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Der Himmel wird beben

Page 40

by Kiefer, Lena


  »Was ist?«, fragte ich.

  »Sie kommen her.«

  »Was meinst du damit?«

  »Mehr weiß ich nicht. Meine EarLinks schalteten sich ein, Imogen sagte: Bleibt, wo ihr seid. Wir kommen zu euch. Dann war sie wieder weg.«

  »Haben sie irgendetwas gesagt, seit wir losgefahren sind?« Ich hatte nichts gehört, aber Maraisville sprach häufiger nur mit Lucien.

  »Nein, gar nichts. Komm mit.«

  Lucien verließ den Raum und eilte den Gang entlang in Richtung Treppe. Im Laufen zog er den Stift von Costard aus der Tasche und drückte auf den Knopf.

  »Wir müssen unbedingt weg sein, bevor sie kommen«, sagte er. »Das ist unsere einzige Chance, ungehindert von hier zu verschwinden.«

  Ich blieb stehen. »Du willst jetzt abhauen? Wir wissen nicht, wo die OmnI ist! Was, wenn sie …?« Ich sprach es nicht aus. Wenn Costard die OmnI bereits in Betrieb gebracht hatte, dann war das eine Katastrophe, deren Ausmaß ich mir nicht vorstellen wollte.

  »Mir gefällt das auch nicht!« Lucien sah mich an. »Aber was sollen wir machen? Sobald das Team aus Maraisville hier landet, ist es vorbei. Willst du das?«

  »Vielleicht werden sie mich ja versch–«

  »Nein, werden sie nicht! Du hast deinen Teil der Abmachung nicht erfüllt, Stunt-Girl. Phoenix wird nicht warten oder dir eine weitere Gelegenheit geben. Und ich kann dich nicht vor diesem verfluchten Clearing beschützen, wenn das Gesetz es ihm erlaubt.« Sein Blick wurde flehend. »Es gibt nur diese eine Chance. Entweder jetzt oder nie.«

  »Okay«, sagte ich. »Dann nichts wie raus hier.«

  Wir rannten die Treppe hinauf, durch die Schleuse und nach draußen. Der Wind hatte wieder aufgefrischt und heulte über die Lichtung. Ich duckte mich, um den aufwirbelnden Blättern zu entgehen – bis ich merkte, dass es kein Wind war. Es war eine FlightUnit, die sich langsam zu Boden senkte und nur fünfzig Meter vor uns auf dem Gras landete. Am Rumpf sah ich eine Lilie mit zwei kreuzenden Pfeilen.

  Luciens Finger fassten nach meiner Hand und drückten sie so fest, dass ich beinahe aufgeschrien hätte. Aber auch er konnte nichts mehr tun.

  Sie waren da.

  Es war zu spät.

  39

  Die Laderampe der FlightUnit kam so quälend langsam herun­ter, dass ich kurz glaubte, wir hätten doch noch verschwinden können. Aber wir standen da wie angewurzelt, Hand in Hand, unfähig zu einer Bewegung.

  »Egal, was passiert, ich lasse dich nicht allein«, sagte Lucien. Ich drückte seine Finger als Antwort auf dieses Versprechen.

  Die Rampe berührte den Boden und im gleichen Moment stürmten zwei Dutzend Soldaten in dunkler Uniform heraus. Ich machte einen Schritt zurück und wappnete mich, aber sie beachteten uns gar nicht und liefen in Richtung des Tores. Die beiden Schakale, die ihnen folgten, grüßten Lucien mit einem Nicken, dann waren auch sie weg. Wir sahen uns an, dann stiegen wir die Rampe hinauf.

  Die FlightUnit war leer – bis auf zwei Personen, die im hinteren Teil auf uns warteten. Caspar Dufort trug einen starren Gesichtsausdruck zur Schau, der mir nichts über seine Gedanken verriet. Imogen Lawson hingegen stand mit dem Rücken zu uns und drehte sich nicht um, bis wir bei ihr waren. In dem Moment, als sie es tat und wir ihr Gesicht sahen, keuchte ­Lucien auf.

  »Nein.« Es war nicht mehr als ein Flüstern, aber es fuhr mir durch jeden Nerv meines Körpers. In der nächsten Sekunde sank Lucien lautlos neben mir auf die Knie, die Hand auf den Mund gepresst, die Augen voll ungläubigem Entsetzen. Und während ich noch versuchte zu begreifen, sah ich Imogens Gesicht, das von Trauer überflutet war. Es war der Ausdruck eines Menschen, der jemanden verloren hatte, den er liebte. Und da wusste auch ich es. Mit plötzlicher Gewissheit wurde mir klar: Leopold war tot. Der König lebte nicht mehr.

  Neben mir wurde Lucien von stummem Schmerz geschüttelt. Ich konnte nichts sagen, also hockte ich mich hin, schlang meine Arme um ihn und er klammerte sich an mich, während jedes Zittern, jedes Schluchzen von seinem Körper in meinen überging. Sein Schmerz war meiner, seine Trauer meine und ich hätte alles davon ohne Zögern für ihn getragen. Nur konnte ich es nicht. Ich konnte nur da sein, bei ihm, während er sich unter der Flut seines Kummers auflöste.

  Aber nicht einmal in diesem Moment dachte Lucien nur an sich. Nur kurz gab er sich seinem Schmerz hin, dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er stand auf und ging zu Imogen, umarmte sie und hielt sie fest. Ich sah, wie sie die Augen schloss und weinte – um den Vater ihres Sohnes und die Liebe ihres Lebens. Blind vor Tränen stand ich auf und ging beiseite. Dufort drückte mich sanft auf einen Sitz.

  »Wie ist es … was …?« Meine Stimme versagte. Es zerriss mir das Herz, hilflos mit anzusehen, wie Lucien und Imogen versuchten, sich gegenseitig Halt zu geben, während sich beide im freien Fall befanden.

  »Auf dem Flug zu dem Treffen mit den Vertretern Groß­asiens.« Duforts Stimme war leise und brüchig. »Wir wissen noch nicht genau, wie es passiert ist … aber es gab keine Überlebenden.«

  Ich nickte und wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Also weinte ich, aber nicht nur wegen Lucien, sondern vor allem um seinen Bruder. Leo­pold war ein unglaublicher Mann gewesen, ein großartiger Herrscher und ein noch besserer Mensch. Vor einigen Monaten war sein Tod mein höchstes Ziel gewesen, mein sehnlichster Wunsch. Jetzt wusste ich, es war die größte Katastrophe, die unserer Welt passieren konnte.

  Wir blieben an Ort und Stelle, eine halbe Stunde, vielleicht länger. Die Soldaten kamen zurück und erstatteten Bericht über die Toten in dem Gebäude. Dann zogen sie sich wieder zurück in die Dunkelheit. Dufort holte mir eine Flasche Wasser und einen SubDerm-Injektor mit einem Beruhigungsmittel. Ich lehnte es ab. Ich wollte einen klaren Kopf behalten.

  Irgendwann lösten sich Imogen und Lucien voneinander, er küsste sie auf die Stirn und sie kamen zu uns. Schweigend saßen wir zu viert auf den starren Sitzen der FlightUnit und Lucien schob seine Hand in meine. Ich legte meine andere darüber und hielt sie fest.

  »Was ist passiert?«, fragte er in Duforts Richtung. Seiner Stimme hörte man die vielen Tränen an. Ich strich ihm über den Arm, immer wieder, als könnte es irgendetwas besser machen.

  »Leo­pold war über der neutralen schwarzen Zone zwischen Europa und Großasien, als jemand auf die Flight­Unit gefeuert hat. Wir haben noch keine genauen Informationen, aber es hat niemand überlebt.«

  »Bist du sicher?« Hoffnung stahl sich in das Blaugrau von Luciens Augen. »Vielleicht sind sie abgesprungen, vielleicht –«

  Dufort schüttelte den Kopf. »Die Biosignaturen waren sofort weg. Ein Team ist natürlich vor Ort und untersucht alles, aber bei einem solchen Absturz ist es unmöglich, dass er noch …« Er brach ab.

  Lucien sank in sich zusammen und sein Blick wurde wieder von Tränen verschleiert.

  »Wie konnte das passieren?«

  »Keine Ahnung. Es galt die höchste Sicherheitsstufe, die Flugroute war geheim und wurde erst in letzter Sekunde ausgegeben. Wir wissen nicht, wie sie das gemacht haben. Wir wissen nicht einmal, wer es war.« Dufort zog den Kopf zwischen die Schultern, als erwarte er, verantwortlich gemacht zu werden. Aber er hatte damit nichts zu tun.

  »Ich weiß, wer es war«, sagte ich tonlos. Alle sahen mich an. »Es war die OmnI. Seit heute Morgen hat Costard den DataPod. Sie muss an die Daten aus Maraisville gekommen sein.«

  »Das heißt …« Imogen sah mich entsetzt an.

  »Sie ist bereit.« Ich spürte, wie ein sehr schweres Gewicht an mir zog. »Alles, was die OmnI jetzt noch davon abhält, über die Welt zu herrschen, ist das momentan unvollständige Netz.«

  Und das war sicher das nächste Ziel von Costard.

  »Wir müssen überlegen, wie wir dem begegnen, sobald wir zurück sind.« Imogen wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »Und natürlich die Beerdigungen regeln.«

  Lucien sah auf. »Wer noch?«, fragte er leise.

  »Zwanzig Gardisten«, sagte Imogen ebenso leise, »vier Schakale, darunter Henri Fiore. Auße
rdem Haslock. Und Phoenix.«

  Lucien und ich schnappten zeitgleich nach Luft. »Gütiger Himmel«, stieß er aus. Die halbe Führungsriege des Königreiches, ausgelöscht mit einem Schlag. Es tat mir um Phoenix nicht leid und auch Haslock hatte ich nicht gemocht. Aber für das Land war es ein unglaublich schwerer Schlag.

  Lucien sah auf. »Wie geht es Amelie?« Nach seiner Schwester hatte er bisher nicht gefragt.

  Imogen und Caspar wechselten einen Blick. Keiner von ihnen sagte etwas.

  »Würde mir bitte jemand antworten?«, drängte Lucien.

  »Amelie ist …«, Imogen holte Luft. »Sie ist weg. Sie hat vor ein paar Tagen heimlich die Stadt verlassen. Wir wissen nicht, wo sie sich aufhält.«

  Stille waberte durch das Innere der FlightUnit, während ­Lucien und mir gleichzeitig etwas klar wurde. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske aus Schock und Unglaube.

  »Das bedeutet … Aber das bedeutet doch nicht, dass ich …«, stammelte er.

  »Doch.« Imogen sah ihn an, in ihrem Blick nichts als Be­dauern. »Genau das bedeutet es.«

  Lucien rang nach Luft. »Nein. Das kann nicht sein. Das ist … das sollte nie passieren!«

  »Aber es ist passiert.« Dufort war kaum weniger bestürzt als Imogen. »Amelie ist am Leben, aber sie kann keine Option für uns sein. Also musst du formal Veto einlegen und –«

  »Das kann ich nicht! Ich kann das nicht machen, ich …« ­Lucien brach ab und stand auf. Ich sah die Verzweiflung – in der Haltung seines Körpers, in seinen Augen, in seinen zitternden Händen. Die Trauer um seinen Bruder war schon kaum zu ertragen, aber die Erkenntnis, dass er dessen Nachfolger sein sollte, war zu viel für ihn. »Ich muss … ich …« Er atmete bebend ein, dann lief er zur Rampe und war eine Sekunde später in der Dunkelheit verschwunden.

  Imogen erhob sich, aber ich hielt sie zurück.

  »Ich mach das«, sagte ich so fest ich konnte. Lucien brauchte jetzt niemanden, der mit ihm trauerte. Er brauchte jemanden, der ihn wieder aufbaute. Warum ich mir das zutraute, wusste ich nicht. Aber als Imogen nickte, ging ich.

  Nach dem hellen Licht in der FlightUnit herrschte draußen undurchdringliche Schwärze. Nur das Tor des OmnI-Gebäudes war von einigen mobilen Lampen beleuchtet, dort standen auch die Soldaten zusammen. Ich ging in die andere Richtung, direkt zu dem Gefährt, mit dem wir gekommen waren. Ich wusste, ­Lucien würde nicht flüchten. Aber es half ihm, wenn er das Gefühl hatte, es zu können.

  Ich fand ihn, mit den Armen an die Bügel des Wagens gestützt, pumpend atmend. Er drehte sich nicht zu mir um, auch nicht, als ich direkt hinter ihm stand.

  »Es tut mir so leid«, sagte ich zum ersten Mal. Sanft strich ich ihm über den Rücken und umarmte ihn schließlich.

  »Was genau?«, fragte er mit einem Hauch Manie in der Stimme. »Dass mein Bruder tot ist, dass meine Schwester sich aus dem Staub gemacht hat – oder dass sie mich zum König machen wollen?«

  »All das.«

  Jetzt drehte er sich zu mir um. In der Dunkelheit konnte ich nur die Konturen seines Gesichts sehen. Aber das traurige ­Lächeln hörte ich in seiner Stimme.

  »Das war es dann wohl mit unserer Flucht«, sagte er. »Keine einsame Insel mit blauem Meer und Palmen.«

  »Ja, das können wir uns abschminken.« Als ob das gerade eine Rolle spielte.

  »Ach, kein Problem.« Lucien klang bemüht fröhlich. »Wir ­suchen schnell die OmnI, ziehen ihr den Stecker und schon sind wir weg.« Er lachte dünn, fast schon ein bisschen hysterisch.

  Weil er genau wusste, dass es dazu niemals kommen würde.

  Schnell zog ich ihn in meine Arme und hielt ihn so fest ich konnte. Seine Verzweiflung aber ließ sich nicht vertreiben.

  »Ich bin kein König, Stunt-Girl«, sagte er so flehend, als könne ich verhindern, dass er dieses Erbe antreten musste. »Ich bin nicht er. Ich kann nicht herrschen, ich bin dafür nicht gemacht.«

  »Du bist sein Bruder«, flüsterte ich. »Natürlich kannst du das.«

  »Nein, kann ich nicht.« Er ließ mich los und sah mir in die Augen. »Leo­pold hat alles für das Land geopfert – sich, seine große Liebe, sein ganzes Leben. Ich bin nicht so selbstlos wie er.«

  »Das ist Unsinn«, beschwor ich ihn. »Du opferst dein Leben für ihn, seit du sechzehn Jahre alt bist. Wenn das jemand hinkriegt, dann du.«

  Er lachte freudlos. »Du überschätzt mich maßlos.«

  »Nein, du unterschätzt dich.« Ich rieb ihm über die Arme, als könnte ich so seine Dämonen verjagen. »Du bist warmherzig, mitfühlend und klug. Außerdem hast du Leute, die dich lieben und die dir helfen werden. Mehr braucht ein König nicht.«

  Mit plötzlicher Heftigkeit zog Lucien mich an sich und küsste mich. Ich spürte, dass es ihm etwas gab, das Worte nicht konnten. Also erwiderte ich den Kuss, legte meine Liebe zu ihm hinein, allen Glauben an ihn und jeden Fetzen Hoffnung, den ich finden konnte. Als unsere Lippen sich endlich voneinander lösten, lehnte er seine Stirn an meine, schwer atmend. Aber ich spürte, dass es ihm ein bisschen besser ging.

  »Immerhin sind wir frei«, murmelte er. »Wir können zwar nicht verschwinden, aber mir kann auch niemand mehr verbieten, mit dir zusammen zu sein.«

  Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Nun, wo Phoenix tot war, konnte er uns nicht mehr erpressen, auch nicht Imogen oder Lynx. Und Lucien war jetzt König. Er konnte selbst entscheiden, was mit mir passierte.

  »Dann sollte ich wohl schnell ein Begnadigungsgesuch aufsetzen«, scherzte ich. Unter allem Kummer und der Schwere regte sich so etwas wie Zuversicht. Sehr klein, sehr wenig, kaum spürbar. Aber sie war da.

  »Ist bewilligt.« Lucien küsste mich wieder. »Die Strafe wird aufgehoben, aufgrund der Verdienste um die Familie des ­Königs, bla bla. Siehst du, schon erledigt.«

  Irgendwo rief jemand unsere Namen. Ich nahm Luciens Hand. »Wir sollten gehen.«

  Wir liefen auf die Lichtung, um die Flight Unit herum. Ich spürte, wie mein Herz ein bisschen leichter wurde. Es gab viel zu tun, viel zu bekämpfen, unsere Feinde waren stärker denn je und sie würden freiwillig keinen Meter zurückweichen. Aber ich wusste, dass wir das schaffen konnten. Wir würden die OmnI schlagen und den PointOut ein für alle Mal aus der Liste der drohenden Katstrophen streichen. Gemeinsam.

  Als jedoch das Licht der FlightUnit langsam den Boden erhellte, legte sich in meinem Kopf ein anderes Bild über diese Zukunft. Lucien als König, der nicht die Akzeptanz des Volkes fand. Der nicht gegen den Widerstand ankam und die Menschen nicht überzeugen konnte, für ihn zu kämpfen. Nicht, weil er jung war oder nicht über das diplomatische Geschick seines Bruders verfügte. Sondern meinetwegen.

  Leo­pold hätte mich nie in der Stadt akzeptieren können, weil es seine Glaubwürdigkeit zerstört hätte. Egal, ob er tot war – daran hatte sich nichts geändert. Wenn Lucien mit dem Mädchen zusammen war, das seinen Bruder hatte töten wollen, würde man ihn genauso hassen wie mich. Aber nicht nur deswegen: Ich war dafür verantwortlich, dass die OmnI nun diesen Krieg heraufbeschwören konnte. Ich hatte dazu beigetragen, sie zu befreien, ich hatte dafür gesorgt, dass wir jetzt gegen sie kämpfen mussten. Es war meine Pflicht, das in Ordnung zu bringen. Jetzt mehr denn je. Bevor ich das nicht geschafft hatte, würde mich niemand an Luciens Seite akzeptieren. Vor allem nicht ich selbst.

  Am Fuß der Rampe blieb ich stehen.

  »Was ist los?«, fragte Lucien.

  »Ich …« Wie sollte ich ihm das nur sagen? Wie sollte ich ihm klarmachen, dass ich ihn verlassen würde? »Ich werde nicht mitkommen«, presste ich hervor. Die Worte wollten nicht heraus. Ich musste sie mit aller Gewalt dazu zwingen.

  »Was?« Er starrte mich entgeistert an. »Was redest du da? Es gibt niemanden mehr, der dich daran hindern kann. Niemanden, der uns hindern kann. Wenn es in diesem ganzen riesigen Haufen Mist etwas Gutes gibt, dann das!«

  »Ich bin diejenige, die ihn töten wollte!«, brach es aus mir heraus. »Jetzt ist er tot und das ist meine Schuld!«

  »Es ist nicht deine Sc
huld!«

  »Du weißt, dass das nicht stimmt. Ich habe Troy ermöglicht, die OmnI zu stehlen. Ich bin dafür verantwortlich, dass sie überhaupt existiert. Und ich habe dafür gesorgt, dass sie jetzt frei ist.«

  »Ja, aber nur, weil sie dich manipuliert hat!«

  »Was für eine Rolle spielt das? Die Leute werden dich lieben, wahrscheinlich sogar mehr als deinen Bruder. Aber jeder in der Stadt wird mich hassen für das, was ich getan habe. Und dann werden sie diesen Hass auf dich übertragen.«

  Lucien legte seine Hände auf meine Schultern. »Ich habe es dir schon einmal gesagt: Ich scheiße auf das, was andere Leute denken.«

  »Aber das kannst du dir nicht mehr leisten!« Ich holte zitternd Luft und wischte mir über die Wangen. »Du brauchst die Akzeptanz der Leute. Sie müssen dir vertrauen können.«

  »Ich brauche dich, Ophelia«, flehte er mich an. »Lass mich nicht im Stich!«

  »Du bist jetzt König. Du brauchst Leute, die für dich kämpfen.« Das waren seine eigenen Worte über Leo­pold gewesen und jedes einzelne schnitt mir wie ein Messer ins Herz. »Und genau das werde ich tun. Ich werde für dich kämpfen.« Ich atmete ein. »Ich gehe zu ReVerse zurück, ich werde eure Augen und Ohren sein, wenn sie das Netz wieder in Betrieb nehmen wollen – und ich werde sie daran hindern. Und wenn der Zeitpunkt kommt, werde ich die OmnI zerstören. Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die das kann.«

  »Du kannst nicht dorthin zurück!«, rief Lucien. »Was, wenn sie herausfinden, dass Troy tot ist? Wenn sie das mit dir in Verbindung bringen?«

  »Dann werde ich mich rausreden, so wie immer.«

  »Das nehmen sie dir niemals ab. Du hast deine Brücken zu ReVerse abgebrochen. Ich habe dein Gespräch mit Knox ge­sehen.«

  »Damit werde ich schon fertig.« Ich merkte, wie mein Willen bröckelte, je länger Lucien mich ansah. Er wollte meine Argumente nicht hören, eigentlich wollte ich das selbst nicht. Aber es musste sein. »Ich habe so viele falsche Entscheidungen getroffen, es wird Zeit für ein paar richtige. Das bin ich Leo­pold schuldig.«

 

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