002 - Someone Else
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»Wenn du mir versprichst, ihr nichts zu sagen, verrate ich dir noch ein Geheimnis.«
Neugierig spitzte ich die Ohren. »Ich höre.«
Auri beugte sich zu mir und brachte seinen Mund ganz nah an mein Ohr, obwohl die Musik so laut war, dass ohnehin niemand unser Gespräch belauschen konnte. Als sein Atem über meine Haut strich, begann sie zu prickeln, obwohl er mich nicht einmal richtig berührt hatte. »Ich denke Tag und Nacht an den Abend mit dir im Hotel und daran, wie es war, dich zu küssen«, wisperte er.
Ich erschauderte, und die Härchen an meinen Armen stellten sich auf, während seine Worte langsam in mein Bewusstsein sanken. Dennoch war ich kaum in der Lage, sie zu begreifen. Auri war mir so nahe, dass mein Verstand aussetzte. Sein erdiger Duft kitzelte in meiner Nase, und jedes Mal, wenn er einatmete, streifte seine Brust meine Schulter. Als er auch noch vollkommen unverhofft mein Ohr mit dem Mund berührte, keuchte ich auf. Vor Seattle hätte ich mir niemals erlaubt, eine solche Reaktion zu zeigen, aber nun sah ich keinen Grund mehr, sie zurückzuhalten.
Auri gab ein leises Brummen von sich und kam mir noch näher, bis ich zwischen ihm und der Wand förmlich gefangen war. Mit einem Arm stützte er sich an der Wand ab, als er begann, wie damals am Badesee an meinem Ohrläppchen zu knabbern.
Mit einem Seufzen ließ ich mich gegen die Mauer sinken, mit letzter Kraft bemüht, meinen Becher festzuhalten.
Auri ließ von meinem Ohr ab und wandte sich stattdessen meinem Hals zu, um einen Kuss nach dem anderen darauf zu verteilen. Er musste meinen Puls unter seinen Lippen pochen spüren, so kräftig wie mein Herz inzwischen schlug.
Wie von selbst krallte sich meine freie Hand in sein Hemd. Ich konnte seinen harten Körper spüren, und sofort stiegen Erinnerungen an die glatte Haut, die sich unter dem Stoff verbarg, in mir auf. Mir wurde unsäglich heiß, und das lag nicht am Alkohol.
Ich hatte längst vergessen, über was Auri und ich zuletzt gesprochen hatten, als er seine Lippen über meine Kehle zur anderen Seite meines Halses wandern ließ. Er schlang einen Arm um meine Hüfte und legte seine freie Hand flach auf meinen Rücken. Durch den dünnen Stoff meines Jumpsuits konnte ich die Wärme seiner Finger spüren. Sie verweilten einen Moment in meinem Kreuz, bevor sie tiefer wanderten, meinen Hintern hinab und zwischen meine Beine.
Ich keuchte auf. »Auri …«
Der leichte Druck auf meine Mitte stellte meine Selbstbeherrschung einmal mehr auf die Probe. Ein weiteres Seufzen, lauter als das vorherige, drohte mir zu entweichen, aber dieses Mal biss ich mir auf die Unterlippe. Der winzige Teil meines Verstandes, der noch funktionierte, erinnerte sich daran, dass wir auf einer Party waren und alles andere als alleine, auch wenn niemand sehen konnte, wo genau Auris Hand sich befand. Sanft, aber bestimmend drückte ich gegen seine Brust.
Auri ließ von mir ab. Schwer atmend sah er mich an. Mein eigenes Verlangen spiegelte sich in seinen Augen wider.
Ich befeuchtete mir die Lippen. »Nicht hier.«
Sein Blick wanderte zu meinem Mund. Ich konnte förmlich spüren, wie sehr er mich küssen wollte. Einen Moment verharrte er regungslos, dann sah er mir wieder in die Augen. »Willst du denn gehen?«
Ich musste nicht über meine Antwort nachdenken, sondern nickte sofort.
Ohne zu zögern, nahm Auri mir das Bier aus der Hand und stellte es auf einen Beistelltisch, auf dem bereits eine ganze Sammlung an Bechern und Flaschen stand, bevor er erneut nach mir griff. Wir verließen die Party, wie wir sie betreten hatten – Hand in Hand. Als wir in die kühle Abendluft hinaustraten, spürte ich die Kälte kaum.
Wir waren hergelaufen, da unser Apartment nur ein paar Blocks entfernt lag, aber nun steuerte Auri eines von drei Taxis an, die vor dem Haus standen. Vermutlich hatte sich unter den Fahrern rumgesprochen, dass eine Party stattfand. Wo gefeiert wurde, gab es auch immer Betrunkene, die nach Hause chauffiert werden mussten.
Auri hielt mir die Tür auf. Ich stieg ein, und er rutschte hinter mir in das Fahrzeug, bevor er dem Fahrer unsere Adresse nannte.
Während der Fahrt sagte keiner von uns ein Wort, aber die Stille hatte nichts Unangenehmes. Sie barg vielmehr etwas Erwartungsvolles, als würden wir den Atem vor dem spannenden Finale eines Films anhalten, der auf seinen Höhepunkt zusteuerte. Und ich konnte es kaum erwarten, das Ende zu sehen.
Wenige Minuten später hielt das Taxi vor unserem Haus. Wir legten zusammen, um den Fahrer zu bezahlen, da keiner von uns viel Geld mitgenommen hatte.
Mein Herz flatterte vor Aufregung, als Auri die Tür aufschloss. Doch meine jetzige Nervosität war eine andere als diejenige, die ich früher am Abend beim Betreten der Wohnung empfunden hatte. Unbeholfen ging ich zur Couch hinüber, auf der noch immer die Tüte mit meinem neuen Kleid stand, und legte meine Tasche daneben.
Ein Kribbeln setzte in meinem Nacken ein, und als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass Auri mich beobachtete. Unsere Blicke trafen sich, und einen Augenblick später war Auri wieder bei mir und küsste mich stürmisch. Drängender als zuvor, nun, da wir endlich alleine waren. Unsere Zähne schlugen aneinander, unsere Körper so dicht beieinander, dass kein Blatt Papier dazwischengepasst hätte.
»Das wollte ich schon den ganzen Abend tun«, flüsterte Auri atemlos zwischen zwei Küssen und vergrub seine Hände in meinen Haaren. Mit sanftem Druck zog er daran, bis ich den Kopf in den Nacken legte und er meinen Mund mit seinem teilen konnte. Zärtlich strich er mit seiner Zunge an meiner entlang.
Ich gab ein Seufzen von mir und trat einen kleinen Schritt zurück, nicht um vor Auri zurückzuweichen, sondern um Platz für meine Hände zu schaffen. Mein Puls raste, als ich begann, an seinem Hemd zu nesteln, um den lästigen Stoff, der uns voneinander trennte, endlich loszuwerden. Obwohl Auris Küsse wild und fahrig waren, gelang es mir problemlos, einen Knopf nach dem anderen zu öffnen, mein Verlangen nach seiner nackten Haut dringlicher als das Zittern meiner Finger.
Als ich seinen Bauch mit dem tadellosen Sixpack berührte, stieß Auri ein kehliges Brummen aus. Es war ein rauer Laut, der durch meinen ganzen Körper vibrierte. Mein Blut kochte vor Verlangen. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche Begierde empfunden. Nicht für Eugene. Nicht für Lucien. Und auch für niemanden sonst. Nur für Auri.
Er packte meine Hüfte und schob mich drängend in Richtung Couch. Ich rechnete damit, dass er mich auf das Sofa werfen und sich auf mich stürzen würde, doch stattdessen ließ er mich sanft auf das Polster sinken.
Er über mir. Eine neuartige Leidenschaft flackerte in mir auf – als ich plötzlich ein Knistern hörte. Es war die Tüte mit meinem Kleid. Das Kleid, das ich zur Hochzeit seiner Mom tragen würde.
Ich wollte den Gedanken an seine Familie ignorieren, um dem Verlangen meines Körpers nachgeben zu können. Ich verzehrte mich nach Auri und wollte ihn spüren – an mir, auf mir, in mir. Doch ein letzter Funke Vernunft war mir geblieben, und dieser erinnerte mich daran, dass Auri und ich kein lustgetriebener One-Night-Stand waren, sondern mehr. Viel mehr.
Ich löste unseren Kuss.
Auri folgte mir mit seinen Lippen, wie um meinen Mund wieder einzufangen. Doch als er bemerkte, dass ich nicht mehr bei der Sache war, öffnete er die Augen. Brennend bohrte sich sein Blick in meinen.
»Was ist?«, hauchte er.
Sein unregelmäßiger Atem streifte meine Mundwinkel. Ich konnte nicht glauben, dass ich Maurice Remington, der problemlos mehrere Meilen rannte, atemlos gemacht hatte.
»Ist alles in Ordnung?«
Ich nickte. »Ja, aber wir sollten reden, bevor wir … Du weißt schon.« Zwar hatte ich das Gefühl, dass wir dieses Mal auf einer Wellenlänge waren und es eigentlich nichts mehr zu sagen gab. Doch das Gleiche hatte ich bereits nach dem Kuss in Seattle gedacht, und ich wollte ein weiteres böses Erwachen unbedingt vermeiden.
Auri nickte und richtete sich auf, sodass ich ungehinderte Sicht auf seine Brust hatte – deren Anblick meine Entscheidung, reden zu wollen, doch etwas ins Wanken brachte.
Bevor ich es mir anders überlegen konnte, rutschte ich ans gegenüberliegende Ende der Couch, um einen klaren Kopf zu bewahren. »Könntest du dein Hemd zuknöpfen?«
Auri grinste verschmitzt, folgte meiner Bitte aber. Es war ein Jammer, seinen Körper hinter all dem Stoff verschwinden zu sehen. »Okay«, sagte er, als er wieder vollständig angezogen war.
Betretenes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Es war eine merkwürdige Situation. Hätte mir bei meinem Einzug jemand gesagt, dass ich mich in zwei Jahren mit Auri hier wiederfinden würde, hätte ich ihn ausgelacht.
Nervös wischte ich meine feuchten Hände am Stoff des Sofas ab und nahm all meinen Mut zusammen. »Hast du es bereut, mich in Seattle geküsst zu haben?«
»Was?« Völlig verständnislos starrte Auri mich an. »Hast du mir vorhin nicht zugehört? Ich denke seitdem an nichts anderes mehr. Wie kommst du darauf?«
»Na ja …« Ich zog eines der Kissen auf meinen Schoß wie einen weichen Schutzschild. »Du konntest nicht schlafen und wolltest dich am nächsten Morgen aus dem Hotelzimmer schleichen, um zum Sport zu gehen. Und beim Frühstück warst du ziemlich schlecht gelaunt.«
Auri blinzelte. »Das … das meinst du nicht ernst, oder?« Er schüttelte den Kopf. »Cas, das hatte rein gar nichts mit dir zu tun. Ich habe unseren Kuss nicht bereut. Keine Sekunde. Das musst du mir glauben.«
Ich atmete erleichtert aus. »Wirklich nicht?«
»Nein«, erwiderte er ohne jedes Zögern. Sein Lächeln wirkte vollkommen aufrichtig. »Ich habe mich beim Sport mit so einem Idioten gestritten. Er hat kein Handtuch benutzt, und als ich ihn darauf angesprochen habe, hat er mich einen verfickten Du-weißt-schon genannt. Die Sache ist etwas eskaliert. Deswegen war ich mies drauf. Nicht deinetwegen. Ich war höchstes etwas angefressen, weil ich mit dir darüber reden wollte und du nicht mehr im Zimmer warst.«
Ich gab ein »Oh« von mir, aber bevor ich mehr dazu sagen konnte, ergriff Auri erneut das Wort.
»Und schlafen konnte ich nur nicht, weil es mich wahnsinnig gemacht hat, so dicht neben dir zu liegen. Hast du eine Ahnung, wie gut du riechst? Oder was für süße Geräusche du im Schlaf von dir gibst? Ich wollte dich die ganze Zeit aufwecken, um dort weiterzumachen, wo wir aufgehört hatten. Der Sport sollte mir dabei helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Hättest du mich gebeten zu bleiben, wäre ich sofort wieder zu dir ins Bett gestiegen, aber das hast du nicht getan.«
Ich stieß ein erleichtertes und zugleich nervöses Lachen aus, während sich eine wohlige Wärme in meinem Körper ausbreitete. »Natürlich nicht. Du kennst mich. Du weißt, wie unsicher ich bin.«
»Und genau deshalb wollte ich dir die Entscheidung nicht abnehmen«, sagte Auri und streckte seinen Arm aus, als wollte er mich berühren. »Wenn du mit mir zusammen sein willst, solltest du dir sicher sein. Sicher genug, um mir sagen zu können, was du willst.«
Ich wusste nicht, was genau es war, aber irgendetwas an Auris Worten rührte mich zu Tränen. Ich konnte sie meine Kehle emporkriechen spüren. »Gut«, sagte ich mit gepresster Stimme, bemüht, den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken. »Dann will ich, dass du entscheidest.«
Auri schien genau zu merken, was seine Worte in mir ausgelöst hatten. Vorsichtig rutschte er näher und strich zärtlich mit den Fingerknöcheln über meine Wange, als wollte er die noch nicht vergossenen Tränen wegwischen. »Ich sag dir das nur ungern, aber so funktioniert das nicht.«
»Stimmt.« Ich fing seine Hand auf und verschränkte meine Finger mit seinen, hielt ihn fest. Fest genug, um ihn wissen zu lassen, wie ernst es mir war. »Wir müssen zusammen entscheiden, wie es weitergeht. Du bist mein bester Freund, und ich will dich nicht verlieren.«
»Das wirst du nicht«, versicherte er mir. Sein Tonfall hatte etwas unglaublich Dringliches, als würde sein Leben davon abhängen, mich von seinen Worten zu überzeugen. »Versprochen.«
Einmal mehr schnürte es mir die Kehle zu. »Aber was ist, wenn das mit uns nicht funktioniert und du mich danach hasst?«
Auri schüttelte den Kopf. »Ich könnte dich niemals hassen, Cassie. Und ja, sollten die Dinge zwischen uns nicht laufen, wie wir uns das wünschen, wird es eine Weile hart werden, aber wir werden einen Weg finden, Freunde zu bleiben. Ich lasse nicht zu, dass du aus meinem Leben verschwindest. Auf keinen Fall.«
Ich drückte Auris Hand noch fester. »Ich will auch nicht, dass du aus meinem verschwindest. Aber …«
»Hör auf damit«, unterbrach er mich und rückte so nah an mich heran, dass ich problemlos auf seinen Schoß hätte klettern können. »Hör auf damit, Gründe dafür zu suchen, warum wir angeblich nicht zusammen sein können. Haben wir dieses Spiel nicht schon lange genug gespielt? Ich will dich, Cassie. Nicht nur als Mitbewohnerin oder als beste Freundin. Sondern als meine Freundin. Wenn du das nicht möchtest, sag es mir, aber hör auf, mich mit fadenscheinigen Gründen hinzuhalten«, sprudelte es aus ihm heraus, bevor er auf geradezu schüchterne Weise den Kopf neigte. »Also, was sagst du?«
Mein Herz machte einen Satz, und ein breites Grinsen explodierte in meinem Gesicht. Vielleicht hätte ich mich cooler, gelassener geben sollen, aber warum verbergen, wie ich wirklich fühlte? Auri und ich in einer Beziehung, alleine diese Worte zu denken, fühlte sich unwirklich an. Und die Empfindung dahinter war noch surrealer.
»Ja«, antwortete ich mit wild pochendem Herz, und anders als auf der Party verspürte ich auf einmal das unbändige Verlangen zu tanzen. »Ich will auch mit dir zusammen sein.«
»Und wieso reden wir dann noch? Lass es uns versuchen. Vielleicht fallen wir auf die Schnauze, aber ich könnte mir niemals verzeihen, die Sache mit uns unversucht gelassen zu haben.«
Er hatte recht. Seit zwei Jahren war Auri eine Konstante in meinem Leben. Er war mein Ein und Alles. Hin und wieder waren wir uns uneinig, und es gab Streit, aber ich wusste, dass ich mich immer auf ihn verlassen konnte. Er würde mich niemals im Stich lassen, nicht wenn ich ihn brauchte, genauso wenig wie ich ihn. Er war der wichtigste Mensch in meinem Leben, und es war an der Zeit, dass ich mir das eingestand und den Mut bewies, es der Welt zu zeigen.
»Okay«, sagte ich, denn mehr gab es nicht mehr zu sagen.
Ein Lächeln umspielte Auris Lippen, so strahlend, dass sich gleichzeitig ein warmes Funkeln in seine Augen stahl. Ich erwiderte es, und bevor ich wusste, wie mir geschah, umfasste er mein Gesicht mit beiden Händen und küsste mich.
Es war ein inniger Kuss, mit dem Auri mir nicht nur den Atem raubte, sondern auch mein Herz. Es gehörte nun ganz und vollkommen ihm, und ich wollte es nie wieder zurückhaben.
27. Kapitel
»Ein großer schwarzer Kaffee für Casey!«, rief der Barista mit der roten Schürze.
Ich zögerte und sah mich um, ob jemand anderes vortrat, aber niemand rührte sich. Dann war ich wohl Casey und das mein Kaffee. Ich bedankte mich, schnappte mir die Tasse und lief zurück zu dem Tisch, an dem Micah und ich bereits seit über drei Stunden an der Albtraumlady arbeiteten. Obwohl ich todmüde war, hatten wir es geschafft, mehrere Szenen durchzusprechen, zu denen Micah nun Skizzen anfertigen konnte.
Ächzend ließ ich mich auf den durchhängenden Sessel fallen und nippte an meiner dritten Tasse Kaffee. Normalerweise hielt sich mein Koffeinkonsum in Grenzen, aber ich hatte die letzte Nacht kaum ein Auge zugemacht. Nach unserem Gespräch waren Auri und ich zwar sofort ins Bett gegangen, aber viel geschlafen hatten wir nicht. Und selbst nachdem wir schließlich das Licht ausgeschaltet hatten, waren mir seine Berührungen, seine Küsse und Worte noch stundenlang im Kopf herumgegeistert.
»Was meinst du, soll das Kapitel mit Fredericks Tod enden oder ein paar Szenen vorher, wenn man noch nicht weiß, wie die Sache zwischen ihm und der Lady ausgehen wird?«, fragte Micah und tippte sich mit dem Stift ihres Zeichenboards gegen das Kinn.
Ich stellte meine Tasse ab. »Vorher. Die Ungewissheit animiert zum Weiterlesen.«
»Seh ich auch so.« Micah machte sich eine Notiz in ihren Skizzen. »Mein Akku ist bald leer.«
»Wir sind ja auch schon ziemlich lang hier.« Ich sah mich um. »Gibt’s hier keine Steckdosen?«
»Doch, aber ich hab das Ladegerät nicht dabei. Ein paar Minuten haben wir noch.« Micah trank den letzten Schluck ihres Karamell-Lattes. »Okay, bevor die Lady Freddy tötet, machen wir einen
Schnitt zum nächsten Kapitel. Er stirbt. Und die Lady hat einen Zusammenbruch, weil sie erkennt, dass sie einen großen Fehler begangen hat, als sie über seiner Leiche steht. Sie kniet sich in sein Blut und vergießt die erste Träne seit über einem Jahrhundert. Damit lässt sie einen Albtraum frei.«
»Genau.«
»Aaaah, das ist so gut!«, sagte Micah freudestrahlend, dann wurde ihre Miene jedoch nachdenklich. »Ich bin mir nur noch nicht sicher, wie ich darstellen soll, dass die Träne ein Albtraum ist.«
Ich schürzte die Lippen. »Könntest du nicht ein paar Frames zeichnen, in denen die Träne rangezoomt wird? Und im letzten Frame sieht man dann ein grausames Bild, das sich innerhalb der Träne abspielt.«
»Das könnte funktionieren.« Micah nickte angetan und machte sich eine Notiz, während ich ein Gähnen unterdrückte und noch einen Schluck von meinem Kaffee trank.
In diesem Moment vibrierte mein Handy, das auf dem Tisch lag. Es war eine Nachricht von Auri.
Auri: Bist du noch in der Stadt?
Cassie: Ja, wieso?
Auri: Könntest du mir Rasierklingen mitbringen?
Cassie: Klar. Dieselben wie immer?
Auri: Yep. Danke! <3
Ich schickte ihm ein Herzchen zurück, bevor ich das Handy wegsteckte. Nach dem Wochenende hatte ich zuerst meine Zweifel gehabt, ob es eine gute Idee war, Auri nach Kalifornien zu begleiten; inzwischen konnte ich es allerdings kaum mehr erwarten. Ja, ich war nervös, seine Familie kennenzulernen, aber ich freute mich auch, zu sehen, wo er aufgewachsen war, und darauf, ein langes Wochenende mit ihm zu verbringen. Mein Koffer war mehr oder weniger gepackt, und ich hatte bereits Snacks für die rund zehn Stunden lange Fahrt eingekauft. Die Powerbank für mein Handy lud in diesem Moment zu Hause, und ich hatte den zweiten Teil der Königsmörder-Chronik heruntergeladen, da Auri und ich mit dem ersten Hörbuch beinahe durch waren.