Der Himmel wird beben

Home > Other > Der Himmel wird beben > Page 13
Der Himmel wird beben Page 13

by Kiefer, Lena


  »Natürlich.« Er grinste. »Das ist schließlich das Einzige, was ich kann.« Eva Odell war als Italopäerin Expertin für Pizza und hatte dieses Wissen an ihren Sohn weitergegeben. Knox hatte oft für meine Familie welche gemacht.

  »Fleur würde durchdrehen, wenn sie das wüsste.« Ich nahm mir ein Stück und biss hinein. Die Pizza war kalt, schmeckte aber trotzdem großartig.

  »Fleur ist versorgt.« Knox öffnete zwei der Flaschen. Es war das gleiche Getränk wie in der Nacht, als er seinen ersten Restoring-Anfall gehabt hatte. »Meine Mutter fährt manchmal zu euch und kocht für alle.«

  »Das wusste ich gar nicht.« Knox ließ seiner Mutter regelmäßig Nachrichten zukommen, aber ich hatte bewusst keinen Kontakt zu meiner Familie aufgenommen. Ich vermisste sie und hätte nur zu gerne meinem Vater oder Eneas geschrieben, aber je weiter ich Abstand hielt, desto sicherer waren sie. Also hatten sie von Eva nur erfahren, dass ich am Leben war und es mir gut ging. Ich würde mich bei ihnen melden, wenn alles vorbei war.

  »Hey, das ist kein Abend, um Trübsal zu blasen.« Knox strich mir über den Rücken. »Es sei denn, du willst, dass es genau wie unser erstes Date wird. Was hatte Eneas nochmal kaputtgemacht, bevor wir uns getroffen haben?«

  Ich schnaubte. »Er hat mein Shirt als Wischlappen für seine Farben benutzt – genau jenes, das ich bei dem Date anziehen wollte. Ich hätte ihn umbringen können.«

  »Du hättest auch einen Kartoffelsack tragen können und ich hätte es nicht bemerkt.« Knox lächelte.

  »Wie charmant. Und das, nachdem ich ungefähr fünf Stunden damit zugebracht hatte, das richtige Outfit herauszusuchen.«

  »Was immer es war, es war sicher bezaubernd. Schätze ich.«

  Ich schubste ihn leicht und nahm mir noch ein Stück Pizza. »Weißt du noch, wie lange wir umeinander herumgeschlichen sind? Ich glaube, ich habe dich ein Jahr aus der Ferne angeschmachtet.«

  Er lachte. »Nur ein Jahr? Ich biete mehr.«

  »Das kann gar nicht sein«, widersprach ich. »Schließlich haben wir uns im selben Moment das erste Mal gesehen.«

  »Nein, ich habe dich vorher schon bemerkt. Wir waren auf derselben Schule, schon vergessen?«

  Jetzt lachte ich. »Das bedeutet, du warst noch ein größerer Feigling als ich.«

  »Ja, das lässt sich nicht leugnen. Aber immerhin war ich es, der dich nach einem Date gefragt hat.«

  »An dieser guten alten Neandertaler-Tradition hat sich wohl nichts geändert.« Ich lächelte und spürte ein warmes Gefühl, als ich Knox ansah.

  Es war ein tolles zweites erstes Date. Wir kramten die Vergangenheit hervor, lachten über peinliche Situationen und schwärmten von den schönen Momenten. An mancher Stelle waren wir uns nicht einig, aber auch die Kabbeleien waren vertraut. Es war friedlich, unbeschwert und leicht. Zumindest, bis Knox über das Tattoo an meinem Handgelenk strich.

  »Meins ist weg. Sie haben es beim Clearing entfernt, wie alles andere auch.«

  »Wie fühlt es sich eigentlich an?«, fragte ich vorsichtig. »Das Clearing, meine ich.« Vielleicht killte es die Stimmung, aber es gab ohnehin keinen guten Zeitpunkt für dieses Thema.

  Knox nahm die Hand weg und sah auf das Meer hinaus. »Brutal. Es ist eine Strafe und genau so fühlt es sich auch an. Dabei ist es kein körperlicher Schmerz. Es ist mehr so, als würde dir deine Seele aus dem Körper gerissen. Als würdest du dich auflösen und alle wichtigen Menschen in derselben Sekunde verlieren.« Er atmete aus. »Das einzig Gute am Clearing ist, dass man auch vergisst, wie es war.«

  Ich rutschte direkt neben ihn und legte einen Arm um seinen Rücken. »Aber jetzt weißt du es wieder?«

  »Ich weiß alles wieder.« Er sah zu mir hinunter. »Ich weiß auch, dass du in der Zeit nach dem Clearing oft bei mir warst. Das muss fürchterlich für dich gewesen sein. Aber du bist trotzdem immer wiedergekommen.«

  Ich hob die Schultern. »Ich konnte nicht anders.«

  »Ja, so bist du. Und deswegen bist du das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte.« Ich sah hoch und begegnete seinem Blick. »Ich liebe dich, Phee. Das habe ich immer.«

  Ich wollte ihm keine Antwort geben, deswegen küsste ich ihn, und schnell waren alle Worte vergessen. Wir ließen uns in den Sand sinken, er über mir. Erst war der Kuss liebevoll, dann wurde er intensiver. Knox küsste meinen Hals, ich vergrub meine Finger in seinen Haaren und verschränkte sie dann in seinem Nacken. Seine Hand strich an meinem Bein entlang und schob den Rock des Kleides hoch. Plötzlich verspannte ich mich. Knox bemerkte es. Er nahm die Hände weg und setzte sich auf.

  »Willst du mir nicht endlich sagen, was mit dir los ist?« Es klang enttäuscht.

  Das hätte ich nur zu gern, aber es war unmöglich. Ich konnte nicht sagen, dass ich EyeLinks mit einer direkten Verbindung zu den Schakalen trug und dass Sex deswegen keine gute Idee war. Und das wäre ohnehin nur die halbe Wahrheit gewesen. Es lag nicht daran, dass Maraisville zusah. Es lag vor allem daran, dass ich mich jedes Mal schuldig fühlte, wenn Knox mich berührte.

  »Hör zu …« Tief holte ich Luft, dann nahm ich meine mitgebrachte Jacke und legte sie mir um. »Ich muss dir etwas sagen.« Dieses Geheimnis war wie ein Keil, der zwischen uns steckte. Ich musste ihn entfernen, wenn wir eine Zukunft haben wollten.

  »Okay.« Er stützte die Arme auf die Knie und sah mich abwartend an.

  »Als ich in Maraisville war«, begann ich, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Komm schon, sagte ich mir, bring es hinter dich. »Es gab dort jemand anderen.«

  »Okay.« Diesmal klang es nach einer Frage.

  Vor meinen Augen tauchte eine Nachricht auf. Du sagst kein Wort mehr.

  Dann schaltet mich doch ab, dachte ich trotzig. Das hier hat nichts mit meinem Auftrag zu tun. Wenn ich Knox von Lucien erzählen wollte, war das allein meine Entscheidung.

  »Ich weiß, wie es sich anhört«, sagte ich und sah ihn an. »Als hätte ich einen Ersatz für dich gefunden, nur sechs Monate nach deinem Clearing. Aber das stimmt nicht. Ich habe dich nicht vergessen. Ich habe immer gehofft, dass du zurückkommst.«

  Knox schwieg, sehr lange. Aber dann nickte er. »Das ist in Ordnung, Phee. Du dachtest, ich wäre für immer weg. Toll finde ich es nicht, aber ich mache dir keine Vorwürfe deswegen.«

  »Ist das dein Ernst?« Ich hätte vor Erleichterung heulen können. »Ich hätte es dir viel eher sagen sollen«, sprudelte ich los. »Aber ich wusste nicht, wie du reagieren würdest und deswegen … Ich bin so froh, dass du damit klarkommst.« Damit hielt ich das Thema für beendet. Aber das war es nicht.

  »Wer war es?«, fragte Knox. »Einer der Anwärter? Etwa Troy? Dann hätte ich wohl doch ein Problem damit.«

  »Himmel, nein, igitt. Wenn Troy und ich die letzten Überlebenden auf der Erde wären, würde die Menschheit aussterben.« Ich schüttelte mich. »Nein, es war kein Anwärter.«

  »Jemand aus der Stadt? Ich habe gehört, dass dort viele Norma­los leben.«

  »Nein, es …« Ich wählte die halbe Wahrheit. »Es war ein Schakal.«

  Kaum hatte ich das Wort ausgesprochen, wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war. Knox’ Gesichtsausdruck war erst schockiert, dann wütend. »Du hattest etwas mit einem von denen?«

  Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Ja.«

  »Also war es was? Eine Bettgeschichte?« Plötzlich sah ich Hoffnung in seinen Augen. »Das war dein Plan, oder? Du hast dich mit ihm eingelassen, um an den König heranzukommen.«

  Letzte Warnung, Ophelia. Sag Ja. Sofort.

  »Nein.« Es war eine Antwort an beide. »Das ist nicht meine Art und das weißt du auch. Ich habe ihn kennengelernt und mich in ihn verliebt. Er war für mich kein Mittel zum Zweck.« Ich sagte nicht, dass ich für Lucien sehr wohl Mittel zum Zweck gewesen war. Ich wollte Knox nicht noch mehr gegen Maraisville aufbringen.

  »Verliebt?«, echote er tonlos, dann stand er auf und wiederholte es lauter. »Verliebt?! Die Schakale sind kaltblütige Killer, Verteidiger der Abkehr, die engsten Vertrauten des Königs! Sie töten,
um seine abartige Vision am Leben zu erhalten! Wie konntest du dich in einen von ihnen verlieben?!«

  »Ich hatte das nicht geplant!«, rief ich. »Ich war in dieser verdammten Stadt, ohne eine einzige Person, der ich vertrauen konnte! Und dann war er plötzlich da, und ich hatte endlich nicht mehr das Gefühl, vollkommen allein zu sein!« Ich atmete zitternd ein. »Er war der einzige Grund, warum ich das durchgehalten habe.«

  »Der einzige Grund?! Ein Schakal war der einzige Grund, durch­zu­halten?« Knox starrte mich zornig an. »Was ist mit deinen Überzeugungen? Mit deiner Mission, unseren Zielen? Mit dem, was sie mir angetan haben? Waren das keine Gründe für dich?!«

  Beinahe hätte ich gerufen, dass diese Überzeugungen großer Mist waren und die Mission eine totale Dummheit. Ich konnte mich gerade noch beherrschen. »Es war nicht meine Absicht, okay? Ich wollte das nicht!«

  »Warum ist es dann passiert?« In Knox’ Augen war kein Funke Verständnis zu sehen. »Du hättest Abstand halten müssen, du hättest an unsere Sache glauben müssen! Wieso hast du das nicht?«

  »Weil ich keine verdammte Maschine bin!«, fuhr ich ihn an und stand nun selbst auf. »Du warst nicht dort! Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn man allein auf der Gegenseite steht. Wenn du jede Sekunde aufpassen musst, was du tust oder sagst. Du hast keinen Schimmer, was das mit einem macht!«

  »Na, was es mit dir gemacht hat, weiß ich ja jetzt.« Knox schnaubte. »Ist das der Grund, warum es sich so fremd anfühlt zwischen uns? Weil du noch an ihn denkst? Weil du eigentlich auf seiner Seite stehst?«

  »Das ist Schwachsinn!« Ich starrte ihn an, er starrte mich an. Und da erkannte ich: Knox hatte kein Problem damit, dass ich mich in jemand anderen verliebt hatte. Er hatte nur ein Problem damit, dass es ein Schakal gewesen war. »Zwischen uns fühlt es sich fremd an, weil wir uns fremd geworden sind, Knox. Das hat nichts mit meinen Überzeugungen zu tun.«

  »Na wunderbar! Dann ist ja alles gesagt. Vielen Dank für diesen wunderbaren Abend.« Er funkelte mich ein letztes Mal ­wütend an, dann drehte er sich um und stapfte davon.

  Ich sah ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. Dann sank ich in den Sand und wartete auf Tränen. Sie kamen nicht. Vielleicht lag es daran, dass ich meine Worte nicht bereute. Eigentlich war ich sogar erleichtert. Die Wahrheit hatte Knox wehgetan, aber jetzt lag sie auf dem Tisch. Wenn es deswegen mit uns nicht funktionierte, dann sollte es wohl so sein.

  Das war ein Desaster. Wer immer in Maraisville saß, schien nicht begeistert zu sein. Aber ich war nicht in Stimmung dafür.

  »Schreibt es auf die Liste meiner Verfehlungen«, antwortete ich müde.

  Dir ist hoffentlich klar, dass du das wieder hinbiegen musst?

  »Glasklar.«

  Fragte sich nur, wie.

  13

  In der Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum.

  Ich befand mich in einem Raum ohne Fenster, der mit einem breiten Tisch und einigen Stühlen ausgestattet war. Auf dem Tisch lagen mehrere Pads vor Imogen Lawson, die einen weiten Pullover trug und die Haare zu einem unordentlichen Zopf gebunden hatte. Ich wollte mich bewegen und umsehen, aber ich war wie angewurzelt. Als ich an mir heruntersah, erkannte ich, dass ich keinen Körper hatte.

  Die Stabschefin bemerkte mich nicht, und da ich mich nicht rühren konnte, war ich stumme Beobachterin im langweiligsten Traum der Welt. Nach dem katastrophalen Abend mit Knox hatte ich erwartet, zumindest von ein paar fleischfressenden Pflanzen verfolgt zu werden. Davon hatte ich als Kind oft geträumt.

  Imogen guckte in meine Richtung, als würde sie etwas beobachten, dann verzog sie unzufrieden den Mund und nahm ein anderes Pad. Während sie es einschaltete, ging die Tür auf und jemand kam herein. Plötzlich war der Traum alles andere als langweilig.

  »Luc? Was machst du denn hier?« Imogen legte das Pad weg.

  »Das Gleiche könnte ich dich fragen.« Lucien schlenderte zum Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Mit den offenen Locken, dem schwarzen T-Shirt und der Trainingshose wirkte er, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen. Ich hatte keinen Körper, aber trotzdem zog Sehnsucht an meinem Magen. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, seit ich ihn das letzte Mal so gesehen hatte.

  »Ich arbeite, wie du siehst.« Die Stabschefin deutete auf die Pads.

  »Nachts. Um drei Uhr. Im Überwachungsraum.« Lucien schien ihr das nicht abzunehmen. »Musst du um diese Zeit nicht Monster unter dem Bett deines Kindes vertreiben?«

  Sie grinste. »Ray kümmert sich heute Nacht um die Monster und das Kind.«

  »Richtig. Ray.« Lucien dehnte den Namen. »Der Ersatzmann deines Herzens.«

  »Ich weiß, dass du ihn nicht magst. Aber er tut uns gut.«

  »Niemand bezweifelt das.« Er hob die Schultern. »Aber warum sich mit gut zufriedengeben, wenn man großartig haben könnte?«

  »Das ist für mich aber nicht zu haben. Gut ist solide. Ich mag solide.«

  »Solide ist todlangweilig, Gen.«

  Imogen lachte. »Dein Lebensmotto, oder? Du solltest es auf ein Shirt drucken lassen.«

  »Ich drucke es für dich auf ein Shirt – oder für Ray. Was für eine Größe hat er? Ich sollte ihm gleich eine ganze Fuhre davon besorgen.«

  »Untersteh dich.« Imogen pikte Lucien mit dem Finger in die Schulter. »Für meine Beziehung ist es besser, du hältst dich von ihr fern. Sehr weit fern. Würde es dir etwas ausmachen, gleich in ein anderes Land zu ziehen? Großasien soll um diese Jahreszeit schön sein.«

  »Wenn du das Phoenix erklärst, bin ich morgen weg.« ­Lucien grinste.

  Imogen seufzte und nahm eine Tasse vom Tisch. »Ich möchte Phoenix momentan gar nichts erklären. Er ist mies drauf, seit Ophelia vor ein paar Stunden aus der Reihe getanzt ist.«

  »Was hat sie gemacht?« Lucien hatte diesen lässigen Tonfall angeschlagen, den er immer aus dem Hut zog, wenn ihm etwas überhaupt nicht egal war.

  »Er will nicht, dass du es weißt.«

  »Das ist mir klar.« Seine Augen funkelten. »Oder glaubst du, ich komme mitten in der Nacht hierher, weil mein Bett so unbequem ist? Es ist die einzige Möglichkeit, an ein paar Antworten zu kommen.«

  »Offensichtlich hat Phoenix etwas dagegen.«

  »Oh ja. Cohen will mich von ihr fernhalten, weil er glaubt, dass, ich zitiere, es meiner Konzentration schadet.« Lucien verdrehte die Augen.

  Hätte ich einen Kopf gehabt, dann hätte ich ihn geschüttelt. Was war das für ein absurder Traum, in dem ich den beiden dabei zusah, wie sie über mich sprachen?

  »Ich sage das nur ungerne, aber könnte es nicht sein, dass er recht damit hat?« Imogen seufzte. »Du bist so nah dran gewesen, du bist nicht objektiv und –«

  »Bullshit«, unterbrach Lucien sie. »Er will nur, dass ich funktioniere wie ein beschissenes Rennpferd. Keine Ablenkungen, keine Fehler und um Himmels willen keine Gefühle. Die Frage ist nur: Siehst du das auch so, Gen?«

  »Natürlich nicht.« Imogen sah ihn unglücklich an. »Du bist wie ein kleiner Bruder für mich – wenn es nach mir ginge, würdest du kein einziges Rennen mehr laufen. Aber diese ganze Sache ist nicht gesund für dich.«

  »Nicht gesund ist es, wenn man alles von mir fernhält. Sag mir einfach, was heute Abend los war.« Lucien sah sie bittend an. »Ich verspreche dir, danach verschwinde ich ins Bett.«

  Von meinem Platz an der Wand konnte ich sehen, wie die Stabschefin mit sich kämpfte. Schließlich seufzte sie. »Du findest es ja eh raus.«

  »Du sagst es. Also?«

  »Es gab eine Art Verabredung unten am Strand.«

  »Mit Odell?«

  »Ja. Sie haben die Vergangenheit durchgekaut, kamen sich näher –«

  »Kamen sich näher?« Lucien lachte, aber es klang unecht. »Wo sind wir, in einem antiken Schundheftchen-Roman?«

  »Willst du es etwa in allen Details hören?« Imogen hob eine Augenbraue.

  »Danke, ich verzichte«, murmelte er.

  »Dachte ich mir. Jedenfalls hat Ophelia diese Annäheru
ng abgebrochen und ihm gebeichtet, dass es einen Schakal gegeben hat, mit dem sie in Maraisville zusammen war. Wir haben versucht, sie davon abzuhalten, aber es war ihr egal.«

  »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Lucien nickte. »Was noch? Wenn das alles wäre, hätte Cohen kein Problem damit.«

  »Odell hat gefragt, ob es Teil des Plans war, sich mit jemandem auf der Seite des Königs einzulassen. Aber Ophelia hat das verneint.« Imogen atmete aus. »Sie hat gesagt, dass sie sich abseits ihres Auftrags in diesen Schakal verliebt hätte und er nie … dass du nie Mittel zum Zweck warst. Odell und sie haben deswegen gestritten und er ist gegangen. Sie hat nicht versucht, ihn aufzuhalten.«

  Lucien sah Imogen einen Moment reglos an. Dann sprang er auf und ging zu einem Schrank. Dort kramte er kurz herum und holte einen kleinen blauen Behälter heraus. Während er zurückkam, setzte er sich die EyeLinks ein.

  »Was … nein, kommt nicht infrage!« Imogen hob die Hände. »Du hast gesagt, du gehst ins Bett, wenn ich es dir erzähle. Du wirst dir das nicht anschauen!«

  Als Lucien sie ansah, erkannte ich eine seltene Kühle in seinen rauchblauen Augen. »Ich bin der Bruder des Königs, Imogen. Wenn du Leopold nicht wecken möchtest, gibt es niemanden, der mir das verbieten könnte.«

  »Wenn das so ist, werde ich ihn wecken.« Sie stand auf.

  »Warum?« Lucien fixierte Imogen mit seinem Blick. »Warum habt ihr alle so eine Scheißangst davor, mir die Wahrheit zu sagen?«

  »Weil wir uns kurz vor einem Krieg befinden, Luc. Dein Bruder befindet sich kurz vor einem Krieg, und kein Mensch weiß, ob er ihn gewinnen kann. Wir brauchen gerade deinen Kopf. Nicht dein Herz.«

  »Sind das seine Worte oder deine?«

  »Meine. Leo und ich haben seit Wochen nicht mehr richtig miteinander geredet.« Imogen sank auf den Stuhl. Sie wirkte plötzlich sehr erschöpft. »Wir sind über zwanzig Jahre befreundet, aber jetzt dringe ich nicht mehr zu ihm durch. Redet er mit dir?«

  »Manchmal.« Lucien zuckte mit den Schultern.

  »Über das Attentat?«

  »Nein. Seit Amelie gebeichtet hat, dass sie mit Ferro in Kontakt stand, ist er nicht gerade gesprächig.«

 

‹ Prev