001 - Wild like a River

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001 - Wild like a River Page 3

by Kira Mohn


  Jetzt geht sie endgültig. Keine Ahnung, wohin, doch plötzlich will ich es unbedingt wissen.

  «Danke. Wohnst du hier in der Gegend?»

  «Ja.»

  «Okay, dann sehen wir uns ja vielleicht wirklich noch mal.»

  «Vielleicht.»

  Sie lächelt. Mir fällt auf, dass es das erste Lächeln ist, das ich auf ihrem Gesicht sehe. Bis zu dieser Sekunde hat sie durchgehend angespannt gewirkt. Ich verkneife mir jeden blöden Spruch in Richtung ‹Was muss ich tun, um mich noch einmal von dir retten zu lassen?›, weil ich sie nicht schon wieder in Verlegenheit bringen will.

  «Wie heißt du noch mal?»

  «Haven», sagt sie.

  Haven. Mein neuer Lieblingsname.

  3

  HAVEN

  J ackson.

  Dieser Name schwirrt mir den gesamten Heimweg über im Kopf herum, und ich denke noch immer an ihn, während ich neben dem Kühlschrank stehe und Pickles direkt aus dem Glas esse.

  Es ist Monate her, dass ich das letzte Mal länger mit jemandem gesprochen habe, der nicht über fünfzig ist. Das war im General Store in Jasper. Ein Mädchen wollte wissen, ob meine Haarfarbe echt sei. Ich fand die Frage absurd – wieso sollte ich mir die Mühe machen, die Farbe meiner Haare zu ändern? Sie dagegen fand es verrückt, dass ich wirklich hier lebe. Und nicht mal in Jasper mit seinen dreieinhalbtausend Einwohnern, sondern in einer kleinen Holzhütte mitten im Wald. Dann wollten ihre Eltern los, und das war’s.

  Tee und Bananen. In Büchern lädt niemals ein Mann eine Frau zu Tee und Bananen ein. Aber was weiß ich schon vom Leben außerhalb von Büchern – eigentlich nicht mehr als das, was ich von meinen gelegentlichen Aufenthalten in Jasper mitbekomme. Und sehr viel ist das nicht, wenn man dort nur zum Einkaufen aufschlägt und um sich neuen Lesestoff aus Jaspers winziger Bibliothek zu besorgen. Seit Beginn meines Studiums besitze ich zu Hause zwar einen Rechner, doch die Verbindung ist unendlich lahm, sonst würde ich mir wohl darüber hin und wieder mal einen Film ansehen.

  Vielleicht wollte dieser Jackson ja witzig sein. Bestimmt war seine Frühstückseinladung gar nicht ernst gemeint, und ich bin froh, dass ich dem aufflackernden Impuls, die Einladung anzunehmen, nicht nachgegeben habe.

  Noch eine Gurke.

  Wo er jetzt wohl ist? Ob er gerade nach einem Campingplatz sucht? Hat er wirklich vor hierzubleiben, obwohl sein Freund die Tour abbrechen muss? Falls ja, muss er nur einen der zwei Rucksäcke nach Jasper bringen, den anderen wird er dann beim Wabasso- oder Wapiti-Campingplatz abstellen.

  Nach einem letzten Maiskölbchen stelle ich das Glas wieder in den Kühlschrank und gehe zu einem der beiden Sessel vor dem Kamin, um mich dort hineinfallen zu lassen.

  Ein Frühstück mit einem Typen namens Jackson.

  Ich lasse mich tiefer in das abgewetzte Polster sinken und lege beide Beine über die Sessellehne.

  Cay mochte mich nicht, glaube ich, ohne dass ich auch nur die Spur einer Ahnung hätte, warum. Wären die beiden nicht gemeinsam unterwegs, würde ich auch annehmen, dass er Jackson nicht besonders mag. Aber vielleicht ist es einfach seine Art, spöttisch und ein bisschen abweisend zu sein. Menschen, die Dad kennenlernen, werden auch nicht so schnell schlau aus ihm, viele würden ihn wohl als mürrisch bezeichnen, einfach, weil er nicht so viel redet. Vielleicht ist dieser Cay unter anderen Umständen ja nicht ganz so unfreundlich.

  Jackson dagegen … Jackson war nett. Bis auf diese Frühstückseinladung. Die war seltsam. Und er hat mich die ganze Zeit angesehen, als warte er auf etwas. Ob er auch nicht so recht gewusst hat, wie er sich verabschieden soll?

  Irgendwas hatte er an sich, dieser Jackson, das mich durcheinanderbrachte. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, es müsse etwas geben, das ich angemessenerweise tun oder sagen sollte, aber ich wusste einfach nicht, was.

  Das ist einer dieser Augenblicke, in denen es mir nicht besonders gut gefällt, ich zu sein. Haven, das Mädchen aus dem Wald. Normalerweise schiebe ich derartige Gedanken rasch wieder zur Seite, doch in letzter Zeit häufen sie sich. Es hat mich eigentlich nie gestört, so isoliert zu leben. Ich wollte auch nie zur Schule. Wieso sollte ich jeden Tag nach Jasper fahren und dafür meine Freiheit aufgeben? Sicher, Dad bestand darauf, dass ich zu Hause lernte. Er hatte sich lange Listen ausgedruckt, in denen stand, was ich in welchem Alter zu wissen habe. Nur die Abschlussprüfungen habe ich mit siebzehn auf der Highschool in Jasper gemacht und war dankbar, dass die angespannte Prüfungssituation das Getuschel der anderen auf ein erträgliches Maß reduzierte. Zwischen meinem Zuhause und dem der Schülerinnen und Schüler, die mich heimlich oder auch ganz offen musterten, liegen räumlich keine zwanzig Meilen, trotzdem war es, als käme ich mindestens vom Mond. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, mich an einer Uni zu bewerben, habe dann aber doch lieber ein Fernstudium in Umweltwissenschaften begonnen – ich will als Rangerin arbeiten, so wie Dad, das war für mich immer klar, und wo könnte ich bessere Voraussetzungen für diesen Job vorfinden als hier, im Jasper National Park?

  Wenn ich jetzt in meinem Sessel sitze und mich mal wieder seltsam fühle, liegt das nicht daran, dass ich mir wünschen würde, ein anderes Leben zu leben. Aber mehr Kontakt zu Gleichaltrigen … vielleicht tatsächlich eine Freundin, mit der ich über alles reden kann …

  Angestrengt versuche ich, diese Gedanken abzuschütteln, und stemme mich schließlich aus dem Sessel, um nach meiner Jacke am Haken neben der Tür zu greifen. Während ich die Lichtung vor unserem Haus überquere und über den moosig-verfilzten Waldboden hinweg in die Schatten der Tannen eintauche, versuche ich es noch immer.

  Natürlich habe ich mir immer wieder mal Freunde gewünscht. Andere Kinder, die mit mir über den Waldboden gekrochen wären, um so dicht wie möglich an einen Elch heranzukommen, oder mit denen ich zu Beginn des Winters das erste zarte Eis des Medicine Lake mit Steinen zum Zersplittern gebracht hätte. Selbst Laura aus «Little House in the Big Woods» war in ihrem großen Wald nicht völlig allein. Sie hatte Schwestern, und hin und wieder bekamen sie Besuch von irgendwelchen Cousinen.

  Es ist nicht so, dass ich mein Leben nicht lieben würde. Aber ich hätte dieses Leben manchmal einfach gern mit jemandem geteilt, mit jemandem, der nicht mein Vater oder Nate ist. Nate ließe sich wohl als Freund bezeichnen, und ich habe viel von ihm gelernt. Das sagt dann wohl auch schon alles. Er ist ein wunderbarer Mensch, aber er ist sogar noch älter als Dad.

  Während ich den unsichtbaren Pfaden zwischen Felsen und Bäumen folge, die nur ich kenne, frage ich mich, wie es sich wohl anfühlen würde, wäre dieses Mädchen im Lebensmittelladen nicht nur eine flüchtige Begegnung gewesen, sondern jemand, den ich schon ein halbes Leben lang kenne. Wenn sie und ich ganz selbstverständlich zu mir gefahren wären, und dort hätten wir … ich weiß nicht, was würden wir tun? Uns unterhalten, nehme ich an. Über das, was wir uns wünschen, und über das, was uns fehlt.

  Unwillig schüttele ich den Kopf, ohne verhindern zu können, dass mein Hirn den Faden immer weiterspinnt.

  Wenn ich jetzt wüsste, dieser Jackson käme später noch vorbei, einfach so, oder wenn er in diesem Augenblick neben mir liefe, direkt hier, wo die Sträucher sich so dicht miteinander verwoben haben, dass ich mit der Schulter Zweige beiseiteschieben muss, um zu einem meiner Lieblingsplätze zu kommen. Im Frühjahr ist hier alles mit winzigen weißen Blumen übersät, die so intensiv duften, dass meine Haut ihren Duft aufzunehmen scheint, und die Baumwipfel bilden einen natürlichen Baldachin. Jetzt im August wächst nur stacheliges, hartes Gras, durchsetzt mit weichen Moosflecken, aber wenn Jackson hier sitzen würde … meine Güte, Schluss damit!

  Dieses Mädchen, dessen Namen ich nicht einmal kenne, oder Jackson – es sind einfach nur Leute. Doch durch sie spüre ich, dass ich vielleicht irgendwann unser Haus im Wald verlassen muss. Nur für eine Weile. Um auszuprobieren, wie es wäre, irgendwo zu leben, wo man hundertmal am Tag hallo sagt und dauernd redet und jederzeit seine Gedanken mit anderen Menschen teilen kann.

  JACKSON

  E s dauert nicht lange, bis alles gepackt ist, obwohl ich einige Dinge umsortiere. Cayden wird für die mitgebrach
ten Lebensmittel keine Verwendung mehr haben, im Gegensatz zu mir. Als ich mein Gepäck schultere, mir Caydens Rucksack vor den Bauch schnalle und loslaufe, ist es fast zehn.

  Gestern haben wir den Icefields Parkway, dem man auch zu Fuß gut folgen kann, direkt zu Beginn unserer Tour verlassen und uns mittels einer App, auf der sich wie ein Spinnennetz jeder noch so kleine Schleichweg ausmachen lässt, zum Horseshoe Lake durchgeschlagen. Jetzt bleibe ich auf dem Weg neben dem Parkway, doch selbst am Rand der Fernstraße ist die Umgebung einfach atemberaubend schön. Hinter jeder Kurve erwartet mich ein neuer Panoramablick, die Spitzen schlanker Tannen recken sich gegen den leuchtend blauen Himmel, und ein Fluss schäumt zu meiner Linken. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Ich weiß insgesamt nicht sehr viel, weder die Namen der – vereinzelt noch schneebedeckten – Berggipfel, die sich am Horizont erheben, noch bin ich mir sicher, ob die Bäume, die sich auf beiden Seiten der Straße die Hügel hinaufziehen, tatsächlich Tannen sind. Sie sehen so aus, wie ich mir Tannen vorstelle, aber es könnten genauso gut Fichten oder Kiefern sein. Mehr Nadelbäume fallen mir nicht mal mehr ein.

  Haven wüsste es.

  Wie es wohl ist, hier zu leben? Mein Zuhause ist keine vier Autostunden entfernt, doch schon auf dem Weg zum Jasper National Park hatte ich das Gefühl, in eine andere Welt zu kommen. Das Gelände um Edmonton herum ist flach, flacher als flach, und nicht einmal vom Epcor Tower aus lassen sich die Rocky Mountains erkennen. Es ist eine ziemlich grüne Stadt mit vielen Parks, Alleen und Rasenflächen, und dennoch … obwohl man in Edmonton von jeder höheren Stelle aus bis zum Horizont blicken kann, hat mich dort noch nie dieses Gefühl von Weite und … Erhabenheit ergriffen, wie ich es hier, inmitten von hohen Bäumen und noch höheren Bergen empfinde. Am liebsten würde ich mir einen Weg durch den Wald suchen, doch nachdem ich gerade einen Bären angelockt habe, möchte ich mich nicht als Nächstes verirren. Und außerdem ist man mit zwei Rucksäcken nicht gerade leichtfüßig unterwegs.

  Ich hoffe auf eine Mitfahrgelegenheit, doch bisher ist nur ein Wagen an mir vorbeigefahren, dessen Fahrer mich nicht weiter beachtet hat.

  Vielleicht lasse ich meinen Rucksack einfach fürs Erste hier? Dann käme ich zumindest etwas schneller voran.

  Noch während ich darüber nachdenke, ist hinter mir abermals das Geräusch eines herannahenden Autos zu hören. Ich drehe mich um, winke und lächle hoffentlich vertrauenswürdig.

  Ein paar Minuten später sitze ich neben einem bärtigen Typen im Karohemd in einem Range Rover, die Rucksäcke sind auf der Rückbank verstaut, und die Bäume fliegen an uns vorbei. Aufseufzend lehne ich mich zurück.

  «Zwei Rucksäcke.»

  «Bitte?» Gerade habe ich die Augen geschlossen und – nicht weiter erstaunlich – über ein Mädchen namens Haven nachgedacht. Jetzt mustere ich den Fahrer, der sich mir als Rick vorgestellt hat.

  «Zwei Rucksäcke. Bisschen übertrieben, oder?» Rick lacht, und ich muss grinsen.

  «Einer davon gehört einem Freund.»

  «Und wo hast du den gelassen?»

  «Der ist schon in Jasper. Wir hatten einen Zusammenstoß mit einem Bären.»

  Das bringt ihn dazu, mich genauer zu mustern. Ich spüre seinen Blick auf mir, während ich sicherheitshalber für ihn auf die Straße gucke.

  «Mit Bären ist nicht zu spaßen.»

  «Ich weiß. War auch keine Absicht.»

  Er wendet den Blick wieder ab. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch er mich für einen Idioten hält. So wie Haven. Und ihr Vater. Obwohl der sich netterweise mit Kommentaren zurückgehalten hat, abgesehen davon, dass es leichtsinnig sei, benutztes Geschirr direkt neben dem Zelt auf dem Boden liegenzulassen. Theoretisch wusste ich das auch. Ich meine, Cayden und ich hatten uns vor der Tour darüber informiert, wie man sich beim Campen verhalten soll. Ich habe nur einfach nicht mehr daran gedacht. Es war so spät, ich war müde, und die Nacht war so schön …

  «Wo soll ich dich absetzen?»

  «In der Nähe der Klinik, ginge das?»

  «Kein Problem.»

  Wir kommen an eine Kreuzung und lassen zwei lange Trucks passieren.

  «Deinem Freund geht’s hoffentlich gut?»

  «Was? Ach so, ja, klar. Er hat sich nur den Fuß verstaucht. Schlimmstenfalls ein Bänderriss.»

  Mir kommt der Gedanke, dass Cayden vielleicht gar nicht mehr in der Klinik ist. Seit heute Morgen sind mehrere Stunden vergangen, und die Wartezeiten in einem Kleinstadt-Krankenhaus dürften überschaubar sein. Ich ziehe mein Telefon hervor.

  Cayden geht sofort ran. «Jax? Wo bist du? Du hast dir vielleicht Zeit gelassen!»

  Keine Ahnung, ob er vergessen hat, dass der Horseshoe Lake zu Fuß gute sechs Stunden von Jasper entfernt liegt.

  «Ich bin gleich bei dir. Du bist noch in der Klinik, oder?»

  «Ja, klar. Ich warte schon ewig auf dich.»

  «Warum hast du nicht angerufen?»

  «Hab ich doch.»

  Ein kurzer Blick aufs Display beweist, dass er recht hat.

  «Hab ich nicht gehört, sorry. Wie geht’s dir?»

  «Geht so. Laufen ist nicht mehr, wir können also gleich nach Hause fahren.»

  Ich zögere einen Moment.

  «Jax? Bist du noch dran? Wann bist du da?»

  «In ein paar Minuten, wir reden gleich weiter, okay?»

  «Alles klar. Bin froh, dass du dich endlich meldest. Ich hab schon überlegt, ob der Bär vielleicht zurückgekommen ist.» Er lacht und legt auf.

  Langsam schiebe ich das Smartphone in meine Jackentasche zurück. Links von uns tauchen die ersten Häuser auf, während ich über Caydens Worte nachdenke. Dass er sich verletzt hat, ist verfluchtes Pech. Ob er dafür Verständnis hat, dass ich die geplante Wanderung trotzdem nicht abbrechen will, wird sich wohl gleich zeigen.

  Am Ende einer Reihe hübscher Holzhäuser biegen wir nach links. Grüne und weiße Lattenzäune trennen die Grundstücke von der Straße.

  «Ich setz dich direkt vor der Klinik ab.»

  «Vielen Dank.»

  Eine Kirche taucht auf, deren zinnenbewehrter Turm mich an eine mittelalterliche Burg erinnert. Rick schwenkt in eine Parkbucht in Sichtweite dieser Kirche ein. «Also dann.»

  Ich springe aus dem Wagen und reiße die hintere Tür auf, um die Rucksäcke herauszuholen. «Vielen Dank!»

  «Kein Problem. Gute Besserung für deinen Freund. Ihr solltet vorsichtiger sein.»

  Einsichtig nicke ich, schlage die Tür zu und erwidere Ricks Abschiedsgeste, während er zurücksetzt und schließlich die Straße hinunter verschwindet.

  Die Klinik besteht aus mehreren flachen Gebäuden, die Nachmittagssonne taucht die sorgfältig angelegten Blumenbeete inmitten der Rasenflächen in ein warmes Licht. Ich finde Cayden mit dem Smartphone am Ohr im Eingangsbereich. Er sitzt auf einem der Stühle, die dort an den Wänden stehen, hat seinen Fuß hochgelegt und hebt die Hand, als er mich sieht.

  «Na ja, Bäume halt, nichts weiter», sagt er gerade. «Einen Elch habe ich gesehen, und das war’s. Abgesehen von dem Scheißbären», fügt er mit einem Lachen hinzu.

  Keine Ahnung, mit wem er telefoniert, ich tippe mal auf Chase oder Dylan.

  «Nein, wir fahren heute noch. Klar.» Er hält kurz inne. «Ach, war eh nicht so beeindruckend. Alles klar. Okay, bis heute Abend dann.» Er lässt das Handy sinken. «Jax – na endlich. Hast du das Auto gleich mitgebracht?»

  «Nein, ich bin mitgenommen worden. Wie geht’s deinem Fuß?»

  «Nur verstaucht, Glück gehabt. Ich soll den Knöchel nicht beanspruchen. Fast hätten sie mir noch Krücken aufgeschwatzt, aber wenn ich ein paar Tage stillhalte, wird es schon passen. Du kannst die Taschen einfach hierlassen, wenn du den Wagen holst.»

  Die Rucksäcke habe ich gegen den Stuhl gelehnt, der neben Cayden steht, jetzt schiebe ich sie beiseite, um mich setzen zu können.

  «Cay, ich hab mir überlegt, die Tour nicht abzubrechen.»

  «Was?» Caydens Grinsen weicht einem überraschten Gesichtsausdruck. «Drang das nicht durch oder was? Ich kann nicht mehr laufen.»

  «Hab ich kapiert. Aber ich kann noch laufen. Und i
ch würde die Woche gern durchziehen.»

  «Und wie soll ich dann bitte zurückkommen?»

  «Ich bringe dich zum Bahnhof, und du fährst mit dem Zug. In Edmonton kann dich doch bestimmt jemand abholen.»

  «Keine Ahnung, wann hier ein Zug fährt.»

  «Das finden wir heraus.»

  Cayden richtet sich auf. «Hör mal, Jax, ich dachte, wir machen das zusammen.»

  «Dachte ich auch. Aber wenn ich mal von dem ausgehe, was du eben am Telefon erzählt hast, hat es dir eh nicht sonderlich viel Spaß gemacht, oder?»

  «Okay, es war stinklangweilig – findest du das etwa nicht?»

  Ich schüttele den Kopf. «Mir gefällt’s.»

  «Den ganzen Tag nur laufen, laufen, laufen und nix anderes zu Gesicht kriegen als Bäume?»

  «Ich dachte, du hättest einen Elch gesehen.»

  «Selbst wenn.» Noch immer steht ihm die Verblüffung ins Gesicht geschrieben. Vorsichtig streckt er sein rechtes Bein aus. «Ich hätte nicht gedacht, dass dir das Wandern so viel Spaß macht.»

  «Ich finde es wirklich schön hier. Wir können die Tour in der nächsten Semesterpause ja noch mal zusammen angehen.»

  «Vergiss es», brummt er. «Ich brauch das echt nicht noch mal.» Seufzend greift er wieder nach seinem Smartphone.

  «Was machst du?»

  «Gucken, wie ich hier wegkomme.»

  Nur ein paar Tastenklicks später steckt er das Telefon wieder in seine Tasche. «Okay, dann bring mich mal zum Bahnhof. Es fährt ein Zug, aber nur einmal am Tag, in nicht mal einer halben Stunde. Nicht, dass ich den verpasse.»

  Im Laufschritt sprinte ich zu meinem Wagen und fahre zur Klinik zurück, schnell genug, um Cayden zwanzig Minuten später noch beim Einsteigen in ein Abteil behilflich zu sein.

 

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