Book Read Free

Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

Page 23

by Kiefer, Lena

»So viel Spaß auch wieder nicht.« Er verzog das Gesicht. »Ich habe schon zwei Bogeys gespielt. Wenn das so weitergeht, dann mache ich mich morgen lächerlich.«

  Ich grinste. »Nein, das erledige ich schon. Deswegen wolltest du mich doch dabeihaben, oder nicht?«

  »Ich wollte eigentlich, dass Finlay dabei ist, weil der noch schlechter spielt als du und dazu regelmäßig ausrastet, wenn er einen Schlag verhaut – sodass wirklich niemand mehr auf mich achtet. Aber der wollte nicht.«

  »Kein Wunder, wenn die Fidschis die Alternative sind«, murrte ich. Gestern hatte ich meinem Cousin eine Nachricht geschickt, was ich davon hielt, dass er nicht hier war. Die hatte er jedoch nur mit einem Foto seines Mittelfingers vor azurblauem Meer beantwortet. Ich nahm es ihm nicht übel – er wusste nicht, dass es wichtig für mich gewesen wäre, in Kilmore zu sein. Und ich wollte es ihm auch nicht erklären. Warum ihn mit reinziehen, wenn es ihm gerade gut ging? Das war in den letzten Jahren selten genug der Fall gewesen.

  »Also, was ist so lustig, Mister Quadruple?«, fragte Eric. »Hat Edina wieder eines dieser Entenvideos geschickt?«

  »Nein. Eine Freundin macht ein Praktikum in Kilmore, brauchte die Hilfe von Mum und ich habe dafür gesorgt, dass sie die bekommt. Dafür bietet sie mir jetzt ein lebenslanges Abo für Edinburgh Rock an.«

  Eric lachte, dann runzelte er die Stirn. »Moment. Das ist doch nicht der Code für irgendwas Unanständiges, oder?«

  Ich lachte ebenfalls. »Nein, nur ein Insider. Es geht wirklich um Edinburgh Rock.«

  »Das beruhigt mich. Vor allem, dass sie dich zum Lachen bringt. Ich habe mir Sorgen gemacht, als es hieß, du sollst den Sommer über nach Kilmore.« Eric kannte wie alle in der Familie die Geschichte mit Ada und wusste genau, dass der Stammsitz unserer Familie der letzte Ort auf der Welt war, wo ich Zeit verbringen wollte. Zumindest bis jetzt.

  Ich musste lächeln, als es mir auffiel, auch wenn ich gerade mit aller Macht zu verdrängen versuchte, dass ich am Sonntag zwar zurückkommen würde, dann aber Abstand zu Kenzie halten musste. Wenigstens diese eine Woche wollte ich einfach an sie denken, ohne mir die üblichen Grenzen aufzuerlegen. Nur für diese kurze Zeit.

  »Was ist nun, Lye?«, rief mein Onkel. »Willst du die Runde etwa abbrechen oder holst du zum letzten Schlag aus?«

  »Wenn es doch nur der letzte wäre«, seufzte ich. Dann schob ich das Handy in meine Hosentasche und ließ mir vom Caddy irgendeinen Schläger geben, um mich endgültig zu blamieren.

  Ein paar Stunden danach warf ich mein Handy auf eine Liege und machte einen Kopfsprung in den Pool, den um diese späte Uhrzeit niemand benutzte. Bahn um Bahn schwamm ich in meinem exakten Rhythmus, genoss die Stille unter Wasser und das Rauschen in meinen Ohren, nachdem ich den ganzen Tag immer irgendjemandem hatte zuhören müssen.

  Als ich fertig war, schnappte ich mir eines der frischen Handtücher, die parat lagen, und trocknete mich ab. Mein Handy zeigte einen verpassten Anruf an und eine Nachricht. Sie war von Finlay.

  Ich habe ihn gefunden. Ruf mich an.

  Mein Puls, der sich gerade wieder beruhigt hatte, schlug mir sofort wieder bis zum Hals, als ich die Worte sah. Schnell rubbelte ich meine Haare halbwegs trocken, dann wählte ich die Nummer meines Cousins.

  »Wo ist er?«, fragte ich, sobald er abgenommen hatte.

  »Ganz in deiner Nähe.« Finlay klang ernst. »Aber Lye, ich weiß nicht, ob du hinfahren solltest. Dort, wo Jamie lebt … mein Kontakt sagt, das ist nicht gerade eine gute Gegend.«

  »Gib mir einfach die Adresse.«

  Er seufzte. »Ich schicke sie dir. Aber versprich mir, dass du verschwindest, wenn es irgendwie gefährlich wird.«

  »Klar. Wie immer.« Ich grinste schief, obwohl er das nicht sehen konnte, bedankte mich bei ihm und legte auf. Nur eine Sekunde später schickte er mir den Screenshot einer Karte, auf der ein Punkt etwa eine halbe Stunde von hier entfernt markiert war. Im Laufschritt eilte ich zurück in mein Zimmer, zog mich um und war kurz darauf in meinem Mietwagen unterwegs. Ein mulmiges Gefühl begleitete mich, aber nicht wegen Finlays Warnung. Es war mehr die Angst, was mich dort erwartete. Niemand hatte etwas von meinem Onkel Jamie gehört, seit er vor knapp zwei Jahren komplett von der Bildfläche verschwunden war.

  Der von Finlay geschickte Wegpunkt lag an der Küste direkt hinter Huelva, einer Hafenstadt, die wohl der am wenigsten touristische Fleck in Südspanien war. Ich parkte etwas entfernt und stieg dann aus, sah auf mein Handy. Aber ich brauchte die Orientierung gar nicht, denn schon jetzt konnte ich Musik hören, den Rauch von Lagerfeuer riechen – und den unverwechselbaren Geruch von Gras. Als ich auf das flackernde Licht in einiger Entfernung zuging, gesellten sich Stimmen dazu, teils johlend wie von einer Party, teils aber auch aggressiv wie bei einem Streit. Ein paar alte Wohnwagen kamen in Sicht, die direkt am Strand standen, zwischen ihnen waren Wäscheleinen gespannt, davor brannten Lagerfeuer und saßen Leute. Ich suchte schon von Weitem nach jemandem mit Jamies Statur, aber es war längst dunkel, und dort tummelten sich wirklich viele Menschen. Also ging ich näher ran, angespannt und vorsichtig. Vielleicht war das hier nur eine der friedlichen Hippiegruppen, auf die man manchmal an den Stränden in Spanien traf. Aber vielleicht auch nicht.

  Ich bahnte mir meinen Weg zwischen ein paar Stapeln aus Kartons mit Abfall und leeren Flaschen hindurch, bis ich an der vordersten Reihe Wohnwagen angekommen war.

  »Hey!«, sprach mich ein Typ an. Er war hager und hatte lange, verfilzte Haare. »Ich kenne dich nicht. Was willst du hier?«

  Finlay hätte jetzt so getan, als würde er schon immer dazugehören, aber ich wusste, ich hatte nicht sein schauspielerisches Talent – und obwohl ich Shorts und ein normales T-Shirt trug, sah ich definitiv zu gepflegt aus, um hier zu leben.

  »Ich suche jemanden«, versuchte ich es also mit der Wahrheit. Mein Spanisch war etwas eingerostet, aber dafür reichte es hoffentlich. »Sein Name ist Jamie, er ist um die 40, etwa 1,90, blond. Weißt du, ob er hier ist?«

  Der Blick des Typen wurde feindselig. »Verschwinde. Wir wollen keine Polizei.«

  »Sehe ich aus, als wäre ich von der Polizei?«, fragte ich mit gehobener Augenbraue.

  »Hast du es nicht verstanden, pendejo ?« Er kam drohend auf mich zu. »Mach dich vom Acker. Oder ich sage den anderen Bescheid, und dann versenken wir dich da, wo dich niemand findet.«

  Also war Jamie hier. Wäre er es nicht gewesen, hätte der Typ anders reagiert. Und das bedeutete, ich konnte nicht gehen. Nicht, nachdem wir so lange nach ihm gesucht hatten. Aber was sollte ich machen? Mich mit dem Kerl und allen anderen anlegen? Wohl eher nicht. Also blieb nur eins. Ich griff in meine Tasche und holte 200 Euro aus meinem Portemonnaie. Gut, dass ich noch Geld gewechselt hatte, als ich angekommen war.

  »Jetzt interessiert?«, fragte ich und hielt sie dem Typen hin. Als er danach griff, zog ich die Hand zurück. »Ah, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Sag mir, wo er ist und die Kohle gehört dir.«

  »Komm mit.« Der hagere Typ bedachte mich mit ein paar weiteren Flüchen, dann drehte er sich um und verschwand zwischen zwei der Behausungen. Ich folgte ihm über das Areal, das weitläufiger war als gedacht. Ganz am Rand, nahe der Wasserlinie, stand ein besonders schäbiger Wohnwagen. Davor saß jemand auf einem klapprigen Stuhl.

  »Besuch für dich, James«, meldete mein freundlicher Fremdenführer. Ich gab ihm das Geld, er rempelte mich zum Abschied an und machte sich davon. Jamie war inzwischen aufgestanden und sah zu mir. In dem Moment, als er mich erkannte, weiteten sich seine Augen, die ich im Licht des nächsten Feuers halbwegs erkennen konnte.

  »Lyall, bist du das?« Er blieb wie angewurzelt stehen.

  »Hi, Jamie.« Einen Moment wusste ich nicht, was ich tun sollte, aber dann trat ich ohne ein weiteres Wort auf ihn zu und umarmte ihn. Er war unter dem löchrigen Shirt viel dünner als bei unserer letzten Begegnung vor über drei Jahren, und seine Erwiderung sehr viel schwächer, als ich es gewohnt war.

  »Tut gut, dich zu sehen, Kleiner«, sagte er leise, als er mich losließ. Seine Stimme klang belegt.

  »Dito.« Ich spürte die Tränen in meinen Augen, als mir bewusst wurde,
wie sehr er mir gefehlt hatte. Jamie war für mich ein so wichtiger Teil meines Lebens gewesen, dass sein Weggang ein Loch gerissen hatte … eine Wunde, die sich geschlossen hatte, aber nie richtig verheilt war.

  »Komm, setz dich.« Jamie ging zu dem Wohnwagen und nahm einen Stapel undefinierbarer Stoffstücke von dem zweiten Stuhl, der an einem verwitterten Tischchen stand. »Willst du ein Bier?«

  »Klar.« Ich erhaschte einen Blick auf das Innere des Wagens und dachte an den von Kenzie, der so gemütlich eingerichtet war wie eine Wohnung. Das Zuhause von Jamie, sofern es die Bezeichnung verdiente, bestand nur aus einer Matratze mit ein paar Decken darauf, einem Kühlschrank und einem Campingkocher. Er schien alles recht sauber zu halten, aber es war trotzdem so ärmlich, dass mein Magen sich schmerzhaft verkrampfte.

  »Hier.« Er stieg heraus und gab mir eine Flasche. »Setz dich.«

  Ich nahm auf dem freien Stuhl Platz und ignorierte das Knarzen des Holzes.

  »Wie geht es dir?«, fragte ich leise, während ich einen Teil der Antwort längst kannte. Nicht nur, weil er so wohnte. Die letzten harten Jahre hatten auch Spuren an Jamie selbst hinterlassen. Die kleine Laterne vor uns auf dem Tisch war nicht sehr hell, aber sie warf genug Licht, um zu erkennen, dass er sehr viel älter aussah als 37. Sein Gesicht war eingefallen, die Augen lagen tief in ihren Höhlen und Falten hatten sich in seine Wangen eingegraben.

  »Gut«, sagte er knapp und sah auf die Flasche in seinen Händen.

  »Lüg mich nicht an. Du weißt, dass ich das hasse.«

  Er lachte auf. »Richtig. Das hast du schon als Kind nicht gemocht. Ich glaube, die Sache mit dem Weihnachtsmann nimmt Edina dir bis heute übel.«

  Ich musste lächeln. »Sie ist mittlerweile drüber weg.«

  »Gut zu hören.« Jamie lehnte den Rücken gegen die Wand des Wohnwagens. »Du weißt, dass wir nicht miteinander reden dürfen, oder? Wenn das jemand rausfindet …«

  »Unwahrscheinlich. Und wenn doch, ist es mir egal.« In mir stieg Wut auf, als ich daran dachte, wem wir diese unmenschlichen Regeln zu verdanken hatten. Die Vorgabe, ein Mitglied der Familie quasi für tot zu erklären und allen anderen zu verbieten, mit ihm zu reden, ihn anzurufen oder zu besuchen. »Wie ist das passiert? Das hier.« Ich zeigte auf unsere Umgebung.

  Jamie hob die Schultern. »So etwas passiert, wenn du Scheiße baust, Kleiner. Wenn du Scheiße baust und dann, wenn man dich rausschmeißt, noch mehr Scheiße baust. Bis du irgendwann pleite bist, deine Freunde dir nicht helfen wollen und du nirgendwo mehr hinkannst.« Er sagte es nicht bitter. Eher so, als hätte er das verdient.

  »Das ist alles ihre Schuld«, sagte ich leise. »Du warst der jüngste Sterne-Koch in New York. Und sie hat dafür gesorgt, dass dir nichts geblieben ist als das hier.« Die Zeitungen hatten sich völlig überschlagen, als Jamie aus dem eher konventionellen Restaurant des New Yorker Henderson-Hotels eine erstklassige Adresse gemacht hatte. Da war ich bereits in Eton gewesen, aber Mum hatte mir jeden Artikel geschickt und ich hatte sie alle gelesen.

  »Ja, du hast recht, ich war ganz oben.« Er nickte. »Doch dann kamen die Drogen, die Partys, die Abstürze. Und irgendwann hat die Presse eben Wind davon bekommen, dass in einem der renommierten Henderson-Häuser ein Familienangehöriger Callgirls und Kokain ins Hotel gebracht hat.« Jamie schüttelte den Kopf. »Ich kannte die Regeln, Lye. Ich wusste, was passiert, wenn ich mich nicht daran halte. Es ist meine eigene Schuld.«

  Ich presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Du hast einen Fehler gemacht, und wenn schon.«

  »Ich habe in aller Öffentlichkeit mehr als einen Fehler gemacht. So etwas wurde noch nie toleriert.«

  »Deswegen hätten sie sich trotzdem um dich kümmern müssen, statt dich rauszuwerfen wie einen Angestellten, der in die Kasse gegriffen hat.« Ich wusste bis heute nicht, wie seine Geschwister, allen voran meine Mutter, dabei hatten mitmachen können. Wenn es um Edina gegangen wäre, hätte ich keine Sekunde gezögert, um ihr zu helfen. Und wenn es mich meinen Platz in der Familie gekostet hätte.

  Jamie antwortete nicht, aber ich wusste, es tat ihm weh, daran zu denken, wie die anderen ihn einfach im Stich gelassen hatten. Moira aus Überzeugung, Eric aus Loyalität zu Patricia, und Mum … bei ihr war ich mir nicht so sicher, warum.

  »Hat dich nie jemand kontaktiert?«, fragte ich ihn.

  »Nicht mehr, seit ich rausgeflogen bin. Aber ich kann es verstehen. Das, was ihr da habt, will niemand verlieren, schon gar nicht für einen Drogenabhängigen, der nichts im Leben ernst nimmt.« Er grinste schief, dann nahm er seine Flasche und trank einen Schluck. Seine Hände zitterten, als er sie wieder abstellte. Sobald ich es sah, wusste ich nicht, ob ich die nächste Frage stellen sollte, aber dann tat ich es doch.

  »Bist du clean?« Meine Mum hatte mir gesagt, dass Jamie nach dem Rauswurf aus Restaurant und Familie völlig abgestürzt wäre. Mehr Partys, mehr Frauen und vor allem mehr Drogen. Dann war er völlig von der Bildfläche verschwunden. Ich hatte keine Ahnung, ob er je mit dem Zeug aufgehört hatte.

  »Ja. Seit einer Weile schon.« Jamie nickte. »Ich war an einen echt üblen Dealer geraten, der gestreckten Stoff verkauft hat. Keine Ahnung, was drin war, aber ich bin fast draufgegangen. Danach habe ich einen Platz in einem staatlichen Entzugsprogramm bekommen und das Zeug seither nicht mehr angerührt. Es war hart, aber ich habe es geschafft.«

  »Was machst du dann hier?« Diese erbärmliche Behausung war doch nichts, was er ertragen musste, wenn er nicht wollte. »Warum suchst du dir keine Stelle als Koch? Irgendwo abseits, wo niemand je von uns gehört hat?«

  »Wo soll das denn sein?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich könnte nicht einmal mehr als Koch arbeiten, wenn ich wollte.« Jamie presste die Lippen aufeinander. »Mein Geschmackssinn verdient diese Bezeichnung nicht mehr, seit ich dachte, tägliches Koksen wäre eine gute Idee. Und außerdem … ich funktioniere nicht mehr richtig, Lye. Ich kann mich oft nicht konzentrieren, meine Hände zittern, manchmal habe ich Gedächtnisausfälle. Ein normaler Job, das bringe ich nicht mehr.«

  Ich schwieg, weil ich nicht wusste, was ich darauf sagen sollte. Also sah ich ihn nur an, diesen gebrochenen Mann, der früher der Erste gewesen war, den ich angerufen hatte, wenn ich Rat von einem Erwachsenen gebraucht hatte.

  »Es tut mir so leid, Jamie.«

  »Das muss es nicht. Du konntest nichts dafür.« Er lächelte leicht. »Wie geht es dir, Kleiner? Du studierst doch bestimmt, oder? Verdammt, wie die Zeit vergeht.«

  Ich nickte. »Architektur in Chicago, nächstes Jahr bin ich fertig.«

  »In Chicago? Wieso denn das? Du wolltest doch unbedingt an die UAL .«

  »Lange Geschichte.« Ich hob die Schultern. Seit dem Tag, als meine Mutter mir gesagt hatte, Jamie hätte diesen Drogenskandal fabriziert und ich dürfte ihn nicht mehr kontaktieren, hatte ich mir gewünscht, wieder mit ihm zu reden. Ich hatte sogar versucht, ihn heimlich anzurufen, aber da war seine Nummer längst deaktiviert worden. Und jetzt saß er neben mir, aber all die Dinge, die ich ihm in den letzten Jahren hatte sagen wollen, waren längst Vergangenheit. Er war nicht mehr der Jamie von früher und würde es auch nie mehr sein. Daran konnte ich nichts ändern. An seiner Situation aber vielleicht schon. »Ich werde dafür sorgen, dass du zurückkommen kannst.«

  Er schaute mich an. »Wie meinst du das?«

  »Seit du weg bist, arbeite ich an einem Plan, wie ich Grandma entmachten kann. In der Familie und in der Firma.«

  Jamies Blick wurde besorgt. »Wie willst du das denn machen? Moira, Patty und vermutlich mittlerweile auch Fiona sind auf ihrer Seite. Keiner von denen wird sich je gegen sie stellen.«

  »Das müssen sie auch nicht. Ich brauche nur mehr Stimmen als sie.« Ich lächelte grimmig. »Logan macht dieses Jahr seinen Abschluss und bekommt einen Platz am Tisch. Nächstes Jahr folgen Finlay und ich, in drei Jahren dann Edina. Das sind fünf gegen vier.«

  Jamie schien ebenfalls zu rechnen. »Also denkst du, Dora würde riskieren, sich euch anzuschließen?«

  »Wo ist das Risiko, wenn sie auf der Seite steht, die bei allen Beschlüssen mehr Stimmen hat?«, fragte ich unbeirrt.
/>   Natürlich wusste ich, dass es nicht so einfach werden würde, denn Grandma hatte einen sehr langen Hebel. Aber sie hatte auch dieses demokratische Prinzip eingeführt. Es war beinahe poetisch, dass sie ihm selbst zum Opfer fallen würde.

  Angst schlich sich in Jamies Augen. »Lye, weißt du, was du da sagst? Dieser Plan, den du hast, der klingt auf dem Papier gut. Aber du darfst diese Frau nicht unterschätzen. Wenn sie auch nur einen Hauch von dem ahnt, was du vorhast, dann wird sie dich vernichten.«

  »Deswegen wird sie nichts ahnen. Wir haben uns abgesichert, Telefone, Wohnungen, alles. Sie wird es nicht kommen sehen. Und wenn sie erst mal weg ist, dann dürfen wir alle Kontakt zu dir haben und du kannst mit Zugriff auf deine Konten wieder ein Leben führen, das diese Bezeichnung auch verdient.«

  Jamie senkte den Blick und presste die Lippen aufeinander. Erst dachte ich, er wäre vielleicht wütend, weil ich es mir anmaßte, über sein jetziges Leben zu urteilen. Aber dann sah er mich an und ich erkannte Tränen in seinen Augen.

  »Wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn du das schaffst«, brachte er heraus. »Nicht wegen der Kohle, die ist mir total egal. Aber ich vermisse euch. Dora, Edie, Finny, Eric, dich … sogar Moira ein bisschen.«

  »Ich schaffe das.« Ich nickte. »Vertrau mir. Ich kriege das hin.« Und vorher musste ich mir dringend etwas überlegen, wie ich ihm heimlich helfen konnte, ohne dass die Familie etwas davon mitbekam.

  Mein Handy gab einen Laut von sich und ich nahm es heraus. Eine Nachricht von Finlay, ob alles okay wäre. Ich antwortete kurz und skippte raus. Dabei fiel mein Blick auf die letzte Mitteilung von Kenzie und ich musste lächeln.

  »Na, den Ausdruck kenne ich noch«, grinste Jamie. »Wer ist sie? Deine Freundin?«

  »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Das wird sie nie sein.«

  »Warum nicht? Oh, lass mich raten, lange Geschichte?«

  »Allerdings«, sagte ich und atmete aus. »Genau genommen ist es die gleiche Geschichte wie die, warum ich nicht an der UAL studiere. Du bist nämlich nicht der Einzige, der in den letzten Jahren Scheiße gebaut hat.«

 

‹ Prev