Der Himmel wird beben

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Der Himmel wird beben Page 15

by Kiefer, Lena


  »Verstanden«, sagte ich. »Wollen Sie mir denn wenigstens sagen, wen Sie schicken? Oder soll das eine Überraschung werden?«

  »Es ist Bayarri«, sagte Phoenix.

  »Emile?« Ausgerechnet ihn würden sie herschicken, obwohl er vermutlich der Letzte war, der mit mir zusammenarbeiten wollte? Schließlich hatte ich ihn den Schakalen zum Fraß vorgeworfen. Es war zwar keine Absicht gewesen, dass er ins Kreuzfeuer geraten war, aber er würde sich kaum freuen, mich zu sehen.

  »Du erinnerst dich an ihn, wie schön.« Phoenix’ Sarkasmus war umwerfend. »Wir werden alles vorbereiten und ihn dann zu dir ­schicken. Er wird etwa um die Mittagszeit auf der Festlandseite eintreffen. Sorg dafür, dass seine Ankunft reibungslos verläuft.«

  Ich antwortete nicht, denn ich wusste, dass Widerspruch sinnlos war. Ein Blick auf die Zeitanzeige in meinen EyeLinks sagte mir, dass ich mich lieber beeilen sollte. Mir blieben nur etwa vier Stunden, um mir eine Strategie zu überlegen, wie ich Emile als Überläufer verkaufen konnte, und eine Erklärung, wie er von der Existenz der Basis auf dieser Insel erfahren haben könnte.

  Schwerfällig kämpfte ich mich von der Liege und dehnte meine steifen Glieder. Dann ging ich zur Treppe. Ich brauchte dringend eine Dusche.

  Und Inspiration.

  15

  »Meine Güte, was ist denn heute mit dir los?« Elodie sah mich genervt an. Ich stand in der Nähe des Terminals, das die Kamerabilder vom UnderTrans-Zugang auf der Festlandseite zeigte. Dummerweise versuchte Elodie am Tisch davor einen Impulsgenerator einzustellen – und war gerade zum vierten Mal gegen mich gestoßen.

  »Ich habe mies geschlafen«, rechtfertigte ich mich und prüfte, ob meine Haare die gerötete Stelle an meiner Schläfe verdeckten. Ich hatte eigentlich die Pläne für den Diebstahl des Generators durchgehen wollen. Aber in Wahrheit starrte ich seit zwei Stunden auf die gleiche Schemazeichnung und sah nicht einen Strich davon. Zum Glück ging Knox mir aus dem Weg und Jye war bisher nicht aufgetaucht. Die hätten längst bemerkt, dass etwas im Busch war.

  »Ach ja?« Elodie sah mich an. »Wegen Knox? Ich habe gesehen, dass ihr getrennt vom Strand zurückgekommen seid.«

  »Gut beobachtet, Watson«, sagte ich kühl. Elodie war die Letzte, mit der ich meine Beziehungsprobleme besprechen wollte. Wobei man für Beziehungsprobleme erst einmal eine Beziehung brauchte – und ob Knox und ich die hatten, fragte ich mich mittlerweile immer öfter.

  »Hey, wer ist das denn?«

  Für eine Sekunde hatte ich das Terminal aus den Augen gelassen. Jetzt wirbelte ich herum und erkannte eine Person mit dunklen Locken und schlanker, trainierter Statur. Emile. Jetzt galt es.

  »Nein, das kann nicht sein«, hauchte ich, als wäre ich vollkommen überrascht.

  »Du kennst den Typen?« Elodie runzelte die Stirn.

  »Ja, aus Maraisville, wir waren zusammen in der Ausbildung. Er war der Einzige, bei dem ich das Gefühl hatte, er wäre eigentlich besser beim Widerstand aufgehoben.« Lügen konnte ich immer noch wie eine Eins, trotz durchgebranntem Implantat und wenig Schlaf.

  »Er ist einer von denen? Von den Schakalen? Was will der denn hier?« Elodie machte große Augen. »Ich muss den anderen Bescheid geben.«

  »Okay, tu das. Ich fahre in der Zwischenzeit rüber und sammle ihn ein.«

  »Was? Nein! Bist du wahnsinnig? Wir wissen doch gar nicht, was er hier macht. Vielleicht ist er ein Spion!«

  »Ein Spion, der freiwillig bei uns auf der Matte steht und winkt?« Emile grüßte tatsächlich in Richtung der Kamera. Dann trat er einige Schritte zurück und wippte auf den Fußballen, wie er es immer machte, wenn er angespannt war. Ein Hauch Wärme stahl sich in mein Herz. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so freuen würde, jemanden aus Maraisville zu sehen.

  Aber Elodie ließ sich trotzdem nicht erweichen. Also standen bald fünf Leute um das Terminal herum und beobachteten Emile, der sich vor dem Tor zur UnderTrans-Station herumtrieb und immer wieder einen Blick über die Schulter warf.

  Wie lange soll das noch dauern?, fragte Maraisville.

  »Wir können ihn nicht ewig da warten lassen«, sagte ich. »Die Umgebung ist einsehbar und er ist nicht gerade unauffällig gekleidet.« Emile trug ähnliche Sachen wie ich bei meiner Ankunft. Ob man sie auch mit der Zwei-Wochen-in-der-Wildnis-Kur versehen hatte, konnte ich nicht erkennen.

  »Was, wenn die ihm gefolgt sind?« Tatius sah misstrauisch zu, wie Emile auf und ab wanderte.

  Jye nickte. »Ja, oder wenn er sogar von denen geschickt wurde?« Offenbar hatte er sich mit Tatius wieder vertragen. Schön für sie. Blöd für meinen Plan.

  Knox musterte mich. Sein Blick verriet nicht, was er über den gestrigen Abend dachte. »Was weißt du über ihn, Phee?«

  »Eine Menge. Was willst du wissen?«

  »Alles, was uns sagen kann, wieso er hier ist.«

  Ich sah auf das Terminal. »Emile ist nur aus Rebellion zu den Schakalen gegangen, weil er seine Familie provozieren wollte. Ich hatte immer den Eindruck, eigentlich gehört er dort nicht hin. Vielleicht hat er das auch eingesehen und will sich uns anschließen?«

  »Warum sollte er?«

  Ich seufzte und beschloss, es mit der Wahrheit zu versuchen. Troy kannte sie eh schon, also war es kein Risiko. »Ich habe ihn ans Messer geliefert. Kurz bevor ich abhauen konnte, brauchte ich einen Sündenbock, um nicht aufzufliegen. Eigentlich wollte ich Troy die Falle stellen, weil ich nicht wusste, dass er einer von uns ist. Aber stattdessen hat es Emile getroffen.«

  »Also ist er nicht gut auf den König und seine Leute zu sprechen«, sagte Knox.

  »Davon gehe ich aus.«

  »Aber er ist sicher auch nicht gut auf Ophelia zu sprechen.« Elodie verengte die Augen.

  »Solange ich nicht mit ihm spreche, kann ich das nicht herausfinden.« Ich sah Knox bittend an. »Lass mich wenigstens zum Festland fahren und mit ihm reden. Wir gehen doch kein Risiko ein, wenn ich das tue.«

  »Du meinst, ihm zu verraten, dass wir hier sind, ist kein ­Risiko?«

  »Wenn er dort steht, weiß er das offensichtlich schon. Oder glaubst du, er hält das einfach für einen hübschen Platz, um sich zu sonnen?«

  Knox überlegte, dann nickte er. »Okay. Phee, fahr rüber und hol ihn ab. Wir werden schon herausfinden, woher er von dieser Basis weiß. Aber fessele ihn, bevor ihr losfahrt.«

  »Alles klar.« Erleichtert lächelte ich Knox an, aber es kam nur ein schwaches Echo zurück. Wir würden miteinander reden müssen, das stand fest. Aber erst einmal war Emile wichtiger.

  Meine Hände wurden feucht, als ich den UnderTrans auf der Festlandseite verließ und das Tor öffnete. Ich hatte mir auf dem Weg Worte zurechtgelegt, sie verworfen, mir neue überlegt und es schließlich aufgegeben. Emile und ich waren zwei Agenten auf feindlichem Terrain. Wir würden auch ohne ausgefeilte Entschuldigung miteinander auskommen müssen.

  »Emile!« Ich blinzelte in die Sonne und winkte ihm zu.

  »Ophelia!« Er kam auf mich zu, mit federndem Gang und dem üblichen Schwung. Als er mich ohne Zögern umarmte, fiel eine Last von mir ab. Offenbar war er mir nicht mehr böse.

  »Was tust du denn hier?«, fragte ich mit gespielter Überraschung. Die Kameras vor dem Tor zeichneten auch den Ton auf, worauf ich Emile mit einer unauffälligen Geste hinwies.

  »Ich wollte nur weg dort.« Er zuckte mit den Schultern. »Nachdem die mich freigelassen hatten, wollten sie mich wieder ins Programm aufnehmen, aber wie soll ich für jemanden arbeiten, dem ich nicht vertrauen kann? Ich habe einen Cousin, der gehört schon lange zu so einer Ortsgruppe in Nizza, deren Mitglieder die Methoden des Königs infrage stellen. Also habe ich mich beim nächsten Übungseinsatz aus dem Staub gemacht, ein paar der Kontakte angezapft, um herauszufinden, wo ich diese Leute finden kann – und tada! Hier bin ich. Habt ihr ­zufällig noch Platz für einen gefallenen Schakal?« Seine braunen Augen leuchteten fröhlich und er grinste.

  Ich erwiderte es. Emile brachte die Coverstory, die ich an Maraisville übermittelt hatte, wirklich �
�berzeugend rüber.

  »Bestimmt. Allerdings wollen die anderen erst herausfinden, ob du harmlos bist, also …« Ich hielt die Fesseln aus Kunststoff hoch.

  »Verstehe ich.« Emile streckte mir die Hände entgegen und wartete, dass ich die Sicherung zuzog. Dann folgte er mir ins Innere. Auch im UnderTrans auf dem Weg zur Insel wurden wir weiter überwacht. Trotzdem musste ich es loswerden.

  »Es tut mir so leid, was passiert ist«, platzte es aus mir heraus. »Ich wollte nie, dass es dich trifft. Dass du an dem Abend dort aufgetaucht bist, war ein totaler Schock für mich. Ich wollte mich stellen, damit sie dich freilassen, aber …« Aber dann hatte Lucien mir gesagt, dass er mich liebte. Und ich hatte mich für ihn entschieden und gegen Emile.

  Der sah mich nun offen an. »Das ist okay, Ophelia, wirklich. Ich habe deinen Blick gesehen, als sie mich festgenommen haben. Da war mir klar, dass dein Plan ein anderer gewesen sein musste. Nur schade, dass Gaia am Ende doch kein Date mit mir wollte, aber darüber komme ich hinweg.« Er lächelte.

  »Danke. Du hast etwas gut bei mir.«

  »Wenn du etwas anderes als synthetisches Hühnchen für mich zu essen hast, sind wir quitt.«

  Ich lachte. »Das sollte sich machen lassen. Sobald die anderen überzeugt sind, dass du in Ordnung bist, steht dir die Küche mit sämtlichen Vorratsschränken offen.«

  Der Empfang fiel so frostig aus wie erwartet. Knox und Tatius waren zutiefst misstrauisch und löcherten Emile mit Fragen. Jye gab den stillen Beobachter und sah mich dabei immer wieder fragend an, als wolle er sich absichern. Elodie hingegen war die Überraschung des Tages: Nachdem sie Emile eingehend gemustert hatte, schlug sie sich auf seine Seite. Offenbar hatte man es einfacher bei ihr, wenn sie auf einen stand. Dumm, dass ich nicht ihr Typ war.

  Es war jedoch nicht ihr Verdienst, dass man bald entschied, Emile von den Fesseln zu befreien. Dafür sorgte mein ehemaliger Mitanwärter ganz allein. Er lieferte die perfekte Mischung aus authentischen Emotionen und rationaler Abgeklärtheit, aus Leidenschaft für die Sache und Abneigung gegen Leopold. Seine Vorstellung war brillant – und ich tief beeindruckt. Emile war in Duforts Unterricht nie negativ aufgefallen, aber so talentiert hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, dann wäre er auch bei mir als Überläufer durchgegangen.

  Tatius blieb zwar skeptisch, aber Jye und Knox schienen überzeugt und Elodie sowieso. Sie war es auch, die Emile die Fesseln abnahm und ihn mitschleppte, um ihm sein Zimmer zu zeigen – sicher eines, das größer war als meins. Als sie weg waren, wäre ich gern erschöpft in mich zusammengesunken.

  »Ihr kennt euch gut, oder?« Knox stand neben mir.

  Ich sah auf. »Emile und ich? Ja. Wenn man gemeinsam durch die Ausbildung geht, schweißt das zusammen.«

  »Trotzdem kommt sein Lagerwechsel etwas plötzlich, oder nicht? Er war immerhin ein Schakal.«

  Etwas in Knox’ Tonfall ließ mich aufhorchen.

  »Du denkst, er und ich …?« Knox glaubte wohl, Emile sei der Schakal, mit dem ich zusammen gewesen war. »Absolut nicht. Ich habe doch gesagt, es war keiner von den Anwärtern. Emile und ich sind Freunde.«

  »Okay.« Knox nickte, aber ich hätte nicht sagen können, was er dachte. Dieser Zustand war wirklich ätzend. Doch kaum holte ich Luft, kam er mir zuvor. »Wir sehen uns später«, murmelte er und ging.

  Am Abend ging Emiles Befragung in die zweite Runde. Der innere Kreis saß zusammen beim Essen auf der Terrasse, wir speisten synthetisches Steak und Gemüse. Es war ein milder Abend, die Sonne hatte den ganzen Tag geschienen und die Bodenplatten erwärmt. Ich zog die Schuhe aus und stellte die Füße auf die Steine. Bald kam der Herbst, dann war es damit vorbei. Ob ich dann noch hier sein würde?

  »Emile, was machen eigentlich deine Eltern?«, fragte Knox, nachdem er fertig war. Schlagartig wurde es still am Tisch.

  Emile legte das Besteck hin. »Sie sind große Fans des Königs«, sagte er offen.

  »Was soll das heißen?« Tatius wurde unruhig. Ich wollte schon eingreifen, aber Emile bewies, dass es gar nicht nötig war.

  »Meine Mutter hat die Aufspürtechnik mitentwickelt und meine Großmutter war Ressortchefin für Umweltfragen in der letzten Regierung«, erwiderte er souverän.

  »Also wurdest du zum Leopold-Jünger erzogen«, stellte Knox fest.

  »Wenn du das so nennen möchtest.« Emile hob die Schultern und ließ sie nicht gleich wieder fallen. »Rebellion stand bei uns zu Hause nicht auf dem Stundenplan, das stimmt. Aber genau deswegen habe ich angefangen, kritisch zu hinterfragen, was meine Familie einfach hinnimmt.«

  »Und trotzdem wolltest du ein Schakal werden?«

  »Meine Güte, könnt ihr nicht damit aufhören?« Elodie rollte mit den Augen. »Ich denke, wir haben alles darüber gehört, was wir wissen müssen.«

  »Ist schon okay.« Emile lächelte sie an, und ich fragte mich, ob er sie wohl wirklich mochte oder ob das nur Teil der Tarnung war. »Ich wollte mal etwas anderes sehen als die Gitter unseres goldenen Käfigs. Erst habe ich es mit einer Ausbildung zum Bediensteten versucht, um meine Eltern zu ärgern. Die Schakale erschienen mir dann allerdings die bessere Wahl. Außerdem klang es nach Spaß.«

  »Warum dann jetzt der Ausstieg?«, fragte Knox weiter.

  »Weil es nicht hilft, wenn man das eine Gitter gegen einen anderes eintauscht.« Emile sah ihn ernst an. »Und ganz ehrlich, wir werden immer im Käfig sitzen, solange die Abkehr existiert. Ich habe das erkannt. Deswegen bin ich hier. « Er lächelte mich an und hob sein Glas. »Auf den Widerstand! Auf ReVerse!«

  Spätestens jetzt hatte er jeden am Tisch davon überzeugt, ein Feind des Königs zu sein. Das hatte er schneller geschafft als ich – und ich war schon vorher Teil des Widerstands gewesen. Offenbar hatte ich Emile unterschätzt.

  Nach dem Essen hingen wir alle noch ein bisschen am Pool ab, lachten und überboten einander mit den besten Geschichten von unserer Ausbildung. Mir fehlte nach der letzten Nacht aber immer noch Schlaf und ich wurde bald müde. Deswegen verabschiedete ich mich früh und ging in Richtung Zimmer.

  »Ophelia!« Emile lief mir nach und hielt mich im Flur auf.

  »Was denn, du lässt deinen größten Fan allein?« Ich grinste. Elodie war ihm seit seiner Ankunft nicht von der Seite ge­wichen.

  »Das muss ich wohl.« Emile sah sich um, dann deutete er an meine Schläfe. »Ich habe den Auftrag, mich darum zu kümmern. Außerdem sollten wir dringend reden.«

  Ich nickte. »Dann gehen wir runter zum Strand. Dort sollte um diese Uhrzeit niemand sein. Ich behaupte einfach, ich zeige dir die Gegend.«

  Wir beeilten uns und waren bald auf dem gewundenen Weg nach unten, der an den Pinien vorbei in Richtung Wasser führte. Ich steuerte direkt die Bungalows an. Davor gab es einen Platz, an dem man sofort sah, wenn sich jemand näherte. Außerdem waren die Häuschen beleuchtet und von hier trug der Schall nicht bis nach oben zum Hotel.

  »Das war eine beeindruckende Vorstellung.« Ich lächelte und lehnte mich an einen Stoß Strandliegen. »Du bist wahnsinnig gut. Offensichtlich hast du bei Dufort immer tiefgestapelt.«

  Emile hob eine Schulter und machte ein ernstes Gesicht. »Es ist ein wichtiger Auftrag für mich. Wenn ich das hier gut mache, dann berufen sie mich in den aktiven Dienst.«

  »Verstehe.« An dem Punkt war auch ich gewesen, nachdem ich dem König das Leben gerettet hatte. Es kam mir vor, als wäre es Jahre her.

  »Ich habe ein Reparaturkit für das Implantat dabei.« Emile zog ein schmales Etui aus der Tasche seiner Shorts. Elodie hatte ihn nicht nur mit einem Zimmer, sondern auch mit normalen Klamotten versorgt. »Sie haben mir gesagt, dass du kein neues brauchst, wenn das alte repariert werden kann. Ich muss dafür nur einen Reparatur-Modus starten.« Er hielt ein kleines Gerät hoch. »Darf ich …?«

  »Klar.« Ich strich meine Haare zur Seite. Emile sah sich die Stelle genauer an, dann platzierte er das Tool auf der Haut. Ich spürte Wärme.

  »Es dauert einen Moment, bis die Nano-Zellen repariert sind. Aber dann
sollte es wieder funktionieren. Wie ist das überhaupt passiert?«

  »Das weiß ich nicht genau.« Ich verzog das Gesicht. »Ich hatte letzte Nacht einen Traum, in dem jemand vorkam, der mir nicht aus dem Kopf geht. Offenbar wurde das Implantat davon überlastet.«

  »Worum ging es in dem Traum?«, fragte Emile.

  »Keine Ahnung.« Ich hatte viel gegrübelt, aber die Tür zu meinen Erinnerungen blieb versperrt. »Alles ist verschwommen, ich kann nichts davon richtig greifen. Aber es muss gereicht haben, um das Implantat zu grillen. Das Ding hat furchtbar gebrannt, und als ich aufgewacht bin, sah die Haut so aus wie jetzt.«

  »Aber dabei ging es nicht um Knox, oder?« Emile sah mich aufmerksam an. »Es muss krass für dich sein, dass er wieder da ist.«

  »Nein, mit Knox hatte es nichts zu tun.«

  »Also mit Lucien?«

  Ruckartig sah ich hoch. Das Reparatur-Tool verrutschte. »Woher …?«

  »Logik.« Emile rückte das Tool wieder an seinen Platz. »An dem Abend, als die Schakale mich festgenommen haben, standest du mit ihm auf dem Turm. Außerdem warst du ständig abends weg – und es gibt nicht viele Möglichkeiten, wie du in der Nacht des Attentats in Leopolds Räume gekommen sein kannst.«

  Ich seufzte und nickte dann. »Schuldig. Aber das war alles nicht echt.«

  »Nicht echt?« Emile sah mich verwundert an. »Wie meinst du das?«

  »Ach, das ist eine lange Geschichte. Fakt ist, die Schakale haben mich nur benutzt und ich bin voll darauf reingefallen. Das macht mich wohl zur schlechtesten Agentin der Welt.«

  »Nein, nicht ganz.« Emile lächelte traurig.

  »Warum? Was …?«

  »Ich muss dir etwas sagen.« Seine Augen zuckten, und ich erkannte, dass er Instruktionen aus Maraisville las. »Nein«, sagte er streng und es galt nicht mir. »Das ist meine Entscheidung. Gut, dann erzählt es Phoenix, ist mir scheißegal! Ich habe kein InstantClear im Kopf.«

  »Emile, was …?«

  »Halt still.«

  Er beugte sich vor, griff nach dem Tool an meiner Schläfe, schien etwas zu programmieren und wartete. Als er so nah neben mir stand, stieg mir etwas in die Nase, das mir vertraut vorkam. Aber die Frage danach blieb mir im Hals stecken. Denn im nächsten Moment passierte etwas Unglaubliches.

 

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