

  SCHÄDELDENKEN, stumm, auf der Pfeilspur.

  Dein hohes

  Lied, in den harten

  Februarfunken verbißner,

  halbzertrümmerter

  Kiefer.

  Die eine, noch

  zu befahrende Meile

  Melancholie.

  Von Erreichtem umbuscht jetzt, zielblau,

  aufrecht im Kahn,

  auch aus dem knirschenden Klippen-

  segen entlassen.

  * * *

  OSTERQUALM, flutend, mit

  der buchstabenähnlichen

  Kielspur inmitten.

  (Niemals war Himmel.

  Doch Meer ist noch, brandrot,

  Meer.)

  Wir hier, wir,

  überfahrtsfroh, vor dem Zelt,

  wo du Wüstenbrot bukst

  aus mitgewanderter Sprache.

  Am äußersten Blickrand: der Tanz

 

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