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001 - Wild like a River

Page 23

by Kira Mohn


  «Klingt schräg, aber wer weiß das schon. Brauchst du die Karte, oder bestellst du den Eisbecher auf dem Foto?»

  «Den Eisbecher vom Foto. Wollen wir ihn uns teilen? Ich glaube, für mich allein ist der zu groß.»

  «Das hast du damals aber nicht gedacht.»

  «Nein, vermutlich nicht», stimme ich zu und erwidere Jacksons Grinsen.

  Wie beinahe schon erwartet, gibt es in der Karte keinen Eisbecher, der zu dem Bild aus meinem Album passen würde, doch die nette Bedienung sieht sich das Foto genau an und versichert mir, sie werde versuchen, einen möglichst ähnlichen Becher zusammenzustellen. Als sie ihn uns bringt, rutscht Jackson von seinem Platz und zückt sein Smartphone.

  Es ist wirklich verrückt. Der Eisbecher sieht aus, als habe ihn jemand aus dem Foto herausgenommen und vor mich auf den Tisch gestellt. Sogar die Schale aus rotem Glas ist dieselbe.

  «Du musst den Löffel in die Hand nehmen.»

  «Was?»

  «Du musst den Löffel in die Hand nehmen», wiederholt Jackson. «Und ungefähr so gucken.»

  Er reißt die Augen weit auf und klappt den Kiefer nach unten. Mit einem verlegenen Kichern schlage ich mir die Hand vor den Mund. Wir fallen bestimmt viel zu sehr auf.

  Bevor Jackson seine Anweisung noch einmal wiederholen kann, verkneife ich mir jedes weitere Lachen, schnappe mir den Löffel und starre den Eisbecher mit offenem Mund fasziniert an.

  «Perfekt.» Jackson sieht höchst zufrieden aus, als er sich wieder zu mir an den Tisch setzt und seinerseits nach dem zweiten Löffel greift, der noch auf der Serviette liegt. «Schau.»

  Er hält mir das Smartphone vor die Nase, und ich muss schon wieder lachen, als ich die Bilder sehe, die er gemacht hat. Ein bisschen irre ist das schon, und gleichzeitig berührt es mich.

  «Beim nächsten Bild könntest du auch noch ähnliche Klamotten anziehen», bemerkt Jackson, und ich denke kurz darüber nach. Mal sehen, vielleicht mache ich das sogar. Was ist überhaupt das nächste Bild?

  Während Jackson sich dem Eisbecher widmet, schlage ich das Album auf. Hinter der Seite mit dem Foto in der Eisdiele gibt es Fotos von mir auf einem Spielplatz und auf dem Fahrersitz eines Autos. Ich bin sechs, gucke aber so ernsthaft, als würde ich gerade selbst einen Gefahrguttransporter fahren. Daneben ist ein Bild von mir und Mum von hinten, Hand in Hand laufen wir über eine Blumenwiese, und in diesem Moment flattert eine Erinnerung durch meinen Kopf, wie ein kleiner Vogel, der hektisch gegen die Wände stößt und dadurch immer mehr Synapsen aktiviert. Es war bei einem Ausflug, Dad hatte den Wagen einfach am Straßenrand geparkt, weil meine Mutter beim Anblick der blumenübersäten Wiese plötzlich auf die Idee kam, einen Strauß zu pflücken. Bis zum Abend sei bestimmt alles verwelkt, hat Dad gesagt, doch sie lachte nur, und ich wollte unbedingt mit. Auf dem Bild sehe ich zu ihr hoch, ich weiß noch, dass sie sagte, man müsse jeden Moment nutzen, jeden kostbaren Moment …

  Abrupt schlage ich das Album zu.

  «Haven?» Jackson lässt den Löffel sinken, der sich auf halbem Weg zu seinem Mund befand. «Alles okay?»

  «Ich weiß nicht.» Der Vogel in meinem Kopf flattert immer noch, aber ich will ihn da jetzt raushaben. Irgendetwas an der Erinnerung von eben war bedrückend, ohne dass ich zu fassen bekäme, was genau, und vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Sonne, Blumen, meine Mum und ich Hand in Hand. Es war ein schöner Tag, und doch …

  Fahrig schlage ich das Album wieder auf und blättere über das Bild mit der Blumenwiese hinweg.

  «Das hier. Das könnten wir doch nachstellen, oder?», sage ich und zeige auf das erstbeste Bild. Darauf stehe ich vor einem Springbrunnen, im Hintergrund ist ein imposantes Gebäude zu sehen.

  Jackson wirft einen Blick darauf. «Das ist das Parlament – klar, das können wir. Heute noch? Von hier aus sind es keine zehn Minuten.»

  Ich wende den Blick vom Foto ab und sehe Jackson an, der sich gerade einen Löffel rosa Eis in den Mund schiebt, und ein tiefes, warmes, alles überflutendes Gefühl steigt in mir auf. Er hat beschlossen, mir dabei zu helfen, meine Vergangenheit wiederzufinden, und er tut es, ohne Forderungen und ohne Fragen zu stellen … er will einfach für mich da sein.

  Seine Lippen sind kühl, und er schmeckt nach Himbeereis. Ich kann spüren, wie dieses überwältigende Gefühl auch von ihm Besitz ergreift. Jackson begegnet zu sein ist ein Geschenk, und wem auch immer ich dafür danken muss – danke.

  JACKSON

  D as schwache Licht, das mein Zimmer durchs Fenster erhellt, lässt darauf schließen, dass der Mond am Himmel steht, sehen kann ich ihn nicht. Noch immer voll bekleidet, sitze ich auf meinem Bett, den Rücken gegen das Kopfteil gelehnt, die Hände im Nacken verschränkt, und starre auf die nächtliche Fassade des Nachbarhaues. Neben mir stapeln sich Bücher und Unterlagen zum Thema der Vorlesung, die ich heute versäumt und in denen ich gelesen habe, bis meine Gedanken endgültig abgeglitten sind.

  Ich habe Haven heute noch vor dem Springbrunnen beim Parlamentsgebäude fotografiert, und es hat eine Weile gedauert, bis wir beide der Meinung waren, Winkel und Position seien perfekt getroffen. Das kleine Mädchen, das Haven mal war, steht auf dem alten Foto lachend genau vor der in der Mitte des Bassins hervorsprudelnden Fontäne, einen Arm zur Seite gestreckt, als würde es uns das Schauspiel präsentieren. Am Anfang hat Haven sich noch nach den Leuten umgesehen, von denen manche uns dabei beobachtet haben, wie wir versuchten, das perfekte Bild nachzustellen. Aber irgendwann waren sie ihr genauso egal wie mir. Es sind ja nur Leute. Also – für mich sind es nur Leute. Für Haven spielen sie eine Rolle.

  Genau wie ich in Jasper versucht sie, alles in sich aufzunehmen, nichts zu verpassen, doch mir gab der Wald Ruhe. Das Gefühl, zu mir selbst zu finden.

  Das ist bei Haven anders. Einerseits ist sie ebenfalls dabei, sich selbst zu finden. Andererseits präsentiert eine Stadt wie Edmonton – obwohl es wirklich nicht die schnellste Stadt dieser Erde ist – jemandem wie ihr eben doch im Sekundentakt neue Eindrücke. Und dazu noch solche Situationen wie die mit Stella heute Morgen. Oder ihre Cousine … ich glaube nicht, dass Haven sich jemals zuvor so oft gefragt hat, wie sie auf andere wirkt.

  Wir haben nicht mehr über Stella gesprochen. Keiner von uns hat daran gedacht, dass Haven eigentlich mehr über sie und die anderen erfahren wollte. Aber was gäbe es da schon großartig zu erzählen? Viel wichtiger scheint mir die Frage, was das Bild von ihr und ihrer Mutter auf der Wiese in ihr ausgelöst hat. Es war offensichtlich – sie schlug das Buch so heftig zu, dass mehrere Leute an den Nachbartischen sich zu uns umdrehten, und das ist ihr nicht mal aufgefallen. Irgendetwas muss vor oder nach dieser friedlichen Momentaufnahme passiert sein, doch Haven hat ganz und gar nicht so gewirkt, als wolle sie dieser Erinnerung nachgehen.

  Und warum sollte sie auch? Wer hängt schon gern traurigen Ereignissen nach oder Situationen, in denen man sich geärgert hat? Oder zerfasert sich in Zweifeln, weil klarsichtige Mitbewohner einen darauf stoßen, dass Haven ihre Wahl hier in der Stadt noch einmal neu überdenken könnte?

  Mit der Frage, ob ich der Richtige für einen anderen Menschen bin, habe ich mich noch nie auseinandergesetzt. Wenn sich zeigt, dass eine Beziehung doch nicht so gut passt, trennt man sich eben wieder, ganz einfach. Manchmal schmerzt es eine Weile, und manchmal fühlt man sich danach ziemlich bescheuert, aber es ist kein Drama. Doch allein der Gedanke daran, Haven könne sich gegen mich entscheiden, besitzt bereits eine Wucht, die mir klarmacht, dass es verflucht weh tun würde. Lange. Es wäre vergleichbar mit der Zeit nach Lynn, wenn auch auf einer völlig anderen Ebene.

  Um Lynn habe ich nicht gekämpft, und das bereue ich mittlerweile. Genau genommen habe ich nicht darum gekämpft, das beschädigte Vertrauen zwischen uns wiederherzustellen, und ich bin sogar noch einen Schritt weitergegangen und habe Lynns Versuche, unsere Freundschaft zu retten, abgewehrt. Sie hat genauso gelitten wie ich, vermutlich sogar mehr, denn in den Augen aller war sie diejenige, die unsere Beziehung zerstört hat. Dabei hat es unsere Beziehung, so wie alle sie sehen wollten, nie gegeben.

  Ich stehe auf, und eines der Bücher rutscht von der Matratze. Mit
einem dumpfen Poltern landet es auf dem Boden, und dort lasse ich es liegen, gehe achtlos daran vorbei ins Badezimmer.

  Die Neonröhren links und rechts vom Spiegel erhellen schwarze Fliesen, einen weißen Duschvorhang und mein Gesicht. Das Gesicht eines Mannes, der sich mal wieder rasieren müsste und zwischen dessen Augenbrauen eine steile Falte zu sehen ist. Mit beiden Händen schiebe ich mir die Haare aus der Stirn und starre mich an, dann umfasse ich den Rand des Waschbeckens und senke den Blick.

  Es ist nicht nur die Tatsache, dass Haven sich gegen mich und für jemand anderen entscheiden könnte, die mich beunruhigt, es ist mehr. Doch worin dieses Mehr besteht … keine Ahnung. Vielleicht will ich das auch gar nicht wissen, so wie Haven ihren Blick nicht zurück zu einem sonnigen Tag auf einer Blumenwiese lenken will.

  Ich habe das Gefühl, wüsste ich es, würden sich viele Dinge plötzlich verändern. Verändern müssen.

  Was vielleicht nicht mal das Schlimmste wäre. Nicht so schlimm wie die Tatsache jedenfalls, dass mir mit Sicherheit nicht gefallen würde, was es über mich aussagt.

  24

  HAVEN

  D ie nächsten Tage verlaufen alle nach einem ähnlichen Muster. Morgens trinke ich in der Küche einen Tee, und wenn ich dabei Lucy begegne, werde ich von ihr weiterhin eisern ignoriert. Mehrere Male überwinde ich mich und spreche sie an, um das Eis zu brechen und irgendein Gespräch mit ihr zu beginnen. Doch auf jeden meiner aufgesetzt unbekümmerten Kontaktversuche antwortet sie nur einsilbig, wenn überhaupt. Am liebsten würde ich sie fragen, was sie denn noch immer für ein Problem mit mir hat, doch mein Stolz lässt das nicht zu. Ich laufe ihr ohnehin schon hinterher. Wäre es mit ihr doch so unkompliziert wie mit Sam, dem es fast gelingt, Lucys Ablehnung durch rührende Geschenke zu kompensieren. In seiner Schule arbeiten sie im Kunstunterricht gerade mit Ton, und in meinem noch immer leeren Bücherregal stehen mittlerweile ein Hase, ein Löwe und ein Bär, deutlich zu erkennen an den langen Ohren, der Mähne und der Tatsache, dass der runde Knödel mit vier Beinen natürlich nur ein Grizzly sein kann, wie Sam mir erklärte. Ich habe mich über jedes einzelne Tierchen gefreut und bin schon gespannt auf das nächste.

  Kurz habe ich überlegt, Dad davon zu erzählen. Es fühlt sich falsch an, mich nicht bei ihm zu melden, doch es fühlt sich auch falsch an, Nichtigkeiten vorzuschieben, wenn andere Dinge nach wie vor unausgesprochen sind. Dass ich mit Jackson auf der Suche nach den Orten bin, die ich in dem Fotoalbum entdecke, oder dass wir oft in einem der großen Parks im Flusstal des North Saskatchewan River unterwegs sind – es gibt dort unzählige Wanderwege, und obwohl es sich nicht mit den verschlungenen Pfaden zu Hause vergleichen lässt, weil man hier jeder Menge Radfahrern, Inline-skatern, Joggern oder ganz einfach Spaziergängern wie uns begegnet, genieße ich es, unter Ulmen und Kiefern und Pappeln und anderen Bäumen entlangzuschlendern. Ich möchte Dad an allem teilhaben lassen, doch noch immer gärt hilfloser Groll in mir, und dass ich ihm nichts von meinem Leben in Edmonton erzählen kann, nehme ich ihm auch übel. Hätte er nicht versucht, mich von genau diesem Leben abzuhalten …

  Rae schleppt mich wie verabredet in der Southgate Mall durch so viele Läden, dass ich nach einigen Stunden durch beinahe nichts mehr von anderen Besuchern mit ihren tausend Tüten und Taschen zu unterscheiden bin. Als ich sie beim Abschied frage, ob wir uns noch einmal miteinander verabreden wollen, stimmt sie zu. Das würden wohl weder Lucy noch Stella, noch Kaylee tun. Auch Dylans Freundin Debbie wirkte bei unserem einen Treffen nicht so, als wolle sie mich näher kennenlernen. Ihr und Dylan bin ich am Freitag zufällig in der Mensa über den Weg gelaufen, und während Dylan mich über Jasper ausfragte, saß Debbie schweigend daneben. Hätte sie noch ein Smartphone in den Händen gehalten, wäre sie Lucy nicht unähnlich gewesen.

  Inzwischen ist Sonntagabend, Jackson und ich haben es uns in meinem Zimmer auf dem Bett bequem gemacht, und gerade habe ich ihm von der Begegnung erzählt, nachdem ich das zwei Tage habe sacken lassen.

  «Debbie ist nur zurückhaltend», meint Jackson schließlich dazu.

  «Sie hat mich kein einziges Mal auch nur etwas länger angesehen.»

  «Sie braucht immer eine Weile, um mit jemandem warm zu werden.»

  «Sie ist nicht vielleicht doch enger mit Stella befreundet?»

  «Nein.»

  «Aber warum redet sie dann nicht mit mir?»

  Bisher hatte Jacksons Stimme einen beruhigenden Unterton, jetzt jedoch wird er eindringlicher. «Haven, ihr habt euch bisher nur ein einziges Mal gesehen. In der Mensa, wo es ohnehin meistens zu laut ist, um sich vernünftig zu unterhalten.»

  «Dylan hat doch auch …»

  «Warum ist das überhaupt so wichtig? Gib dem Ganzen doch etwas mehr Zeit.»

  «Aber es sind deine Freunde!» Gerade lag ich noch auf der Seite, den Kopf in die Hand gestützt, um Jackson ansehen zu können, jetzt lasse ich mich auf den Rücken fallen. «Stella mag mich nicht, Kaylee mag mich nicht, Cayden mag mich nicht, und jetzt redet nicht mal Dylans Freundin mit mir. Warum? Was mache ich denn falsch?»

  «Haven …»

  «Und Lucy mag mich auch nicht.» Bei dieser Aufzählung wird mir richtiggehend übel. Aber es stimmt, oder? Von all den Leuten, die ich bisher in Edmonton kennengelernt habe, mag mich nur Jon. Und Rae, obwohl ich mir bei ihr nicht ganz sicher bin, ob sie nicht vielleicht nur höflich ist. Okay, und Sam und Caroline mögen mich natürlich auch, aber Caroline ist meine Tante, und Sam ist … na ja, eben Sam. Mein achtjähriger Cousin.

  «Erstens.» Jacksons Gesicht taucht über meinem auf. «Cayden hat überhaupt nichts gegen dich, der ist einfach immer so. Kaylee findet dich nett, sie hält sich nur zurück, weil sie Stellas beste Freundin ist, und warum Stella ein Problem hat … das hab ich dir ja schon erzählt. Und zweitens …» Er tippt mit einem Finger zart gegen meine Unterlippe, und ich greife nach seiner Hand. «Siebzehn Tage, Haven. Du bist erst siebzehn Tage hier. Zweieinhalb Wochen. Was erwartest du? Du musst alle erst einmal kennenlernen und sie dich. Und außerdem solltest du vielleicht überlegen, wen du überhaupt näher kennenlernen willst .»

  Mein Bedürfnis, ihm zu widersprechen, hat sich in den letzten Sekunden aufgelöst. Nicht weil ich finde, dass er recht hat – es sind nun einmal seine Freude, und ich will unbedingt zu ihnen gehören –, sondern weil ich mich auf seine Lippen konzentriere, von denen ich genau weiß, wie sie sich anfühlen.

  Ich ziehe ihn näher zu mir, so nah, bis ich seinen Atem spüre. An unserem ersten Abend hier habe ich zu Jackson gesagt, ich würde ihn wunderschön finden, und das hat vor zwei Wochen gestimmt, und jetzt stimmt es immer noch. Ich fand ihn schon schön, als ich ihn das allererste Mal sah, damals beim Horseshoe Lake, nur schien das zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Rolle zu spielen. Da war er nur irgendeiner dieser verrückten Klippenspringer. Und jetzt ist er … mein Freund. Nicht nur irgendein Freund – der Freund. Der, der sein Leben mit einem teilt, und der, den man küssen möchte.

  «Weißt du was?», flüstere ich und küsse ihn tatsächlich, nur ganz kurz, und ich liebe es, wie seine Lider sich dabei langsam senken. «Als ich dich das allererste Mal gesehen habe, warst du nackt.»

  Jackson reißt die Augen wieder auf. «Was?»

  Er ist so perplex, dass ich lachen muss. «Na ja, in den ersten Minuten hattest du noch was an, aber dann hast du dich einfach ausgezogen und …»

  «Bitte was?», wiederholt Jackson und lässt sich so schwer auf mich fallen, dass mir beim Lachen fast die Luft ausgeht.

  «Runter!», ächze ich, verschlucke mich dabei an meinem eigenen Gekicher und drücke beide Fäuste gegen Jacksons Schultern. «Runter von mir, ich ersticke!»

  Jackson rutscht zur Seite, und ich rutsche sofort hinterher. Ich will nicht, dass er weggeht, ich will nur wieder atmen können. Dieser absurde Gedanke bringt mich um ein Haar wieder zum Lachen.

  «Würdest du jetzt freundlicherweise die ganze Geschichte erzählen?», sagt Jackson, und ich lege meinen Kopf auf seine Brust, damit er nicht sehen kann, wie ich mir angestrengt auf die Lippen beiße, um nicht herauszuplatzen. Ich sollte das nicht tun, lachen, meine ich, immerhin gebe ich gerade zu, dass
ich Jackson und Cayden an ihrem ersten Tag in Jasper beobachtet habe, und vielleicht findet Jackson das sogar ziemlich blöd. Dieser Gedanke ernüchtert mich ein wenig, doch nur so lange, bis Jackson mir mit den Fingern in die Seiten pikt und ich schon wieder lachen muss.

  «Hallo?», sagt er. «Ich warte.»

  «Du und Cayden, ihr wart am Horseshoe Lake, erinnerst du dich? Und du bist von den Klippen gesprungen.»

  «Das hast du gesehen? Wo bist du gewesen?»

  «Ein Stück über euch in den Felsen. Es war ein Zufall, ich hatte Snoops getroffen, und … ihr habt ihn übrigens mit eurem Auftauchen verscheucht.»

  «Warum hast du dich nicht bemerkbar gemacht?»

  «Na ja, wie gesagt, ihr habt euch sofort ausgezogen», erinnere ich ihn.

  «Du hättest weggucken sollen.» Ich meine, ebenfalls ein Lachen in seiner Stimme zu hören.

  «Das habe ich doch!», erwidere ich, ein wenig empört darüber, dass er mir zutraut, ungeniert zu beobachten, wie sie nackt herumlaufen. «Ich habe zuerst weggeguckt, aber du warst nicht so schnell wie Cayden, weil du deine Badehose nicht finden konntest, und dann …» Kurz muss ich überlegen, ob ich es anders ausdrücken sollte, aber nein. «Ich fand dich einfach schön, weißt du? Entschuldige, ich hätte es trotzdem nicht tun sollen.»

  Ein paar Sekunden lang ist es still, dann packt Jackson mich plötzlich unter den Armen und zieht mich so weit nach oben, dass ich ihm ins Gesicht sehen muss.

  «Du hast mir also was voraus», sagt er, und obwohl er dabei grinst, sagt er es so, dass mir plötzlich warm wird.

  JACKSON

  A ls Haven sich aufrichtet und nach dem Saum ihres Shirts greift, blitzt meine allzeit bereite Sorge, sie zu überfordern, auf, und um ein Haar hindere ich sie daran, sich das Oberteil über den Kopf zu ziehen. Doch dann sehe ich ihr Lächeln, und meine Hand fällt zurück auf ihr Knie. Als sie sich als Nächstes die Träger des BH s abstreift, schließe ich die Augen, um an meiner Ritterlichkeit festhalten zu können.

 

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