Breathturn into Timestead

Home > Other > Breathturn into Timestead > Page 19
Breathturn into Timestead Page 19

by Paul Celan


  zweier Klingen übers

  Herzschattenseil.

  Das Netz darunter, geknüpft

  aus Gedanken-

  enden – in welcher

  Tiefe?

  Da: der zerbissene

  Ewigkeitsgroschen, zu uns

  heraufgespien durch die Maschen.

  Drei Sandstimmen, drei

  Skorpione:

  das Gastvolk, mit uns

  im Kahn.

  * * *

  KAIMAUER-RAST, rittlings,

  im Schatten der

  von obenher auf-

  gefächerten Trümpfe –

  deine

  abgegriffenen

  Hände, gröber als je,

  greifen anderswohin.

  Die schöpfende, wieder

  und wieder

  überschwappende, um-

  zugießende Schale voll Galle.

  Die leicht

  herübergeneigten,

  flußaufwärts gesteuerten

  Wandergefäße, dicht

  an deinem Knieschorf vorbei.

  Quader, reit.

  Grauglaube neben mir,

  trink

  mit.

  * * *

  ERHÖRT

  von den umgebetteten Funken

  der Feuerduft um

  den Leuchterstachel.

  Alle

  Bahnen sind frei.

  Mehrere Erden

  spiel ich dir zu im Erblinden –

  die beiden

  weißen behältst du, eine

  in jeder Hand.

  Die Un-

  bestatteten, ungezählt, droben,

  die Kinder,

  sind absprungbereit –

  Dir,

  Quellnächtige, war

  ich nicht ähnlich:

  dich Freudige, wie

  du jetzt schwebst,

  pfählt der unsichtbare, zweite,

  stehende Brand.

  * * *

  SCHAUFÄDEN, SINNFÄDEN, aus

  Nachtgalle geknüpft

  hinter der Zeit:

  wer

  ist unsichtbar genug,

  euch zu sehn?

  Mantelaug, Mandelaug, kamst

  durch alle die Wände,

  erklimmst

  dieses Pult,

  rollst, was dort liegt, wieder auf –

  Zehn Blindenstäbe,

  feurig, gerade, frei,

  entschweben dem eben

  geborenen Zeichen,

  steh

  über ihm.

  Wir sind es noch immer.

  * * *

  EIN DRÖHNEN: es ist

  die Wahrheit selbst

  unter die Menschen

  getreten,

  mitten ins

  Metapherngestöber.

  * * *

  IRRENNÄPFE, vergammelte

  Tiefen.

  Wär ich – –

  Nun ja, wär ich

  die – wohin gebogene? –

  Esche draußen,

  ich wüßte dich zu begleiten,

  leuchtendes Graugericht mit

  dem dich durchwachsenden, schnell

  herunterzuwürgenden Bild

  und dem eng-

  gezogenen, flackernden

  Denkkreis um euch

  beide.

  * * *

  LICHTENBERGS ZWÖLF mit dem Tischtuch

  ererbte Mundtücher – ein

  Planetengruß an

  die Sprachtürme rings

  in der totzuschweigenden Zeichen-

  Zone.

  Sein

  – kein Himmel ist, keine

  Erde, und beider

  Gedächtnis gelöscht

  bis auf den einen

  eschengläubigen Blauspecht –,

  sein

  vom Stadtwall gepflückter

  weißer Komet.

  Eine Stimmritze, ihn

  zu bewahren,

  im All.

  Das Rotverlorene eines

  Gedanken-

  fadens. Die laut-

  gewordenen Klagen

  darüber, die Klage

  darunter – wessen

  Laut?

  Damit – frag nicht,

  wo –

  wär ich fast –

  sag nicht wo, wann,wieder.

  * * *

  GIVE THE WORD

  Ins Hirn gehaun – halb? zu drei Vierteln? –,

  gibst du, genächtet, die Parolen – diese:

  „Tartarenpfeile“.

  „Kunstbrei“.

  „Atem“.

  Es kommen alle, keiner fehlt und keine.

  (Sipheten und Probyllen sind dabei.)

  Es kommt ein Mensch.

  Weltapfelgroß die Träne neben dir,

  durchrauscht, durchfahren

  von Antwort,

  Antwort,

  Antwort.

  Durcheist – von wem?

  „Passiert“, sagst du,

  „passiert“,

  „passiert“.

  Der stille Aussatz löst sich dir vom Gaumen

  und fächelt deiner Zunge Licht zu,

  Licht.

  * * *

  VOM ANBLICK DER AMSELN, abends,

  durchs Unvergitterte, das

  mich umringt,

  versprach ich mir Waffen.

  Vom Anblick der Waffen – Hände,

  vom Anblick der Hände – die längst

  vom flachen, scharfen

  Kiesel geschriebene Zeile

  – Welle, du

  trugst ihn her, schliffst ihn zu,

  gabst dich, Un-

  verlierbare, drein,

  Ufersand, nimmst,

  nimmst auf,

  Strandhafer, weh

  das Deine hinzu –,

  die Zeile, die Zeile,

  die wir umschlungen durchschwimmmen,

  zweimal in jedem Jahrtausend,

  all den Gesang in den Fingern,

  den auch die durch uns lebendige,

  herrlich-undeutbare

  Flut uns nicht glaubt.

  * * *

  V

  GROSSE, GLÜHENDE WÖLBUNG

  mit dem sich

  hinaus- und hinweg-

  wühlenden Schwarzgestirn-Schwarm:

  der verkieselten Stirn eines Widders

  brenn ich dies Bild ein, zwischen

  die Hörner, darin,

  im Gesang der Windungen, das

  Mark der geronnenen

  Herzmeere schwillt.

  Wo-

  gegen

  rennt er nicht an?

  Die Welt is fort, ich muß dich tragen.

  * * *

  SCHIEFERÄUGIGE, von

  der schreitenden Gegenschrift am

  Tag nach der Blendung erreicht.

  Lesbare Blutklumpen-Botin,

  herübergestorben, trotz allem,

  von wissenden Stacheldrahtschwingen

  über die unverrückbare

  Tausendmauer getragen.

  Du hier, du: verlebendigt

  vom Hauch der im frei-

  geschaufelten Lungengeäst

  hängengebliebenen

  Namen.

  Zu

  Entzifferende du.

  Mit dir,

  auf der Stimmbänderbrücke, im

  Großen Dazwischen,

  nachtüber.

  Mit Herztönen beschossen,

  von allen Weltkanzeln her.

  * * *

  SCHLICKENDE, dann

  krautige Stille der Ufer.

  Die eine Schleuse noch. Am

  Warzenturm, mit

  Brackigem übergossen,

  mündest du ein.

  Vor dir, in

  den rudernden Riesensporangien,

  sichelt, als keuchten dort Worte,

  ein Glanz.

  * * *

  DU, DAS mit dem hell-

  sehenden Hochschlaf von

  der Lippe genommene Haar:

  durchs Goldöhr der

  zurechtgesungenen Asc
hen-

  nadel gefädelt.

  Du, der mit dem Einen

  Licht aus dem Hals

  gerissene Knoten:

  durchstoßen von Nadel und Haar,

  unterwegs, unterwegs.

  Eure Umschwünge, immerzu, um

  die sieben-

  fingrige Kußhand hinterm

  Glück.

  * * *

  DER MIT HIMMELN GEHEIZTE

  Feuerriß durch die Welt.

  Die Wer da?-Rufe

  in seinem Innern:

  durch dich hier hindurch

  auf den Schild

  der Ewigen Wanze gespiegelt,

  umschnüffelt von Falsch und Verstört,

  die unendliche Schleife ziehend, trotzdem,

  die schiffbar bleibt für die un-

  getreidelte Antwort.

  * * *

  DUNSTBÄNDER-, SPRUCHBÄNDER-AUFSTAND,

  röter als rot,

  während der großen

  Frostschübe, auf

  schlitternden Eisbuckeln, vor

  Robbenvölkern.

  Der durch dich hindurch-

  gehämmerte Strahl,

  der hier schreibt,

  röter als rot.

  Mit seinen Worten

  dich aus der Hirnschale schälen, hier,

  verscharrter Oktober.

  Mit dir das Gold prägen, jetzt,

  wenns herausstirbt.

  Mit dir den Bändern beistehn.

  Mit dir das glasharte Flugblatt vertäuen

  am lesenden Blutpoller, den

  die Erde durch diesen

  Stiefpol hinausstieß.

  * * *

  RUH AUS IN DEINEN WUNDEN,

  durchblubbert und umpaust.

  Das Runde, klein, das Feste:

  aus den Blicknischen kommts

  gerollt, nahebei,

  in keinerlei Tuch.

  (Das hat

  – Perle, so schwer

  wars durch dich –,

  das hat sich den Salzstrauch ertaucht,

  drüben, im Zweimeer.)

  Ohne Licht rollts, ohne

  Farbe – du

  stich die Elfenbeinnadel hindurch

  – wer weiß nicht,

  daß der getigerte Stein, der dich ansprang,

  an ihr zerklang? –,

  und so – wohin fiel die Erde? –

  laß es sich drehen zeitauf,

  mit zehn Nagelmonden im Schlepptau,

  in Schlangennähe, bei Gelbflut,

  quasistellar.

  * * *

  VI

  EINMAL,

  da hörte ich ihn,

  da wusch er die Welt,

  ungesehn, nachtlang,

  wirklich.

  Eins und Unendlich,

  vernichtet,

  ichten,

  Licht war. Rettung.

  Fadensonnen

  I

  AUGENBLICKE, wessen Winke,

  keine Helle schläft.

  Unentworden, allerorten,

  sammle dich,

  steh.

  * * *

  FRANKFURT, SEPTEMBER

  Blinde, licht-

  bärtige Stellwand.

  Ein Maikäfertraum

  leuchtet sie aus.

  Dahinter, klagegerastert,

  tut sich Freuds Stirn auf,

  die draußen

  hartgeschwiegene Träne

  schießt an mit dem Satz:

  „Zum letzten-

  mal Psycho-

  logie.“

  Die Simili-

  Dohle

  frühstückt.

  Der Kehlkopfverschlußlaut

  singt.

  * * *

  GEZINKT DER ZUFALL, unzerweht die Zeichen,

  die Zahl, vervielfacht, ungerecht umblüht,

  der Herr ein Flüchtignaher, Regnender, der zuäugt,

  wie Lügen sieben-

  lodern, Messer

  schmeicheln, Krücken

  Meineid schwören, U-

  unter

  dieser

  Welt

  wühlt schon die neunte,

  Löwe,

  sing du das Menschenlied

  von Zahn und Seele, beiden

  Härten.

  * * *

  WER

  HERRSCHT?

  Farbenbelagert das Leben, zahlenbedrängt.

  Die Uhr

  stiehlt sich die Zeit beim Kometen,

  die Degen

  angeln,

  der Name

  vergoldet die Finten,

  das Springkraut, behelmt,

  beziffert die Punkte im Stein.

  Schmerz, als Wegschneckenschatten.

  Ich höre, es wird gar nicht später.

  Fad und Falsch, in den Sätteln,

  messen auch dieses hier aus.

  Kugellampen statt deiner.

  Lichtfallen, grenzgöttisch, statt

  unsrer Häuser.

  Die schwarzdiaphane

  Gauklergösch

  in unterer

  Kulmination.

  Der erkämpfte Umlaut im Unwort:

  dein Abglanz: der Grabschild

  eines der Denkschatten

  hier.

  * * *

  DIE SPUR EINES BISSES im Nirgends.

  Auch sie

  mußt du bekämpfen,

  von hier aus.

  * * *

  IN DER EWIGEN TEUFE: die Ziegel-

  münder

  rasen.

  Du brennst ein Gebet ab

  vor jedem.

  Buchstabentreu, auf dem Notsteg,

  stehen Hinauf und Hinunter,

  den Mischkrug voll blasigen

  Hirns.

  * * *

  SICHTBAR, bei Hirnstamm und Herzstamm,

  unverdunkelt, terrestrisch,

  der Mitternachtsschütze, morgens,

  jagt den Zwölfgesang durch

  das Mark von Verrat und Verwesung.

  * * *

  UMWEG-

  KARTEN, phosphorn,

  weit hinter Hier von lauter

  Ringfingern geschlagen.

  Reiseglück, schau:

  Das Fahrtgeschoß, zwei

  Zoll vorm Ziel,

  kippt

  in die Aorta.

  Das Mitgut, zehn

  Zentner

  Folie à deux,

  erwacht

  im Geierschatten,

  in der siebzehnten Leber, am Fuß

  des stotternden

  Informationsmasts.

  Davor,

  im geschieferten Wasserschild die

  drei stehenden Wale

  köpfeln.

  Ein rechtes Auge

  blitzt.

  * * *

  SACKLEINEN-GUGEL, turmhoch.

  Sehschlitze

  für das Entsternte

  am Ende der Gramfibrille.

  Die Wimpernaht, schräg

  zu den Gottesbränden.

  In der Mundbucht die Stelle

  fürs rudernde

  Kaisergetschilp.

  Das. Und das Mit-ihm-

  Gehn übers rauchblaue,

  blanke

  Tafelland, du.

  * * *

  SPASMEN, ich liebe dich, Psalmen,

  die Fühlwände tief in der Du-Schlucht

  frohlocken, Samenbemalte,

  Ewig, verunewigt bist du,

  verewigt, Unewig, du,

  hei,

  in dich, in dich

  sing ich die Knochenstabritzung,

  Rotrot, weit hinterm Schamhaar

  geharft, in den Höhlen,

  draußen, rundum

  der unendliche Keinerlei-Kanon,

  du wirfst mir den neunmal

  geschlungenen, triefenden

  Grandelkranz zu.

  * * *

  DEINE AUGEN IM ARM,

  die

  auseinandergebrannten,

  dich weiterwiegen, im fliegen-

  den Herzschatten, dich.

  W
o?

  Mach den Ort aus, machs Wort aus.

  Lösch. Miß.

  Aschen-Helle, Aschen-Elle – ge-

  schluckt.

  Vermessen, entmessen, verortet, entwortet,

  entwo

  Aschen-

  Schluckauf, deine Augen

  im Arm,

  immer.

  * * *

  HENDAYE

  Die orangene Kresse,

  steck sie dir hinter die Stirn,

  schweig den Dorn heraus aus dem Draht,

  mit dem sie schöntut, auch jetzt,

  hör ihm zu,

  eine Ungeduld lang.

  * * *

  PAU, NACHTS

  Die Unsterblichkeitsziffer, von Heinrich

  dem Vierten in

  den Schildkrötenadel gewiegt,

  höhnt eleatisch

  hinter sich her.

  * * *

  PAU, SPÄTER

  In deinen Augen-

  winkeln, Fremde,

  der Albigenserschatten –

  nach

  dem Waterloo-Plein,

  zum verwaisten

  Bastschuh, zum

  mitverhökerten Amen,

  in die ewige

  Hauslücke sing ich

  dich hin:

  daß Baruch, der niemals

  Weinende

  rund um dich die

  kantige,

  unverstandene, sehende

  Träne zurecht-

  schleife.

  * * *

  DER HENGST mit dem blühenden Docht,

 

‹ Prev