Der Himmel wird beben

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Der Himmel wird beben Page 24

by Kiefer, Lena


  »Allerdings.« Lucien drückte einige Schaltflächen auf dem Steuerungsdisplay. »Bereit? Dann lass uns ein Monster aufspüren.«

  Wir starteten und flogen los, immer in Richtung der Markierung auf der Karte. Im FlightJack war es deutlich wackeliger als in einer FlightUnit: Man spürte jede Windböe und jedes Luftloch. Mehrfach hielt ich den Atem an, weil wir absackten.

  »Diese Klapperkiste scheint sich jetzt schon in die Hose zu machen.« Lucien biss die Zähne aufeinander und fixierte die Höhenanzeige. Der FlightJack flog seit dem Start automatisch, aber er verlor durch den starken Wind immer wieder den Fokus und musste die Richtung anpassen.

  »Völlig umsonst, wie es scheint.« Seit einer halben Stunde ­fixierte ich den Horizont, aber außer Wasser war nichts zu sehen. »Wo ist diese verdammte Insel?« Die Karte zeigte, dass wir in der Nähe waren. Aber das tat sie schon die ganze Zeit.

  »Dort.« Lucien zeigte nach draußen. Ich folgte seinem Blick.

  »Heilige Scheiße«, entfuhr es mir, als ich das Ungetüm am Horizont sah.

  »Das hätte ich nicht schöner sagen können.«

  Amber Island war weit davon entfernt, eine Insel zu sein. Sie war eher eine Art Flugzeugträger, ein achteckiges Ungetüm aus dunkelgrauem Stahl, mit Geschütztürmen und unzähligen Luken, hinter denen sicher kein Partyfeuerwerk wartete. Den Namen hatte sie eigentlich als Abkürzung von Autonomic Marine Base with Enhanced Resistance bekommen. Allerdings hieß es auch, das legendäre Bernsteinzimmer hätte Pate bei der Namensgebung gestanden.

  Die Geschütze an der Oberfläche blieben stumm, solange wir in sicherer Entfernung blieben. Zwanzig Minuten flogen wir der Insel nach, ohne dass etwas passierte. Allerdings konnten wir ihr nicht ewig aufs offene Meer folgen.

  »Es wird ernst.« Lucien schaltete die automatische Flugkontrolle aus und ließ das Eingabepad auf manuelle Steuerung wechseln. Dann verringerte er den Abstand. Sein Blick war hochkonzentriert.

  Plötzlich ertönte eine synthetische Stimme im FlightJack: »Warnung: Sperrgebiet. Bei Nichtverlassen des Bereichs werden Gegenmaßnahmen eingeleitet.«

  Amber Islands Systeme hatten uns eine erste Warnung geschickt.

  »Klingt, als würde sie es ernst meinen.« Ich schluckte.

  »Ich bin sicher, das tut sie.« Lucien hielt trotzdem weiter ­darauf zu.

  Nur eine Minute später beschloss die gute Amber, ihrer Warnung Taten folgen zu lassen. Wir waren noch etwa dreihundert Meter entfernt, aber ich sah trotzdem, wie sich einer der Geschütztürme auf der Oberfläche in unsere Richtung drehte. Angst kroch in mir hoch, ich krallte mich in meinen Gurt und betete stumm zu irgendjemandem, der mich vielleicht hörte. Wenn wir das überleben, werde ich nie wieder irgendetwas Dummes tun, schoss es mir durch den Kopf. Als ob, antwortete meine innere Stimme boshaft.

  Amber Island schickte eine einzelne Rakete in unsere Richtung. Ich sah den Schweif des Antriebs und das schnell näher kommende Geschoss.

  »Wir sind viel zu weit weg!« Wenn wir jetzt abstürzten, schafften wir es nie bis zur Insel. Das bedeutete, wir würden im offenen Meer runterkommen und dort nach Öffnung des ProtectRooms auf jeden Fall ertrinken. Fantastisch. »Können wir sie irgendwie ablenken?«

  »Nur, indem wir ausweichen. Der FlightJack hat keine Täuschkörper.« Lucien bediente das Steuerungspult mit fliegenden Fingern und nahm dann meine Hand. »Wenn ich Jetzt sage, drückst du hier drauf, okay?« Er zeigte mir eine tiefschwarze Schaltfläche.

  »Okay.« Lucien hatte einen todernsten Gesichtsausdruck, aber in seinen Augen leuchtete es, als würde ihm das Ganze doch Spaß machen. Ich würde ihn später fragen müssen, wie oft er schon in solchen Situationen gewesen war. Sofern es ein später überhaupt noch geben würde.

  Die Rakete kam näher, schlingerte leicht im Wind. Ihr Ziel hatte sie trotzdem fest im Visier – uns. Luciens Hände schwebten reglos über dem Steuerungspanel. Sein Blick fixierte das Geschoss, als wollte er es mit bloßer Gedankenkraft von uns ­ablenken. Hitze stieg in mir hoch.

  »Sollten wir nicht langsam –«

  »Jetzt!«

  Meine Hand hämmerte auf die Schaltfläche, gleichzeitig vollführten Luciens Finger einige Verrenkungen auf dem Panel. Der FlightJack reagierte sofort: Wir sackten steil ab, dann drehten wir uns auf die Seite. Ich wurde in meinen Sitz gepresst, der Gurt schnitt schmerzhaft in meine Schultern. Der Jack drehte sich einmal um sich selbst, flog ein Stück über Kopf, stieg dann wieder und rotierte um die eigene Achse. Kaum waren wir wieder in gerader Position, löste Lucien seinen Gurt.

  »Komm, wir müssen nach hinten!«

  Ich sah, dass wir nun sehr nahe an der Insel waren, hundert Meter entfernt, vielleicht etwas mehr. Mit fliegenden Fingern hantierte ich an meinem Gurt, dann folgte ich Lucien. Er zog mich zum ProtectRoom, schnappte sich meinen Helm und stülpte ihn geschickt über meinen Kopf. Dann nahm er seinen eigenen und legte ihn an.

  »Wir können uns nicht bewegen, sobald es angefangen hat. Das Ganze dauert nicht mehr als ein oder zwei Minuten, aber es fühlt sich an wie Stunden. Du musst ruhig atmen. Versuch, entspannt zu bleiben.«

  Ich nickte und folgte ihm in die enge Kammer. Lucien lächelte mir zu, dann zog er die Luke zu und es wurde stockfinster. Ich wollte etwas sagen – wie ich mich ihm gegenüber fühlte, seit ich wusste, dass er mich nie angelogen hatte – aber dann dachte ich an die Überwachung. Beinahe hätte ich frus­triert gegen die Wand geschlagen. Stattdessen griff ich stumm nach Luciens Hand und hielt sie fest. Er erwiderte den Druck.

  »Keine Panik«, sagte er sanft. »Wir werden nicht in dieser Blechbüchse sterben.«

  Zu einer Antwort kam ich nicht mehr.

  Ein Knall peitschte durch meinen Körper, so laut, dass ich fast taub wurde: Der FlightJack war mit voller Wucht getroffen worden. Es mussten mehrere Geschosse sein, die Schläge erschütterten jeden meiner Knochen, Panik schoss durch meine Adern. Ich spürte etwas an meinen Armen, an meinem Rücken, am Helm, etwas Kaltes, Weiches, das schnell erstarrte. Sekunden später konnte ich mich kaum noch bewegen. Meine Hand umklammerte trotzdem die von Lucien, seine Finger drückten meine so fest, dass es wehtat. Ein weiterer Schlag, der durch den Boden bis in meinen Schädel jagte. Ich hielt die Luft an, als etwas unser Gefängnis freigab.

  Dann fielen wir.

  24

  Lucien hatte gelogen: Es fühlte sich nicht an wie Stunden. Es fühlte sich an wie Tage.

  Ich hatte keine Ahnung, wie schnell wir fielen und ob wir uns dabei drehten, denn bewegen konnte ich mich nicht. Die uns umgebende Dunkelheit war massiv in jeder Hinsicht und hatte Luciens und meine Finger aneinandergeschweißt. Ich sagte nichts, ich wusste, dass die Kommunikation der Anzüge nicht aktiv war. Aber ich wusste, Lucien war da, in meiner Nähe. Der Puls in seiner Hand war alles, was mich noch bei Verstand hielt.

  Mein Atem ging trotzdem schnell, und ich spürte, wie immer weniger Sauerstoff in meinen Lungen ankam. Bitte, flehte ich stumm. Bitte mach, dass es vorbei ist.

  Und dann war es vorbei. Mit einem Aufprall, der den eigentlichen Abschuss wie ein Teekränzchen erscheinen ließ, kamen wir auf, überschlugen uns mehrmals, bis unser Gefängnis zur Ruhe kam. Ich wartete darauf, dass der Schaum verschwand und die Luke aufging, aber nichts passierte. Was, wenn der Mecha­nis­mus kaputt war? Was, wenn wir qualvoll erstickten? Ich spürte Luciens Puls nicht mehr, seine Finger waren kalt, genau wie meine eigenen. Todesangst schüttelte meinen eingesperrten Körper. Meine Atemzüge wurden schneller, ich merkte, dass ich hyperventilierte. Ich bekam keine Luft, keuchte, Übelkeit und Schwindel breiteten sich in mir aus. Die Schwärze um mich herum wurde durch eine andere abgelöst, eine ­innere, alles verschlingende Dunkelheit. Etwas griff nach meinem Bewusstsein und zog es nach unten, immer tiefer. Bis auf den Grund.

  »Ophelia!« Jemand rüttelte an meinem Arm. »Wach auf!«

  Schwerfällig öffnete ich die Lider und sah einen grauen Himmel – und blaugraue Augen hinter dem Visier eines Helms. Alles schwankte.

  »Wieso sind wir nicht …?« Benommen richt
ete ich mich auf. Unter mir war fester Grund: fleckige, vom Salzwasser stumpfe Stahlplatten, so weit das Auge reichte. Überall lagen Trümmer des FlightJacks verteilt, der geöffnete ProtectRoom lag unter einem der Geschütztürme. Wir waren auf Amber Island gelandet. Das war nicht der Plan gewesen.

  »Abstürzen ist keine exakte Wissenschaft«, sagte Lucien nur. Seine Stimme klang in meinem Helm eigenartig klar. »Bist du in Ordnung?«

  »Ja, ich denke schon.« Schnell checkte ich meine Knochen durch. Vieles tat weh, aber nichts davon schlimm. »Was ist mit dir?«

  »Alles okay. Wir müssen –«

  Ein Geräusch unterbrach ihn. Es war das Sirren eines Motors, der etwas in Position brachte. Gehetzt sahen wir uns um, dann nach oben zum Geschützturm, der ohne Warnung zu feuern begann. Ich sprang auf die Füße und wurde von dem schwankenden Deck fast wieder zu Fall gebracht.

  »Was jetzt?!«, keuchte ich.

  »Ins Wasser!«, rief Lucien. Er packte meine Hand und riss mich mit sich. Wir rannten los, rannten um unser Leben, hin zur Kante der Plattform. Partikelladungen pulverisierten Trümmerteile um uns herum, eine erwischte mich fast am Bein, wir duckten uns, rannten weiter. Projektile zischten hinter uns her, die meisten verfehlten uns. Aber nicht alle. Neben mir ging Lucien mit einem Ächzen halb in die Knie.

  »Verdammt!«, fluchte er.

  »Hat sie dich erwischt? Wo?« Ich bremste ab. Wir waren noch zwanzig Meter von der Kante entfernt.

  »Nein, nicht anhalten!«, presste er hervor und lief weiter. Eine neue Salve hämmerte neben uns auf den Stahl. »Der Anzug macht das schon.«

  Ich bezweifelte, dass es die ganze Wahrheit war. Kugelsicher war vielleicht kugelsicher, aber ich konnte mir denken, dass es trotzdem höllisch wehtat.

  Eine Sekunde später wusste ich, wie weh.

  Das Geschoss traf mich irgendwo am Arm, über dem Ellenbogen, mit voller Wucht. Der Schmerz explodierte in den Rest meines Körpers, zog mich zu Boden, mir blieb die Luft weg. Trotzdem kämpfte ich mich hoch und lief weiter.

  »Du musst atmen!«, hörte ich Lucien rufen. Er hatte den Treffer deutlich besser weggesteckt als ich. Oder doch nicht? Plötzlich spürte ich etwas Kaltes im Rücken: Der Anzug hatte erkannt, dass ich Hilfe brauchte. Was immer es war, es wirkte schnell, der Schmerz wurde leiser, dumpfer. Meine Beine trugen mich weiter, als wüssten sie, dass es um Leben und Tod ging.

  Dann endlich stoppten wir an der Kante. Oder eher, zum Glück. Mit einem Sprung nach unten hätten wir uns direkt umgebracht.

  Amber Island war nicht nur riesig im Durchmesser, sondern auch hoch. Vor uns ging es dreißig Meter steil nach unten, bis endlich das Wasser kam. Das blubberte und sprudelte in weißen Strudeln um den Rumpf – offensichtlich tauchte die Insel ab. Konnten wir warten, bis wir auf einer Höhe mit den Wellen waren? Noch während ich das dachte, trieb uns eine zweite Salve Partikelladungen an den äußersten Rand. Das heißt wohl Nein.

  Ich sah mich um.

  »Da vorne!« Etwas unter uns war eine Ausbuchtung zu erkennen, von einer Luke oder einem Schott. Davor war ein halber Meter Platz, außer Reichweite der Geschütze.

  Lucien ließ sich zuerst an der Kante herab, hielt sich nur mit den Armen fest und suchte dann einen sicheren Stand. Ich folgte ihm. Die Platten der Insel waren mit Nieten verschraubt, aber die waren rund und vom Wasser glatt, außerdem wehte der Sturm immer noch heftig. Wir mussten nur zwei Meter weit klettern, aber es reichte, um meine Arme in Gummi zu verwandeln. Als ich in der Ausbuchtung ankam, stieß ich die Luft aus.

  »Selbstmordmission, eindeutig.« Ich kauerte mich hin und sah hinunter auf die grauen Wassermassen. Bei dem Gedanken, dort einzutauchen, drehte sich mein leerer Magen um.

  Lucien schnaubte. »Ich würde gern sagen, dass ich schon schlimmere erlebt habe. Aber das hier kommt auf jeden Fall unter die Top 5.«

  »Ist deine Schulter okay?«

  Er nickte. »Dein Arm?«

  »Geht schon. Der Anzug hat es geregelt.«

  Amber Island sank schnell und die Wasseroberfläche kam näher und näher. Luciens Gesicht war verbissen und konzen­triert, wir sprachen nicht. Es dauerte ein paar Minuten, dann gab er mir das Zeichen, mich bereit zu machen.

  »Die Öffnung des Tanks ist genau unter dem Turm«, sagte er. »Halte dich so aufrecht und angespannt wie möglich, wenn du eintauchst. Wehr dich nicht gegen die Strömung. Wenn alles glattläuft, landen wir automatisch im Tank.«

  Ich nickte. Die Wasseroberfläche näherte sich, nur noch fünfzehn Meter, dann zehn. Ich spannte mich an.

  »Und los!« Er sprang zuerst.

  Ich machte einen Schritt nach vorne, blieb stehen. Zittrig presste ich meine Arme an den Körper, machte mich steif, zog die Schultern hoch. Dann sprang ich Lucien hinterher.

  Es war schneller vorbei als gedacht. Wie ein Pfeil tauchte ich ins Wasser, durchschlug die unruhige Oberfläche. Darunter war es schwarz. Es wurde kalt, dann wieder wärmer, als hätte jemand die Heizung eingeschaltet. Ich holte Luft und merkte, dass ich normal atmen konnte. Wer immer diese Anzüge ent­wickelt hatte, verdiente ein Denkmal.

  Plötzlich zog etwas an mir, erst leicht, dann stärker, schließlich mit aller Gewalt. Das Wasser zerrte an meinem Körper, schleuderte ihn herum wie eine Puppe. Wehr dich nicht gegen die Strömung. Leichter gesagt als getan. Mit Mühe überkreuzte ich meine Arme vor der Brust und hielt still.

  Der Sog nahm mich mit in die Tiefe, immer weiter in die Dunkelheit. Ich konnte nichts erkennen. Wo war Lucien? In meinem Display wurde eine Position angezeigt, aber da ich nicht wusste, wo ich war, half mir das kein bisschen.

  »Luc?«

  Klonk. Die Wand kam aus dem Nichts. Ich knallte mit der Schulter dagegen und fing mich zu spät ab. Meine rechte Seite schlug auf Metall, der Anzug verhinderte das Schlimmste. Mit den Händen tastete ich nach dem, was vor mir war. Es war massiv – keine Öffnung, kein Einstieg. Und was nun? Nach oben kam ich nicht mehr. Tief holte ich Luft. Jetzt bloß nicht wieder ohnmächtig werden.

  »Wo bist du?«, hörte ich Lucien in meinem Ohr.

  »Ich hänge irgendwo an der verfluchten Insel«, antwortete ich. Das half nicht weiter, aber die Frage war auch ein bisschen dämlich gewesen.

  »Stoß dich ab.«

  »Was?«

  »Stoß dich ab«, befahl er erneut. »Du bist zu weit oben. Stoß dich ab, der Rest regelt sich dann hoffentlich von selbst.«

  Ich tat, was er sagte: So heftig ich konnte, drückte ich mich von der Stahlwand ab, trieb wieder im Wasser, es zog mich mit. So ruhig wie möglich ließ ich das geschehen, sank tiefer, dann sah ich etwas vor mir. Ein Licht an der Wand, daneben eine Person. Der Sog war heftiger als beim ersten Mal, aber diesmal war ich vorbereitet. Trotzdem schlug ich wenig elegant neben ­Lucien auf das Gitter.

  Moment. Gitter?

  »Was ist das?«, fragte ich.

  »Etwas, von dem wir nichts wussten.« Lucien stemmte sich gegen die Strömung. »Wir müssen es aufschweißen. Komm, hilf mir.« Der Druck des Wassers ließ langsam nach, Amber Island musste sich jetzt komplett unterhalb der Oberfläche befinden. »Wir haben nicht viel Zeit, bis sich das Ventil verschließt.«

  »Okay.« Ich hob den Arm und rief das Menü für die Werkzeuge auf.

  Es dauerte einen Moment, den Laser aus dem Ärmel in Betrieb zu bringen, aber dann machten wir uns an die Arbeit. Das Gitter war massiv und das Schweißen kostete Energie – ich sah die Werte auf dem Display sinken. Hoffentlich fehlte sie uns am Ende nicht.

  Es dauerte vielleicht fünf Minuten, dann waren wir durch. Unspektakulär löste sich das Gitter und wurde mit dem Wasser nach innen gesogen. Ich zwängte mich durch die Öffnung, Lucien kam hinterher. Nur wenige Augenblicke später glitt das Außenschott des Ventils zu und rastete mit einem endgültigen Schnalzen ein.

  »Wir sind drin«, bemerkte ich überflüssigerweise.

  »Dann auf zu einer Schleuse.« Lucien wollte losschwimmen, aber dann hielt er inne. »Es gibt übrigens Licht an diesem Anzug, wusstest du das?« Ich hört
e das Grinsen in seiner Stimme.

  »Ach, echt?«, murrte ich. »Das muss der Typ, der ihn mir erklärt hat, wohl vergessen haben.« Ich fand die Steuerung für das Licht an meinem Helm und sah nun viel deutlicher die graue Suppe, in der ich schwamm.

  Der Tank war so gewaltig wie eine der Produktionshallen in Maraisville. Wir durchquerten ihn schweigend, zwei kleine Fische in einem sehr großen Aquarium. Dieser Teil war geplant, deswegen beruhigte sich mein Puls ein bisschen. Irgendetwas musste ja mal glattlaufen.

  Pustekuchen.

  Die Schleuse war dort, wo wir sie vermuteten. Das war die gute Nachricht. Die schlechte war, dass es auf dieser Seite keinen Mechanismus gab, um sie zu öffnen. Keine Klinke, kein Hebel, kein Tastenfeld oder etwas, das ich hätte hacken können.

  »Was nützt eine Schleuse, wenn man sie nicht benutzen kann?«, schimpfte ich.

  »Die Wartungsroboter brauchen das nicht.« Lucien seufzte. »Sicherlich öffnet die Insel die Tür, wenn einer von denen hier rein muss.«

  Ich überlegte kurz. »Wir haben doch Sprengkapseln dabei, oder?«

  »Ein paar, ja. Du denkst …?«

  »Die Wand zu sprengen ist unmöglich.« Ich zeigte auf die Schleuse. »Aber hier könnte es gehen.«

  »Allerdings läuft das Wasser dann ins Innere.«

  »Nicht, wenn wir nur diese Seite sprengen. Dann schickt die gute Amber von innen eine Reparatureinheit und schon sind wir drin.«

  Lucien schnalzte anerkennend mit der Zunge. »Es scheint, als hätte dein Kopf unser kleines Abenteuer gut überstanden.«

  »Bis jetzt.« Ich griff an meinen Arm und nahm die kleinen Sprengstoffkapseln, die dort verstaut waren. »Wie viele davon brauchen wir?«

  Er besah sich den Durchgang. »Sechs, schätze ich.«

  »Wie viele haben wir?«

  »Das Doppelte.«

  »Glaubst du, wir brauchen sie noch für etwas anderes?«

  »Ich glaube, die Frage erübrigt sich, wenn wir hier nicht weiter­kommen.«

  Damit war es entschieden. Ich befestigte den Sprengstoff an den Nahtstellen der Schleuse und aktivierte ihn. Wir schwammen ein ganzes Stück weit weg, dann zündete ich mit einem Befehl alles auf einmal. Die Druckwelle trieb uns in die andere Richtung, aber wir waren schnell zurück. Als wir an der Öffnung ankamen, war der Zwischenraum der Schleuse bereits mit Wasser geflutet.

 

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