by Kira Mohn
Der Toast schießt nach oben und unterbricht meine Gedanken. Kurz schließe ich die Augen. Besser so. Der Tag ist viel zu schön, um ihn mit solchen Erinnerungen zu belasten.
Dad war schon fort, als ich vorhin aufgestanden bin. Er dreht am frühen Morgen seine erste Runde, und nicht immer wache ich rechtzeitig auf, um noch mit ihm zusammen in der Küche einen Kaffee zu trinken. Offiziell verschwindet er so zeitig, weil das zu seinem Job gehört, tatsächlich liegt es eher daran, dass er nach einer langen Nacht im Haus das dringende Bedürfnis hat, wieder rauszukommen. Vermutlich fühlt sich niemand innerhalb von vier Wänden so schnell eingeengt wie mein Vater.
Als mein Smartphone in meiner Jackentasche klingelt, bin ich gerade in den Garten gegangen, der neben unserem Haus liegt, um mir zum Frühstück noch ein paar Radieschen zu holen. Dad hat ihn eingezäunt, wegen der neugierigen – und gefräßigen – Wapitis, aber ich habe ihn selbst angelegt und nach ersten Misserfolgen mit der Zeit herausgefunden, was ich hier trotz der Schatten der hohen Fichten und Tannen zum Gedeihen bringen kann. Erbsen, Brokkoli und sogar Blumenkohl wachsen gemächlich vor sich hin. Meine Versuche, Apfel- und Kirschbäume zu züchten, habe ich allerdings aufgegeben. Einzig ein kümmerliches Walnussbaumpflänzchen trotzt allen Widrigkeiten – es heißt Mr. Strong.
«Hi, Dad.» Ich zupfe ein Radieschen aus der Erde und wische es an meiner Jeans sauber. «Alles okay?»
«Haven, setz dich in meinen Wagen und komm zum Horseshoe Lake. Es gibt da Probleme mit ein paar Wildcampern.»
Die beiden Typen von gestern. Hab ich’s doch geahnt.
«Brauchst du irgendetwas?»
Zwecklos, Dad zu fragen, was passiert ist. Er ist ohnehin kein sehr redseliger Mensch, und am Telefon sagt er nie mehr, als notwendig ist. Ich stecke das Radieschen in den Mund und haste zwischen den Beeten zurück zum Haus.
«Erste-Hilfe-Rucksack. Und Kühlpacks. Ich warte beim Parkplatz auf dich.»
«Bin gleich da», erwidere ich mit vollem Mund.
Kurz darauf lenke ich Dads Pick-up vorsichtig über schmale Waldwege. Sicherheitshalber habe ich sein Auto genommen, falls er damit nach Jasper muss, doch allzu große Sorgen mache ich mir nicht. Würde es sich um einen Notfall handeln, hätte Dad nicht mich angerufen, sondern direkt ein Rettungsteam angefordert. Mit ein paar Maßregelungen scheint es aber auch nicht erledigt zu sein. Das letzte Mal, als Dad mich zu sich gerufen hat, hatte sich eine Frau mit heißem Wasser verbrüht. Dad hat sie zusammen mit ihrem Freund ins Healthcare Centre nach Jasper gebracht. Wer von den beiden Typen wohl heute dort aufschlagen wird?
Diese Frage klärt sich, als ich den Parkplatz in der Nähe des Horseshoe Lake erreiche. Der blonde Typ – Cay, wenn ich mich richtig erinnere – ist noch um einiges blasser als gestern. Er und sein Freund sitzen im Gras, dort, wo ein schmaler, sandiger Weg zwischen den Bäumen hindurch zum See führt. Dad ist nirgends zu sehen.
Nur einer der beiden – Jackson, er hieß Jackson – erhebt sich, als ich aus dem Auto steige.
«Hi.» Ich werfe die Wagentür zu und blicke mich nach Dad um. Wo steckt er? «Ich bin Haven. Mein Vater hat mich angerufen. Ihr braucht Hilfe?»
«Sieht so aus. Hi.» Der Typ streckt mir die Hand entgegen und sieht mich neugierig an. «Ich bin Jackson. Und das hier ist Cayden.»
Ich nicke nur, während ich kurz die dargebotene Hand ergreife. Sein Händedruck ist fest und warm, trotzdem ziehe ich eilig meinen Arm wieder zurück, kaum dass seine Finger sich von meinen gelöst haben. Was genau soll ich denn jetzt hier machen, Dad?
«Wir hatten einen Unfall. Ich schätze, wir müssen in die Klinik», erklärt Jackson in das sich auftuende Schweigen hinein.
«Du kannst unser Zeug nicht einfach hierlassen», meldet sich Cay erstmalig zu Wort. «Du musst zurück und alles abbauen.»
Jackson sieht sich flüchtig nach ihm um, bevor sein Blick zu mir zurückkehrt. «Es war ein Bär», sagt er.
«Bitte?»
«Ein Bär. Da war ein Bär. Stand da einfach so rum und hat unsere Teller abgeleckt.»
Das erklärt, warum Dad nicht bei uns ist. Garantiert überprüft er gerade die nähere Umgebung. «Ihr seht nicht so aus, als hättet ihr mit einem Bären gekämpft», erwidere ich vorsichtig. Es liegt vermutlich nur an der mangelnden Routine, aber Gespräche mit Leuten in meinem Alter fallen mir nicht leicht.
«Cay hat sich wohl den Knöchel verstaucht.»
«Und wie ist das passiert?»
Ein abfälliges Schnauben aus Cays Richtung ist zu hören. «Ich wollte mit dem verdammten Bären Salsa tanzen. Wie soll es wohl passiert sein? Ich bin gestolpert.»
Auf Jacksons Gesicht erscheint ein Grinsen. «Er hat sich in einer Zeltschnur verheddert.»
«Worauf warten wir denn noch? Können wir nicht einfach fahren?»
Cays genervte Stimme verunsichert mich. «Wir warten auf meinen Vater.» Demonstrativ lehne ich mich gegen den Wagen und verschränke die Arme, um meine Nervosität zu überspielen.
Cay seufzt hörbar auf. Ein eher ungeduldiges Seufzen, und mein Mitleid hält sich entsprechend in Grenzen.
«Ich bin vorhin aufgewacht, und dieses Riesenvieh stand da einfach direkt vorm Zelt.» Seine erste Begegnung mit einem Bären hat Jackson offensichtlich nachhaltig beeindruckt.
«Wie seid ihr rausgekommen?»
«Was?»
«Aus dem Zelt. Wie habt ihr es geschafft, den Bären zu verjagen?»
«Ich war nicht im Zelt. Ich hab draußen geschlafen, und als ich aufgewacht bin, war er einfach da.»
«Du hast direkt neben einem Bären im Schlafsack gelegen?»
Jackson zuckt mit den Schultern und reibt sich mit einer Hand den Nacken. Ob er in dieser Sekunde auch darüber nachdenkt, was alles hätte passieren können? Und warum genau ist eigentlich nichts passiert? Der Bär wird doch kaum einfach davongetrottet sein. Wenn er die Teller näher untersucht hat, hatte er garantiert vor, das Terrain noch etwas genauer auf Essbares hin zu sondieren.
«Ich lag in der Nähe der Klippen, direkt über dem Wasser. Zuerst dachte ich, ich spring einfach rein, aber Cay war ja noch im Zelt.»
Ein Hauch Anerkennung steigt in mir auf. Die beiden haben zwar abseits der Campingplätze ihr Zelt aufgeschlagen, sich offenbar etwas zu essen gemacht und die schmutzigen Teller leichtsinnigerweise neben dem Zelt liegenlassen – aber nachdem der Bär aufgetaucht ist, hat dieser Jackson an seinen schlafenden Freund gedacht, statt sich panisch in den See zu stürzen.
«Und was hast du dann gemacht?»
«Rumgebrüllt. Nach Cay gerufen. Dass ein fucking Bär vorm Zelt steht, und er noch nicht rauskommen soll. Ich hab wie wild rumgefuchtelt und wollte springen, sobald der Bär in meine Richtung kommt und weit genug vom Zelteingang weg ist. Cay hätte es dann hoffentlich auch zu den Klippen geschafft.»
«Aber der Bär ist verschwunden?» Keiner der beiden sieht aus, als habe er gerade ein Bad hinter sich.
«Ja, genau, er ist einfach in den Wald getrottet. Und Cay ist aus dem Zelt gerannt und hat sich sofort langgelegt, weil er eine der Zeltschnüre übersehen hat und – das war’s.»
«Das war’s?»
«Tja.» Jackson hebt die Schultern an. Einen Moment lang wirkt er so, als wolle er sich für das unspektakuläre Ende seiner Geschichte entschuldigen. «Direkt danach ist der Ranger aufgetaucht – dein Vater, nehme ich an. Hat mich wohl rumschreien hören.»
«Absolut jeder bis Edmonton hat dich rumschreien hören, Jax. Die Schallwellen haben den Bären weggepustet! Ich wusste gar nicht, was los ist – ich dachte, ich muss dich retten.»
Jackson lacht, obwohl sein Freund ziemlich sauer klingt. «Du bist in Unterhosen aus dem Zelt geschossen und hast dabei: ‹Ein Bär? Ein Bär? Wo ist ein Bär?›, geheult», erwidert er grinsend. «Was hattest du eigentlich vor? Dich ihm als Snack anbieten, damit ich verschwinden kann?»
«Ich wollte ihn erwürgen.» Cay krümmt die Finger, und ich überlege kurz, ob ich ihn darauf aufmerksam machen soll, dass er den Hals eines Bären nicht mal zur Hälfte mit den Händen umfassen könnte. «Und zwar völlig lautlos – hättest du noch im Zelt gelegen, wärest du nicht mal aufge
wacht.»
«Und zum Frühstück hätte es Bärenschnitzel gegeben.»
«So ist es.»
«Von dir höchstpersönlich zubereitet.»
«Genau.»
«Mit nichts als einem Dosenöffner.»
Cay lacht auf und zuckt im nächsten Moment zusammen, weil er offenbar vergessen hat, dass er den verstauchten Knöchel besser nicht bewegt.
Die Diskussion zwischen den beiden scheint nicht ernst gemeint zu sein, aber ich könnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das von Anfang an der Fall war oder ob fast ein Streit ausgebrochen wäre. Als Jackson sich wieder mir zuwendet, lasse ich die Arme sinken und strecke den Rücken durch.
«Sollen wir Cay schon mal ins Auto verfrachten?», schlägt er vor.
«Wir sollten erst einmal den Knöchel fixieren. Es tut ihm sonst weh, wenn er sich bewegt.»
Genau genommen wäre das Dads Aufgabe. Wo bleibt er?
«Er könnte hüpfen. Wir haben ihn ja so auch bis hierher gekriegt.»
«Ja, und es hat scheißweh getan!», ruft Cay dazwischen.
«Es sind nur zwei Meter bis zum Wagen. Das wirst du wohl überleben.»
«Ist der Fuß wirklich nur verstaucht?», frage ich.
«Woher soll ich das wissen?», fragt Cay gereizt zurück. «Dein Vater meinte, das Außenband könnte auch gerissen sein, aber ich denke, da sollte besser mal jemand draufschauen, der was davon versteht.»
«Darf ich mal sehen?» Ich trete vor und beuge mich über sein Bein. Nach kurzem Zögern schiebt Cay die Jogginghose hinauf, die er trägt. Der Knöchel ist geschwollen und beginnt bereits, sich bläulich zu verfärben.
«Du solltest das kühlen», sage ich. «Und ein Verband, der alles stabilisiert, kann auch nicht schaden.»
«Bist du Sanitäterin oder so?»
«Nein, bin ich nicht.» Ich habe mich bereits aufgerichtet, um zur Beifahrertür des Pick-ups zu gehen und den Erste-Hilfe-Rucksack zu holen. Als ich mich umdrehe, hat Cay das Hosenbein wieder heruntergestreift.
«Ich glaube, ich lass da lieber einen Arzt ran.»
«So ein Verband ist keine große Sache», erkläre ich, doch Cay starrt mich nur ablehnend an. Keine Ahnung, warum er sich so anstellt, aber ich kann ihm den Verband ja schlecht mit Gewalt anlegen.
«Dann kühle die Schwellung wenigstens.» Fast bin ich mir sicher, dass er das eisgekühlte Gelpack, das ich vorhin extra noch in den Rucksack geworfen habe, ignorieren wird, doch er nimmt es mir wortlos aus der Hand und legt es über seinen Knöchel. Seine behutsamen Bewegungen machen deutlich, dass es wirklich ziemlich weh tun muss.
«Willst du dich lieber ins Auto setzen?», fragt Jackson.
«Wir sollten auf meinen Vater warten», werfe ich ein. Garantiert wird Dad auf einen Verband bestehen, und hier draußen lässt sich das leichter erledigen. Cayden öffnet den Mund, und ich mache mich auf erneuten Widersprich gefasst, doch bevor es dazu kommen kann, ist endlich Dads Stimme zu hören. «Vom Bären ist nichts zu sehen.» Mit weit ausholenden Schritten kommt er über den Waldweg auf uns zu. «Die Spuren führen zurück in sein Revier. Ich fahr dich jetzt nach Jasper», erklärt er in Richtung Cay und wendet sich dann an Jackson. «Was ist mit dir? Willst du mit?»
«Pack lieber unser Zeug zusammen», wirft Cay ein. «Ist ja kein Notfall hier.»
«Bist du sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?», erwidert Jackson zögernd.
«Wozu denn? Willst du meine Hand halten oder was?»
«Nein, aber …»
«Haven, warum hast du ihm denn keinen Verband angelegt?» Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt mein Vater mir den Rucksack aus der Hand und holt eine der Pappschachteln mit den elastischen Verbänden heraus. Diesmal widerspricht Cay nicht, als Dad ihm das Hosenbein bis zum Knie hinaufschiebt und die kalte Kompresse schnell und sicher mit einer der selbsthaftenden Bandagen umwickelt. Keine Minute später ist er damit fertig und richtet sich auf. Er nickt Jackson zu, der neben Cay tritt und ihn gemeinsam mit meinem Vater vorsichtig in eine stehende Position bringt, um ihn anschließend ins Auto zu verfrachten. Die Tür schließt sich vor Cays Gesicht, ohne dass er mir auch nur noch einen Blick gegönnt hätte. Absurderweise fühle ich mich einen Moment lang so, als sei ich schuld an seiner Verletzung.
Im Vorübergehen legt mein Vater mir die Hand auf die Schulter. «Danke für deine Hilfe.»
«Kein Problem.»
«Bis nachher», brummt er noch, dann wirft er die Fahrertür zu und setzt den Wagen zurück.
Jackson und ich stehen schweigend nebeneinander und sehen zu, wie er wendet und langsam vom Parkplatz rollt.
Dann ist er weg. Und ich stehe hier und weiß nicht, ob es sehr unhöflich wäre, mich jetzt zu verabschieden, um nach Hause zu gehen.
JACKSON
W ieso treffe ich eine solche Frau ausgerechnet hier? Lebt sie in dieser Gegend? Vielleicht in Jasper? Aber warum ist sie dann nicht mit ihrem Vater zurückgefahren? Soll sie so lange in meiner Nähe bleiben, bis sicher ist, dass ich alles abgebaut habe und verschwunden bin? Erwartet man von mir jetzt eigentlich, dass ich den Park verlasse? Werden dämliche, wildcampende Touristen, die obendrein auch noch Bären anlocken, verscheucht?
Und – um darauf zurückzukommen: Wieso treffe ich eine solche Frau ausgerechnet hier? Ich meine – bisher war es meine größte Hoffnung, zwischen den Bäumen vielleicht mal einen Hirsch herumlaufen zu sehen oder so. Und dann läuft mir eine Frau über den Weg, die aussieht wie eine Waldamazone.
«Okay, also ich …», beginnt sie.
«Unser Zeltplatz liegt nicht weit von hier entfernt», sage ich im gleichen Moment.
Unschlüssig schaut sie mich an. Sie wirkt nicht so, als habe sie geplant, mich zu begleiten, um mich zu überwachen.
«Ich meine … ich bau alles ab und bin dann weg», füge ich hinzu.
«Okay.»
Irgendwie unbeholfen schiebt sie beide Hände in die Taschen ihrer Jeans. Keine knallengen Jeans, so wie jede Frau sie trägt, die ich kenne. Eher so was wie ein etwas zerschlissenes Männermodell, mit ausgefransten Hosenbeinen, die bis über ihre Stiefel reichen. Sie trägt dazu ein helles T-Shirt und ihre Haare – wie kann man solche Haare haben? Sie sehen zerzaust aus, wild und irgendwie so, als würden sie in der nächsten Sekunde in Flammen aufgehen. Diese Farbe. In einem tiefen, schimmernden Rot fallen sie ihr bis weit über die Schultern, fast bis zu den Hüften, und obwohl keine Strähne dieselbe Länge wie die anderen zu haben scheint, sieht es … ich meine, es sieht … einfach wahnsinnig aus. Ich möchte mit beiden Händen hineinfassen, um herauszufinden, ob sie sich trotz ihrer Windzerzaustheit weich anfühlen.
Habe ich gerade wirklich ‹Windzerzaustheit› gedacht?
Sie tritt einen Schritt zurück. «Gut, dann … also ich schätze, du kommst jetzt allein zurecht.»
Sie hat eine sehr helle Haut und keine Sommersprossen. Ich dachte immer, jeder rothaarige Mensch habe auch Sommersprossen, aber nachdem sie in diesem Fall eindeutig nicht unter einer Schicht Make-up liegen …
«Viel Spaß noch. Am besten, ihr campt das nächste Mal nicht abseits der dafür gekennzeichneten Plätze.»
Ich erwache aus der Versunkenheit, mit der ich sie wohl die letzten Sekunden angestarrt haben muss. «Danke. Ich meine … werden wir nicht. So wie’s aussieht, ist es für Cay ohnehin vorbei.»
«Ja, glaube ich auch.»
«Was ist mit mir? Muss ich eine Strafe zahlen oder so?»
«Hat mein Vater irgendetwas in dieser Richtung gesagt?»
«Nein.»
«Dann ist er wohl der Ansicht, ihr seid gestraft genug. Pack einfach euer Zeug und fertig.»
«Okay. Wollen wir zusammen frühstücken?»
«Was?»
Scheiße, das ist mir einfach rausgerutscht. Zusammen frühstücken. Ja, klar. Hier im Wald. Wir könnten Pilze essen oder Beeren, was ich beides noch nirgendwo gesehen habe, und ich mache uns eine Dose Erbsen dazu auf. Völlig absurd, und ihr entgeisterter Blick sagt mir genau das: Was bist du denn für ein Idiot?
Trotzdem setze ich noch einen drauf. «Na ja, ich könnte uns Bohnen anbraten. Mit Bacon. Oder lockt das den Bären wieder an? Wi
r könnten sonst auf irgendeinen Campingplatz gehen.» Auch wenn ich keine Ahnung habe, ob es in erreichbarer Nähe überhaupt einen Campingplatz gibt. Bisher haben Cay und ich uns mit solchen Feinheiten nicht weiter aufgehalten.
«Ich esse so was nicht.»
«Was?»
«Bacon.»
«Oh, dann vielleicht … keine Ahnung – Tee? Ich hätte auch Tee da. Und dazu … Bananen?»
«Tee und Bananen?»
Großartig, Jax, in deinem ganzen Leben hast du noch nie so elegant eine Frau angegraben.
«Ja, warum nicht? Vielleicht, bevor ich alles zusammenpacke? Oder isst du auch keine Bananen?»
Sie guckt mich an, als überlege sie, ob ich zurechnungsfähig bin. Versuchsweise grinse ich ein wenig breiter. Frauen mögen mein Grinsen, zumindest habe ich das schon ein paar Male gehört.
«Also … ich glaube, ich gehe lieber nach Hause.»
«Klar.» Enttäuschung nicht anmerken lassen. War ohnehin alles viel zu unüberlegt und genau genommen eine eher dämliche Aktion. «Du hast vermutlich auch schon längst gefrühstückt.» Herrgott, hör endlich auf, Jax!
«Nein, das nicht, aber …»
Sie sucht so offensichtlich nach Worten, um sich aus dieser peinlichen Situation herauszumanövrieren, dass es mir endgültig leidtut, so hartnäckig gewesen zu sein.
«Schon okay, vergiss es. Tut mir leid, ich weiß auch nicht … ich packe jetzt einfach, okay?»
«Okay», erwidert sie eindeutig erleichtert.
«Dann … also bis irgendwann mal vielleicht.»
«Ja. Bis irgendwann mal. Bleibst du denn noch, oder brichst du die Tour ab?»
«Ich weiß nicht. Wäre es in Ordnung, wenn ich noch bliebe?»
«Natürlich, warum nicht?» Jetzt sieht sie wieder verwirrt aus.
Ja, warum nicht? Es wäre schade, nach nicht einmal zwei Tagen wieder nach Hause zu fahren. Klar, Cayden wird erwarten, dass wir zusammen abreisen. Andererseits hat er selbst gesagt, er braucht mich nicht zum Händchenhalten.
«Kerkeslin ist übrigens ganz in der Nähe. Falls du nach einem Campingplatz suchst. Aber du musst erst nach Jasper, oder? Dann würde ich dir Wabasso oder auch den Wapiti Campground empfehlen. Auf beiden bekommst du mit großer Wahrscheinlichkeit einen Zeltplatz.» Sie hält inne, als sei ihr gerade aufgegangen, dass die Gefahr besteht, ich könne sie bitten, mir den Weg zu zeigen. «Also, dann hab noch ein paar schöne Tage.»