002 - Someone Else

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002 - Someone Else Page 28

by Laura Kneidl


  Ich schluckte schwer, als die Tür geöffnet wurde und wir plötzlich einer Frau gegenüberstanden, die aussah wie eine etwas ältere Version von Beyoncé. Aus Auris Erzählungen wusste ich, dass seine Mom Jasmin seinen Bruder Anthony mit zwanzig bekommen hatte, was bedeutete, dass sie gerade einmal fünfundvierzig war. Sie hatte makellose braune Haut, die etwas heller war als die ihrer Söhne, lockiges schwarzes Haar und ein herzliches Lächeln.

  »Maurice!«, rief sie begeistert und stürzte vor, um Auri zu umarmen.

  Er lachte. »Hey, Mom.«

  Sie drückte ihn fest an sich, bevor sie ihn losließ und einen Schritt zurücktrat, um ihn einer flüchtigen Musterung zu unterziehen, als wollte sie sicherstellen, dass ihrem Jungen nichts fehlte. Auri wiederum grinste sie einfach nur an.

  Es war wirklich süß, und für einen Sekundenbruchteil vergaß ich tatsächlich meine Aufregung – bis Jasmin ihren Blick auf mich richtete.

  Ihr Lächeln wurde keine Spur schmaler. »Und du musst Cassie sein.«

  »Ja«, krächzte ich mit schlagartig trockener Kehle und streckte ihr in einer etwas steifen, roboterhaften Geste die Hand entgegen. »Schön, Sie kennenzulernen, Mrs Remington.«

  Sie schüttelte meine Hand, wobei ihr unmöglich entgehen konnte, wie feucht und kalt meine Finger waren, aber ihre freundliche Miene verrutschte nicht. »Nenn mich doch bitte Jasmin.«

  »Okay … Jasmin.«

  Auri gab einen glucksenden Laut von sich.

  Lachte er mich etwa aus?

  »Kommt rein!« Jasmin winkte uns ins Innere des Hauses.

  Bereits auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass hier eine glückliche Familie lebte. Überall standen Fotos, und an den Wänden hingen Bilder, die von Kinderhänden gezeichnet worden waren. Aus dem Wohnzimmer waren Stimmen zu hören, und es duftete nach frisch gewaschener Wäsche.

  »Ihr habt Glück, dass ihr heute angekommen seid«, bemerkte Jasmin. »Jetzt ist es noch ruhig. Morgen haben wir volles Haus.« Sie wandte sich an ihren Sohn. »Maurice, du teilst dir dein altes Schlafzimmer mit Cornell.«

  »Muss das sein?«, fragte Auri mit genervtem Gesichtsausdruck.

  Seine Mom schnalzte mit der Zunge. »Stell dich nicht so an, es ist nur für ein paar Nächte. Das hältst du aus.«

  »Oder auch nicht …«, murmelte Auri und verdrehte die Augen.

  Ich erinnerte mich vage an Cornell, Auri hatte mir schon einmal von ihm erzählt. Er war ein älterer Cousin von Auri und hatte ihn als Kind wohl öfter gehänselt. Angeblich alles nur Spaß, aber Auri hingen ein paar Dinge, die Cornell ihm angetan hatte, noch immer nach.

  »Jessy, wo bleibt ihr denn?«, ertönte eine tiefe Stimme, und kurz darauf trat ein Mann, der deutlich jünger war als Jasmin, in den Eingangsbereich. Er trug blaue Jeans und ein Jersey, das mich schmunzeln ließ, denn es zeigte das Logo des MFC-Footballteams. Darunter stand Auris Nummer.

  Das musste Trevon sein. Ich hatte bisher nur ein Foto von ihm gesehen, aber ich wusste, dass er knapp fünfzehn Jahre jünger war als seine Verlobte, neben der er jetzt stehen blieb. »Na, wen haben wir denn da?«

  »Hey, Trev«, grüßte Auri und schüttelte die Hand seines zukünftigen Stiefvaters. »Darf ich vorstellen: Cassie.«

  Ich winkte Trevon nur, da nicht noch jemand mitbekommen sollte, wie verschwitzt ich war.

  »Hi! Schön, dass ihr’s hergeschafft habt.« Trevon legte Auris Mom einen Arm um die Schultern. Ich wusste, dass Auri und er sich gut verstanden, aber auch eine etwas schwierige Beziehung hatten, da Trevon so jung war und alles andere als eine Vaterfigur für Anthony und Auri. »Wie war die Fahrt?«

  »Gut. Der einzige Unfall ist Cassie mit einem M&M passiert«, erwiderte Auri und deutete auf den Fleck auf meiner Leggins.

  Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, den er gekonnt ignorierte, und versuchte den Fleck unauffällig mit meiner Handtasche zu verdecken, was inzwischen natürlich eigentlich vollkommen überflüssig war.

  »Wenn du willst, kann ich dir eine Hose von mir leihen. Ich hab sicherlich irgendwo eine, die dir passen müsste«, bot Jasmin mit einem Blick auf meine schmalen Hüften an.

  »Danke, aber das ist nicht nötig. Ich zieh mich gleich im Hotel um.«

  Jasmin runzelte die Stirn. »Ein bisschen bleibst du aber noch, oder?« Es war eine Frage, die eigentlich keine war, da sie nur eine mögliche Antwort zuließ, auch wenn ich von der Fahrt ziemlich erschöpft war.

  »Selbstverständlich.«

  Jasmins braune Augen blitzten vor Freude auf. »Großartig. Lasst uns ins Wohnzimmer gehen.«

  Wir folgten der Braut in spe in einen großen Raum mit hohen Decken und einem zauberhaften Kamin, in dem um diese Jahreszeit allerdings kein Feuer brannte. Auf der Couch saßen vier Leute, die mir der Reihe nach vorgestellt wurden: Anthony – Auris Bruder –, seine Freundin Madison sowie Anna-Mae und Males, Trevons Eltern. Jasmins Eltern lebten in der Stadt und würden erst morgen zu der Gruppe dazustoßen.

  Trevons Mutter konnte ich ansehen, dass sie etwas irritiert war, ein so blasses weißes Mädchen an der Seite ihres Stiefenkels zu sehen, aber sie ließ ihre Verblüffung unkommentiert.

  Auri und ich setzten uns auf die Couch, wobei er einen Arm um meine Schultern legte, sichtlich bemüht, meine immer noch anhaltende Nervosität zu lindern.

  Dankbar lächelte ich ihn an, während ich mir zum gefühlt hundertsten Mal die Hände an meiner Hose trocken rieb.

  Jasmin servierte uns selbst gemachte Limonade, die köstlich schmeckte, aber so süß war, dass ich sofort nach Wasser fragen musste.

  Auri trank mein Glas zu zwei Dritteln leer, und ich verdünnte die restliche Limonade, sodass sie sich nicht allzu schlimm auf meinen Blutzuckerspiegel auswirken würde. Anschließend übernahm es Auri, seine Familie über meine Diabetes aufzuklären, um weitere Zwischenfälle während des Wochenendes zu vermeiden. Es war etwas unangenehm, da natürlich Fragen gestellt wurden, aber daraufhin wandte sich das Gespräch zum Glück schnell anderen Themen zu. Immerhin hatte die Familie Auri bereits seit Monaten nicht mehr gesehen.

  Anthony und Trevon erkundigten sich nach seinem Training und der Mannschaft, während sich Anna-Mae vor allem für den Rest seines Studiums interessierte, auch wenn sie nicht wirklich etwas von Grafikdesign zu verstehen schien. Mit unendlich viel Geduld erklärte Auri ihr ausführlich, was es mit Photoshop und InDesign auf sich hatte. Und Madison, die Auri an diesem Abend selbst erst kennengelernt hatte, wollte mehr über sein Leben in Mayfield hören. Danach drehte sich die Unterhaltung in erster Linie um die weitere Verwandtschaft, die am nächsten Tag aufschlagen würde.

  Es war durchaus amüsant, dem Gespräch zu folgen, denn unterm Strich schienen alle Familien im Kern über dasselbe zu reden. Es ging darum, wer sich von wem getrennt hatte, was die Kinder machten, wer sich was für eine Krankheit eingefangen hatte, wer gerade den Job wechselte und wer die skurrilsten Nachbarn hatte.

  Und selbstverständlich wurde über die Hochzeit geredet. Auri versuchte auch noch einmal einen neuen Zimmerpartner zu verhandeln, aber sein Bruder war nicht bereit, Cornell gegen Niles einzutauschen.

  Mit der Zeit entspannte ich mich ein wenig, was nicht nur an den Gesprächen lag, die zu meiner Erleichterung nichts mit mir zu tun hatten, sondern auch an Auri, der mir mit kleinen Gesten die Aufregung nahm. Mit seinem Zeigefinger malte er träge Kreise auf meine Schulter, und immer wenn er gerade nicht im Fokus stand, stupste er mich sanft mit seinem Knie an, wie um mir zu zeigen, dass er mich nicht vergessen hatte.

  Schließlich verabschiedeten sich Anna-Mae und Males ins Bett, was auch für mich das Zeichen zum Aufbruch bedeutete.

  »Es war schön, dich kennenzulernen«, sagte Jasmin an der Tür. »Und es tut mir leid, dass wir gar keine Chance hatten, uns richtig zu unterhalten. Morgen dann.«

  »Ich freu mich darauf«, gab ich zurück.

  Auri wirkte glücklich über meine Worte. Überhaupt hatten ihn die letzten zwei Stunden aufblühen lassen. Nicht, dass es ihm zuvor schlecht gegangen war, aber seit unserer Ankunft strahlte er über das ganze Gesicht.

  »Ich hoffe, das war nicht zu viel für dich«, sagte er, als wir
in den Wagen stiegen, um zum Hotel zu fahren.

  »Es war okay«, antwortete ich ehrlich und ließ mich tief in den Sitz gleiten. Ich hatte mich nicht übermäßig blamiert, was großartig war, aber meine Batterien für den Tag waren leer, und ich freute mich sehr auf mein Bett. Vor allem wenn ich daran dachte, dass ich morgen noch weitere Leute würde kennenlernen müssen. Alles nur für Auri.

  »Meine Mom mag dich.«

  »Dafür war Anna-Mae weniger begeistert von mir.«

  Auri verzog die Lippen. »Kann sein. Falls es dich tröstet: Sie ist auf Anhieb von niemandem sonderlich begeistert. Ich glaube, sie mag generell einfach keine neuen Menschen.«

  »Danke«, murmelte ich, da ich wusste, dass er das nur sagte, damit ich mich besser fühlte. Dabei wäre es gar nicht nötig gewesen, denn abgesehen von Trevons Mutter schien der Rest seiner Familie mich zu akzeptieren. Meine größte Angst, von vornherein auf Ablehnung zu stoßen, war unbegründet gewesen.

  Wir erreichten das Hotel. Es sah schick aus, mit einem gläsernen Eingangsbereich, der hell erleuchtet war. Trotz der späten Stunde war die Rezeption besetzt.

  Auri lenkte den Wagen in eine Parklücke und stellte den Motor aus. »Soll ich noch mit reinkommen?«

  Das Angebot war verführerisch. Ich war vielleicht erschöpft, aber nicht erschöpft genug, um mit Auri im Bett zu kuscheln. Schweren Herzens schüttelte ich trotzdem den Kopf. Ich wollte ihn nicht von seiner Familie fernhalten. Außerdem hätten sie genau gewusst, was wir getan hatten, wenn Auri statt nach zwanzig Minuten erst nach einer Stunde mit zerknitterter Kleidung zurückgekommen wäre.

  »Fahr zurück. Deine Mom hat dich wirklich vermisst.«

  Auri lächelte verlegen. »Und das ist echt okay?«

  »Absolut. Ich werde eh gleich schlafen gehen«, versicherte ich ihm und beugte mich über die Mittelkonsole, um ihn zum Abschied zu küssen.

  Seine Lippen hießen meine willkommen. Ich liebte es, wie selbstverständlich sich die Sache zwischen uns anfühlte. Als wäre es uns vorherbestimmt gewesen.

  Als ich am nächsten Tag das Haus von Jasmin und Trevon betrat, schlug mir ein Gewirr von Stimmen entgegen. Gefühlt ein Dutzend Verwandte waren am Morgen angereist und gerade dabei, sich einzurichten. Ich wurde so vielen Leuten vorgestellt, dass es mir unmöglich war, mir alle Namen zu merken.

  Bereits nach wenigen Minuten fühlte ich mich von der Situation etwas überwältigt. Auris Familie war laut. Sehr laut. Jeder versuchte, gehört zu werden, und über allem lag das Kreischen zweier Zehnjähriger. Ich war heilfroh, dass Auri mir nicht von der Seite wich – bis er es doch tat.

  »Was?«, zischte ich leise, damit niemand mich hörte. »Du lässt mich hier alleine?«

  »Ich würde dich ja mitnehmen, aber ich glaube, das wäre den anderen nicht so recht«, sagte Auri und schielte in Richtung der Männer, die ungeduldig auf ihn warteten. »Es wird nicht lange dauern. Wir gehen zum Mittagessen und anschließend unsere Anzüge für morgen abholen. Ich bin bald zurück.«

  Ich hatte keine Lust, mit Auris Mom und all den anderen Frauen alleine zu sein, die ich noch keine Stunde kannte. Und »kennen« war dabei noch ein sehr großzügiges Wort. Aber was hatte ich für eine Wahl? Genauso wenig wollte ich mich der Verstimmung der Trauzeugen aussetzen, indem ich mich selbst zu ihrem Männer-Ding einlud.

  Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Okay. Aber wehe du bist in drei Stunden nicht wieder da. Dann verbrenne ich all deine Football-Sammelkarten, sobald wir zurück in Mayfield sind.«

  Auris Miene wurde ernst. »Ich bin rechtzeitig wieder da.«

  »Kleiner-Finger-Schwur …« Ich hielt ihm meinen Finger hin.

  Er schlang seinen darum. »Versprochen.«

  Ich holte tief Luft, und noch ehe ich sie mit einem Seufzen wieder ausstoßen konnte, war Auri verschwunden.

  Verunsichert sah ich mich um. Ich hatte keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte. Ich hätte mich Madison angeschlossen, aber sie war nicht da. Und mich einfach in eine Ecke zu setzen und mit meinem Handy herumzuspielen, während alle anderen mit anpackten, erschien mir unhöflich.

  Im Garten wurden gerade Bierbänke aufgestellt, damit die ganze Familie Platz fand, und im Wohnzimmer spielten einige Erwachsene mit den Kindern.

  Ich lief in die Küche, wo ich Jasmin zuletzt gesehen hatte, und wie erwartet war sie dort noch immer zugange, um ein Abendessen für rund zwanzig Personen vorzubereiten. Anna-Mae saß an einem Tisch und nahm Garnelen aus, während eine Cousine, deren Namen ich vergessen hatte, unter größter Kraftaufwendung versuchte, mehrere Kürbisse klein zu schneiden. Jasmin selbst hackte gerade Unmengen von Zwiebeln.

  »Hey.« Der Gruß kam mir nur leise über die Lippen, dennoch blickte Jasmin auf. Als sie mich entdeckte, verzog sie die Lippen zu einem Lächeln. »Könnt ihr noch Hilfe brauchen?«

  »Immer.« Jasmin wischte sich die Finger an ihrer Schürze ab. »Sind Auri und die anderen weg?«

  Ich nickte und ging zum Waschbecken, um mir die Hände zu waschen. »Was soll ich machen?«

  »Du könntest die Kartoffeln schälen.« Jasmin deutete auf den Berg, der neben ihr lag. Ein Topf stand ebenfalls schon bereit.

  Ich nahm mir ein Messer und machte mich an die Arbeit. Ich war bei Weitem keine begabte Köchin, ganz anders als zum Beispiel Aliza, aber die Grundlagen hatte ich mir innerhalb der letzten zwei Jahre angeeignet.

  »So?«, fragte ich, als die erste Knolle fertig war.

  Jasmin betrachtete sie. »Perfekt.«

  Ich nahm mir die nächste Kartoffel. Bereits jetzt fühlten sich meine Finger staubig und trocken an.

  Ein paar Minuten arbeiteten wir schweigend, während Musik aus dem Radio schallte. Als ein Song von Halsey gespielt wurde, wippte ich leicht mit den Füßen mit.

  »Warum bist du nicht mit Maurice zusammen?«, erkundigte sich Jasmin plötzlich wie aus dem Nichts heraus.

  Die Frage überraschte mich so sehr, dass ich mit der Klinge abrutschte und nur haarscharf meinen Daumen verfehlte. Ich sah zu Jasmin, die mich neugierig betrachtete. »Was?«, krächzte ich mit schlagartig trockener Kehle.

  Sie lächelte entschuldigend, als wäre sie sich durchaus bewusst, wie forsch ihre Worte gewesen waren. »Ich habe euch gestern Abend beobachtet. Er konnte seine Hände gar nicht von dir lassen. Es war wirklich goldig.«

  »Ach ja?«

  »Ja. Aber immer, wenn ich meinen Maurice danach frage, wimmelt er mich ab und murmelt etwas von ›nicht die richtige Zeit‹ und ›hat sich nicht ergeben‹, obwohl er in dich verliebt ist.«

  Ich musste mir ein Lächeln verkneifen. »Hat er das gesagt?«

  »Nein, aber das ist auch nicht nötig.« Jasmin griff sich die nächste Zwiebel und begann sie zu schälen. »Ich bin seine Mutter. Ich kenne ihn. Abgesehen davon, dass niemandem mit Augen im Kopf entgehen könnte, wie er dich ansieht.«

  »Oh ja«, kommentierte die namenlose Cousine.

  Mein Blick zuckte kurz zu ihr, dann zurück zu Jasmin. Wortlos sah ich sie an, da ich keine Ahnung hatte, wie ich reagieren sollte. Anscheinend hatte Auri ihr noch nicht von uns erzählt, und ich wollte ihm nicht vorgreifen. Jasmin war seine Mom. Sie sollte von ihm erfahren, dass wir inzwischen ein Paar waren. Doch Jasmins eindringlicher Blick zwang mich, etwas zu sagen. Irgendwas.

  »Ich … ähm, also … ich mag Maurice auch sehr gerne, aber … es ist kompliziert«, log ich. Denn das erste Mal seit Wochen hatte ich das Gefühl, dass es das nicht war.

  »Schon in Ordnung.« Jasmin senkte den Blick wieder auf die Zwiebel, um sich nicht in den Finger zu schneiden. »Du musst nichts sagen. Solange ihr glücklich seid und er dich gut behandelt, ist alles gut.«

  »Das tut er«, versicherte ich ihr. »Er ist der Beste.«

  Jasmins Lächeln wurde breiter. »Das ist er. Er war schon immer ein lieber Junge. Viel sanftmütiger als sein Bruder. Und so aufmerksam und ehrgeizig. Achtet er immer noch so sehr auf seine Noten?«

  Ich nickte. Auri waren seine Noten wirklich wichtig, was natürlich auch etwas mit seinem Stipendium zu tun hatte, aber nicht ausschließlich. »Ja, tut er, und er steht fast jeden Morgen um halb sechs auf, um zum Sport zu geh
en.«

  Jasmin schnaubte. »Das hat er eindeutig von seinem Vater. Ich hasse es, früh aufzustehen.«

  Das konnte ich nachvollziehen. »Werde ich ihn auch kennenlernen?«

  »Andre? Nein, leider nicht.« Sie kratzte die gehackten Zwiebeln in eine Schüssel. »Ich versteh mich gut mit Maurice’ und Anthonys Vater, aber ihn zur Hochzeit einzuladen, wäre dann doch etwas seltsam gewesen.«

  »Schade, aber verständlich. Vielleicht beim nächsten Mal.«

  »Vielleicht«, gab Jasmin strahlend zurück. Sie schien sich sehr darüber zu freuen, dass ich bereits meinen nächsten Besuch in Kalifornien in Erwägung zog.

  Ich hatte vorher nicht bewusst darüber nachgedacht, ob ich wieder herkommen wollte, aber mehr und mehr konnte ich mir eine gemeinsame Zukunft für Auri und mich vorstellen, und dazu gehörte nun einmal auch seine Familie.

  29. Kapitel

  Jasmins und Trevons Hochzeit war die schönste, auf der ich jemals gewesen war. Zugegeben, es war auch die erste und einzige bisher gewesen, aber das minderte die Schönheit der Trauung nicht im Geringsten. Jasmin sah einfach nur atemberaubend aus in ihrem Kleid aus Seide. Und Trevons Ehegelübde war so rührend, dass es selbst die verbittertsten Herzen zum Schmelzen bringen musste. Kein Auge war trocken geblieben, und obwohl ich die beiden kaum kannte, war ich froh gewesen, Taschentücher eingepackt zu haben.

  Nach der Trauung ging es in einen angemieteten Saal mit hohen Decken, der märchenhaft in Weiß und Gold dekoriert war. Alles sah unglaublich elegant aus, und wohin man auch blickte, entdeckte man Lilien. Sie standen auf Tischen und in den Ecken, um die Bühne herum und an den Seiten der Tanzfläche. Das Porzellan war weiß, das Besteck golden. Es gab eine offene Bar und ein Obstbüfett mit Schokoladenbrunnen, von dem ich mich jedoch besser fernhielt.

  Zu meiner Erleichterung durfte ich gemeinsam mit Auri, seinem Bruder, dessen Freundin und dem Brautpaar an einem Tisch sitzen und musste nicht alleine zwischen den anderen Gästen hocken. Heiteres Stimmengewirr erfüllte den großen Raum, und Kellner schwirrten um die Tische, um die Getränkebestellungen der rund hundert Gäste aufzunehmen.

 

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