Der Himmel wird beben

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Der Himmel wird beben Page 14

by Kiefer, Lena


  »Du glaubst, das wäre der Grund, warum er sich so verhält? Lächerlich.« Imogen schüttelte den Kopf. »Er hat Amelie dafür nicht einmal aus der Stadt geworfen.«

  »Ja, weil man Menschen im Auge behalten muss, denen man misstraut«, sagte Lucien ernst. »Nicht, weil er ihr das jemals vergeben könnte.«

  »Kannst du es?«

  »Keine Ahnung.« Er setzte sich wieder hin. »Niemand ist perfekt, Gen. Manchmal hat man die falschen Informationen oder glaubt den falschen Menschen. Hilft es dann, jemanden für immer zu verdammen, obwohl er seine Sicht geändert hat?«

  »Reden wir noch von Amelie? Oder von jemand anderem?« Imogen sah Lucien streng an. »Es wird Zeit, dass du das endlich verstehst: Ophelia wollte deinen Bruder töten. Sie hat auf ihn gezielt und hätte ihn umgebracht, wenn die Waffe funktioniert hätte. Ich habe Leopold danach erlebt, er war völlig zerstört. Dieses Attentat ist der Grund, warum er sich so verändert hat.«

  »Das denkst du, ich aber nicht«, widersprach Lucien. »Leo ist nicht der Typ für eine Ich-habe-erkannt-dass-ich-sterblich-bin-Depression. Ich glaube nicht, dass ihn das so aus der Bahn werfen würde.«

  »Ja, weil du es nicht glauben willst.« Imogen umschloss ihre Tasse mit beiden Händen. »Du willst nicht zugeben, dass du dich in Ophelia geirrt hast.«

  »Schwachsinn«, widersprach Lucien. »Ich weiß, dass ich mich in ihr geirrt habe. Schließlich ist sie nachts aus meinem Bett aufgestanden, um ihn zu töten.« Sein Gesicht wurde hart vor Wut, dann stieß er die Luft aus. »Aber mein Gefühl sagt mir, dass ich etwas übersehen habe. Irgendetwas passt nicht zusammen.«

  »Fanatische Radikale lassen sich nicht logisch begreifen, Luc.«

  »Genau das ist es doch!« Er schnaubte. »Sie ist nicht fanatisch, nicht so wie Rankin. Bei dem wussten Caspar und ich schon nach einer Woche, dass etwas nicht stimmt, aber Cohen wollte ihn unbedingt im Spiel halten. Ophelia ist anders.«

  »Du bist wohl nicht der Richtige, um das zu beurteilen.« Imogen sah ihn an.

  »Nein, bin ich nicht. Aber ich bin auch kein Idiot.« Lucien erwiderte den Blick stoisch. »Warum sollte sie ihrem Ex von mir erzählen? Wieso hat sie nicht gesagt, dass es Teil ihrer Mission war, etwas mit mir anzufangen? Schließlich sind wir davon ausgegangen, genau das wäre ihr Plan gewesen.«

  Imogen hob die Hände. »Vielleicht hat sie ihn aus irgendeinem Grund angelogen, was weiß ich.«

  »Das ergibt keinen Sinn.« Lucien schüttelte den Kopf. »Auch nicht, dass sie meinen Namen rausgehalten hat. Wieso nicht sagen, dass sie es über mich bis zu Leopold geschafft hat? ReVerse würde ihr dafür ein Denkmal setzen.«

  Imogen verzog das Gesicht. »Okay, ich gebe zu, es ist seltsam. Aber wenn sie nicht die Person ist, für die wir sie halten, warum hat sie dann versucht, Leopold umzubringen?«

  »Darüber denke ich schon seit Wochen nach.« Lucien runzelte die Stirn. »Etwas war anders, nachdem sie in die Festung kam. Sie war den ganzen Abend eigenartig, aber ich habe es auf Emiles Festnahme geschoben.«

  »Die sie selbst inszeniert hatte. Du weißt, dass sie es zugegeben hat.«

  Lucien schüttelte den Kopf. »Du hast ihr Gesicht nicht gesehen, als Emile am Castello aufgetaucht ist. Das hatte sie nicht geplant, auf keinen Fall. Sie hat jemand anderen erwartet, wahrscheinlich Troy. Die beiden haben sich bis aufs Blut gehasst. Wieso, wenn sie doch eigentlich zusammengearbeitet haben?«

  Sanft legte Imogen eine Hand auf seinen Arm. »Du verrennst dich, Lucien. Du willst Dinge sehen, die nicht da sind, nur weil du Gefühle für sie hast.«

  »Nein, das ist es nicht.« Lucien biss sich auf die Unterlippe. »Ich habe ihr gesagt, dass ich sie liebe – und ich habe gesehen, dass es ihr genauso geht. Aber als sie später zu mir kam, war sie vollkommen verändert. Vielleicht hat die OmnI irgendetwas gesagt oder getan –«

  Imogen trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Es war nur eine kleine Bewegung, aber Lucien bemerkte es.

  »Was?« Er verengte die Augen.

  »Hm?« Sie sah ihn unschuldig an.

  »Ein Hm, ist das dein Ernst?« Lucien hob die Augenbraue. »Dafür, dass du mal eine von uns warst, bist du eine lausige Lügnerin.«

  Sie stöhnte gequält auf. »Hör auf, mich darum zu bitten. Ich komme jetzt schon in Teufels Küche, weil ich dir von dem Treffen erzählt habe.«

  »Du weißt, dass ich es auch ohne dich herausgefunden hätte.«

  »Ja, aber du machst mich trotzdem zur Komplizin«, murrte sie.

  »Jetzt heul nicht rum. Du bist theoretisch Cohens Chefin.«

  »Du sagst es, theoretisch. Wir haben die Vereinbarung, dass ich mich bei den Schakalen nicht einmische. Und das hier ist eine Sache der Schakale.«

  »Dann leg doch eine Pause ein«, schlug Lucien vor. »Hol dir einen frischen Kaffee, mach einen Spaziergang, halte einen kleinen Plausch mit dem Personal … Ich passe solange auf, dass hier niemand etwas anfasst.«

  »Netter Versuch.«

  »Ich weiß.« Er grinste. »Aber im Ernst – du hast die Überwachung für diesen Raum abgeschaltet. Das weiß ich, weil sie schon deaktiviert war, als ich es tun wollte. Warum also machst du dir ins Hemd? Cohen kriegt nichts davon mit.«

  »Cohen kriegt alles mit.« Imogen verzog den Mund.

  »Ja, das ist es, was er uns glauben machen will.« Lucien verdrehte die Augen. »In Wahrheit habe ich schon unzählige Dinge getan, ohne dass er davon erfahren hat.«

  »Ich glaube nicht, dass ich wissen möchte, was das für Dinge sind.«

  »Nein, das glaube ich auch nicht.« Lucien grinste wieder.

  Imogen seufzte erneut. »Na schön, du gibst ja eh keine Ruhe. Und bevor du dann alles durchforstest …« Sie suchte in der Daten­bank nach einem bestimmten File. Ich konnte nicht sehen, was es war, aber Luciens Augenbewegungen verrieten, dass sich etwas auf den EyeLinks tat. Es dauerte nur kurz, dann klinkte er sich wieder aus. Sein Gesicht zeigte pure Ratlosigkeit.

  »Was zur Hölle soll das bedeuten?«

  »Keine Ahnung. Aber was, wenn die OmnI –«

  Ein hoher Alarmton ließ sie verstummen.

  Im gleichen Moment zuckte ein unerträglich scharfer Schmerz durch meinen Kopf, der mich aufstöhnen ließ.

  Dann wurde es plötzlich dunkel.

  14

  Ich wachte auf dem Fußboden auf – wieder einmal. Ich hatte Kopfschmerzen – wieder einmal. Aber ich konnte mich an mein Leben der letzten Jahre erinnern, also war das InstantClear nicht ausgelöst worden. Allerdings waren die letzten Stunden ein bisschen verschwommen. Das letzte klare Bild war Knox, der mich wütend und enttäuscht am Strand zurückließ.

  Der Spiegel im Bad zeigte mir eine gerötete Stelle an meiner Schläfe, wo das Implantat saß. Die Haut dort spannte und schmerzte, als wäre sie verbrannt. Mühsam kramte ich in meinen Erinnerungen. Ich hatte einen Traum gehabt, in dem ­Lucien vorgekommen war. Das war alles, mehr wusste ich nicht mehr. Die Ereignisse kreisten in Bruchstücken durch mein Gehirn, aber ich konnte nichts davon greifen. Was konnte Lucien in einem Traum gesagt oder getan haben, dass es mein Implantat angegriffen hatte?

  Bist du in Ordnung? Die EyeLinks funktionierten noch. Das Implantat konnte also nicht vollkommen zerstört sein.

  »Ja«, sagte ich. Meine Stimme klang heiser. Ich nahm das Glas vom Waschbecken und füllte es mit Wasser. Dann trank ich einen Schluck. »Was ist mit dem Implantat?«

  Die Diagnose läuft noch. Wahrscheinlich muss es ersetzt ­werden.

  »Also soll ich morgen ans Festland kommen?«

  Nein.

  Nein? Was sollte das heißen?

  Bleib wach, wir melden uns wieder bei dir.

  »Wach bleiben, alles klar.« Es war mitten in der Nacht, ich war verletzt und todmüde. Wie stellten sie sich das vor?

  Der einzige Weg, nicht wieder einzuschlafen, war frische Luft. Also zog ich mir etwas über und ging in die Küche, um einen Beutel Eis zu holen. Fest drückte ich ihn an meine Schläfe und seufzte, als der Schmerz langsam schockgef
rostet wurde.

  Im Hotel war es still. Ohne jemandem zu begegnen, ging ich auf die Dachterrasse und ließ mich in der hintersten Ecke auf einen Liegestuhl fallen. Vom Meer wehte frischer Wind zu mir, die Wellen rollten weit unten an den Strand. Es war ruhig, beinahe friedlich.

  Allerdings blieb es das nicht lange.

  »Wie stellst du dir das vor?« Eine verärgerte Stimme drang an mein Ohr. Ich lehnte mich nach vorne. Jye stand an der Treppe und sprach mit jemandem, den ich nicht sehen konnte. Warum kam er nachts aufs Dach, um zu streiten?

  »Keine Ahnung, aber so jedenfalls nicht!« Das war Tatius, wenn mich nicht alles täuschte. Als ich mich noch weiter vorbeugte, fiel ich fast von meiner Liege.

  »Wir können nicht einfach nach vorne preschen und irgendwelche Selbstmordmissionen planen!«, rief Jye. »Da mache ich nicht mit.«

  »Dann lass es eben. Aber dann akzep-«

  »Vergiss es, das werde ich nicht!«, unterbrach ihn Jye. »Du willst auf eigene Faust etwas unternehmen? Bitte. Aber meinen Segen bekommst du dafür sicher nicht.«

  »Alles klar. Dann weiß ich ja, wen ich in Zukunft nicht mehr frage. Dumm von mir, zu glauben, du wärst auf meiner Seite.« Tatius’ Stimme klang wütend und enttäuscht. Ich hörte trampelnde Schritte auf der Treppe nach unten und eine schlagende Tür. Beleidigte Leberwurst 2.0. Er hätte mit Knox einen Club aufmachen können.

  Ich wollte mich wieder in den Schatten verkrümeln, aber Jye lief bereits in meine Richtung. Als er mich sah, stockte er kurz. Dann kam er zu mir.

  »Entschuldige«, sagte ich. »Ich wollte nicht lauschen.«

  »Wir waren ja nicht zu überhören.« Er setzte sich auf die nächste Liege und deutete auf meinen Kopf. »Hast du Schmerzen?«

  »Es geht schon«, winkte ich ab. »Was war das eben?«

  »Ach, nichts. Es scheint der Abend für Streit zu sein.«

  »Du hast wohl mit Knox gesprochen.« Finster sah ich auf den Eisbeutel in meiner Hand.

  »Nein. Aber ich kenne ihn und ich kenne dich. Und nachdem ich gesehen habe, dass er viel zu früh und allein von eurem Date zurückkam … ich bin ganz gut im Kombinieren, Phee.«

  Ich hob nur die Schultern. »Warum hast du mit Tatius gestritten?« Fremder Zoff war mir lieber als mein eigener.

  Jye seufzte. »Tate ist es leid, herumzusitzen und für Costard und Troy den Laufburschen zu spielen. Er will selbst gegen den König vorgehen. Ich habe ihm gesagt, dass das ein Himmelfahrtskommando ist. Aber er will nicht auf mich hören.«

  »Und das besprecht ihr mitten in der Nacht? Warum …« Der Satz lief ins Nichts. »Oh.« Ich hatte zwar bemerkt, dass die beiden sehr vertraut miteinander umgingen. Ich wusste auch, dass Jye nicht auf Jungs oder Mädchen festgelegt war. Trotzdem hatte ich die Zeichen nicht verstanden. »Tut mir leid. Ich bin wirklich die mieseste Freundin der Welt.«

  »Ach was.« Jye schüttelte den Kopf. »Wir hängen es nicht an die große Glocke. Und du hast andere Dinge zu tun, als dich für zwischenmenschliches Bla zu interessieren.«

  »Du meinst, abgesehen von meinem eigenen zwischenmenschlichen Bla?«

  »Das hast du gesagt.«

  Ich lächelte und wir schwiegen einen Moment.

  »Jye, du solltest ihn davon abhalten, etwas auf eigene Faust zu unternehmen«, sagte ich dann. »Er würde es nie bis zum König schaffen.«

  »Du hast es geschafft.«

  Ich schüttelte den Kopf. »Das war etwas anderes. Ich habe nur eine Gelegenheit genutzt, nachdem die OmnI …« Ich brach ab. »Es war etwas anderes.«

  Jye tat mir den Gefallen, nicht nachzufragen. »Tate war in diesem Sommer einmal kurz davor, bei dem Empfang in der Villa Mare. Wahrscheinlich weißt du von dem Attentat, das dort schiefgegangen ist.«

  Mir wurde kalt. Es lag nicht an dem Eisbeutel in meiner Hand.

  »Ja, ich habe davon gehört.«

  »Tatius war derjenige, der den Abzug gedrückt hat. Aber im letzten Moment ist jemand auf Leopold zugehechtet und hat ihn zu Boden gerissen. Tate hat nicht gesehen, wer es war, dafür war es zu dunkel. Aber wahrscheinlich ist derjenige danach Schakal des Jahres geworden.«

  Nicht ganz, dachte ich.

  »Jedenfalls«, Jye seufzte wieder, »macht er sich seitdem Vorwürfe und will unbedingt etwas unternehmen. Ich habe ihm gesagt, er kann froh sein, dass er das überlebt hat und ins Wasser gesprungen ist, bevor die das Boot in die Luft gejagt haben. Aber er will davon nichts hören. Er ist geradezu besessen von der Vorstellung, den König zu töten.«

  »Wie alle hier.« Ich suchte eine Stelle an meinem Eisbeutel, die noch kalt war.

  »Nein, ich nicht.« Jye sah mich an. »Ich will zwar das Ende der Abkehr, und der Tod des Königs ist dafür ein notwendiger Schritt. Aber es ist nichts, was mich glücklich macht. Einem Menschen das Leben zu nehmen, ist und bleibt furchtbar.«

  Mein Herz wurde leichter, als ich ihn das sagen hörte. Die Worte erinnerten mich an meine eigenen Gedanken, als ich nach Maraisville gekommen war. Bald danach hatte ich erkannt, dass ReVerse falsch lag. Ob ich Jye dazu bringen konnte, das auch zu tun? Ich beschloss, es ganz vorsichtig zu testen.

  »Hast du mal darüber nachgedacht, ob die OmnI uns alle nur benutzt, um ihre eigenen Ziele zu erreichen?« Ich schaute über das Geländer hinweg in die Dunkelheit. »Wir sind so versessen darauf, sie in Betrieb zu nehmen – aber niemand weiß, was dann passiert.«

  »Was meinst du damit?«

  »Wer weiß schon, was sie dann tut. Ob sie uns überhaupt noch braucht. Ob sie uns am Leben lässt.«

  »Wieso sagst du das?« Ich spürte Jyes Blick auf mir. »Du machst mir Angst, Phee.«

  »Sie ist es, die dir Angst machen sollte.« Ich sah ihn an. »Du hast keine Ahnung, wozu sie in der Lage ist.«

  »Du hast doch mit ihr gesprochen, oder? Was hat sie gesagt?«

  »Sie hat gesagt, dass sie keinen Grund hat, der Menschheit zu schaden.«

  »Und du glaubst ihr nicht?«

  »Zuerst schon. Aber dann kamen mir Zweifel. Sie ist uns so haushoch überlegen, dass wir nicht einmal merken würden, wenn sie uns verarscht. Wie können wir so einem Ding vertrauen?« Meine EyeLinks waren stumm. Ob sie doch Schaden genommen hatten? Mich hätte doch längst jemand unterbrechen müssen.

  »Okay, du vertraust ihr nicht. Aber trotzdem bist du hier.« Jye zog seine Beine auf die Liege. »Du bist hier und hilfst dabei, sie ins Spiel zu bringen. Warum?«

  Das war eine gute Frage, auf die ich keine Antwort hatte – zumindest keine, die mich nicht verriet. Also musste ich lügen. Ich seufzte.

  »Ich vertraue ihr nicht, aber ich vertraue euch. Dir und Knox, vielleicht sogar Elodie.« Ich grinste leicht. »Außerdem will ich das Ende der Abkehr. Und das kriegen wir vielleicht auch, ohne dass die OmnI an die Macht kommt.«

  Jye nickte langsam, und ich glaubte, dass meine Worte ihren Zweck erreicht hatten: Er dachte nach, vertraute mir aber weiterhin – obwohl ich ihm gerade gesagt hatte, dass ich das oberste Ziel von ReVerse infrage stellte. Das war gut. Wenn ich Jye überzeugen konnte, dann vielleicht auch Knox.

  »Worum ging es bei eurem Streit?«, fragte Jye plötzlich. Wenn man vom Teufel sprach.

  »Um das, worum es immer geht.« Ich strich über das Polster unter meinen Füßen. »Verletzte Gefühle.«

  »Hast du seine verletzt oder er deine?«

  »Ein bisschen von beidem, schätze ich.«

  »Du willst nicht darüber reden, oder?«

  »Nein, will ich nicht.«

  »Kann ich verstehen. Manchmal bringt Reden einen auch nicht weiter.« Jye stand auf und gähnte. »Ich gehe ins Bett. Soll ich Milady zu ihren Gemächern geleiten?«

  Ich grinste. »Nein, danke, Mylord. Ich verweile noch ein bisschen.«

  Er wünschte mir eine gute Nacht und ging zur Treppe. Aber dann drehte er sich noch einmal um.

  »Es ist schön, dass du da bist, Phee, wirklich da. Seit du zurück bist, hast du so etwas Dunkles an dir. Ich hatte Angst, du wärst darunter versc
hüttet worden.«

  Ich lächelte schief. »Keine Sorge. So schnell gehe ich nicht verloren.«

  »Gut zu wissen.« Jye erwiderte das Lächeln. »Schlaf gut, Phee.«

  »Du auch.«

  Als er verschwunden war, räusperte ich mich.

  »Wollt ihr mir heute noch etwas mitteilen?«, fragte ich meine unsichtbaren Beobachter. Niemand antwortete. Ich beschloss, das als Nein zu werten, schnappte mir eine dünne Decke und wickelte mich auf meiner Liege ein. Sie würden mich schon ­wecken, wenn es etwas Neues gab.

  Sie meldeten sich erst, als es bereits hell wurde. Das Vibrieren meiner EarLinks holte mich aus einem tiefen Schlaf ohne Träume.

  Ich fühlte mich fast schon erholt. Sogar der Schmerz an meiner Schläfe war nicht mehr so schlimm.

  Wir haben entschieden, wie es weitergeht.

  Damit war ich wach. Nach dem Gespräch mit Jye hatte ich nicht mehr darüber nachgedacht, was jetzt kommen würde. Das Nein auf die Frage nach einem neuen Implantat schoss mir in den Kopf.

  »Ich bin ganz Ohr.«

  Daraufhin hörte ich Phoenix über die EarLinks.

  »Wir werden dir jemanden zur Unterstützung auf die Insel ­schicken.«

  »Zur Unterstützung?«, wiederholte ich. »Auf die Insel?«

  »Ja, richtig.« Ich konnte förmlich hören, wie Phoenix mit den Augen rollte. »Die technische Infrastruktur ist offensichtlich mit deinem Gehirn überfordert, also müssen wir sie ab und zu ausschalten, damit Links und Implantat nicht überlasten. Allerdings geht das nur, wenn dich in dieser Zeit jemand im Auge behält.«

  »Wer denn? Sie sagten doch, Troy kennt alle Agenten und Anwärter.«

  »Gut aufgepasst, Miss Neunmalklug. Aber glücklicherweise haben wir ja dich. Du wirst dafür sorgen, dass Rankin und die anderen den Neu­ankömmling akzeptieren.«

  »Fantastische Idee!«, platzte es aus mir heraus. Schnell sah ich mich um, aber hier oben war niemand. »Falls Sie es nicht mitbekommen haben«, zischte ich leiser, »Troy ist nicht gerade mein bester Kumpel.«

  Phoenix schnaubte. »Das ist mir egal. Du wirst das regeln oder wir müssen unseren Deal noch mal überdenken.«

 

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