Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

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Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition) Page 28

by Kiefer, Lena


  »Leni ist im Krankenhaus?« Oh Gott, das war mein schlimmster Albtraum: dass noch jemandem aus meiner Familie etwas passierte. Und ich war nicht da. Ich war nicht nur nach Kilmore gefahren, sondern außerdem in die Highlands, was die Fahrzeit bis nach Hause auf mindestens acht Stunden erhöhte. Wie hatte ich so egoistisch sein können? Wie hatte ich glauben können, dass schon nichts schiefging, wenn ich weg war?

  Meine Panik überrollte mich, ich umklammerte das Handy so fest, dass meine Finger taub wurden. Ich wusste, ich sollte hundert Dinge fragen, nach dem Arzt, nach Dad, ob ich ihn sprechen konnte. Aber ich brachte kein Wort heraus, während ich vor meinem geistigen Auge Eleni sah, die mit blutendem Kopf in einem Krankenhausbett lag, um sie herum Dutzende Ärzte, die vergeblich versuchten, ihr Leben zu retten. Scheiße. Scheißescheißescheiße!

  »Hey, komm her, ich mach das«, sagte Lyall und nahm mir das Telefon aus der Hand, bevor er mich sanft auf Lokis Sitzbank drückte. »Hallo, Juliet?« Er ging ran und schaltete auf Lautsprecher. »Hier ist Lyall, ich bin ein Freund deiner Schwester. Kannst du mir deinen Vater geben?«

  »Er ist nicht da«, sagte sie hilflos. »Er ist bei Leni, aber die haben uns rausgeschickt. Willy ist gegangen, weil sie irgendwas ausfüllen soll, aber ich kann … ich kann gar nichts machen.«

  »Hat er schon mit einem Arzt gesprochen, weißt du das?« Lyalls ruhige Art hätte mich entspannen müssen, aber im Moment konnte mich gar nichts beruhigen. Mein Puls raste immer noch mit Tempo 200. Wie hatte das mit Leni passieren können? Ich hatte ihr doch verboten, reiten zu gehen!

  »Nein«, ertönte erneut Juliets zittrige Stimme. »Ich meine, ja, er hat mit einem gesprochen, aber ich weiß nicht, was er gesagt hat. Die machen gerade irgendwelche Untersuchungen, ein MRP oder so …«

  Lyall korrigierte sie nicht. »Okay. Wenn dein Dad wieder da ist, kannst du ihn bitten, Kenzie zurückzurufen?«

  »Ja … ja, natürlich.« Juliets Stammeln brach mir das Herz. Sie gab sich immer so tough, aber eigentlich war sie die Sensibelste von uns vieren.

  »Alles wird gut«, sagte Lyall so zuversichtlich wie möglich. »Ich weiß, das ist nur eine dämliche Floskel, aber meistens stimmt es trotzdem.«

  Juliet atmete aus. »Danke … Lyall, richtig, oder?«

  »Richtig.« Er lächelte. »Bis später.«

  Kaum hatte er aufgelegt, löste sich meine Starre, und ich fing an, wie verrückt im Wagen herumzuräumen, das Bett zu machen, Klamotten von einer Seite auf die andere zu werfen und dabei nur noch mehr Chaos anzurichten. Ich brauchte einen Plan, das wusste ich. Aber mein Hirn funktionierte nicht wie sonst. Es wollte einfach keinen brauchbaren Gedanken ausspucken.

  »Hey, nicht durchdrehen«, sagte Lyall im Versuch, mich aufzuhalten. »Wir wissen doch noch gar nichts.«

  Ich sah zu ihm hoch. »Was, wenn es etwas Schlimmes ist? Wenn sie eine Hirnblutung hat oder im Koma liegt oder …« Ich konnte nicht aussprechen, was ich am meisten befürchtete: dass meine Schwester starb.

  Lyall zog mich in seine Arme und hielt mich fest. »Dein Vater wird zurückrufen und dir sagen, was mit ihr ist«, murmelte er beruhigend. »Und wenn Eleni nur halb so stark ist wie du, dann wird sie das überstehen.«

  Für eine Sekunde flüchtete ich mich in seine Umarmung, dann meldete sich endlich ein Funke Rationalität in mir.

  »Ich muss nach Hause.« Hastig machte ich mich los und strich mir durch die Haare. »Ich muss sofort dorthin. Verdammt, wenn ich mit dem Auto fahre, dauert es bis morgen früh. Fliegt von Edinburgh abends noch etwas nach London?« Wahrscheinlich schon, aber mit allem Drumherum waren das auch mehrere Stunden, bis ich dort ankommen würde. »Du bist nicht zufällig die Sorte reicher Typ, die einen Helikopter hat?« Ich musste lachen und hatte das Gefühl, ich schnappe gleich über.

  »Nein, leider nicht.« Lyall zückte sein Handy und tippte etwas ein. »Aber ich könnte vielleicht trotzdem etwas organisieren. Kann ich dich kurz allein lassen?«

  »Ja«, stieß ich aus, »ja, kannst du.«

  Lyall küsste mich auf die Haare. »Halt durch, okay? Wir schaffen das.« Dann stieg er aus dem Wagen und zog die Tür halb hinter sich zu.

  Ich begann, alles in die Schränke zu räumen, damit es bei der Fahrt nicht herumflog. Das erneute Klingeln meines Telefons unterbrach mich dabei. Hastig ging ich dran. »Dad? Was ist mit Leni?«

  »Wir wissen es noch nicht. Die bringen sie gerade ins MRT und machen noch einige Untersuchungen. Aber sie wird wieder. Ganz bestimmt ist es nichts Schlimmes.«

  Die gefasste Art meines Dads brachte mich auf die Palme.

  »Wie konntest du sie auf ein Pferd steigen lassen, zum Teufel noch mal?!«, schnauzte ich ihn an. »Du weißt, was beim letzten Mal passiert ist, warum erlaubst du ihr das?«

  Mein Vater holte Luft. »Sie war zehn, als sie zuletzt runtergefallen ist. Das ist Jahre her. Wir können sie nicht auf ewig in Watte packen, Kenzie.«

  Ich schnaubte. »Das ist es also, was ich mache? Ich packe sie in Watte? Vielleicht bin ich auch einfach die Einzige in dieser Familie, die sich dafür interessiert, dass nicht noch jemand von uns draufgeht!« Ich wusste, ich war unfair, aber ich verstand nicht, wie er so ruhig bleiben konnte.

  »Kenzie, ich habe genauso viel Angst wie du!«, platzte es aus meinem Vater heraus. »Und ich mache mir große Vorwürfe! Aber ich stehe hier nur eine Flurlänge von deinen Schwestern entfernt, also kann ich jetzt nicht ausrasten, okay? Das solltest du doch verstehen.«

  Ich schwieg und wusste genau, was er meinte. Wie viele dieser Situationen hatte es in den letzten Jahren für mich gegeben – die Momente, wo man ausflippen wollte, aber nicht konnte, weil jemand da war, der das Gefühl brauchte, alles würde in Ordnung kommen. Mir kam wieder in den Sinn, wie ich damals auf dieser Brücke gestanden hatte. Wie ich an meine Schwestern gedacht und heruntergestiegen war.

  »Tut mir leid, Dad«, sagte ich leise.

  »Schon gut, Schätzchen«, antwortete er müde.

  »Ich schaue, dass ich es so schnell wie möglich nach Hause schaffe, okay? Aber ich bin in den Highlands und es kann eine Weile dauern. Bitte ruf an, wenn es etwas Neues gibt.«

  »Das werde ich. Fahr bloß vorsichtig, Kenzie.«

  Lyall kam wieder herein und sah mich fragend an, aber ich schüttelte nur den Kopf. »Mache ich. Bis später, Dad.« Dann legte ich auf.

  »Was Neues?«

  »Nein, sie untersuchen sie noch, gerade ist sie im MRT . Hast du etwas herausgefunden wegen der Flüge? Gibt es noch einen Platz in einer Maschine nach London?«

  Er lächelte leicht. »Es gibt etwas Besseres. Und deswegen sollten wir jetzt los. Man wartet in Perth darauf, dass wir kommen.«

  »Was meinst du damit? Wieso in Perth?« Das war eine kleine Stadt, die zwischen Kilmore und Edinburgh lag.

  »Ich habe vielleicht keinen Helikopter, aber ich kenne jemanden mit einem Privatjet«, sagte Lyall. »Und der steht gerade auf dem Flugplatz von Perth. Mein Bekannter hat für uns klargemacht, dass wir den Flieger heute Nacht nutzen können. Damit sind wir in drei Stunden im Süden, die Fahrt eingerechnet.«

  Ich starrte ihn einen Moment ungläubig an und konnte es nicht fassen. Dann fiel ich ihm um den Hals, unfähig, ein Danke herauszubringen. Er hatte das einfach mal eben geregelt, für mich . Deswegen ging es Eleni noch nicht besser, aber ich war so viel schneller bei meiner Schwester.

  Als mir das bewusst wurde, ließen sich die Tränen nicht mehr aufhalten. Weil ich jetzt nicht die Starke spielen musste. Da war jemand, der mich auffing, der verstand, wie ich mich fühlte, und für mich stark war. Jemand, dem ich vollkommen vertraute. Mir wurde bewusst, dass ich das so, so lange nicht gehabt hatte, und die Erkenntnis entlud sich in einer ganzen Flut aus Schluchzern und Tränen, die Lyalls Shirt durchweichten, während er mich an sich drückte.

  »Ich habe solche Angst«, gestand ich ihm leise und wischte mir über die Wangen, als er mich losließ.

  »Ich weiß.« Er küsste mich auf die Stirn, nahm dann den Schlüssel vom Haken, ging nach vorne und glitt wie selbstverständlich auf den Fahrersitz. »Aber das wird erst besser, wenn wir dort sind. Also komm, lass uns fahren.«

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nbsp; Ich schaffte es, nicht völlig durchzudrehen, während wir diesen wunderschönen Platz in den Highlands verließen – was auch daran lag, dass Lyall bei mir war und mit mir redete, während er im Dunkeln den Rückweg in die Zivilisation suchte. Es waren beruhigende Worte, die es tatsächlich schafften, meine blinde Panik etwas zu dämpfen, und er ließ meine Hand nur los, wenn er schalten musste. Mein Dad meldete sich ein weiteres Mal, aber richtige Neuigkeiten hatte er nicht. Eleni war noch nicht ansprechbar und die Ärzte werteten gerade das MRT aus. Eine Prognose konnte im Moment niemand geben.

  Es dauerte gefühlt ewig, bis wir endlich in Perth ankamen und Lyall an einer Kreuzung in Richtung Dunkelheit abbog. Erst zehn Minuten später erreichten wir ein massives Rolltor mit einem kleinen Häuschen davor. Es schien einer dieser privaten Flugplätze zu sein, die Normalsterbliche in der Regel nicht zu Gesicht bekamen. Lyall sagte dem Pförtner den Namen seines Bekannten, und man öffnete die Schranke für uns, damit wir über eine lange breite Straße zu einem Hangar fahren konnten, der hell erleuchtet war. Meinen Van parkte er neben dem Flugzeug, einem schwarzen Lear Jet mit dem Logo einer Immobilienfirma.

  »Ich habe organisiert, dass man dein Auto zurück nach Kilmore bringt«, sagte Lyall zu mir, bevor er die Fahrertür öffnete.

  »Bekommst du wegen der Sache hier eigentlich Ärger?«, fragte ich. Ich hatte in der Sorge um Eleni nicht daran gedacht, was die Hendersons von Lyall erwarteten. Wenn ihn in Kilmore alle hassten, weil sie glaubten, er habe mit Adas Verschwinden zu tun, und er deswegen Order hatte, sich von jedem Mädchen fernzuhalten, was würde Moira dann tun, wenn er jetzt für mich einen Jet kaperte?

  »Nein. Der Bekannte, dem das Flugzeug gehört, hat nichts mit meiner Familie zu tun. Niemand wird davon erfahren.« Damit stieg er aus und wartete, bis ich ihm folgte. Vor der Gangway stand die Pilotin, eine stämmige Frau mit grauen Haaren.

  »Guten Abend, Mister Henderson. Ich bin Elise Jenkins, ich wurde informiert, dass Sie nach London möchten.«

  »Danke, Mrs Jenkins, dass Sie uns fliegen. Es ist eine Art Notfall.«

  »Natürlich, Sir. Mein Chef hat mir gesagt, worum es geht. Ich habe selbst zwei Töchter, bei denen ich ständig aufpassen muss, dass sie keine Dummheiten machen. Wenn ich also helfen kann, mache ich das sehr gerne.« Sie lächelte mich an.

  »Vielen Dank.« Ich erwiderte das Lächeln.

  »Dann steigen Sie bitte ein.« Die Pilotin wies zu dem Flugzeug. »Ich habe kein Servicepersonal angefordert, wenn Sie also etwas essen oder trinken möchten, dann bedienen Sie sich bitte selbst.«

  Lyall nickte und bedankte sich noch einmal, dann ließ er mir den Vortritt, und ich betrat zum ersten Mal in meinem Leben einen Privatjet. Meine Angst um Eleni sorgte für eine dumpfe, neblige Wolke in meinem Kopf, aber ich bemerkte trotzdem, dass ich bis heute keine Vorstellung davon gehabt hatte, wie reich Menschen tatsächlich sein konnten.

  »Das Ding bringt mir doch sicher ein paar Punkte auf der Klischee-Skala ein, oder?« Lyall war mir in den schmalen, mit dunklen Ledersitzen ausgestatteten Innenraum gefolgt.

  Sein Scherz entlockte mir ein schwaches Lächeln. »Was früher der Vierspänner war, ist jetzt eben der Jet, Mister Darcy.«

  »Ich möchte zu Protokoll geben, dass der Jet nicht mir gehört.« Er verzog das Gesicht. »Vielleicht rettet das meinen Ruf.«

  »Als könnte irgendetwas deinen Ruf bei mir zerstören. Nicht nach heute. Nach allem in den letzten Tagen.« Mein Lächeln wurde liebevoll. Unser Ausflug hatte ein abruptes Ende gefunden, aber deswegen hatte ich nicht vergessen, was passiert war. Wie wir auf mehr als eine Art zusammengekommen waren.

  Er zog mich für einen schnellen Kuss an sich. »Wo willst du sitzen?«, fragte er dann.

  »Völlig egal. Hauptsache, du sitzt daneben.«

  Er wählte zwei Sitze in der Mitte gegenüber einer breiten Bank, überließ mir den Fensterplatz und schnallte sich an. Kaum hatte ich das ebenfalls erledigt, schob ich meine Hand in seine. Mit der anderen drückte er einen Knopf auf der Armlehne. »Mrs Jenkins? Wir sind so weit.«

  »Gut. Ich habe Starterlaubnis. Wir landen in etwa einer Stunde in Heathrow.«

  Lyall sah auf sein Handy. »Ich habe vorhin einen Wagen geordert, der Fahrer wird direkt am Rollfeld auf uns warten.« Er strich sanft mit dem Daumen über meinen Handrücken. »Bist du schon mal geflogen oder soll ich dir die Sicherheitsvorkehrungen kurz erläutern?«

  Ich wusste, er wollte mich aufheitern, und ließ es zu. »Ich bin schon geflogen, in so etwas allerdings nicht. Wenn du also vorne das Schwimmwestenballett machen möchtest, halte ich dich nicht davon ab.«

  »Verzichte.« Er lehnte sich in seinem Sitz zurück. Das Display seines Handys leuchtete neben mir auf der Armlehne auf und ich sah eine Nachricht. Lye, wo steckst du?

  »Von Edina?«, fragte ich, weil ich das kleine runde Bild über der Mitteilung ihr zuordnete.

  Lyall nickte und schaltete das Handy aus, als der Jet zu rollen begann. »Sie hat seit Donnerstag nichts von mir gehört, da fängt sie oft an, sich zu sorgen. Ich antworte ihr später.«

  Und dann steckte er das Telefon weg und hielt meine Hand, bis wir landeten.

  29

  Lyall

  Ich hatte Krankenhäuser nie gemocht. Das tat wohl kein Mensch – so mit der eigenen Sterblichkeit und ihren schmerzhaften Vorstufen konfrontiert zu werden, brachte selbst den größten Optimisten ins Straucheln. Aber ich hasste Krankenhäuser noch mehr als der Durchschnitt. Immer, wenn ich eines betrat und die typischen Gerüche wahrnahm, die überall in der zivilisierten Welt gleich waren, stand ich in Gedanken wieder mitten in der Nacht am Empfangstresen der Ambulanz von Pitlochry und fragte vergeblich, ob ein Mädchen eingeliefert worden wäre. Ein Mädchen, dessen Schicksal seit diesem Tag untrennbar mit dem meinen verbunden war.

  »Wir müssen in den dritten Stock«, sagte Kenzie neben mir und riss mich aus den Abgründen meiner Vergangenheit. »Lyall? Alles in Ordnung?«

  Ich nickte nur und lief zu einem der Aufzüge, um dort den Knopf mit der 3 zu drücken. Es brachte nichts, ihr zu sagen, dass ich mich hier nicht wohlfühlte, denn es ging nicht um mich. Es ging allein um sie und ihre Familie.

  Wir kamen im dritten Stock an und betraten einen breiten, beinahe leeren Flur. Als Kenzie jedoch um die Ecke bog, sprangen weiter hinten zwei Mädchen auf und rannten zu uns, um sie zu umarmen.

  »Wie hast du es so schnell hergeschafft?«, fragte die Dunkelhaarige von beiden, während die Blonde dazwischenrief: »Scheißegal, Hauptsache, sie ist hier!«

  »Gibt es etwas Neues?« Kenzie sah ihre Schwestern an.

  »Dad redet gerade mit der Ärztin. Aber sie haben eine Hirnblutung ausgeschlossen, also ist Leni nicht in Lebensgefahr.«

  Ich konnte erkennen, wie Kenzie erleichtert zusammensackte. »Das ist gut«, murmelte sie. »Das ist sehr gut.« Dann sah sie auf und schien zu bemerken, dass ihre Schwestern mich neugierig musterten. »Das ist Lyall«, sagte sie schnell. »Er hat mich hergebracht. Lyall, das sind meine Schwestern Willa«, die Blonde hob die Hand, »und Juliet.« Die Dunkelhaarige lächelte schüchtern.

  »Freut mich.« Mir entgingen die Blicke der beiden nicht, aber ich ging davon aus, dass sie gerade andere Sorgen hatten, als sich zu fragen, warum ich hier war. »Ich glaube, ich besorge mal was zu essen, oder? Nervennahrung.« Dann konnten die drei reden, ohne dass ein Fremder dabei war.

  Willa nickte. »Ja, bitte. Richtig viel, wenn es geht.«

  Kenzie stieß sie in die Seite. »Sei nicht so unverschämt, Willy.«

  »Er hat es doch angeboten«, gab die zurück und sah mich an. »Hast du doch, oder?«

  »Habe ich.« Ich musste grinsen. »Bin gleich wieder da.« Damit drehte ich mich um und ging zum anderen Ende des Ganges.

  »Heilige Scheiße, Kenz, wo hast du denn den aufgetrieben?«, hörte ich Willa sagen, bevor ich außer Hörweite war. »Aus dem Onlineshop Die heißesten Typen der Welt ? Bitte sag mir, dass es da, wo er herkommt, noch mehr von seiner Sorte gibt.«

  »Weißt du etwa nicht, wer er ist, Willy? Das ist Lyall Henderson!« Juliet zischte es fast schon ehrfürchtig. Ich konnte nur hoffen, sie hatte n
icht irgendwelche Klatschartikel über mich gelesen. »Der datet doch nur Models.« Okay, offenbar hatte sie alle gelesen. Da ich meist mit Finlay zusammen war, wenn ich irgendwo öffentlich in Erscheinung trat, dichtete man mir die gleichen Vorlieben an wie ihm.

  »Nein, das ist sein Cousin.« Kenzies belustigte Erwiderung war das Letzte, was ich hörte, bevor ich um die Ecke bog, auf der Suche nach dem nächsten Snackautomaten. Aber kaum stand ich davor und überlegte, was besorgte Mädchen wohl mitten in der Nacht essen wollten, klingelte mein Handy.

  Ich war versucht, den Anruf wegzudrücken, als ich den Namen sah, aber ich ging dran. »Hi, Moira.«

  »Lyall, Herrgott. Wo in drei Teufels Namen steckst du, verdammt noch mal?« Das waren mehr Flüche, als sie sonst im ganzen Jahr benutzte, so viel stand fest.

  »Ich bin in Edinburgh«, blieb ich bei der Lüge, die ich mir zurechtgelegt hatte. Wenn ich ihr die Wahrheit sagte, riskierte ich zu viel. Und nachweisen konnte sie es mir eh nicht.

  »Ach ja? Und wieso steht dann dein Mietwagen irgendwo in Killiecrankie? Die Firma hat mich vorhin angerufen, weil sie dich nicht erreichen konnten und du die Hoteladresse angegeben hattest.«

  Verdammt. Die Vermietung hatte eine inländische Adresse verlangt, und ich war nicht davon ausgegangen, dass das ein Problem werden würde.

  »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich habe ihn seit Freitag nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hat ihn jemand geklaut.«

  »Geklaut.« Moira schien nicht überzeugt. »Und der Dieb hatte den passenden Schlüssel dabei? Oder warum ist das Auto abgeschlossen und vollkommen unversehrt?«

  Meine Güte, sie war echt hartnäckig. »Man knackt ein Auto doch nicht mehr mit der Brechstange. Heutzutage haben die da irgendwelche elektronischen Gadgets, die keine Spuren hinterlassen. Guckst du nie Fernsehen?« Ich sagte es, als wäre sie ihrer Zeit weit hinterher. Was genau genommen ja auch stimmte.

  »Ich schwöre dir, Lyall, wenn du mich anlügst und ich herausfinde, dass du irgendetwas Verbotenes tust –«

  »Würde ich nie«, unterbrach ich sie. »Oder denkst du, ich will so enden wie Jamie?«

 

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