Der Himmel wird beben

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Der Himmel wird beben Page 25

by Kiefer, Lena


  Wir platzierten uns auf beiden Seiten der Öffnung und warteten.

  »Hoffen wir, dass Amber das Problem für wichtig genug hält.« Ich wollte endlich aus dem Wasser raus. In Brighton war ich gerne und viel geschwommen, aber trotzdem war mir fester Boden unter den Füßen lieber. Ich sah Lucien durch das trübe Grau hindurch an. »Danke übrigens. Du hast mir mal wieder das Leben gerettet.«

  »Nein, habe ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe dich nur geweckt.«

  »Ich hab im ProtectRoom die Nerven verloren. Ohne deine Hilfe –«

  »Vergiss es«, unterbrach er mich nicht unfreundlich. »Jeder dreht beim ersten Mal in einem solchen Ding durch.«

  »Beim ersten Mal?« Meine Augen weiteten sich. »Das wievielte Mal war es denn für dich?«

  »Ich habe irgendwann aufgehört, zu zählen.« Er hob die Schultern. Es war im Wasser eine eigenartig träge Geste. »Zwanzigmal? Dreißig? Ich musste es so oft machen, bis ich absolut keine Panik mehr bekommen habe.«

  »Ist das Teil des Trainings der Schakale?« Vielleicht hätte ich froh sein sollen, dass ich vor dem Ende ausgestiegen war. Immer wieder eingesperrt zu werden, bis man nicht mehr vor Angst das Bewusstsein verlor, war meine persönliche Vorstellung von Hölle.

  »Zwei oder drei Versuche bestimmt. Der Rest war wohl eher Phoenix’ persönlicher Sadismus.« Lucien schnaubte. »Aber es beruhigt mich, dass selbst deine Furchtlosigkeit Grenzen hat.«

  »Was lässt dich glauben, ich sei furchtlos?« Ich sah ihn überrascht an.

  »Mich persönlich? Nichts.« Er musterte mich mit einem unde­fi­nier­baren Blick. »Aber vielleicht bist du ja so, wie die anderen alle denken – und nicht so, wie ich dich kenne.«

  Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Ich habe dich nur angelogen, was ReVerse anging. Alles andere war die Wahrheit.«

  »Vielleicht, ja.« Luciens Gesicht verschloss sich. Ich wollte etwas sagen, es irgendwie bereinigen. Aber Amber Island machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ein Summen ertönte und die Tür zwischen uns und dem Gang glitt auf. Im nächsten Moment wurde ich aus der Schleuse gespült.

  Es war wie auf einer Wildwasserbahn, nur weniger spaßig. Meine Schultern schlugen gegen die Wand, als die Wassermassen in den schmalen Gang brachen und mich mitrissen. Ein paarmal überschlug ich mich, dann landete ich unsanft auf meinem Hintern. Ein Blick nach hinten sagte mir, dass die Schleusentür wieder geschlossen war.

  Lucien war schneller auf die Beine gekommen als ich. Er kam zu mir und hielt mir die Hand hin. Ich war nicht zu stolz, seine Hilfe anzunehmen.

  »Danke. Ich mache hier wohl keine besonders großartige Figur.«

  »Du schlägst dich gut«, widersprach er.

  »Lange nicht so gut wie du.«

  »Nach über sechs Jahren wäre das auch peinlich, oder?« Er hob eine Augenbraue.

  Sechs Jahre, dachte ich. Sechs Jahre macht er das schon – und hasst es. Aber ich sagte nichts. Wir hatten eine Abmachung. Daran wollte ich mich halten.

  Wir gingen den Gang entlang, auf die nächste Tür zu, wateten durch das knietiefe Wasser. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, was Schakale alles können mussten. Klar, ich war selbst in der Ausbildung gewesen und hatte Sprachen gelernt, den Umgang mit Waffen, das Sichern eines Areals und Hunderte Dinge mehr. Aber dass sie wirklich jede Eventualität, jedes Terrain und jeden Ernstfall meistern mussten, das merkte ich erst heute.

  Die Eingeweide von Amber Island sahen genauso aus wie ihre Außenseite: Wände, Boden und Decke waren aus Stahl, mit dicken Nähten verschweißt, damit sie den stärksten Kräften trotzen konnten. Es knarzte und ächzte im Metall, als würden Geister zum Gefecht rufen. Ich schauderte. Mein Anzug zeigte eine Temperatur von zehn Grad, aber daran lag es nicht. Es war einfach unheimlich hier.

  Bald erreichten wir das Ende des Ganges. Das Wasser schwappte gegen ein verschlossenes Schott. Was dahinter war, wussten wir nicht. Es gab kein Fenster, durch das man hindurchsehen konnte – diese Gänge waren nicht für Menschen gemacht.

  »Sprengen ist diesmal wohl keine Option«, stellte ich fest. Die Stahltür war viel zu massiv.

  »Nein.« Lucien tastete die Wand daneben ab, aber es gab kein Zugangspanel. »Vielleicht –«

  Plötzlich glitt das Schott nach oben auf.

  »Wie hast du das gemacht?« Ich suchte nach Sensoren am Rahmen, aber das Display in meinem Helm zeigte keine elektronischen Signaturen an.

  »Keine Ahnung.« Lucien war ratlos. »Aber wir sollten das Geschenk einfach annehmen.« Er warf einen prüfenden Blick durch das Schott, ob auf der anderen Seite irgendwelche Fallen warteten. Dann stieg er hindurch.

  Als ich ihm folgte, flog mir fast etwas an den Kopf. Erschrocken duckte ich mich und sah hinterher. Es war ein kleines Objekt, kaum größer als meine Handfläche, mit winzigen Aggre­ga­ten an den Seiten. Eilig sauste es an der Wand entlang und blieb dann in der Luft stehen, bevor es systematisch an den Verbindungselementen entlangflog. Offenbar scannte es den Gang auf Beschädigungen.

  »Das ist ein Scouter.« Ich hatte so etwas schon früher gesehen, in meinem Leben vor der Abkehr. Es waren kleine Drohnen, die für alle möglichen Aufgaben eingesetzt wurden. »Vielleicht kann er uns helfen.«

  »Was hast du vor?«, fragte Lucien.

  Ich drehte mich zu ihm um.

  »Hast du schon mal eine Drohne gefangen?«

  »Du fragst mich, ob … wieso?«

  Unter anderen Umständen hätte ich über seinen Gesichtsausdruck gelacht, aber jetzt war mir nicht danach zumute.

  »Viele dieser Scouter sammeln eigenständig Daten«, erklärte ich. Als ich jünger gewesen war, hatte ich so etwas selbst kons­truiert. Meine Scouter hatten allerdings vor allem Süßigkeiten geortet, die meinem Bruder gehörten. Der Gedanke an Eneas versetzte mir einen Heimweh-Stich.

  »Ja, ich weiß. Und?«

  »Wenn dieser hier das auch tut, muss er selbst dafür sorgen, dass er überall hinkommt.«

  Ich sah es in Luciens Kopf arbeiten. »Du willst mit dem Scouter die Türen öffnen?«

  »Genau«, sagte ich zufrieden. Seit wir auf dieser Mission waren, fühlte ich mich neben Lucien wie ein Yak in der Wüste. Ich war vielleicht gut darin, in Rollen zu schlüpfen oder Menschen zu manipulieren, aber in einem FlightJack abgeschossen zu werden oder durch den Atlantik zu tauchen, das war nicht mein Ding. Endlich gab es wieder etwas, wovon ich Ahnung hatte: Technologie. »Wenn wir den Scouter einfangen können, müsste er uns Zugang zu allen Bereichen verschaffen, die er normalerweise scannt.«

  »Okay.« Lucien schien einverstanden zu sein.

  »Kein Einwand?«, wiederholte ich seine Worte von vorhin.

  »Nein. Ich vertraue dir.« Er nickte. Normalerweise hätte er in einem solchen Moment einen Scherz gemacht, aber jetzt bekam ich nicht mehr als dieses Nicken. Es erinnerte mich daran, wie er damals aufgebrochen war, um Ferro eine Falle zu stellen. Er war vorher bei mir vorbeigekommen, um sich zu verabschieden – und als er aus der Tür gegangen war, hatte er genau diesen Gesichtsausdruck gehabt. Das war also Lucien de Marais im Agentenmodus. Mir gefiel der andere wesentlich besser.

  »Gut«, sagte ich und mein Hals wurde mir eng. »Dann auf zur Drohnenjagd.«

  25

  Auch hochentwickelte Spezialanzüge hatten ihre Grenzen: Ein Kescher war in der Ausrüstung nicht vorhanden. Doch das machte nichts. Der Scouter war zwar schnell, aber er wollte im Moment nicht vor uns flüchten. In aller Seelenruhe scannte er die Wand des Ganges, in dem das Wasser noch immer hin und her schwappte. Amber Island schien es abzupumpen, aber das dauerte seine Zeit.

  Ich näherte mich vorsichtig und ging dann an dem Scouter vorbei. Lucien blieb auf der anderen Seite, falls das Ding doch abhauen wollte. Langsam pirschte ich mich heran, streckte die Hand aus, bewegte sie nach oben. In dem Moment sauste der Scouter bis an die Decke und dann über mich hinweg zum nächsten Schott.

  »Verdammt!« Ich fluchte und stürzte ihm nach. Wobei waten es eher traf. Im Wasser war ich lang
sam wie eine Schnecke und meine Stiefel wogen eine Tonne. Schnell zog ich die Füße aus der trüben Brühe, aber der Scouter war viel fixer. Lucien war noch hinter mir, er konnte nicht helfen. Also kam es auf mich an.

  Ich machte einen weiteren Schritt, dann stieß ich mich ab, hechtete auf den Scouter zu, griff nach ihm, packte zu, drehte mich – und landete rücklings im Wasser. Den einen Arm riss ich hoch, damit meine Beute keinen Schaden nahm. Mit dem anderen stützte ich mich ab, um nicht unterzugehen.

  »Ha!«, machte ich triumphierend.

  Als Antwort hörte ich ein komisches Geräusch und konnte es erst nicht identifizieren. Aber dann wurde mir klar, dass jemand lachte. Lucien lachte.

  »Sehr witzig«, fauchte ich, aber dann wurde mir klar, wie das ausgesehen hatte. Erst das hektische Waten, dann der Hechtsprung und nun lag ich auf dem Rücken, bis zum Hals im Wasser, die Drohne wie eine Trophäe in meiner Hand. Trotz der völlig absurden und ziemlich gefährlichen Situation packte mich ein ausgewachsener Lachanfall.

  »Du bist gelaufen wie ein Storch … und dann dieser Sprung …« Lucien lachte immer noch. Dann hielt er mir wieder einmal die Hand hin. »Ich hoffe, der Anzug hat das aufgezeichnet.«

  »Ich bin für meine Stunts bekannt, schon vergessen?« Mit seiner Hilfe kam ich auf die Füße. »Nach Tod im Urwald und Tod im Luxushotel ist Tod auf der schwimmenden Tresorinsel nur der nächste logische Schritt.«

  »Absolut«, pflichtete er mir bei. Ich sah durch das Visier seines Helms seine amüsierten Augen. Der Anblick war so vertraut, dass mein Herz ein bisschen leichter wurde. Aber dann unterbrach Lucien den Blick und eine Maske aus Härte legte sich über sein Gesicht. »Wir sollten gehen.«

  Ich packte die Drohne fester. »Ja, sollten wir.«

  Mein Plan ging auf: Das kleine Fluggerät in meiner Hand öffnete das Schott und danach einige weitere. So schafften wir es näher ans Zentrum von Amber Island, ohne aufgehalten zu werden.

  Die Optik blieb die gleiche, Stahlwände, Stahlböden, Stahlschotts. Ich wusste nur, dass wir uns der Mitte der Insel näherten, weil die Anzeige in meinem Display die relative Position anzeigte. Der Anzug erstellte eine Karte von allen Orten, an denen wir schon gewesen waren, aber im Rest der Insel war er so blind wie wir. Als der Ring, durch den wir liefen, enger wurde, blieb Lucien stehen.

  »Nach unten«, murmelte er.

  »Hm?« Ich drehte mich um.

  »Wir müssen nach unten. Der Lagerbereich ist wie ein Kern im Inneren von Amber Island.«

  »Woher weißt du das?«, fragte ich verwundert.

  »Wie Dufort gesagt hat – die Insel wurde nach Vorgaben meines Vaters gebaut. Er wollte sie als ultrageheime Produktionsanlage und nicht als schwimmende Abkehr-Resterampe, aber das Prinzip ist gleich geblieben. Leopold hat zwar keinen Zugang zum System bekommen, trotzdem besitzt er die alten Pläne. Phoenix weiß allerdings nichts davon, dass ich sie kenne. Wir dürften sie gar nicht haben und er war immer gegen dieses Projekt.«

  »Deswegen hast du nichts gesagt?« Also war es so, wie ich vermutet hatte. »Aber warum hast du mich nicht eingeweiht, als die Links abgeschaltet waren?«

  »Ich wollte erst einen Blick hineinwerfen, bevor ich dir Hoffnungen mache. Oder mir.« Er atmete ein. »Außerdem hilft es nicht viel. Nur, weil wir wissen, wo die Lagereinheiten sind, kommen wir noch lange nicht dran. Die Zugänge kenne ich nicht.«

  »Na, immerhin wissen wir, wo wir suchen müssen.« Ich hielt den Scouter hoch. »Und vielleicht kann unser kleiner Freund ja auch dabei helfen.«

  Er konnte es nicht. Wir arbeiteten uns mit seiner Hilfe zwar bis zu einem Zugangspunkt vor, aber das Schott zum Lagerbereich blieb verschlossen. Offenbar war diese Art Drohne hier nicht autorisiert.

  »Ideen?«, fragte Lucien. Wir standen in einem Vorraum, der vom Ring des Wartungstunnels abgetrennt war.

  »Könnten wir die Tür sprengen?«

  Er warf einen prüfenden Blick auf den Zugang.

  »Wir könnten«, sagte er. »Aber siehst du die Schiene mit den Leitungen an der Wand?« Ich nickte. »Wenn wir sie beschädigen, könnte das einen Alarm bei allen beteiligten Nationen auslösen.«

  Ich drehte den Scouter in der Hand. »Vielleicht kann ich mich bei ihm einklinken und seine Berechtigungen überschreiben.« Dufort hatte gesagt, ich könnte mit dem Anzug auf technische Systeme zugreifen.

  Er nickte. »Versuch es. Wenn es nicht klappt, überlegen wir uns etwas anderes.«

  Sich mit dem System der Drohne zu verbinden, war einfach. Die richtigen Untermenüs zu finden ebenfalls. Als ich mit wenigen Befehlen Zugang zu den Berechtigungen bekam, war ich erleichtert. Es war ein Kinderspiel, sie zu verändern – fast, als hätte man sich keine Mühe gegeben, es zu verhindern.

  »Ich habe es«, sagte ich und klinkte mich aus. »Jetzt müsste es gehen.«

  Vorsichtig bewegte ich die Drohne auf die Tür zu und wartete, dass sie aufglitt. Aber nichts passierte, zumindest nicht dort. Dafür öffnete sich das Schott, durch das wir reingekommen waren. Ein Brummen ertönte, dann rauschte eine weitere Drohne herein, fünfmal so groß wie die in meiner Hand. Wir wichen zurück.

  »Das ist kein Scouter.« Lucien klang alarmiert. Zu Recht.

  »Nein, das sieht aus wie ein Defenser.«

  »Tut er, was ich denke, dass er tut?«

  »Allerdings.«

  Die große Drohne drehte sich in dem schmalen Raum, dann glitt etwas aus ihrem Rumpf und legte auf uns an. Lucien riss mich zur Seite, der Partikelstrahl verfehlte uns und traf die Wand.

  »Raus hier!«

  Wir duckten uns unter der Drohne durch und rannten los.

  »Wohin?!«, fragte ich.

  »Erst mal weg!« Lucien nahm mir den Scouter ab und schob mich durch das Schott. Ich rannte vor ihm her, sah über die Schulter. Der Defenser war uns dicht auf den Fersen.

  Die Schotts öffneten sich schnell, schlossen sich jedoch nicht schnell genug wieder. So erkämpften wir uns zwar etwas Abstand, konnten aber nicht entkommen. Gehetzt rannten wir durch eine Tür nach der anderen, immer weiter, in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Im Laufen drehte sich Lucien um und schoss zurück. Aber unser Verfolger war zu wendig. Er wich einfach aus.

  »Wir können ihn nicht abschütteln!« Der Gang krümmte sich, wahrscheinlich führte er einmal um Amber Island herum. Wie sollten wir da entkommen?

  »Wir müssen eine Ebene höher!«, rief Lucien mir zu. Der Boden dröhnte unter unseren Schritten.

  »Ich sehe keine Treppen!« Der Defenser schoss wieder, diesmal auf Lucien. Ich sah es rechtzeitig und stieß ihn aus der Schusslinie.

  »Da sind Luken in der Decke!« Lucien zeigte nach oben.

  »Und wie willst du die aufmachen, wenn uns eine Killerdrohne verfolgt?«

  »Ganz einfach: Ich lenke das Ding ab und du öffnest eine davon.«

  »Das ist ein beschissener Plan!« Aber mir fiel kein besserer ein. Die Rennerei verbrauchte zu viel Energie. Wir mussten es versuchen.

  Die Luke war direkt über mir und öffnete sich, weil wir mit dem Scouter in die Nähe kamen. Wieder schoss der Defenser, erneut auf Lucien. Plötzlich kam mir eine Idee.

  »Luc, der Scouter!«, rief ich. Er hielt ihn immer noch in der Hand.

  »Was ist damit?«

  »Wirf ihn weg!«

  Er gehorchte und schleuderte den Scouter voraus in den Gang. Die kleine Drohne schaffte es nicht einmal bis auf den Boden – der Defenser pulverisierte sie vorher mit einem gezielten Partikelstoß zu Staub. Ich machte auf dem Absatz kehrt und wir rannten in die entgegengesetzte Richtung. Doch nun wurden wir nicht mehr verfolgt. Die Verteidigungseinheit verharrte kurz in der Luft, dann drehte sie ab und verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Lucien rannte ihr nach, um die Tür offen zu halten. Vergeblich. Das Schott knallte ihm direkt vor der Nase zu.

  »Verfluchte Scheiße!« Frustriert schlug er mit der Faust gegen die Wand.

  Ich stützte meine Hände auf die Oberschenkel und rang nach Luft. Für ein paar Minuten hatt
e ich geglaubt, dass diese Mission nicht so ausweglos war, wie wir gedacht hatten. Aber jetzt kroch die Angst wieder meinen Nacken hoch. Wir hatten nur noch für etwa fünf Stunden Energie und waren keinen Schritt weiter. Auch die Luke war längst wieder zu. Nur, weil ich eine Drohne als Türöffner benutzen konnte, hatte ich geglaubt, wir würden heil hier rauskommen. Wie bescheuert war ich eigentlich?

  »Was jetzt?«, fragte ich leise.

  Lucien schwieg. Er stand mit dem Rücken zu mir, die Arme an der Wand. Ich sah ihn atmen, einmal, zweimal, seine Schultern hoben und senkten sich. Dann stieß er sich ab und drehte sich zu mir um.

  »Wir besorgen uns diesen verdammten DataPod«, sagte er grimmig. »Oder gibst du etwa schon auf?«

  Seine Wut gab mir ein bisschen Mut zurück. »Um hier zu sterben? Auf keinen Fall.«

  Die Schotts auf beiden Seiten des kurzen Ganges waren zu massiv, also war die Luke in der Decke der einzige Ausweg. Uns blieb nichts anderes übrig, als sie zu sprengen – drei weitere Kapseln waren damit Geschichte.

  Lucien deutete auf die Öffnung, die zu einer schmalen Röhre führte.

  »Nach dir.«

  Es war eine langsame und schwierige Kletterpartie. Die Wartungsröhren hinter der Luke waren für Roboter gedacht und die Streben an der Wand eine dürftige Leiter. Wir brauchten eine halbe Stunde, bis wir auf einer Plattform herauskamen, von der eine Tür abging – natürlich verschlossen. Es war eine Sackgasse.

  »Großartig«, murmelte Lucien und lehnte sich an die Wand, um auszuruhen. Ich sah auf seine Vitalwerte im Display, aber sie waren im Toleranzbereich, genau wie meine. Wir waren nur erschöpft. »Vielleicht sollten wir einfach eines der Schotts mit dem restlichen Sprengstoff öffnen.«

  »Um dann vor der nächsten Tür zu stehen, die nicht aufgeht? Außerdem hast du gesagt, dass die Leitungen –« Ich brach ab. Die Leitungen. Auf dem Weg nach oben hatte ich keine gesehen, aber neben diesem Schott waren welche installiert.

 

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