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Scandal Love

Page 35

by L.J. Shen


  Der Tee. Alle Informationen, die ich hatte, verdankte ich Amanda. Aber vieles davon war aus dem zusammengestückelt, was meine Freunde und Edie ans Licht gebracht hatten.

  »Darüber hinaus hat Edie für uns ein Treffen mit der Frau arrangiert, die ihr in der Sache mit ihrem Bruder beisteht – ich spreche von deiner guten alten Freundin Sonya.« Deans Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln. Wir saßen alle vor dem Pool, unsere Körper einander zugewandt. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen, mein Atem setzte wieder ein, und ich ließ den bittersüßen Rauch aus meinen Lungen entweichen.

  »Wie zum Geier ist Edie an Sonya geraten?« Ich runzelte die Stirn.

  »Sonya ist die Mutter ihres besten Kumpels«, erklärte Vicious und breitete die Arme aus, wie um zu sagen: Die Welt ist ein Dorf.

  Mein Kiefer verspannte sich. »Bane?«

  »Fünf Punkte gehen an den Mann mit dem Zwanzig-Zentimeter-Prügel.« Dean klatschte in die Hände.

  »Diese Rotznase.« Jaime schmunzelte. »Du hättest das Blickduell zwischen ihm und Vicious miterleben müssen. Am Ende hat Vicious ihn freiheraus gefragt, ob er seine Made-in-China-Version sei.«

  Wir brachen alle vier in Gelächter aus. »Hey, Trent«, rief Vicious mir von seiner Liege aus zu und zog eine Braue hoch.

  Ich hob den Blick von meinem Joint. »Was ist?«

  »Fehlt sie dir?«

  Vicious neigte nicht zu Gefühlsduselei, nicht bei seiner Frau und erst recht nicht gegenüber seinen Freunden, er wollte also auf etwas Bestimmtes hinaus. Die Lüge lag mir schon auf den Lippen. Man konnte noch so groß und stark, reich und erwachsen sein, wenn man nach dem Mädchen gefragt wurde, das einem das Herz in tausend Stücke zerbrochen hatte, wurde man automatisch wieder ein dreizehnjähriger Junge, der nicht wusste, wohin mit seinem Ständer und seinen außer Kontrolle geratenen Hormonen.

  Ich zuckte mit den Schultern.

  »Drück es in Worten aus«, forderte er mich auf.

  Alle Blicke ruhten auf mir. Ich schaute zum Pool, kniff die Augen zusammen. »Sie geht mir unter die Haut.«

  Vicious stand auf, kramte einen kleinen Gegenstand aus seiner Hosentasche und warf ihn in meine Richtung. Ich fing ihn, dann öffnete ich meine Hand und starrte ihn ungläubig an.

  Ich schaute wieder zu Vicious. Er schüttelte den Kopf.

  »Edie hat ihn Jordan nie gegeben, Trent. Sie konnte sich nicht dazu durchringen.«

  Dean beugte sich zu mir und stupste mit seiner Schulter gegen meine. »Hast du das gehört, Sackgesicht? Da ist endlich jemand, der dich trotz deines kalten Herzens liebt. Schnapp sie dir, solange sie noch jung und naiv genug ist, um etwas an dir zu finden.«

  Ich ballte die Faust um den USB-Stick. Ich hätte schwören können, dass er nach ihr roch.

  Später in dieser Nacht saß ich in meinem Auto und starrte wieder darauf. Ich konnte es mir leicht machen, ihn einfach ignorieren, die Vergangenheit hinter mir lassen. Dann musste ich mich weder damit auseinandersetzen, dass ich ihren Vater ins Gefängnis gebracht hatte, noch mit den abschätzigen Blicken, den unbequemen Fragen, dem Getratsche.

  Wir waren bereits getrennt, und wir kamen prima zurecht.

  Der Stick schnitt in meine Handfläche. Erst als sie blutete, ließ ich den Wagen an und fuhr los.

  KAPITEL 33

  EDIE

  Am schlimmsten waren die Nächte.

  Wenn ich auf Banes Sofa lag und Trents Körper nicht neben meinem spürte. Die Erinnerung an ihn war eine Waffe im Kampf gegen mich selber. An seine Lippen, die über meinen Nacken strichen wie die eines Löwen, der im Begriff stand, seine Gefährtin zu besteigen. Seine Hände, die meine Arme streichelten, als wollten sie mich von all meinen Komplexen, meinen Sorgen und düsteren Gedanken erlösen. Von seinem warmen regelmäßigen Atem, der über meinen Mund strich. Seinem Puls, der im Gleichtakt mit meinem schlug. War das Leben ohne diese Momente noch lebenswert?

  Jedes Mal, wenn mir diese Frage im Kopf rumging, verdrängte ich sie, indem ich mich auf der Couch umdrehte und mich wahlweise mit dem kratzigen gelben Stoff der Rückenlehne oder dem nervigen Licht des Fernsehers herumschlug, der direkt vor mir in Banes Kajüte stand. Es war großmütig von ihm, mich hier wohnen zu lassen, ohne mich zu fragen, wann ich vorhätte auszuziehen, oder mich an den Kosten für die Nahrungsmittel zu beteiligen. Allerdings blieb er seinem wilden ausschweifenden Lebensstil unerbittlich treu. Nicht dass ich etwas anderes von ihm erwartet hätte, aber da meine Mutter in einer Entzugsklinik und mein Vater im Gefängnis war, konnte ich nirgendwo anders hin. Lydias Anwalt hatte angeboten, mir ein Hotelzimmer zu besorgen, doch das konnte ich mir erst recht nicht leisten – und wer hätte in meiner derzeitigen Lage schon allein sein wollen? Ich musste mich ablenken, brauchte Kontakt zu Menschen.

  Bane feierte Sexorgien in seinem Zimmer, als versuchte er, einen Rekord zu brechen.

  Sie waren laut und zügellos, und es gab nicht mal eine Tür zwischen dem winzigen Wohnbereich und seiner Schlafstätte.

  Aber wann immer ich in Versuchung war, meine Sachen zu packen und doch in ein Hotel zu ziehen, ließ mich der Gedanke an die ungeklärte Situation mit Theo beziehungsweise die geklärte und verheerende mit Trent meine Meinung ändern.

  Und dann verbrachte ich eine weitere Nacht auf dem Sofa.

  Ticktack. Ticktack.

  Ich wünschte, Bane hätte sich diese Uhr vom Hals geschafft, nachdem er sich das Boot zugelegt hatte. Sie erinnerte mich unentwegt daran, dass Tage vergangen waren, seit ich Theo oder Trent zuletzt gesehen hatte.

  Und Luna. Gott, ich vermisste sie mehr, als ich gedacht hätte. Die süßen Laute, die sie von sich gab, wenn sie sich über etwas freute oder amüsierte. Sie waren meine Belohnung dafür gewesen, dass ich sie fröhlich stimmte.

  Draußen hörte ich eine Gruppe von Fischern, unter deren Gummistiefeln das Holz ächzte, als sie ins Gespräch vertieft den Pier entlanggingen. Es musste früher Morgen sein. Sie brachen immer auf, bevor die Sonne aufging. Witzig, wie viele neue Eindrücke man sammelt, bevor ein unvertrauter Ort ein Zuhause wird. Von Geräuschen, Routinen, Menschen, Gerüchen …

  Das Boot knarrte.

  Das Leben auf einem Schiff bringt unweigerlich mit sich, dass die Welt aus dem Gleichgewicht gerät. Bane liebte das, diesen Ritt auf der Rasierklinge. Ich dagegen brauchte Stabilität. Ich wollte mich fest verwurzelt fühlen und nicht wie eine Pusteblume im Wind.

  Irgendetwas fiel draußen aufs Deck. Etwas Leichtes. Ich verrenkte mir den Hals, um aus dem kleinen Fenster neben der Tür zu linsen. Es war schmutzig und aus billigem Plastik, trotzdem konnte ich hindurchsehen. Da war jemand. Jemand, der hier nichts zu suchen hatte.

  Wachsam stand ich vom Sofa auf und schlich in die behelfsmäßige Kombüse. Auf dem Tresen stand ein offenes Glas Erdnussbutter, und am Rand der Spüle lag ein zur Hälfte abgelecktes scharfes Messer.

  Ausnahmsweise einmal froh darüber, dass Bane für alles – selbst um Brotscheiben mit Erdnussbutter und Gelee zu bestreichen – Steakmesser benutzte, griff ich danach.

  Als ich an seinem Schlafbereich vorbeikam, überlegte ich kurz, ihn zu wecken, unterließ es dann aber. Es war vermutlich nur einer von seinen Kumpels, der im Vollrausch auf dem Deck umgekippt war oder in den Eimer pinkelte, den Bane benutzte, wenn er angeln ging. Ich schlüpfte in meine Dr. Martens, öffnete die Tür einen Spaltbreit und lugte nach draußen.

  Nichts.

  Niemand.

  Ich sah nach unten. Vor der Tür lag ein Haufen Muscheln. Ich zog die Tür weiter auf und trat ins Freie. Sie waren alle von derselben Art. Gelbe Stachelige Herzmuscheln. Nicht übermäßig selten, trotzdem war die Chance gering, so viele auf einmal an einem Platz zu finden. Bei den Muscheln ist es wie bei den Menschen, sie unterscheiden sich in Größe, Farbe und Gestalt, und dennoch sind sie alle gleichermaßen schön. Ich ging in die Hocke und nahm eine in die Hand. Sie war noch kalt und feucht vom Meer. Mit zusammengekniffenen Augen hielt ich gegen das Rosa, Lila und Blau des Sonnenaufgangs Ausschau nach der Person, die sie hier hinterl
assen hatte, als mein Blick ein weiteres Muschelhäufchen neben der Treppe erfasste, die aufs Deck führte.

  Mit immer ungestümer pochendem Herzen ging ich hinüber. Es handelte sich um seltene, wunderschöne Hufmuscheln. Auch sie kamen frisch aus dem Ozean. Wie konnte das sein?

  Ich steckte eine ein, zusammen mit der Stacheligen Herzmuschel, dann lief ich die Stufen hinunter zum Pier, wo noch ein Fund auf mich wartete.

  Rosenzweigschnecken. Ich griff mir eine. Und weiter.

  Strandschnecken. Lieber Himmel, wie war das möglich? Ab damit in meine Tasche.

  Weiter vom Pier zur Promenade, begierig, des Rätsels Lösung zu ergründen.

  Löwenpranken.

  Gebänderte Tulpenschnecken.

  Schlitzturmschnecken.

  Eine spitze Venusmuschel. Inzwischen hatte ich mich so weit vom Hafen entfernt, dass ich hochschauen musste, um festzustellen, wo ich war. Ich stand mitten auf der Promenade, außer Atem, mit zerzaustem Haar und in dem übergroßen T-Shirt, das ich mir von Bane geliehen hatte. Es gab keine Muscheln mehr zu sammeln. Ich blickte mich um. Alle Läden hatten geschlossen. Was hatte das zu bedeuten? Was um alles in der Welt ging hier vor sich?

  Die Venusmuschel.

  Wohin zeigte ihre Spitze? Ich folgte der Richtung mit den Augen, und sie trafen auf eine Gasse. Eine Gasse, die mir gut im Gedächtnis geblieben war, weil ich ihr eine meiner süßesten, beängstigendsten, aufwühlendsten Erinnerungen verdankte.

  Dort hatte Trent mich zum ersten Mal gegen eine Wand gepresst, mich eingeschüchtert und zur Rede gestellt.

  Mit zittrigen Beinen überquerte ich die Straße. Mein ganzer Körper summte eine Melodie, die ich nicht kannte. Ich fühlte mich unbeschreiblich lebendig und hätte am liebsten einen Freudenschrei ausgestoßen. Die Hoffnung, die mich erfüllte, barg jedoch eine große Gefahr. Sollte sie sich zerschlagen, würde mein Herz in Stücke brechen. Mit zügigen Schritten strebte ich auf die in die bläulichen Farben der Dämmerung getauchte Gasse zu, die mir vielleicht alles Licht spenden würde, das ich brauchte.

  »Trent?« Es klang wie eine Beschwörung. Was war in mich gefahren, dass ich ernsthaft hoffte, ihn hier zu finden?

  Doch es kam keine Antwort. Ich ging einen Schritt weiter und presste den Rücken an dieselbe Wand, dieselbe Stelle wie bei unserer ersten Begegnung. Mit geschlossenen Augen holte ich tief Luft.

  »Bitte«, sagte ich.

  »Bitte was?« Seine Stimme kam aus dem Nirgendwo. Ich wagte es nicht, die Lider zu öffnen. Vielleicht bildete ich sie mir nur ein. Vielleicht war ich verrückt geworden. So oder so, es kümmerte mich nicht. Da ich nicht riskieren konnte, die Augen zu öffnen – und er wäre nicht da, ließ ich sie zu.

  »Bitte, verzeih mir.«

  »Was denn?«

  »Dass ich versucht habe, dich zu zerstören. Mich selbst. Uns. Dass ich so lange nicht das nötige Selbstvertrauen fassen konnte, um, was Jordan und Theo betraf, das Richtige zu tun. Dass ich ein Feigling war. Aber am allermeisten bereue ich, dir nicht gesagt zu haben, was ich für dich empfinde. Denn dann hättest du dich vielleicht anders entschieden, und nichts von alledem wäre passiert.«

  »Was empfindest du denn für mich, Edie?« Er legte seine große warme Hand an meine Wange, und da wusste ich, dass das hier wirklich geschah, dass er real war. Ich öffnete die Augen, und er stand vor mir, in Fleisch und Blut. Dieser schweigsame Mann, der mein Herz zum Klingen brachte.

  »Ich …«, setzte ich an, brachte den Satz jedoch nicht zu Ende. Er presste seinen Mund auf meinen und küsste mich mit solcher Leidenschaft, dass sich mir der Kopf drehte und mir die Luft wegblieb. Seine süßen warmen Lippen saugten an meinen, wie um mir Trost zu spenden, während ich seine muskulösen Unterarme umfasste und ihn näher zu mir heranzog.

  »Du hast Jordan den USB-Stick nie gegeben«, bemerkte er plötzlich.

  Am liebsten hätte ich losgeheult. Nacht für Nacht hatte ich auf meinem Sofa dafür gebetet, dass er es irgendwie herausfinden würde, ohne dass ich es ihm sagte. Ich wollte nicht, dass er sich zwischen Val und mir entscheiden musste.

  »Wie hätte ich das tun können?«, flüsterte ich nah an seinen Lippen. »Wo du doch mein Ozean bist?«

  Wir versanken in einem weiteren Kuss. Einem anderen. Einem, der bestätigte, dass das hier echt war und dass es uns gehörte, so kompliziert, verworren und falsch es sich manchmal auch anfühlte.

  »Ich will mich nicht zwischen dich und die Mutter deines Kindes stellen«, meinte ich kläglich und grub die Finger fester in seine Arme, suchte noch mehr seine Nähe. Und er gab sie mir, gab mir alles, was ich brauchte, indem er mir seinen Körper entgegendrängte.

  »Die Mutter meines Kindes ist schuld an ihrer zerrütteten Beziehung zu Luna, nicht du. Du warst diejenige, die meine Tochter zum Lächeln gebracht, die Zeit mit ihr verbracht hat. Die sie beschützt hat, wenn sie von anderen Kindern schikaniert wurde. Du bist mehr eine Mutter für sie, als Val das jemals sein könnte. Ich weiß nicht, was du an jenem Tag, als Val bei mir zu Hause war, gesehen hast, aber du hast einen ganz falschen Eindruck gewonnen. Sie hat sich nie einen Dreck um ihr Kind geschert. Val ist hier aufgetaucht, weil sie geld- und machtgeil ist, aber sie wird dorthin zurückkriechen, woher sie gekommen ist.«

  »Es tut mir so leid.« Ich rückte ein Stück ab, um ihn ansehen zu können, und streichelte seine Wange.

  »Dazu besteht kein Grund«, antwortete er. »Und ich bereue es auch nicht, deinen Vater hinter Schloss und Riegel gebracht zu haben. Er hat ein paar schreckliche Dinge getan, über die du unbedingt Bescheid wissen musst, Edie.«

  Ich nickte. »Ja, ich glaube dir.« Und das tat ich. Einiges davon hatte ich bereits erfahren. Was immer Trent mir über ihn erzählen würde, es wäre die Wahrheit. Weil Jordan Van Der Zee absolut keine Grenzen kannte.

  Trent hauchte einen Kuss auf meine Nase und schmiegte die Stirn an meine. »Ich liebe dich«, bekannte er und legte die Hände an meinen Hals, dabei schüttelte er resigniert den Kopf, als wäre das alles ein großer Fehler. Als käme er nicht dagegen an, mich zu lieben, obwohl er es eigentlich nicht sollte. Mir wurde warm ums Herz. »Ich liebe dich so sehr, Edie Van Der Zee, dass ich nicht mehr weiß, wo ich ende und wo du anfängst. Ich liebe dich, obwohl mir klar ist, wie verrückt und prekär unsere Situation ist – und dass du erst noch ein paar Erfahrungen sammeln solltest, bevor du die eine große Liebe findest. Ich liebe dich, obwohl unsere Lebensumstände völlig verschieden sind, wir nichts gemein haben und einen wirklich grauenvollen Start hatten. Trotz alledem liebe ich dich.«

  »Ich liebe dich auch.« Schniefend hielt ich meine Tränen in Schach und presste die Stirn fester auf seine. »Ich liebe die Unerbittlichkeit, mit der du für die Menschen eintrittst, die dir wichtig sind. Ich liebe es, dass du dir deiner Schwächen nur allzu bewusst bist und gegen sie ankämpfst. Ich liebe es sogar, wenn du ihnen nachgibst. Ich liebe jede Seite an dir. Die guten wie die schlechten. Und ich werde nie einen anderen Mann so sehr lieben wie dich, weil es ganz und gar nichts mit meinem Alter zu tun hat. Sondern einzig und allein mit meinem Herzen. Es gehört dir. Du bist mein Ozean, Trent Rexroth. Du machst mich nass.«

  Er grinste und drückte mich fest an sich. »Ich hätte dich mir zurückgeholt, Van Der Zee, selbst wenn du ihm den Stick gegeben und mich den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hättest. Und ich verspreche, dass ich niemals aufhören werde, dich nass zu machen, meine kleine Tide. Ich sorge dafür, dass du immer schön feucht bist.«

  EPILOG

  EDIE

  Jemand knallt die Tür ins Schloss. Ich weiß genau, wer.

  Nur einer meiner Mitbewohner behandelt Türen, als hätten sie ihm und dem ganzen Universum ein Unrecht zugefügt. Grobe Motorik, sanftes Herz.

  »N-n-nein!« Nie w-wieder!«, plärrt Theo und tritt sich in der Diele die schmutzigen Schuhe von den Füßen. »Ich bin f-f-fertig mit Football. Ich k-k-kann das einfach nicht.«

  »Was redest du denn da? Du wärst fähig, einen Scheißelefanten zu Boden zu ringen, wenn es sein müsste.«

  »Trent�
�, rufe ich mahnend aus der Küche und verberge mein Stirnrunzeln hinter einem Lächeln. Ganz gleich, wie viel Zeit vergeht, ohne Rücksicht darauf, dass wir mit dem dreizehnjährigen Theo und der fünfjährigen Luna unter einem Dach leben, mein Liebster kann nicht aufhören, mit Kraftausdrücken um sich zu werfen, als wären es Granaten, mit denen er den Kontinent plattmachen will. »Achte auf deine Wortwahl.«

  »Ja, M-M-Mom«, verulkt Theo mich aus Richtung Diele. Er trägt sein neu gewonnenes Selbstbewusstsein wie einen Schild vor sich her. Ich stehe in der Küche und blicke über die Schulter nach hinten zu meiner Mutter, die sich ein Brett geschnappt hat und Gemüse klein schneidet. Sie schmunzelt. Zum Glück stört es sie nicht, dass Theo mich manchmal so nennt. Sie weiß, dass es ein Witz sein soll.

  »Dein Sohn ist schwer zu bändigen«, bemerke ich und gebe die Steakstreifen in eine heiße Bratpfanne.

  »Zu meiner Verteidigung möchte ich anmerken, dass in erster Linie du diejenige warst, die ihn großgezogen hat«, entgegnet sie mit melancholischer Bereitschaft, das zu akzeptieren. Sie besucht uns jedes Wochenende, um Zeit mit Theo und Luna zu verbringen.

  Donnerstags passt Camila auf die Kinder auf, denn da gehen Trent und ich aus.

  Donnerstags benehmen wir uns unserem Alter entsprechend. Besser gesagt, meinem Alter entsprechend.

  Donnerstags knutschen wir in Autos rum, verdrücken uns in ein dunkles, leer stehendes Rathaus, gehen ins Kino, in Restaurants und in Clubs, wo ich nun keinen gefälschten Ausweis mehr vorzuzeigen brauche, weil mein Freund in dieser Stadt ein einflussreicher Mann ist.

 

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