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Love is Loud – Ich höre nur dich

Page 8

by Engel, Kathinka


  Deswegen spaziere ich nun ein wenig ziellos durch die nächtlichen Straßen des French Quarter, aber grundsätzlich in Richtung der Frenchmen Street. Allerdings bleibe ich im Süden, denn im Norden führt sie in den sogenannten Seventh Ward, und die Zahl im Namen sagt mir, dass die Gegend tabu ist. Ich komme ziemlich langsam voran, starre mehr auf mein Handy, als dass ich meine Umgebung wahrnehme. Erstens, damit ich nicht angequatscht werde – schließlich habe ich nicht vor, irgendwelchen Fremden meine Brüste für ein paar Plastikperlen zu zeigen –, und zweitens, damit ich mich nicht in eine der gefährlichen Straßen verirre. Um mich herum ist alles voller Leben. Anscheinend gilt hier, je später es ist, desto wacher wird die Stadt. Denn gestern, als ich mit Hugo hier war, waren längst nicht so viele Leute auf der Straße. Und es leuchteten längst nicht so viele Neonlichter. Und längst nicht so viele Menschen hatten seltsame Drinks in der Hand.

  Ich finde ohne große Schwierigkeiten zurück zum Jackson Square und folge nun der Decatur Street, die mich in die Frenchmen Street bringen soll. Jazzmusik, Brassbands und Zydeco-Klänge begleiten mich, und ich werde ein bisschen selbstbewusster, packe das Handy weg und lasse diesen ganzen bunten, lauten Irrsinn auf mich wirken. Hier und da bleibe ich stehen und genieße die dichte Atmosphäre. Werde vielleicht ein ganz klein bisschen Teil davon. Vor einem Schaufenster mit New-Orleans-Merchandise knipse ich ein Foto von mir und schicke es in die Gruppe, die ich mit meiner Mutter und Adrian auf WhatsApp habe, und an Lara.

  Und dann, nach gefühlten Stunden, komme ich in der Frenchmen Street an. Hier ist es noch voller, noch lauter, noch intensiver. Eine Querstraße weiter spielt wieder eine laute Brassband. Ob es die gleiche ist wie gestern? Ich laufe darauf zu, vorbei an Bars und Clubs, aus denen ebenfalls Musik dringt. Jazz, Funk, Soul, mein Kopf ist voll von Musik und ansonsten absolut leer. Hier ist keine Zeit für Unsicherheit, kein Raum für Hemmungen, kein Platz für Vernunft. Hier ist nur dieser Moment, das Leben, an dem man nicht vorbeikommt.

  Ich stelle mich einen Augenblick zu den anderen Leuten vor die Band, um ihnen zuzuhören. Wieder tanzen ein paar Leute. Es ist ohrenbetäubend laut, aber die Begeisterung steckt mich sofort an. Wie einige andere zücke auch ich mein Handy und nehme die Band auf. Ihre Euphorie, ihre Zusammengehörigkeit .

  An der Straßenecke dahinter bietet jemand Minute-Poetry an, und ich frage mich, was das wohl ist. Schreibt da jemand wirklich innerhalb einer Minute ein ganzes Gedicht? Kurz bin ich versucht, es auszuprobieren, aber dann erregt ein Schild vor einer Bar meine Aufmerksamkeit. Dort ist es. Das Cat’s Cradle. Ein bulliger Türsteher sagt gerade, dass das zweite Set gleich losgeht und die Leute wieder reingehen sollen. Drinnen sieht es gemütlich aus, und in diesem Moment sehe ich, wie sich tatsächlich jemand ans Schlagzeug setzt. Ich atme tief ein und sage mir, dass nichts dabei ist, allein in eine Bar zu gehen. Schließlich will ich das ganze New-Orleans-Erlebnis, dafür bin ich hergekommen. Meine Hemmungen ablegen, daran wachsen.

  » ID «, sagt der Türsteher, und ich reiche ihm meinen Personalausweis. Er wirft kurz einen Blick drauf, dann nickt er und wünscht mir viel Spaß.

  Drinnen herrscht eine angenehme Temperatur trotz der Masse an Menschen. Wie fast jeder Innenraum sind auch die meisten Bars offenbar klimatisiert. Ich dränge mich durch die Leute hindurch an den Tresen und bestelle mir ein Bier, weil ich keine Ahnung habe, was ich sonst trinken soll. Dann suche ich mir einen vernünftigen Platz hinter ausreichend Leuten, sodass ich nicht peinlich vorne stehe, aber doch nah genug an der Bühne, um etwas sehen zu können.

  Ich nippe an meinem Bier. Es ist kalt, kälter, als ich es gewohnt bin. Als ich wieder aufsehe, nehmen gerade alle Musiker wieder ihren Platz ein. Der Schlagzeuger beugt sich noch einmal hinunter, um einen Schluck Wasser zu trinken. Er hat sich eine Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen. Eine kleine Afroamerikanerin mit beeindruckend langen Zöpfen steht am Kontrabass. Am Keyboard sitzt ein hübscher Kerl mit schlankem, intelligentem Gesicht, und neben ihm pustet ein schlaksiger Afroamerikaner in das Mundstück seiner Trompete .

  In diesem Moment kommt Link auf die Bühne, und mir stockt kurz der Atem. Ich hatte schon fast vergessen, wie heiß er ist. Heute trägt er ein offenes Leinenhemd über seinem Unterhemd. Die Hosenträger scheinen sein Markenzeichen zu sein.

  Er streicht sich die strubbeligen Haare aus der Stirn und sagt: »Ihr seid ja immer noch da!« Ein Lachen geht durch die Menge. »Unersättlich seid ihr.« Er grinst schelmisch. »Also dann, wie wäre es mit ein bisschen Musik?«

  Seine Stimme jagt mir sofort wieder eine Gänsehaut über den Körper. Diese volle, tiefe Gegen den Strich -Samtstimme.

  Ganz vorne jubeln ein paar Frauen in rosafarbenen T-Shirts, und die anderen klatschen. Und dann legen sie los mit »ein bisschen Musik«. Nur dass es nicht ein bisschen ist, sondern etwas, das alles, einfach alles erfüllt. Den Raum, die Menschen, mich.

  Dies ist nicht das erste Konzert, auf dem ich bin. Ich habe meine Schulband früher mehrmals im Jahr gesehen, und später, während meines Bachelors, hat Lara mich auf zwei Konzerte geschleppt. Eins war nicht so mein Fall, eine Menge Herumgeschreie. Das andere war ein Singer/Songwriter, dessen CD ich mir danach gekauft habe. Aber so etwas wie das hier habe ich in meinem Leben noch nicht gehört. Der Klang ist eine Mischung aus diesem Funkigen, Jazzigen, das aus allen Bars auf die Straße herausdringt, und etwas, das mich tatsächlich an den Singer/Songwriter erinnert. Es ist das Gefühl, das mich damals überraschend mitgerissen hat, das mich auch jetzt wieder überkommt. Eine Sehnsucht, ein Verlangen, eine glückselige Traurigkeit oder eine traurige Glückseligkeit. Links Stimme jagt mir regelmäßig Schauer den Rücken hinunter, und beim Blick auf meinen Unterarm sehe ich, dass sich die feinen Härchen tatsächlich aufgestellt haben. Jedes Mal, wenn er ganz nah ans Mikro kommt und seinen Gesang zu einem sexy Flirt umfunktioniert, muss ich beinahe meinen Blick abwenden. So fasziniert bin ich von der Macht, die dieser Typ, diese Band auf mich ausübt. Es ist authentisch, lebendig. Ich muss schmunzeln. War das nicht genau, was Hugo von Musik gefordert hat? Das Leben feiern, in all seinen Facetten. Die traurigen Seiten, die fröhlichen Seiten. Genau das ist es. Ich verstehe ihn jetzt. Das ist nicht vergleichbar mit Radiomusik. Das hier ist echt! Und dabei dem Zuhörer Raum lassen, um zu entscheiden, wie er sich dabei fühlen will. Und ich entscheide, dass ich mich großartig fühlen und das Leben bei den Hörnern packen will. Jawohl!

  Link singt über Liebe. Aber nicht nur die Liebe zwischen zwei Menschen, sondern auch über die Liebe zum Leben, zur Musik und zu seiner Stadt. Er nennt es nicht immer Liebe. Manchmal nennt er es Trauer, manchmal nennt er es Überschwang, manchmal benennt er es gar nicht, aber hören kann man es immer noch. Ich kann meinen Blick kaum von ihm abwenden. Er ist so vollständig in seinem Element, wie ich es noch bei niemandem gesehen habe. Manchmal, wenn er wieder so nah ans Mikro herantritt, klingt er beinahe verboten sexy. Manchmal bewegt er sich zur Musik, und es sieht so leicht aus. So unbeschwert. Dann wieder schließt er die Augen, und nichts ist mehr unbeschwert, während man denkt, man müsse gleich vor lauter Gefühl in Tränen ausbrechen. Sein Gesicht ist so präsent. Wie selbstverständlich da. Die schmale, fast freche Nase, die geschwungenen Lippen. Seine graublauen Augen, die hier und da mit jemandem aus dem Publikum flirten. Ich erinnere mich daran, wie sie mich angesehen haben, und beinahe wünschte ich, ich könnte irgendjemandem davon erzählen.

  Am Ende eines Songs – ich habe keine Ahnung, wie lange die Band schon gespielt hat –, als der Refrain gerade vorbei ist, räuspert er sich, fährt sich über die inzwischen verschwitzten Haare und sagt: »Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.«

  Seine Bandkollegen spielen etwas leiser weiter, während er spricht.

  »Und da wir alle nicht jünger werden, werden wir wohl auch nicht mehr schöner. Der Höhepunkt ist erreicht.«

  Wieder erntet er einige Lacher, und die blonden Mädchen in der ersten Reihe geben Laute der Enttäuschung von sich.

  »Der Hottie am Keyboard hier ist Jasper Hughes«, stellt er seinen Bandkollegen vor. »Er hat heute Abend kinderfrei und freut sich mächtig auf die After-Show-Party.« Die
Menge applaudiert, während Jasper, begleitet von den anderen, ein letztes Solo spielt.

  »Am Kontrabass die gewaltige Bonnie Bailey«, ruft er und applaudiert. Gewaltig hat er sicher musikalisch gemeint, denn ansonsten ist auf den ersten Blick nichts an ihr gewaltig.

  »Einen fetten Applaus für unseren Kollegen Curtis Sullivan, der es fast nicht geschafft hätte heute Abend, weil er sich mit einem Alligator angelegt hat!«

  Curtis zieht seine Baseballkappe vom Kopf und grinst schief. Er hat ein Veilchen, und seine Lippe ist aufgeplatzt. Er sieht ganz schön übel aus, aber es scheint ihm gut zu gehen.

  »Und an der Trompete the one and only Sal Wallace, der uns mal wieder alle in den Schatten gestellt hat.«

  Sal spielt eine schnelle Melodie auf seiner Trompete, und die Menge johlt.

  Als Nächstes beugt sich der Keyboarder Jasper zu seinem Mikrofon und sagt: »Und jetzt kommt der Moment, auf den ihr alle gewartet habt. Habt ihr was zum Schreiben dabei? Ich gebe euch die Handynummer von unserem Gitarristen Lincoln Hughes.«

  In der ersten Reihe zückt tatsächlich eine Frau einen Stift und wedelt damit herum .

  »Witzbold«, sagt Link, der Jasper das Mikrofon abgenommen hat. »Wir sind After Hours, und es war uns ein großes Vergnügen mit euch. Mit jedem von euch«, fügt er mit Nachdruck ganz dicht am Mikro hinzu, und ich kann mir nicht helfen, es klingt nach purem Sex. »Wenn es euch gefallen hat, kommt das Geld hier hinein«, sagt er weiter und wedelt mit einem Zylinder. »Wenn es euch nicht gefallen hat, kommt das Geld dennoch hier hinein. Wir haben nur einen Hut.« Er grinst breit. Dann springt er von der Bühne und beginnt sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, während seine Bandkollegen einen weiteren Song anstimmen.

  »Die Scheine in den Hut, nicht in die Hose, Lady«, höre ich Links Stimme ganz in meiner Nähe.

  Ich suche in meiner Tasche nach meinem Geldbeutel und ziehe eine Fünf-Dollar-Note heraus. Dann steht er vor mir.

  »Na, wenn das mal nicht Jelly-Roll-Morton-Girl ist«, sagt er und lächelt.

  »Hi«, erwidere ich, etwas perplex, dass er sich wirklich an mich erinnert, und will den Schein in seinen Hut fallen lassen.

  »Nur angucken, nicht anfassen!« Er wirbelt herum und muss eine der betrunkenen Rosafarbenen auf Abstand halten. »Sorry«, sagt er dann wieder an mich gewandt. »Ich hoffe, du bist jetzt nicht enttäuscht.« Er grinst und hält mir den Hut hin.

  Ich lasse den Schein hineinfallen und schüttle den Kopf. Zu meinem Ärger merke ich, dass ich schon wieder ein bisschen rot werde. Seit Ewigkeiten habe ich mit niemandem mehr geflirtet. Eventuell, wird mir in diesem Moment bewusst, habe ich es noch nie getan. Kein Wunder, dass der Augenblick einfach so verstreicht.

  »Vielen Dank«, sagt er und will sich gerade abwenden. Doch dann macht er einen Schritt zurück und sagt: »Bist du gleich noch da? Wir spielen noch eine Zugabe, aber vielleicht hast du ja Lust, noch weiterzuziehen?« Er zwinkert mir zu und ist im nächsten Moment in der Menge verschwunden.

  Bestimmt hat er das nicht ernst gemeint. Ich schüttle den Kopf und trinke den letzten Schluck meines inzwischen warm gewordenen Biers. Zeit, ins Bett zu gehen. Andererseits, wenn Link wirklich noch weiterziehen will … Es wäre ein Abenteuer. Und Lara wäre stolz auf mich. Außerdem kenne ich bis auf Hugo, Faye und Victor in dieser Stadt absolut niemanden. Vielleicht ist der heutige Abend ja derjenige, an dem sich das ändert? Ohne weiter darüber nachzudenken, gehe ich an die Bar und hole mir noch ein Bier. Statt wieder meinen Platz zwischen all den Leuten einzunehmen, setze ich mich auf einen Barhocker und höre mir die beiden Zugaben von hier hinten an.

  Nach dem letzten Song sehe ich über die Köpfe hinweg, wie die Band ihre Instrumente ablegt. Die Bar leert sich nun zügig. Ein paar Leute bleiben zurück, aber der Großteil verlässt die Bar. Der Blick auf meine Uhr sagt mir, dass es bereits kurz vor zwölf ist.

  »Sieben«, sage ich leise, denn das habe ich heute ganz vergessen.

  »Redest du mit dir selbst?«, höre ich eine Stimme hinter mir. Eine tiefe, heisere Stimme. Heiserer als vorhin. »Mikey, gibst du mir mein Handy wieder? Und krieg ich auch ein Bier?«

  Ich drehe mich um, und da steht er. Link. Direkt hinter mir.

  Mikey, der Barkeeper, zieht ein Ladegerät aus einer Steckdose und legt es mitsamt dem Handy auf den Tresen. Dann stellt er ein Bier daneben.

  Die kleine Bassistin gesellt sich zu uns, bestellt ebenfalls ein Bier und verwickelt Link in eine Unterhaltung über den Gig. Sie ist überschwänglich und euphorisch. Verständlich, nach so einem tollen Abend!

  »Bonnie, das ist Frenzy«, sagt Link nun und blickt von mir zu Bonnie.

  »Franzi«, korrigiere ich halbherzig, freue mich aber insgeheim, dass Link noch weiß, wie ich heiße. Obwohl ich eigentlich gar nicht so heiße. »Hi.«

  »Frenzy kommt aus …?«

  »Deutschland.«

  »Frenzy kommt aus Deutschland.«

  »Danke, du Depp, das hab ich selbst gehört«, sagt Bonnie. »Hi.« Sie lächelt mich an. Dann entschuldigt sie sich mit einem Blick auf die Bühne, wo der Schlagzeuger gerade beginnt, aufzuräumen.

  »Ich muss mich kurz um die Finanzen kümmern«, sagt Link. »Aber vielleicht hast du Lust, mich währenddessen zu unterhalten? Erzähl mir von dir. Was machst du hier? Bist du auf einer Jelly-Roll-Morton-Pilgerreise?«

  Ich lache. »Nein, sicher nicht. Ich bin hier, um mich um den alten Mann zu kümmern.«

  »Der alte Mann, der gestern mit dir unterwegs war?« Link zählt die Geldscheine ab.

  »Ja, genau. Hugo. Wir sind nicht unbedingt die besten Freunde, aber wir kennen uns auch noch nicht sehr gut. Schließlich bin ich erst seit einer Woche hier.«

  »Seit einer Woche erst? Wow.« Vor ihm liegen nun fünf ordentliche Geldstapel.

  »Guter Abend, was?«, fragt der Typ hinter der Bar.

  »Das kann man wohl sagen«, erwidert Link. »Danke noch mal für die Chance!«

  Der Barmann winkt ab und wirft ein paar Plastikbecher in einen riesigen Abfalleimer.

  »Ehrlich gesagt, ist heute mein achter Tag«, sage ich mit einem Blick auf meine Uhr, denn jetzt ist es schon nach Mitternacht. Acht, denke ich.

  »Hör zu, Frenzy.« Link lehnt sich mit dem Rücken an die Bar und sieht dabei verboten lässig aus. Absurd lässig. Ich pruste leise, weil ich ein Lachen kaum unterdrücken kann. Wie bin ich hier gelandet? »Bonnie hat uns zu einer After-Show-Party in Tremé eingeladen. Die Band will feiern. Hast du Lust, mitzukommen?«

  »Link, was tust du da?«, mischt sich der Schlagzeuger ein. »Lass das arme Mädchen in Ruhe, und hilf uns lieber.«

  »Sie kommt mit auf die After-Show-Party«, sagt Link, obwohl ich genau genommen noch nichts dazu gesagt habe. »Sie kennt noch niemanden in New Orleans.«

  »Weiß sie, was sie tut?«, fragt Bonnie. Dann: »Entschuldige, weißt du, was du tust?«

  »Äh«, mache ich, diesmal aber mit voller Absicht.

  »Keine Sorge«, sagt Link. »Ich kümmere mich darum, dass du gut nach Hause kommst.«

  Bonnie lacht, und auch die anderen werfen sich Blicke zu.

  »Leute! Traut ihr mir nicht? Was seid ihr für Freunde?« Link stemmt die Hände in die Seiten und blickt seine Bandkollegen streng an. »Was sagst du? Komm schon!«

  »Hat Tremé eine Zahl im Namen?«, frage ich.

  »Wie bitte?«, sagt Link. »Nein.«

  Ich denke. Sehe mich nach irgendwas um, von dem ich keine Ahnung habe, was es ist. Ein Zeichen?

  Eins, denke ich.

  Zwei.

  Drei.

  Die Franziska, die ich in Deutschland war, würde einfach nach Hause gehen.

  Vier.

  Sie ist viel zu vernünftig für eine Partynacht .

  Fünf.

  Noch dazu mit fremden Leuten. An einen fremden Ort.

  Sechs.

  Sieben.

  Aber gleichzeitig …

  Acht.

  Neun.

  Zehn.

  Egal. Heute Abend bin ich Frenzy.

  »Okay, ich bin dabei«, sage ich.

  Link fährt mit dem Fahrrad zum Funk House, und der sc
hweigsame Trompeter muss wohl noch etwas erledigen, sodass ich hinten im Taxi zwischen Bonnie und Jasper sitze. Vorne raucht Curtis aus dem Fenster.

  »Was geht heute Abend im Funk House? «, fragt der Taxifahrer.

  »Eine kleine Party«, erwidert Bonnie. »Wir hatten einen ziemlich coolen Gig und wollen noch darauf anstoßen.«

  »Lohnt es sich, dafür Feierabend zu machen?«, fragt der Fahrer und blickt in den Rückspiegel zu Bonnie.

  »Es kommt drauf an, was du dir davon erwartest. Für Musik und Drinks lohnt es sich sicher. Im Funk House geht’s eigentlich immer ab.«

  Es geht ab. Ich weiß gerade nicht, ob ich schon einmal wo war, wo es abging. In der Großraumdisco zu Hause gab es Schlager-Specials oder Ladies’ Nights, die nie richtig abgingen.

  Sobald wir die Frenchmen Street hinter uns gelassen haben, kommen wir schneller voran. Aber ich merke, dass wir Richtung Norden fahren. Das ist eigentlich eine Gegend, von der Faye mir abgeraten hat. Aber ich bin ja nicht allein. Bonnie scheint keine Angst zu haben. Und wenn ich mir Curtis so ansehe, glaube ich nicht, dass uns etwas passieren kann. Dennoch: Die Häuser werden einfacher, die Schlaglöcher auf der Straße größer und zahlreicher und die Männergruppen, die am Straßenrand stehen, ein bisschen unheimlicher.

  Schließlich halten wir vor etwas, das aussieht wie eine zu groß geratene Holzhütte. Funk House steht in großen Lettern über der Tür. Curtis zahlt das Taxi, und als ich ihm ein paar Scheine nach vorne reichen will, winkt er ab.

  »Heute nicht, Kleines.«

  Wie hat er mich genannt? Ich weiß, ich sollte aus feministischen Gesichtspunkten sauer sein, doch das ist der zweite Spitzname, den ich heute Abend bekomme, und ich mag das Gefühl.

  Aus dem Club dringt Musik. Der Name scheint Programm zu sein, denn es wummert zwar, aber in einem ganz anderen Rhythmus als zu Hause. Ein kugelrunder Türsteher will gerade unsere Ausweise kontrollieren, als sein Blick auf Bonnie fällt. In dem Moment reißt er die Arme nach oben und beginnt einen komischen Tanz aufzuführen.

  »Bonnie! Mein Augenstern!«, ruft er, und sie springt in seine Arme.

  »Ihr Onkel«, erklärt Jasper.

 

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