Ever – Wann immer du mich berührst
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«Du starrst mich an.»
Ich zucke zusammen. Woher will er das wissen, wenn er nicht einmal zu mir rüberschaut? «Tue ich nicht.»
«Dann muss es wohl doch die Sonne sein, die mir ein Loch in die Beine brennt. Dabei hätte ich schwören können, dass du meine Jeans inspizierst.»
Ich will nicht rot werden, befürchte aber, dass sich das meiner Kontrolle entzieht. «Ich habe mich nur gerade gefragt, ob du regelmäßig zur Maniküre gehst. Ist das Standard, so als Blakely-Mann? Kommt einmal die Woche eine Kosmetikerin in die Firma und macht bei den Managern reihum die Hände schön?» Die Vorstellung ist irgendwie witzig.
Das denkt wohl auch Asher, denn er fängt spontan an zu lachen, und diesmal ist es nicht spöttisch, sondern fast … nett. Es verändert sein Gesicht vollkommen, seine Haltung, einfach die ganze Atmosphäre im Auto. Ich spüre ein Kribbeln in meinem Magen aufsteigen, aber es ist diesmal kein Ärger, sondern ein angenehmes Prickeln, warm und irgendwie freudig. Es passt gar nicht zu meiner Vorstellung von einer Autofahrt mit meinem Stiefbruder.
«Normalerweise nicht», gibt er zu. «Aber vor ein paar Tagen hatten wir einen Pressetermin, und sie wollten unbedingt Fotos von meinen Händen mit unserer Seife.»
«Und dafür hast du eine Maniküre bekommen?»
«Die erste und letzte in meinem Leben», erklärt er. «Aber der Marketingabteilung hat es gefallen, und sie planen, die Fotos auch noch für eine Plakatserie zu nutzen. Du kannst meine Hände also demnächst landesweit in King-Kong-Größe bewundern.»
«Toll.» Das fehlt mir gerade noch. Das heißt also, dass ich selbst in New York nicht davor sicher sein werde, an Ashers Hände zu denken – und an das, was er eben noch auf der Bordtoilette damit angestellt hat. Anstatt seiner Hände sehe ich nun sofort wieder einen anderen Körperteil vor mir und muss schlucken. «Kennst du Kadence eigentlich schon lange?» Keine Ahnung, warum ich ihn das überhaupt frage, denn sie hat mir die Antwort auf diese Frage ja schon gegeben. Wahrscheinlich kann ich einfach nur keine Stille zwischen uns ertragen. Oder ich will mir in Erinnerung rufen, was für ein Arsch er ist, jetzt wo dieses Gespräch fast freundschaftlich verläuft.
«Wen?» Er hebt eine Augenbraue an.
«Das ist so armselig», erwidere ich, und er grinst. Er weiß genau, von wem ich rede, und will mich nur zappeln lassen. Trotzdem spiele ich das Spiel mit. «Kadence, die Frau aus dem Flugzeug. Du erinnerst dich vielleicht? Sie hat blondes Haar, kilometerlange Beine und ein hübsches Gesicht mit ersten Fältchen um die Augen. Sie ist bestimmt fünfzehn Jahr älter als du.»
«Ach die Kadence.» Das Grinsen verschwindet langsam. «Sie ist eine Freundin von meinem Kumpel Liam, du kennst ihn nicht, wir waren zusammen in Dartmouth. Wir sind vorletztes Jahr in New York gemeinsam auf dem Governors Ball Festival gewesen sind. Habt ihr euch unterhalten?»
Ich beantworte seine Frage nicht, stattdessen starre ich ihn entgeistert an. «Du warst auf dem Governors Ball Music Festival? Du hast Shawn Mendes auf Randalls Island gesehen? Live?»
Er wirft mir einen finsteren Blick zu. «Hätte ich gewusst, dass dich das so begeistert, hätte ich es für mich behalten», antwortet er schroff. «Und bevor du fragst, nein, mein Player kann Shawn Mendes nicht abspielen. Mein Wagen muss sich sonst übergeben.» Asher berührte mit dem Zeigefinger das Tablet, und die Musik, die bis eben leise im Hintergrund dahingeplätschert ist, verstummt.
«Das arme Auto.» Unwillkürlich muss ich lächeln. Aber dann denke ich daran, dass ich früher in meinem Zimmer auf der Insel ein Poster von Shawn Mendes an der Wand hängen hatte. Asher hätte sich daran erinnern können. Aber natürlich nur, wenn er in den vergangenen vier Jahren auch nur einmal an mich gedacht hätte.
«Was wolltest du von Kadence?», fragt er.
«Ich … gar nichts. Sie hat mich angesprochen, als wir auf unser Gepäck gewartet haben. Ich glaube, sie wollte nur wissen, ob wir beide – also du und ich – uns gut kennen. Also auf andere Art.» Ich spare mir die Geste dazu, er wird wohl auch so wissen, was ich meine. «Sie war ziemlich überrascht zu erfahren, dass du mein … Bruder bist.» Ich stocke kurz bei diesem Wort und bin erstaunt, Asher dabei regelrecht zusammenzucken zu sehen.
«Dein Bruder.» Er beißt die Zähne zusammen, was ich daran erkenne, wie sich seine Wangenmuskeln verhärten. Aber nicht bloß sein Gesicht ist angespannt, auch seine Hände umklammern das Lenkrad mit einem Mal so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. «Das war ich nie, Ivy», sagt er.
Es ist wie ein Schlag in den Magen. Der Schmerz kommt unerwartet, ich kann mich nicht davor wappnen. Ich weiß ja, dass er mich hasst, habe es all die Jahre geahnt, trotzdem tut es unendlich weh, es nun direkt aus seinem Mund zu hören.
Das war ich nie, Ivy.
Ich halte den Atem an, weil ich Angst habe, sonst ein Geräusch von mir zu geben, das meine Gefühle verraten würde, und drehe mein Gesicht schnell zum Fenster. Warum habe ich das nur gesagt? Wenn ich geahnt hätte, dass er so barsch reagiert, ich hätte dieses Wort nie ausgesprochen. Blinzelnd starre ich nach draußen. Die Bäume ziehen an mir vorüber wie in einem Kaleidoskop, ein Chaos aus Licht und Farben. Ich lege meine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und schlucke den Schmerz herunter.
«Wie lange wirst du hierbleiben?», hakt er nach, und die Frage klingt nach viel mehr.
Wie lange muss ich dich ertragen? Wie lange willst du meinem Vater noch auf der Tasche liegen? Wann bist du endlich verschwunden?
Ich habe keine Ahnung, was sein Vater von mir will oder wie lange es dauern wird, aber ich muss mich mit der Antwort selbst beruhigen. «Spätestens am Samstag will ich wieder weg sein.»
Er atmet erleichtert aus, und das finde ich sogar noch schlimmer, als wenn er mir ein «Verschwinde aus meinem Leben!» entgegenschleudern würde.
Impressum
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juli 2021
Copyright © 2021 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Anleitung Schmetterling © 2019 frechverlag GmbH, Stuttgart
Daumenkino © 2021 Carolin Dendorfer, München
Zitat auf Seite 7 aus dem Song «More Than Words» von Extreme. Melodie und Text von Nuno Bettencourt, Gary Cherone.
Zitat auf Seite 50 aus dem Song «Do You Remember» von Jarryd James. Melodie und Text von Jarryd James Klapper, Joel Little.
Zitat auf Seite 64 aus dem Song «Work Bitch» von Britney Spears. Melodie und Text von Anne Cunningham, Anthony Preston, Britney Spears, Otto Jettman, Sebastian Ingrosso, William Adams.
Zitat auf Seite 66 und 222 ff. aus dem Song «Wonderful Life» von Black. Melodie und Text von Colin Vearncombe.
Zitat auf Seite 199 ff. aus dem Song «Fever» von Elvis Presley. Melodie und Text von Eddie Cooley, Otis Blackwell.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung Shutterstock
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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ISBN 978-3-644-00929-5
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