001 - Wild like a River
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«Du solltest ihm das sagen.» Haven hat sich mittlerweile auch das weite Shirt wieder übergezogen und setzt sich zu mir auf die Bettkante. «Also, dass dich das stört.»
«Denkst du im Ernst, das hätte ich noch nie getan?»
«Na ja, aber dann … wieso tut er es trotzdem?»
Gute Frage. Weil es eben Cayden ist. Ganz offenbar habe ich mich schon so an sein egozentrisches Verhalten gewöhnt, dass ich es bei vielen Punkten mittlerweile aufgegeben habe, mit ihm zu diskutieren.
«Er denkt einfach nicht nach», sage ich. Gott, jetzt rechtfertige ich Caydens dämliches Verhalten auch noch. Nein, Moment, eigentlich rechtfertige ich mich.
«Gehört das Haus ihm?», will Haven wissen und spricht damit etwas an, worüber ich neulich selbst schon einmal nachgedacht habe.
«Seinen Eltern, aber das kommt wohl aufs selbe raus.»
«Aber du zahlst für das Zimmer, oder?»
«Natürlich.» Genau genommen übernehmen das meine Eltern, aber egal.
«Na, dann …» Haven ist die Suche nach diplomatischen Worten anzusehen.
«Ja, du hast recht», sage ich, damit sie damit aufhören kann. «Ich klär das.»
«Er ist dein bester Freund, oder?»
«Ja.»
«Warum?»
«Was meinst du mit ‹Warum›?»
«Wie kam es, dass ihr beste Freunde wurdet? Kennt ihr euch schon lange?»
«Mittlerweile über drei Jahre. Ich habe ihn in meiner ersten Woche am Rutherford kennengelernt, da hat er jemanden für das Zimmer gesucht.»
«Und dann hat es einfach gut zwischen euch gepasst.»
«Also, erst mal ging es mir nur um das Zimmer», gebe ich zu. «Aber im Laufe der Zeit wächst man halt zusammen.»
Haven nickt. «Sind das hier eigentlich alles deine Sachen?»
«Nein. Das meiste stand schon drin.»
«Gefällt es dir?»
«Ob es mir gefällt?» Ich sehe mich um. «Na ja, man überlegt bei einem möblierten Zimmer eigentlich nicht, ob es einem gefällt.»
«Nicht? Wieso nicht?»
«Weil man nichts daran ändern kann. Man übernimmt es eben möbliert. Es war praktisch, ich musste nix kaufen.»
«Aber das Bild gehört dir, oder?»
Ich starre Haven an. Entweder ist sie mir jetzt unheimlich, oder das, was mir gefällt, unterscheidet sich sehr auffällig von Caydens Stil.
«Das gehört mir, ja», bestätige ich. «Ich hab’s mir vor zwei Jahren gekauft.»
«Es ist schön.» Sie steht auf und greift nach ihrem Album. «Ich denke, ich fahr dann mal wieder. Es ist schon ziemlich spät.»
Fast halb zehn. Wie man’s nimmt. Ich ziehe mein Shirt zu mir heran.
«Du musst mich nicht bringen. Ich weiß, wie ich zurückkomme.»
«Ich bring dich trotzdem, okay?»
«Jackson. Glaubst du mir nicht, dass ich zurück zu Carolines Haus finde?»
«Doch, natürlich», erwidere ich und gehe an ihr vorbei zur Tür. «Aber ich möchte einfach gern, und danach vermisse ich dich bis morgen. Ist das okay?»
Und außerdem überlasse ich dich gern Edmontons öffentlichem Verkehrsnetz, aber nicht nach Einbruch der Dunkelheit in deiner allerersten Woche hier.
Haven lacht auf und stößt mir spielerisch eine Faust gegen den Arm. «Okay, wenn das so ist.»
Sie läuft in den Flur und stockt an der Schwelle zum Wohnzimmer, doch Cayden ist nirgends zu sehen. Entweder er ist schon auf der Party, oder er schämt sich in seinem Zimmer in Grund und Boden. Wahrscheinlich Ersteres. Meine Vermutung bestätigt sich, als ich die Straße vergeblich nach Caydens Wagen absuche.
Der Abschied von Haven fällt heute nicht so leidenschaftlich aus, wie ich mir das erhofft habe. Ein kurzer, süßer Kuss, dann löst Haven bereits den Gurt und öffnet die Wagentür.
«Wir treffen uns morgen wieder in der Mensa? Nach meinem ersten Seminar?», fragt sie beim Austeigen.
«Genau.»
Sie lächelt, ein letztes Winken, dann fällt die Tür ins Schloss, und ich sehe ihr nach, wie sie zum Haus läuft.
Ob dieser Jon ihr morgen wieder an den Fersen kleben wird?
Auf halbem Weg zurück fällt mir ein, dass ich Dylan fragen wollte, ob er in den nächsten Tagen nicht mal in der Mensa vorbeischauen will. Debbie könnte er gleich mitbringen. Diese Nachricht schreibe ich, zu Hause angekommen, gleich als Erstes, dann mache ich mir ein paar Sandwiches und trage den schwankenden Stapel ins Wohnzimmer, wo ich mich aufs Sofa fallen lasse und nach der Fernbedienung greife. Keine Ahnung, wie spät es wird, bis Cayden wieder auftaucht, aber ich werde warten.
Nachlässig zappe ich mich durchs Programm, bevor ich am ersten Teil von Matrix hängenbleibe. Was für ein uralter Film, tausendmal gesehen.
Die Fernbedienung landet auf den Polstern neben mir, und ich greife nach dem Sandwichteller.
Einmal mehr schadet auch nicht.
Noch bevor Neo erfährt, dass die Welt, in der er zu leben glaubt, lediglich eine Simulation ist und er nur ein Sklave in einem computergenerierten Traum, wandern meine Gedanken zurück zum frühen Abend. Wieder und wieder sehe ich Haven vor mir, die ihr Bein über meine Hüften schwingt, Haven, die sich das Shirt über den Kopf zieht und ihre dichte Mähne, die ihr dabei über die Schultern fällt. Wenn sie mich ansieht, beginne ich nach Antworten auf Fragen zu suchen, die sie noch gar nicht gestellt hat. Warum das alles passiert und wie es sein kann, dass mir jemand in so kurzer Zeit so viel bedeutet. Plötzlich ist der Spruch, den ich vorhin gebracht habe, kein Spruch mehr. Ich vermisse sie wirklich.
Das ist verrückt. Vor nicht einmal einer Stunde habe ich sie noch gesehen, und jetzt sitze ich hier, vermisse sie und freue mich auf morgen. Darauf, sie in der Mensa zu treffen und auf das Eiscafé am Nachmittag.
Und auf die Stunden, die wir danach vielleicht noch haben, freue ich mich ebenfalls. Im Übrigen werde ich wahnsinnig werden, sollte Haven demnächst tatsächlich mal auf den Gedanken kommen, den BH auszuziehen. Oder die Jeans.
Dabei stelle ich mir noch nicht einmal vor, wie es wäre, mit ihr zu schlafen. Ich meine, mit jemandem zu schlafen, für den man das empfindet, was ich für Haven empfinde – fuck. Keine Ahnung, was dann passieren wird. Die Welt wird sich atomisieren, vermutlich.
Als Geräusche im unteren Stockwerk darauf hinweisen, dass Cayden endlich zurück ist, ist es fast zwei Uhr. Mag sein, dass ich zwischendurch mal geschlafen habe, an den Film, der in diesem Moment läuft, kann ich mich jedenfalls nicht erinnern, jetzt allerdings bin ich schlagartig hellwach.
Im nächsten Augenblick höre ich Kaylee lachen, doch ich muss nicht lange darüber nachdenken, ob ich das, was ich Cayden zu sagen habe, deshalb auf einen anderen Tag verschieben soll.
«Hey, du bist noch wach?» Caydens Kopf erscheint auf der Wendeltreppe. «Wo ist Haven? Nicht mehr da?»
«Wenn du noch ein einziges Mal ohne zu klopfen in mein Zimmer platzt, bin ich weg.»
«Hey. Entspann dich.»
Irritiert runzelt Cayden die Stirn, während er die letzten Stufen hinaufsteigt, dicht gefolgt von Kaylee, die mir ein gutgelauntes Lächeln zuwirft, weil sie noch nicht kapiert hat, dass Cayden und ich hier etwas klären müssen, das garantiert nicht für gute Laune sorgt.
«Ich mein’s ernst.»
«Entschuldigung, okay? Ich bin nicht davon ausgegangen …»
«Ist doch völlig egal, wovon du ausgehst – klopf gefälligst an. Bin ich jemals in dein Zimmer gekommen, ohne anzuklopfen?»
«Ja, ist ja gut. Jetzt mach hier nicht so ’ne Welle.» Missmutig schlurft Cayden an mir vorbei, bückt sich nach einem übriggebliebenen Sandwich und winkt Kaylee zu sich, die bei der Treppe stehen geblieben ist.
«Alles okay bei euch?», will sie wissen. «Soll ich lieber wieder fahren?»
«Nein, Quatsch», sagt Cayden. «Das hat mit dir gar nichts zu tun. Jackson hat in letzter Zeit nur ständig was zu meckern.»
«Klopf an, du Arsch, dann gibt’s auch nix zu meckern.» Ich hieve mich aus den Polstern und nicke Kaylee zu, bevor ich den Weg zu meinem Zimmer einschlage. «Viel Spaß noch. Ihr könnt ganz entsp
annt sein, ich bin nicht so der Typ für Racheakte. Aber vielleicht stellst du dir mal vor, Cay, wie es wäre, wenn du in den nächsten Stunden nicht sicher sein könntest, ob ich bei euch reinplatze oder nicht.»
Caydens Antwort ist nicht zu verstehen. Vermutlich besser so.
In meinem Zimmer werfe ich einen Blick auf mein Smartphone. Eine Nachricht von Stella, in der sie sich für ihr Verhalten auf Kaylees Party entschuldigt, warum auch immer sie meint, das tun zu müssen. Eine weitere Nachricht von Dylan, der sich darauf freut, Haven kennenzulernen.
Und eine Nachricht von Haven selbst.
Ich musste noch nie so oft an jemanden denken.
Kurz überlege ich, ob ich auf ihre Nachricht mit irgendetwas in Richtung ‹Hoffentlich führt das nicht zu Albträumen› antworten soll. Nein.
Ich auch nicht.
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HAVEN
I ch brauche noch eine zweite Jeans. Vielleicht auch noch gleich eine dritte. Mit diesem Gedanken stehe ich in der Küche und warte darauf, dass mein Teewasser heiß wird. Keine Ahnung, warum ich nicht gleich mehrere Hosen gekauft habe – ist doch klar, dass diese hier irgendwann mal gewaschen werden muss. Ich könnte Rae anrufen und sie fragen, ob sie Lust hat, mich zu begleiten. Sie hat mir tatsächlich ihre Telefonnummer gegeben, als ich sie aus einer Eingebung heraus darum gebeten habe. Oder ich frage Jon. Dessen Nummer besitze ich ja ebenfalls.
Über mir höre ich es rumoren. Lucy ist heute nicht in der Schule. Sie fühlt sich nicht wohl, und fast wünschte ich, sie würde oben in ihrem Zimmer bleiben, bis ich gegangen bin. Dass wir uns als Kinder mal mochten, kommt mir inzwischen regelrecht absurd vor.
Seit dem Telefongespräch, das ich versehentlich mitangehört habe, sind wir uns nicht begegnet, und wenn es nach mir ginge, könnte ich auch weiterhin darauf verzichten.
Es ist wirklich lächerlich. Ich habe Angst vor meiner sechzehnjährigen Cousine.
Sie kommt durch die Tür, als ich gerade die Teetasse in die Spülmaschine stelle, geht an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen, und reißt den Kühlschrank auf. Nach wenigen Sekunden schlägt sie ihn wieder zu, öffnet als Nächstes die Tür zu Carolines riesigem Vorratsschrank und holt eine große Tüte Chips daraus hervor. Sekunden später ist sie mit ihrer raschelnden Beute wieder verschwunden. Kein einziges Wort haben wir miteinander gewechselt. Vielleicht hätte wenigstens ich ‹Guten Morgen› sagen sollen, doch meine kleine Cousine verhält sich derart abweisend, dass es mir nicht über die Lippen kommen will.
Ehrlich gesagt habe ich ein wenig darauf gehofft, Lucy würden meine neuen Kleider auffallen – letzten Endes habe ich sie nur aufgrund ihrer Äußerungen gekauft. Doch falls sie etwas bemerkt hat, ließ sie es sich nicht durch die kleinste Geste anmerken.
Abgesehen von Jacksons Nachricht habe ich heute Morgen noch eine bekommen. Die erste, die nicht von Jackson oder Dad stammt. Jon hat mir geschrieben und gefragt, wie mein Stundenplan heute aussieht, und ich fotografiere ihm den Zettel ab, bevor ich meine Sachen zusammensuche und die Haustür hinter mir schließe.
Im Bus frage ich mich, ob Jon schon so etwas wie ein Freund ist, und motiviert durch seine Nachricht – Freunde schreiben einander –, frage ich Rae tatsächlich, ob sie Lust hätte, sich noch einmal mit mir in der Southgate Mall zu treffen.
Ihre Antwort kommt überraschend schnell.
Hi Haven, ja klar, gern.
Wann hättest du denn Zeit?
Ein paar Tastenklicks später bin ich für Samstagnachmittag mit Rae verabredet.
Ich. Verabredet.
Mein Hochgefühl steigert sich sogar noch, als ich in dem Raum, in dem heute mein erstes Seminar stattfindet, Jon an einem der Tische entdecke. Es ist mein zweiter Tag an dieser Universität, und ich kann bereits jetzt ganz selbstverständlich auf jemanden zugehen und mich neben ihn setzen, und zwar in Klamotten, die nicht dazu führen, dass mir dabei abfällige Blicke folgen – das ist doch ein echter Erfolg!
«Hi!» Noch immer beschwingt, strahle ich Jon an. «Wie nett, dass wir uns hier treffen. Ist der Platz neben dir noch frei?»
«Oh, hi!» Jon sieht ebenso angenehm überrascht aus, wie ich mich gerade bei seinem Anblick gefühlt habe. «Ist frei, setz dich. Das ist ja eine Überraschung.»
«Wusstet du nicht, dass ich dieses Seminar belegt habe? Du hast doch meinen Stundenplan.»
Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und überkreuzt seine langen Beine unter dem Tisch. «Ich bin natürlich noch gar nicht dazu gekommen, mir den anzugucken», sagt er grinsend.
«Ach so.» Ich bücke mich nach meinem Rucksack, und als ich mir Stift und Papier zurechtgelegt habe, mustert er mich immer noch, diesmal mit einem leichten Stirnrunzeln. Habe ich was Blödes gesagt? Irgendetwas übersehen?
Vorsichtig lächle ich ihm zu, woraufhin er nickt und sein Grinsen zu ihm zurückkehrt.
Irgendeine Form der Kommunikation hat gerade zwischen uns stattgefunden, nur leider habe ich nicht die geringste Ahnung, was für eine. Entsprechend erleichtert bin ich, als in diesem Moment die Dozentin des Kurses hereinkommt, ihren Laptop aufklappt und kurz darauf ein riesiges Diagramm auf der freien Fläche hinter ihr erscheint.
«Meine Damen und Herren», sie tritt einen Schritt zur Seite. «Bitte werfen Sie einen Blick auf die Kurve der Strahlungsbilanz.»
Ich rücke näher an den Tisch und greife nach meinem Stift.
«Das findest du alles online», sagt Jon. Im Gegensatz zu mir sitzt er noch genauso entspannt da wie gerade eben, ohne irgendwelche Anstalten zu machen mitzuschreiben.
Ich nicke. «Weiß ich. Aber ich behalte es leichter, wenn ich es gleich in meinen Worten zusammenfasse.»
Daraufhin hebt Jon nur die Augenbrauen, doch fürs Erste mache ich mir nicht die Mühe, das nun wieder dechiffrieren zu wollen, sonst verliere ich den Anschluss.
Erst als ich den Stift am Ende der Stunde sinken lasse, blicke ich wieder zur Seite. Jon hält unter dem Tisch sein Smartphone in den Händen, und was auch immer er da tut, mit den Inhalten des Seminars hat es vermutlich nicht allzu viel zu tun. Warum sitzt er hier, wenn es ihn offensichtlich nicht interessiert?
Er sieht auf, weil Bewegung in den Raum kommt, und steckt das Handy in die Umhängetasche, die er sich beim Aufstehen über die Schulter wirft.
«Du nimmst das richtig ernst, oder?», fragt er, während wir den Raum zusammen verlassen.
Was meint er? Den Kurs? Natürlich nehme ich den ernst. Für dieses Seminar habe ich mich gegen ein anderes entschieden, das ich auch gern besucht hätte, also werde ich bestimmt nicht irgendwelche Onlinegames spielen.
«Du nicht?», entscheide ich mich für eine Gegenfrage.
«Nicht unbedingt, nein», erwidert er, und mittlerweile wüsste ich wirklich gern, was es da schon wieder zu grinsen gibt.
«Warum hast du dich dann für das Seminar eingetragen?»
«Hab ich gar nicht.»
«Aber …»
«Warte mal», unterbricht er mich. «Du denkst das wirklich, oder? Dass ich zufällig in diesem Seminar sitze.»
«Na … sicher.» Verwirrt starre ich ihn an. Das hat er doch vorhin selbst behauptet.
Jon lacht auf und macht mir dadurch erneut klar, dass ich wesentliche Teile unseres Gesprächs offenbar einfach nicht kapiere.
Nebeneinander laufen wir die Treppen hinunter in Richtung der großen Eingangshalle, durch die ich gestern das Gebäude verlassen habe. Von hier aus weiß ich, wie ich zur Mensa komme.
«Okay», nimmt Jon unten den Faden wir auf. «Ich bin gerade echt nicht sicher, ob du mich veralberst.»
«Tu ich nicht», versichere ich und beschließe, ihm nicht zu zeigen, wie verunsichert ich mittlerweile bin, indem ich grinse. «Also, was hab ich offenbar verpasst?»
«Eigentlich bin ich nur wegen dir da.»
«Okay …» Das ist nett. Oder? Aber auch ein bisschen dämlich, immerhin könnten wir uns auch außerhalb irgendwelcher Seminare treffen. So ist das doch die pure Zeitverschwendung für ihn.
Wir erreichen die Mensa, und er hält mir einen Flügel der Glastür auf. Jackson wartet genau dort, wo wir uns gestern getroffen haben, und bei seinem Anblick
fällt die Verwirrung ein Stück weit von mir ab, in die mich das Gespräch mit Jon gestürzt hat.
«Das ist dein Freund, oder?»
«Ja», bestätige ich. «Jackson. Ihr habt euch gestern …»
«Ja, klar», fällt Jon mir ins Wort. «Ich wollte nur noch mal nachfragen. So ganz schlau werde ich aus dir nicht.»
Das sagt ausgerechnet er.
Jackson hat uns mittlerweile ebenfalls entdeckt und kommt auf uns zu. Aus irgendeinem Grund sieht er nicht besonders zufrieden aus.
«Okay, bis dann – wir sehen uns später.» Jon hebt die Hand. «Ich glaube, wir haben tatsächlich noch den einen oder anderen Kurs zusammen.» Bevor Jackson uns erreicht hat, ist die Tür hinter ihm geräuschlos zugefallen.
Was auch immer ich in Jacksons Gesicht zu sehen geglaubt habe, ist verschwunden, als er vor mir steht. «Hey …»
Jackson zu küssen ist jedes Mal ein bisschen wie fliegen. Alles in mir fühlt sich leicht an, und für den Moment tritt jeder andere Gedanke in den Hintergrund.
Er legt mir einen Arm um die Schultern und zieht mich mit sich. «Du wolltest doch meine Freunde kennenlernen – willst du das immer noch?»
«Natürlich.»
Meine Antwort kommt spontan, und ich meine es auch so, trotzdem bin ich in derselben Sekunde plötzlich aufgeregt.
Ich hoffe, Jacksons Freunde mögen mich. Ich hoffe, ich sage nichts Blödes. Und irgendwie hoffe ich außerdem, dass Cayden nicht dabei sein wird.
«Das ist Dylan.» Jackson ist neben einem schmalen Typen stehen geblieben, der sich jetzt von seinem Stuhl erhebt. Er ist nicht viel größer als ich, und ich mag sofort sein freundliches Gesicht.
«Hi, Haven. Schön, dich kennenzulernen.»
«Hallo. Ich freu mich auch.» Was jetzt? Was sage ich jetzt? Ich will so unbedingt einen guten ersten Eindruck machen … «Jackson hat schon viel von dir erzählt.» Was für eine Floskel, und sie stimmt nicht einmal.