Der Himmel wird beben

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Der Himmel wird beben Page 6

by Kiefer, Lena


  »Was für ein bescheuertes Konzept.« Ich schüttelte den Kopf.

  »Allerdings. Aber praktisch für uns. Das Gebäude war vollgestopft mit UpLinks und visuellen Interfaces, zumindest zur Hälfte. Mitten im Bau kam die Abkehr dazwischen, die Hauptkomponenten wurden entfernt und das Hotel lag seither brach. Zum Glück hatte Ferro Kontakte zu der Firma, der es gehört. Er hat sie mit ins Boot geholt und nun haben wir hier beste Voraus­set­zungen für das, was wir vorhaben.«

  Wir gingen noch einige Stufen hinunter und auf eine große Glastür zu, die geräuschlos aufglitt. Dahinter tat sich etwas auf, mit dem ich hier nicht gerechnet hatte.

  Es war eine Art Technologiezentrale, ein riesiger Raum voller Terminals und technischem Equipment. Ein Dutzend Menschen befand sich dort, bediente die Panels und arbeitete an den Desks. Es war ein bisschen wie vor der Abkehr. Die Technik hier unten war zwar altmodischer – Terminals hatte man nicht mehr verwendet, bevor Leopold zur Tat geschritten war –, aber ich war seit Ewigkeiten der Zeit, als ich mit meinem Vater noch an Projekten gebastelt hatte, nicht mehr so nahe gewesen.

  Ich trat an den Arbeitsplatz, der mir am nächsten lag, und besah mir die Layer, die dort aufgereiht waren. Dann nahm ich ein paar Connecter in die Hand und schließlich einen Holo­erzeuger, der noch nicht fertiggestellt war.

  »Woher bekommt ihr das alles?«, fragte ich Jye.

  »Wir werden von Verbündeten versorgt, die an unsere Sache glauben«, antwortete er vage.

  »Und woher haben die es?« Ich drehte den Holoerzeuger in den Fingern. Das waren keine alten Bauteile vom Schwarzmarkt, sondern nagelneue Komponenten. Allerdings nicht aus der königlichen Produktion, das hätte ich erkannt. Wer war in der Lage, so etwas herzustellen? Und wo?

  »Das weiß ich nicht.«

  »Du weißt es nicht?« Ich drehte mich zu ihm um. »Bist du nie auf die Idee gekommen, danach zu fragen?«

  Jye maß mich mit einem beunruhigten Blick.

  »Phee, ist alles okay mit dir?«

  »Klar, wieso?«

  »Ich hätte erwartet, dass du dich mehr freust – mehr so wie ein Kind unterm Christbaum. Aber du siehst eher aus, als hätte man Weihnachten abgesagt.«

  Er hatte recht. Vor einer Weile wäre ich noch ausgeflippt vor Begeisterung, wieder einen Layer in der Hand zu halten. Aber jetzt fühlte ich mich eigenartig leer. Nur dass ich das nicht zeigen durfte. Reiß dich zusammen, mahnte Maraisville. Ich ­lächelte schnell.

  »Doch, es ist super. Echt toll.« Es war wirklich schwer, Leute zu belügen, die mich so gut kannten.

  Im nächsten Moment kamen zwei Personen aus dem Raum nebenan in die Zentrale – Knox und ein Mann mit längeren dunkelblonden Haaren, der ein elegantes schwarzes Hemd und eine ebensolche Hose trug. Die beiden blieben neben der Tür stehen und unterhielten sich leise, so weit von uns entfernt, dass ich nichts verstehen konnte. Ich sah, wie Knox die Stirn runzelte und den Kopf schüttelte, während sein Gegenüber auf ihn einredete. Für einen Moment war ich so gebannt von der Tatsache, dass Knox wieder bei mir war, dass ich den Mann neben ihm gar nicht richtig bemerkte. Als ich es doch tat, runzelte ich die Stirn.

  »Was macht denn Exon Costard hier?«, fragte ich Jye. Meine EyeLinks hatten mir den Namen nicht anzeigen müssen, um ihn zu erkennen. Costard war der Chef von ExonSolutions gewesen – der Firma, für die meine Mutter gearbeitet hatte. Plötzlich hatte ich eine Ahnung, wer ReVerse mit Technologie versorgte. Laut Leopold war Costard einer derjenigen, die nicht an die Gefahren des PointOut glaubten – des Zeitpunkts, an dem die Intelligenz künstlicher Lebensformen die der Menschen übersteigen würde. Er war die Person, die der König am meisten fürchtete. Dass er dort neben Knox stand, bedeutete, ReVerse hatte mittlerweile mächtige Verbündete.

  »Er ist der Besuch, einer von den Supportern.«

  »Von den Supportern?«

  »Die Partner, die uns unterstützen. Costard ist einer davon, mit Abstand der wichtigste. Ihm gehörte das Hotel und er stellt den Großteil der technischen Infrastruktur zur Verfügung. Ohne ihn könnten wir die Mission vergessen.«

  »Aber er ist nicht der Einzige? Wer ist noch dabei?« Die Frage war halb meiner Neugier, halb meinem leidigen Auftrag geschuldet.

  »Ein paar der Big Ten.« Jye zählte auf. »Victor Vale, Anthony Keeper und Ilara Nyberg.« Das war die Chefin von MedSol gewesen, die Vorgesetzte meines Vaters. »Außerdem sind ein paar Nachkommen dabei, deren Eltern sich auf die Seite des Königs geschlagen haben.«

  »Wow.« Knox hatte von Verbündeten gesprochen, aber ich hatte nicht erwartet, dass damit solch große Namen gemeint waren. Einige der wichtigsten Firmenchefs hatten nach der Abkehr in Leopolds Lager gewechselt, aber längst nicht alle. Offenbar witterten diejenigen, die von ihm einfach enteignet worden waren, jetzt Morgenluft. Vor allem Exon Costard gierte sicherlich danach, sich wieder ins Spiel zu bringen – und das war gefährlich für Leopold. Costard war einer der genialsten Erfinder der Welt, er hatte die OmnI entwickelt und keine Angst vor dem PointOut. Wenn er gemeinsam mit ihr, ReVerse und den anderen Wirtschaftsgiganten gegen den König ins Feld zog, stand es schlecht um die Abkehr.

  »Hilft er dabei, die OmnI in Betrieb zu nehmen?«, fragte ich Jye. »Knox hat mir gesagt, dass Troy sie stehlen konnte.«

  »Vermutlich ja.« Er hob die Schultern. »Troy erzählt nicht viel davon.«

  Am anderen Ende des Raumes verabschiedete Knox sich derweil von Costard und ging hinaus, ohne uns zu bemerken. Ich folgte ihm mit den Augen, bis er verschwunden war.

  »Du gewöhnst dich daran«, sagte Jye.

  »Gewöhnen? Woran?« Ich sah zu ihm.

  »An Knox. Daran, dass er wieder da ist.«

  »Sprichst du aus Erfahrung? Oder hoffst du selbst darauf?«

  »Ein bisschen von beidem, schätze ich.« Er seufzte. »Ich sehe ihn immer noch in Horsham sitzen und FlipFlap spielen. Als er mich in den ersten Tagen nach seiner … Rückkehr angesprochen hat, brauchte ich oft mehrere Sekunden, um zu kapieren, dass er nicht mehr der kleine Junge ist.«

  »Ich weiß genau, was du meinst«, murmelte ich. Nur, dass es bei mir noch mehr Gründe gab, warum diese Situation ziemlich kompliziert war. Ich war unglaublich froh über diese zweite Chance, mit der ich nie gerechnet hätte. Aber es war bald ein Jahr her, dass Knox zum Clearing geschickt worden war. Und seither war viel passiert.

  Einige der Leute, die an den Terminals arbeiteten, kamen nun zu uns herüber, deswegen mussten wir das Thema fallen lassen. Ich wurde vorgestellt und freundlich begrüßt, aber niemand stellte Fragen nach der Zeit in Maraisville oder meiner Flucht. Auf dem Weg nach oben erfuhr ich von Jye, warum.

  »Ich habe sie geimpft, während du unter der Dusche warst. Ich dachte, es wäre gut, wenn du nicht gleich überfallen wirst.«

  »Danke.« Ich lächelte ihn an.

  »Kein Problem. Ich bin eben der perfekte Gentleman.«

  Seine Worte stoppten mich abrupt, eine Erinnerung packte mich mit eisernem Griff. Gentlemen gibt es nicht mehr. – Oh, du wärst überrascht. Ein stechender Schmerz fuhr mir in die Schläfe, eine Flut aus Bildern und Gefühlen rollte über mich hinweg, ohne dass ich mich wappnen konnte. Gepresst keuchte ich auf.

  »Phee? Phee, bist du in Ordnung?« Jye fasste meinen Arm. Als ich die Augen wieder öffnete, erkannte ich, dass ich auf einer der Stufen in die Knie gegangen war. Mit Jyes Hilfe stemmte ich mich hoch.

  »Ja. Ja, ich denke schon.« Mein Mund war wie mit Watte gefüllt, das Bild meiner EyeLinks flackerte. Ich sah, dass ein Analysemodus lief. Was war das gewesen? »Ich glaube, es war einfach ein bisschen zu viel heute.«

  Jye musterte mich besorgt. »Vielleicht solltest du dich hinlegen. Du kannst mein Zimmer haben.«

  »Nein, das … das ist nicht nötig. Ich brauche nur frische Luft.« Und ein Clearing der letzten drei Monate, um diese fürchterlich schmerzhaften Erinnerungen aus meinem Gehirn zu löschen.

  Jye schien nicht überzeugt, aber er nickte trotzdem. »Dann lassen wir die Küche und die Aufenthaltsräume
aus und gehen direkt nach oben. Dort gibt es frische Luft satt.«

  6

  Oben war eine Dachterrasse, die ein Viertel des obersten Stockwerks bedeckte und mit Sesseln, Liegen und einem ganzen Wald von Pflanzen ausgestattet war. Jye gab mir eine Flasche Wasser und wir setzten uns in den Schatten eines großen Schirms aus Bambus.

  »Besser?«, fragte er.

  »Besser«, nickte ich und trank die halbe Flasche leer. »Gut, dass es außer dir niemand gesehen hat.«

  »Warum? Niemand von uns verurteilt dich für so etwas.«

  »Bist du sicher? Ich habe gesehen, wie hier gearbeitet wird. Das hat nichts mehr mit unserer Theatergruppe in Brighton zu tun.« Bestimmt spielte der persönliche Zusammenhalt bei ReVerse eine große Rolle. Aber am Ende war jeder hier ein Soldat, und sie alle rüsteten sich für einen Krieg. Ich spürte plötzlich eine tiefe Abneigung dagegen, mitten im Geschehen zu sein, noch dazu mit Jye und Knox. Am liebsten hätte ich mich mit ihnen verkrochen und gewartet, bis eine von beiden Seiten gewonnen hatte.

  »Es stimmt, dass es professioneller zugeht.« Jye nickte. »Ferro hat Strukturen aufgebaut, die durch seine Zeit bei den Schakalen geprägt sind. Aber trotzdem sind wir eine Gemeinschaft. Alle wissen, was du geleistet und durchgemacht hast. Keiner würde dich verurteilen wegen einer kleinen Schwäche.«

  »Keiner außer Elodie«, sagte ich trocken.

  »Ja, sie ist die berühmte Ausnahme.« Er lachte und musterte mich dann aufmerksam.

  »Sieh mich nicht so an«, bat ich.

  »Wie denn?«

  »Wie jemanden, um den man sich sorgen muss. Das musst du nicht. Mir geht es gut.«

  »Wir wissen beide, dass das gelogen ist.« Jye hob eine Augenbraue. »Du warst über drei Monate allein unter Feinden und bist dann drei Wochen Hunderte Kilometer gelaufen – um am Ende unerwartet auf Knox zu treffen. Ich halte dich für sehr stark, Ophelia. Aber selbst du hast Grenzen.«

  Ich schwieg und trank mein Wasser. Was hätte ich auch sagen sollen? Jye sah in mir immer noch das Mädchen aus Brighton, voller Ideale und mit einer festen Vision ihrer Zukunft vor Augen. Aber nichts konnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Ich war nicht mehr die Widerstandskämpferin mit großen Plänen, ich war eine Doppelagentin, die man dazu zwang, meine erste große Liebe und meinen besten Freund zu belügen.

  »Wie war es dort?« Jye sah mich an.

  »In Maraisville?« Ich sah zu Boden und knibbelte an dem geflochtenen Material meines Sessels. »Es war beeindruckend.«

  »Beeindruckend? Nicht beängstigend?«

  »Warum? Die hatten keine Ahnung, wer ich bin. Es war hart, das zu verbergen, vor allem, weil es Menschen gab, die ich mochte.« Diesmal blieb der Zusammenbruch aus. »Aber die Stadt selbst oder das Leben dort ist nicht beängstigend. Ich denke, die meisten haben falsche Vorstellungen davon.«

  »Du solltest uns bald davon erzählen. Vielleicht ist es nützlich für uns.«

  »Nützlich wofür?« Ich sah auf.

  Er schaute mich an, nun eindeutig misstrauisch. »Hast du vergessen, worum wir kämpfen? Nur, weil wir die OmnI haben, bedeutet das nicht den Sieg. Der König bleibt eine Gefahr, solange er lebt.«

  Mach ihm klar, dass du auf seiner Seite bist.

  Ich kratzte meine Kräfte zusammen, dann sah ich Jye abweisend an.

  »Das sagst du mir?« Meine Stimme war eiskalt, schon fast phoenix-würdig. »Falls du es vergessen haben solltest – ich habe mich in Maraisville eingeschleust und bin für unsere Sache durch die Hölle gegangen. Wie kannst du meine Loyalität infrage stellen?«

  Jye hob erschrocken die Hände. »Das tue ich nicht! Es ist nur … du warst so lange dort und wirkst irgendwie verändert, so … ernst und hart. Ich wollte dich nicht beleidigen, Phee.«

  Ich atmete aus. »Ist schon in Ordnung, tut mir leid. Ich weiß, dass es komisch ist.« Er hatte recht, das konnte ich nicht leugnen, ich war verändert. Ich hatte die harte Schule der Schakale hinter mir, drei Monate als Doppelagentin, mehrfach hin und her schwankende Überzeugungen, drei Wochen Isolationshaft und ein zu Staub zermahlenes Herz. Wie könnte ich nicht verändert sein?

  Als ich Jyes betroffenes Schweigen nicht mehr aushielt, suchte ich ein neues Thema.

  »Wie bist du eigentlich hier gelandet?«, fragte ich.

  »Mit Knox.« Jye faltete die Hände und sah mich nicht an. »Ich war zwei Wochen wieder zu Hause, als sie bei mir auftauchten – Leute, die direkt von Ferro kamen. Sie hatten einen Auftrag für mich: Ich sollte Knox zu ihnen bringen, weil Ferro ihn angeblich für seine Pläne brauchte. Natürlich habe ich ihnen kein Wort geglaubt, denn was sollte er mit einem Clearthrough anfangen? Aber dann haben sie behauptet, es gäbe eine Möglichkeit, seine Erinnerungen zurückzuholen.«

  »Und das hast du ihnen geglaubt?«

  »Ich habe in Erwägung gezogen, sie könnten die Wahrheit sagen. Also habe ich getan, was sie wollten.« Jye rieb sich übers Gesicht. »Versteh doch, du warst weg, ich hatte keine ­Ahnung, wie es weitergehen sollte … und ich wollte meinen besten Freund zurück. Verurteile mich nicht dafür, Phee.«

  »Das tue ich nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »An deiner Stelle hätte ich genau das Gleiche getan.« Monatelang hatte mich nichts anderes beherrscht als die verzweifelte Sehnsucht nach Knox.

  Jye nickte. »Ich bin also an einem Abend, als Mrs Odell nicht da war, nach Horsham gefahren und habe ihn geholt. Knox hatte keine Ahnung, was ich von ihm wollte. Er hat sich gewehrt, als ich den WrInk aus seinem Arm geschnitten habe …« Jyes Stimme brach. Ich legte ihm eine Hand auf den Rücken.

  »Du musst es mir nicht erzählen«, sagte ich sanft.

  »Doch. Du hast ein Recht darauf. Es ist nämlich nicht so, wie du denkst.«

  »Was meinst du?«

  »Seine Erinnerungen. Sie sind wieder da, aber –«

  »Hier seid ihr.« Knox kam auf die Terrasse. Er hatte schon immer ein Gespür für das richtige Timing gehabt.

  »Jye hat mir eine Schlossführung spendiert«, sagte ich und ­lächelte automatisch. Es wollte immer noch nicht in mein Hirn, dass Knox vor mir stand und dabei aussah, sprach und lachte wie früher. Am liebsten hätte ich ihn berührt, in den Arm genommen, ihn nie wieder losgelassen. Aber ich hielt mich zurück.

  »Ja, als Fremdenführer ist er unschlagbar.« Knox grinste Jye an, aber es hatte etwas Warnendes. Stimmte etwas nicht zwischen den beiden?

  »Ich gehe dann mal.« Jye stand auf, berührte mich flüchtig an der Schulter und verließ die Terrasse. Ich erhob mich ebenfalls. Knox und ich traten ans Geländer und schauten aufs Meer hinaus.

  »Es ist komisch für dich, oder?«, fragte er mich schließlich.

  »Total komisch!«, stieß ich erleichtert aus. »Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du Pferde gemalt und wolltest ein Phobe werden.«

  »Ja, ich erinnere mich. Du hattest recht, sie sahen aus wie Dinosaurier.« Knox lächelte. Ich sah ihn nachdenklich an. »Was ist?«, fragte er.

  »Ich glaube, ich begreife einfach noch nicht richtig, dass du wieder da bist.« Ich trat einen Schritt näher, berührte ihn aber immer noch nicht. »Oder dass wir beide hier stehen und du deine Erinnerungen zurückhast.«

  Sein Blick verdunkelte sich. Ich hielt das für den richtigen Moment, um die entscheidende Frage zu wiederholen.

  »Wie haben sie das gemacht?«

  Knox sagte einige Augenblicke lang nichts und starrte nur vor sich hin. Ich wollte schon einlenken und das Thema vertagen, aber er kam mir zuvor.

  »Es nennt sich Restoring«, sagte er. »Beim Clearing werden die Erinnerungen über eine neuronale Schnittstelle in Daten umgewandelt und gespeichert, bevor sie bei einem selbst gelöscht werden. So können sie auf alles Wissen der geclearten Personen zurückgreifen.« Ich dachte daran, wie detailliert die OmnI Knox’ und meine gemeinsame Geschichte gekannt hatte. Daher stammten die Informationen also. Sie hatte sie einfach abgerufen. »Ferro kannte jemanden mit Zugriff auf die Daten und hat Jye gebeten, mich zu holen. An einem Abend im Juli ist d
er dann in Horsham aufgetaucht und wollte mich mitnehmen.«

  »Ja, das hat er erzählt.«

  Knox sah mich alarmiert an. »Was hat er noch gesagt?«

  Ich hob die Hände. »Nichts. Er hat nur berichtet, dass er dich rausgeholt hat und du nicht verstanden hast, was er von dir will.«

  Man konnte sehen, wie Knox sich entspannte. Es gab also etwas, das Jye wusste, ich aber nicht. Was für Geheimnisse hatten die beiden vor mir?

  »Jye hat mich dazu überredet, ihn meinen WrInk rausschneiden zu lassen, dann wurden wir abgeholt und nach Süden gebracht. In einer stillgelegten Einrichtung in der Nähe von Valen­cia haben sie dann … Sie haben die Erinnerungen wieder eingesetzt. Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert. Aber es hat ziemlich lange gedauert und tat fürchterlich weh.« Tiefer Schmerz zeigte sich auf Knox’ Gesicht.

  Ich legte meine Hand auf seinen Arm, aber er reagierte kaum darauf. Er blieb noch einen Moment in der offenbar grauenvollen Vergangenheit hängen, dann schüttelte er den Kopf und sprach weiter.

  »Jedenfalls bin ich danach hierhergekommen, traf mich mit Ferro und wir haben über die Zukunft gesprochen. Da hat er mir auch erzählt, dass du in Maraisville bist und planst, den König zu töten. Ich war halb wahnsinnig vor Sorge. Aber ich habe daran geglaubt, dass du es schaffst.«

  »Nun, offensichtlich ging das schief«, sagte ich.

  »Spielt doch keine Rolle. Du hast dafür gesorgt, dass wir die OmnI haben. Um den König werden wir uns zu gegebener Zeit kümmern.«

  Wie bei dem Einsatz in der Villa Mare meldete sich Unbehagen in mir. Ich hatte den König vor drei Wochen umbringen wollen, weil meine Wut die Kontrolle übernommen hatte. Mittlerweile richtete ich dieses Gefühl auf den, der es verdiente: Lucien. Deswegen war meine Haltung zu Leopold ein großes Fragezeichen in meinem Kopf. Vor allem in Bezug auf seine Berichte über den PointOut.

  Frag ihn nach der OmnI, befahl mir Maraisville. Ich gehorchte.

  »Was ist eigentlich mit der OmnI? Du hast gesagt, sie ist nicht hier?« Wie subtil.

  »Nein.« Knox schüttelte den Kopf. »Troy ist vollkommen para­noid und versteckt sie irgendwo anders. Selbst mir hat er nicht verraten, wo sie ist.«

 

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