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002 - Someone Else

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by Laura Kneidl


  Dies war noch immer ein ungewohnter Anblick. Im ersten Jahr nach unserem Kennenlernen hatte ich ihn nie lächeln sehen, und wenn doch, hatte es bitter gewirkt. Inzwischen hatte sich das geändert. In den vergangenen Monaten hatte Julian hart an sich gearbeitet und daran, die Dämonen zu vertreiben, die ihn plagten, seitdem er von seiner Familie und seinen Freunden in Idaho verstoßen worden war.

  Lange Zeit hatten Auri und ich nicht gewusst, was es mit Julians Distanziertheit auf sich hatte. Wir hatten angenommen, dass er uns einfach nicht mochte – bis er uns in einem Brief alles erklärt hatte. Seit diesem Tag hatte sich viel verändert, und aus unserer Bekanntschaft zu Julian war eine echte Freundschaft entstanden.

  Ich setzte mich Julian gegenüber auf die Anrichte. »Wie läuft das Praktikum?«

  »Gut, aber es gibt viel zu tun. Wir arbeiten gerade auf eine große Deadline für ein Einkaufszentrum hin. Diese Woche war ich jeden Tag zwölf oder dreizehn Stunden im Büro, und trotzdem habe ich mir fürs Wochenende noch Arbeit heimgebracht.« Er deutete auf einen Stapel Ordner, die auf dem Couchtisch lagen. Zahlreiche Klebezettel und Notizen ragten zwischen den Seiten hervor.

  »Du arbeitest zu viel.«

  Er seufzte. »Ich weiß, aber vermutlich wird es eher mehr, bevor es weniger wird.«

  »Bitte sag mir, dass du zumindest mit Ricky geredet hast.«

  Julians Seufzen wurde von einem Schnauben abgelöst. »Du klingst schon wie Micah.«

  Abwartend sah ich ihn an, denn er hatte nicht das gesagt, was ich von ihm hören wollte. Er hatte schon immer viel gearbeitet, zu Höchstzeiten in drei Jobs gleichzeitig, und das neben dem Studium. Ich hätte niemals geglaubt, dass eine Zeit kommen würde, in der er noch mehr schuftete. Kein Mensch war für Achtzigstundenwochen gemacht.

  »Ja, ich habe mit Ricky geredet«, sagte Julian schließlich. Er lehnte sich zurück und streckte die Arme über dem Kopf aus, als wären seine Muskeln steif von den vielen Stunden, die er im Büro gesessen hatte. »Er war nicht gerade glücklich zu hören, dass ich für ein paar Wochen ausfalle, zumal er so kurzfristig keinen Ersatz für mich bekommt. Falls du für den Sommer also noch einen Aushilfsjob suchst, ich schlage dich gerne vor. Ricky wird sich freuen, wenn ich ihm eine fähige Aushilfe auf dem Silbertablett serviere.«

  »Woher weißt du, dass ich fähig bin?«

  »Kannst du ›Hallo‹ sagen und weißt, wie ein Telefon funktioniert?«

  Ich zog die Stirn kraus. »Ja.«

  »Siehst du: fähig. Es ist nur ein Job am Empfang, du musst die Leute nicht tätowieren.«

  »Ich weiß nicht …«

  »Komm schon!« Flehentlich sah Julian mich an.

  Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Du willst mir den Job nur andrehen, um dein Gewissen zu erleichtern.«

  »Na und? Ich erleichtere mein Gewissen, du stockst deine Cosplay-Kasse auf. Win-win.«

  Ich stutzte. Der Gedanke war mir noch gar nicht gekommen. Ich hatte kein Problem damit zu arbeiten. Meine gesamte Schulzeit über hatte ich in einem Laden für Bastelbedarf gejobbt. Aber meine Eltern hatten darauf bestanden, die Kosten für mein Studium und alles, was dazugehörte, zu tragen. Sie wollten, dass ich mich voll und ganz auf meine Kurse konzentrierte und das Beste aus dieser Erfahrung und meinen Noten machte. Allerdings hatte ich in den nächsten Wochen keine Seminare oder Vorlesungen, und der Job bei Crooked Ink wäre zeitlich begrenzt bis zum Ende von Julians Praktikum. Außerdem dienten die SciFaCon und das dazugehörige Cosplay alleine meinem Vergnügen, dafür sollten meine Eltern nicht aufkommen müssen, auch wenn sie das, ohne mit der Wimper zu zucken, getan hätten.

  »Okay, wenn Ricky einverstanden ist, übernehme ich deine Schichten, bis du zurückkommst.«

  »Großartig! Ich schreib ihm gleich«, sagte Julian begeistert und zog sein Handy aus der Hosentasche.

  »Was ist großartig?«, erkundigte sich Micah, die in diesem Moment das Wohnzimmer betrat.

  »Cassie übernimmt meine Schicht bei Crooked Ink«, antwortete Julian, ohne aufzublicken.

  Micahs Augenbrauen schossen in die Höhe, als wollten sie die Fransen ihres kurz geschnittenen Ponys berühren. »Ernsthaft? Du im Tattoostudio?«

  »Du klingst überrascht. Traust du mir das etwa nicht zu?«

  »Natürlich trau ich dir das zu«, erwiderte Micah und stellte sich zu Julian und mir. »Ich bin nur erstaunt, dass du das machen willst. Dir ist schon klar, dass du dort mit Fremden reden musst?«

  Ich nickte und versuchte mich von Micahs Worten nicht verunsichern zu lassen. Sie meinte es nicht böse, sondern machte sich Sorgen. Immerhin wusste sie nur allzu gut, wie unwohl ich mich fühlte, wenn ich mit Fremden reden musste. Meine Eltern sagten immer scherzhaft, dass ich so sehr in meinen fantastischen Welten mit all den fiktiven Charakteren gefangen war, dass ich nicht mehr wusste, wie ich mit realen Menschen umgehen sollte. Small Talk fiel mir schwer, wenn ich nicht über irgendwelche Fantasybücher oder Science-Fiction-Serien reden konnte. Andererseits kamen die Leute nicht ins Crooked Ink, um sich mit mir zu unterhalten, sondern um sich einen Termin geben oder ein Tattoo stechen zu lassen. Dazu kam, dass ich weder eine Karriere in einem Tattoostudio noch als Empfangsdame anstrebte. Und ich würde nur für einige Wochen dort jobben, daher war es nicht wichtig, ob Ricky und all die anderen mich sympathisch fanden oder nicht. Solange ich den Kalender pflegte und alle Einwilligungserklärungen unterschreiben ließ, sollte ich auf der sicheren Seite sein. Und falls ich dem Ansturm doch nicht gewachsen war, konnte ich jederzeit meine Tasche packen und gehen.

  »Ich bin mir sicher, Cassie wird das fabelhaft machen«, warf Auri ein. Er war vom Boden aufgestanden und neben mich getreten. Völlig selbstverständlich legte er einen Arm um meine Schulter. Sofort stieg mir der vertraute Geruch seines Aftershaves in die Nase. Es war ein Duft, den ich für ihn ausgesucht hatte: dunkler Regenwald.

  Ich sah zu ihm auf. Obwohl ich auf der Anrichte saß, musste ich dabei den Kopf in den Nacken legen. Auri war nicht einfach nur groß. Er war riesig.

  »Wenn du dort arbeitest, komm ich vorbei.«

  »Nicht so übereifrig, erst muss Ricky mir die Stelle geben.«

  Auri bedachte mich mit einem warmen Blick, in dem ich einen Funken Stolz zu entdecken glaubte. »Das tut er sicher, und dann kannst du deine Terminvergabe-Skills an mir üben.«

  »Du willst dir wirklich ein neues Tattoo stechen lassen?«, fragte ich verwundert. So vergesslich ich manchmal sein konnte, ich war mir sicher, dass Auri mir gegenüber bisher nichts in dieser Richtung erwähnt hatte.

  Er nickte. »Ich will schon lange ein neues. Vielleicht motiviert mich ein Termin dazu, mich endlich für ein Motiv zu entscheiden. Und wenn nicht, kannst du eines für mich aussuchen.«

  »Ist das dein Ernst?«

  »Ja, warum nicht?«

  Fassungslos starrte ich Auri an. »Du weißt, dass Tattoos permanent sind?«

  »Na und? Du kennst mich, und ich vertraue dir.«

  Er konnte das unmöglich ernst meinen, wir redeten hier schließlich nicht von einem Abziehtattoo. Er würde das Motiv den Rest seines Lebens tragen. Gewiss könnte ich etwas aussuchen, das ihm gefiel. Doch allein die Tatsache, dass ich diese Entscheidung an seiner Stelle traf, würde ihn für immer an mich binden. Jedes Mal, wenn er das Tattoo ansah, würde er sich an mich erinnern. Ein Gedanke, der seinen Reiz hatte, mir aber zugleich eine Heidenangst einjagte. So tief unsere Freundschaft auch reichte, es gab keine Garantie dafür, dass sie für immer hielt. Denn die Gemeinsamkeiten, die Auri und mich verbanden, waren so zahlreich wie die Unterschiede, die uns trennten.

  2. Kapitel

  Das Gras war verbrannt. Braun und dörr knirschte es unter meinen Füßen, als ich mich gemeinsam mit Auri, Julian und Micah dem Flohmarkt im Park näherte. Es hatte seit Tagen nicht geregnet, und die Bäume spendeten nicht genügend Schatten, um den Rasen vor den starken Sonnenstrahlen zu schützen, die auch in diesem Moment auf unsere Köpfe niederbrannten. Ich bereute es, keinen Hut mitgenommen zu haben, aber zum Glück hatte ich wenigstens daran gedacht, mich mit einer starken Sonnencreme einzureiben. Anderenfalls wäre meine Haut vermutlich bereits nach f�
�nf Minuten rot gewesen.

  »Adrian und Keith haben gerade abgesagt«, verkündete Micah, die mit Julian hinter Auri und mir lief.

  Ich sah über meine Schulter. »Oh nein, wieso?«

  »Keith ist krank, und mein Bruder möchte ihn nicht alleine lassen.«

  »Schade. Richte ihm gute Besserung von mir aus.«

  »Von mir auch«, sagte Auri.

  »Ich schicke ihm einfach gute Besserungswünsche von uns allen.«

  Wir blieben kurz stehen, damit Micah in Ruhe eine Antwort tippen konnte, ehe wir unseren Weg fortsetzten.

  Bereits aus der Ferne hatten wir das Treiben hören können, das auf dem Flohmarkt herrschte, nun konnten wir es auch sehen. Die Stände waren in dichten Reihen angeordnet. Manche bestanden lediglich aus Bierbänken und Hockern, während andere umfunktionierte Camper waren, die einen schon beinahe professionellen Eindruck erweckten. Überall waren Sonnenschirme aufgespannt, und zwischen einigen Ständen hingen Tücher, um den Marktbesuchern, die sich auf der Suche nach den besten Schnäppchen um die zahlreichen Auslagen drängten, Schatten zu spenden.

  Mir wurde etwas flau im Magen. Ich hatte nicht erwartet, dass es bei diesen Temperaturen so voll sein würde.

  Auri beugt sich leicht zu mir runter. »Keine Angst, wenn das Gedränge zu groß wird, nehme ich dich einfach huckepack.«

  Ich lachte. »Danke. Ich hätte nicht gedacht, dass so viel los sein wird.« Warum waren die Leute nicht im Schwimmbad oder an einem Badesee?

  »Ich wette, auf dem Markt verläuft sich das.«

  Auri irrte sich. Doch obwohl das Gedränge groß war und gefühlt jeder Mensch auf diesem Planeten größer als ich, erhaschte ich immer wieder einen Blick auf die Auslagen, die so bunt und vielseitig waren wie die Besucher des Marktes. Was immer man suchte, hier würde man bestimmt fündig werden. Von Trockenobst und Schneidebrettern über altes Spielzeug bis hin zu Schallplatten, Kosmetik, Secondhandkleidung und Vintage-Möbeln war alles geboten. Man wusste überhaupt nicht, wohin man zuerst schauen sollte.

  Nach einer Weile beschlossen Micah und Julian, dass es besser wäre, wenn wir uns aufteilten, da es bei dem Gewühl ohnehin unmöglich war, als Vierergruppe zusammenzubleiben, ohne sich ständig nach einem von uns umzusehen. Und so blieb Auri und mir genügend Zeit, auch die Stände zu erkunden, die nur uns interessierten.

  »Wir melden uns, wenn was ist«, sagte Micah, die bereits nach wenigen Minuten einen ganzen Beutel mit alten Comics erstanden hatte. »Solltet ihr nichts von uns hören, treffen wir uns am besten in der Pizzeria. Ihr kennt den Weg?«

  Auri nickte und klopfte auf seine Hosentasche. »Ich hab die Adresse im Handy.«

  Das Restaurant hatte erst kürzlich eröffnet, und Micah und ich hatten Aliza versprochen, gemeinsam mit ihr dort essen zu gehen. So konnte sie mehrere Gerichte gleichzeitig probieren und besser einschätzen, ob die Pizzeria eine Empfehlung auf ihrem Blog wert war oder nicht.

  »Super, dann bis später!«, rief Micah und winkte uns zum Abschied, bevor sie schnell nach Julians Hand griff, um ihn im Getümmel nicht zu verlieren. Bereits einen Moment später wurden die beiden von den Menschenmassen verschluckt.

  Auri sah mich an. »Wohin möchtest du zuerst?«

  »Keine Ahnung.« Ich blickte mich um. »Lass uns einfach da langgehen.« Ich deutete in die Gasse, die mir am wenigsten überfüllt erschien. Hier gab es viele Stände mit selbst gegossenen Kerzen und Seifen. Nette Geschenke, aber überteuert und für diese Jahreszeit nicht wirklich zu gebrauchen. Einige der Kerzen hatten in der Sommerhitze zu schmelzen begonnen.

  »Hast du dir inzwischen überlegt, was wir mit Julians altem Zimmer machen wollen?«, fragte Auri unvermittelt.

  Ich wich seinem Blick aus. Seit Julian uns mitgeteilt hatte, dass er zu Micah ziehen würde, drückte ich mich vor diesem Gespräch.

  Zuerst war ich von den Neuigkeiten überrascht gewesen, immerhin waren die beiden erst gut ein halbes Jahr zusammen. Trotzdem konnte ich ihre Entscheidung verstehen, denn sie passten auf eine Art und Weise zusammen, die sich nur schwer in Worte fassen ließ. Sie ergänzten einander und brachten das Beste im jeweils anderen zum Vorschein. Micah war alles andere als selbstständig gewesen und hatte sich selbst unglücklich gemacht, indem sie den Träumen ihrer Eltern hinterhergejagt war. Das hatte sich geändert, seit Julian in ihr Leben getreten war. Nun stand sie auf eigenen Beinen und würde im nächsten Semester trotz Gegenwind ihrer Eltern ein Kunststudium beginnen. Julian war vor Micah unterkühlt und verschlossen gewesen, er hatte sich von allem und jedem distanziert. Heute war er aufgeschlossener und fröhlicher, wozu Micah einen großen Teil beigetragen hatte. Durch sie hatte er gelernt, mehr er selbst zu sein. Er hatte sich immer zurückgehalten aus Angst, gehasst und verstoßen zu werden. Micah hatte ihm geholfen, selbstbewusster zu werden, und ich gönnte den beiden alles Glück der Welt. Allerdings ließ ihr Beschluss, zukünftig zusammenzuwohnen, Auri und mich mit einem leeren Zimmer und unendlich vielen Möglichkeiten zurück.

  Das Schlimmste daran war, dass ich mir bereits im Klaren darüber war, was ich mir wünschte. Ich wollte alleine mit Auri wohnen. Er war mein bester Freund, und ich konnte mir kaum etwas Schöneres vorstellen. Er kannte mich. In seiner Gegenwart musste ich nicht versuchen, jemand zu sein, der ich nicht war. Ein neuer Mitbewohner hätte das geändert.

  Doch ich hielt meinen Wunsch zurück. Was, wenn Auri nicht dasselbe wollte? Oder unsere Freundschaft ohne eine dritte Person als Puffer zerbrach? Oder wir auf die leichtsinnige Idee kamen, die Grenzen unserer Beziehung auszureizen wie schon einmal vor einigen Monaten? Die Sache damals war gerade noch mal gut ausgegangen, aber ich war nicht bereit, ein solches Risiko ein zweites Mal einzugehen.

  »Nein, nicht wirklich«, flunkerte ich mit schlechtem Gewissen. »Und du?«

  Auri blieb unter der Markise eines Standes stehen. Das Sonnenlicht strahlte durch den Stoff und zeichnete bunte Flecken auf seine dunkle Haut. »Dito, aber wir sollten uns langsam entscheiden. Wenn wir einen neuen Mitbewohner wollen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, das Zimmer zu inserieren. Gerade sind die ganzen Erstsemester auf der Suche nach einer Bleibe.«

  Etwas in mir zog sich zusammen. »Das klingt, als würdest du einen neuen Mitbewohner wollen.«

  Auri strich sich mit der flachen Hand über das kurze schwarze Haar. »Das wollte ich damit nicht sagen. Aber wenn wir uns dafür entscheiden sollten, wäre jetzt der beste Zeitpunkt. Das ist alles.«

  Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Unweigerlich stiegen in mir die Selbstzweifel auf, die mich bereits seit Jahren plagten.

  Er will nicht mit dir alleine sein. Kein Wunder, ihr passt einfach nicht zusammen. Er langweilt sich mit dir. Sicherlich werden er und euer neuer Mitbewohner beste Freunde, und dann bist du mal wieder das dritte Rad am Wagen. Es wäre nicht das erste Mal …

  Meine Gedanken rissen jäh ab, als mich ein Mann grob von der Seite anrempelte. Ich verlor das Gleichgewicht, und im selben Moment fuhr ein reißender Schmerz durch meinen rechten Oberarm. Ich schrie auf und umklammerte meinen Arm.

  Auri packte mich, um mich festzuhalten.

  Der Kerl murmelte eine undeutliche Entschuldigung, bevor er sich eilig aus dem Staub machte.

  Ich blinzelte, um die Tränen loszuwerden, die mir der Schmerz in die Augen getrieben hatte. In meinem Oberarm pochte es.

  »Alles in Ordnung?« Auri hatte sich zu mir heruntergebeugt. Beunruhigt sah er mich an. Die Wärme in seinen Augen war erloschen und aufrichtiger Sorge gewichen.

  »Ja, der Typ ist nur gegen mein Messgerät gestoßen.«

  Vorsichtig schob ich den Ärmel meines Kleides hoch. Ich hatte Glück, das Gerät hatte sich nicht gelöst, aber vermutlich würde das mal wieder einen blauen Fleck geben – die bekam ich von den Dingern wahnsinnig schnell.

  »Funktioniert es noch?«

  Ich nickte und lächelte, um die Sorge aus Auris Gesicht zu vertreiben.

  Seine Augenbrauen zuckten, bevor seine Gesichtszüge weicher wurden.

  Ich rückte den Riemen meiner Tasche zurecht. »Lass uns weitergehen.«

  Auri erhob keine Einwände, und wir mischten uns
wieder unter die Leute.

  Nebeneinander spazierten wir durch die Reihen an Ständen. Vergessen war das Gespräch über einen möglichen Mitbewohner, und keiner von uns griff das Thema wieder auf.

  Ich versuchte, nicht länger an Auris Worte und meine Selbstzweifel zu denken. Selbst wenn er einen neuen Mitbewohner wollte, musste das nicht unbedingt etwas mit mir zu tun haben. Womöglich wollte er nur Miete sparen.

  An einem Stand kaufte ich einen Küchenmagneten in der Form eines Fuchses für meine Mom. Sie liebte Füchse wegen ihres Fells, das so rot schimmerte wie unsere Haare, und immer wenn ich irgendetwas mit Fuchsmotiv entdeckte, wurde mir sofort warm ums Herz, weil ich an sie denken musste.

  Ich liebte meine Familie, und sie für das Studium in Mayfield zu verlassen, war mir schwergefallen. Aber es war die richtige Entscheidung gewesen. Ich hatte lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen, und ich hatte die Distanz zu Eugene gebraucht. Unsere Trennung war nicht hässlich verlaufen, aber nach drei Jahren Beziehung hatte ich dennoch dringend etwas Abstand nötig gehabt.

  »Warte mal kurz.« Auri berührte mich an der Schulter, damit ich stehen blieb, bevor er den Stand rechts von uns ansteuerte, der aus drei u-förmig angeordneten Bierbänken bestand. Dahinter saß eine Frau mit schwarzem, lockigem Haar, das an den Schläfen bereits grau wurde. Mit einer Zeitschrift fächerte sie sich Luft zu. Als wir uns näherten, begrüßte sie uns mit einem Nicken.

  Auf den Tischen lagen die verschiedensten Sachen, die aussahen, als wären sie die letzten dreißig Jahre auf einem Dachboden oder in der Garage gelagert worden.

  Auri interessierte sich für einen Schuhkarton, in dem etliche Football-Sammelkarten lagen.

  »Wie viel kosten die?«

  »Zwei Dollar das Stück. Zehn für sechs«, antwortete die Frau mit einem Lächeln.

  Ein begeistertes Funkeln trat in Auris Augen, und er begann, den Karton zu durchwühlen.

  Ich sah mir in der Zwischenzeit all die anderen Sachen an. Doch für mich war nichts dabei.

  Nach fünf Minuten war Auri noch immer nicht fertig. Offensichtlich war eine Karte interessanter als die nächste, und ich fragte mich, wieso er nicht gleich die ganze Kiste kaufte.

 

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