Book Read Free

Love is Loud – Ich höre nur dich

Page 34

by Engel, Kathinka


  »Bonnie sah hübsch aus heute«, sagt Jasper dann.

  »Bonnie sieht immer hübsch aus«, gebe ich zurück, aber innerlich, ich weiß auch nicht, keimt auf einmal Hoffnung auf.

  »Sie ist verflucht stark.«

  »Das ist sie.« Jasper ahnt nicht einmal, wie stark sie in Wahrheit ist.

  »Wie sie mich dazu gebracht hat, mich mit euch allen an einen Tisch zu setzen … Ich hatte beinahe Angst. Dabei denken die Leute immer, Curtis sei derjenige, vor dem man Angst haben müsste.« Er lacht.

  »Sie hat mich so fest in die Schulter geboxt, dass ich einen fetten, blauen Fleck hatte. Aber ich schätze, wir hatten es verdient.«

  »Ich schätze auch.«

  Wenig später sperrt Jasper die Haustür auf. Drinnen riecht es vertraut.

  »Soll ich die Kinder morgen von meinen Eltern abholen?«, frage ich, denn Weston und Maya bleiben über Nacht dort, weil wir nicht wussten, wie lange die Bandprobe dauern würde. »Ich wollte ohnehin mal wieder bei ihnen vorbei.«

  »Klar, dann gerne.« Er lächelt. »Gute Nacht, Link.«

  »Gute Nacht, Jasper«, erwidere ich und gehe an Jaspers Schlafzimmer vorbei und durch die Küche hindurch nach draußen in den Garten.

  51

  Franzi

  Zum zweiten Mal in meinem Leben laufe ich auf das »Nichts zu verzollen«-Schild am Louis-Armstrong-Flughafen zu. Mein Herz schlägt heute so schnell wie letzten März, doch aus anderen Gründen. Heute muss ich nicht zählen. Heute muss ich meine Schritte ein wenig bremsen, um die Menschen vor mir nicht umzurennen.

  Ich nehme kaum Notiz von den Beamten, die ohnehin mehr mit sich selbst als mit den Reisenden beschäftigt sind. Stattdessen recke ich jetzt schon meinen Kopf, um nach draußen zu spähen. Aber es ist hoffnungslos. Die Absperrung ist zu hoch.

  Als ich endlich die Sicherheitszone verlasse, sehe ich sie sofort. Faye und Hugo. Sie stehen nebeneinander. Hugo trägt ein ungebügeltes Hemd und seine beste Hose, während Faye … irgendwie lässiger aussieht. Sie ist nach wie vor schick in ihrem figurbetonten Strickkleid, aber die Haare hat sie zu einem lockeren Knoten nach oben gebunden. Und ihr Gesicht wirkt wunderbar entspannt.

  »Franzi!«, ruft sie und rennt mir entgegen.

  Wenige Sekunden später fallen wir uns in die Arme. Sie drückt mich fest an sich, und ich atme den wunderbaren Duft ihres französischen Shampoos ein.

  »Es ist so schön, dich wieder hier zu haben!«, sagt sie und schiebt mich dann eine Armlänge von sich, um mich zu betrachten. »Gott sei Dank, du bist immer noch dieselbe.«

  Beinahe will ich ihr widersprechen, weil der Unterschied zwischen mir heute und mir letzten März meiner Meinung nach unübersehbar ist. Aber dann fällt mir ein, dass sie mich vermutlich mit der Version von mir vergleicht, die vor zwei Monaten nach Deutschland geflogen ist.

  »Gut, dass du endlich wieder da bist«, grummelt Hugo neben uns. »Fayes Geplapper muss auf mehrere Ohrenpaare verteilt werden.«

  Faye seufzt gespielt theatralisch, aber man merkt sofort, dass die Stimmung zwischen den beiden eine ganz andere ist als damals.

  »Kann ich dir was abnehmen?«, fragt Hugo, und ich will ihm schon meinen großen Koffer geben, doch er schüttelt den Kopf. »Bin immer noch ein alter Mann. Gib mir den Rucksack.«

  Ich muss lachen. Die Erleichterung darüber, hier zu sein, eine Entscheidung getroffen zu haben. Meine Freunde wiederzusehen und ein Leben zu leben, das mich hoffentlich glücklich machen wird, ist so übermächtig, dass ich nicht anders kann, als zu glucksen.

  »Ich sitze vorne«, sagt Hugo auf dem Weg zum Auto. »Ich übernehme nämlich jetzt die musikalische Kontrolle.«

  Faye hakt sich bei mir unter, und zu dritt gehen wir federnden Schrittes zum Auto.

  Es ist deutlich kälter als im Frühling. Die Anzeige in Fayes Wagen sagt einundfünfzig Grad Fahrenheit an, was elf Grad Celsius entspricht. Ich bin froh, dass Faye mir geraten hat, eine Jacke anzuziehen.

  Die Fahrt kommt mir vor wie ein Traum. Hugo legt eine CD von Jelly Roll Morton ein, und ich lausche der Musik, Fayes vergnügtem Geplapper und Hugos Grunzen, das nun jedoch nicht mehr verächtlich ist, sondern einfach eine Macke.

  »Victor war ein paarmal da«, erzählt sie. »Erst, um zu jammern, dann, um zu betteln. Aber er hat gemerkt, dass er bei mir auf Granit beißt. Hätte nie gedacht, dass ich so standhaft sein kann.« Sie wirft einen Blick in den Rückspiegel, wie um sich zu vergewissern, dass ich zuhöre. Doch das tue ich. Hänge geradezu an ihren Lippen. »Vor zwei Wochen kam er mit Umzugsleuten, die sein Büro leer geräumt haben.«

  »Wie geht’s dir damit?«, frage ich.

  »Wunderbar!«, sagt Faye und lächelt mich aus dem Rückspiegel an. »Ich habe mir überlegt, dass ich vielleicht doch noch anfange, als Lehrerin zu arbeiten. Ich bin gut im Marketing, aber meine Leidenschaft waren immer die Kinder.«

  Ich schlucke, als mir einfällt, dass sie selbst gern welche hätte. Hoffentlich klappt es, ich würde es ihr so sehr wünschen.

  »Und wie geht es dir damit, Hugo?«, fragt Hugo.

  »Bitte entschuldige«, beeile ich mich zu sagen. »Wie geht es dir damit, Hugo?«

  »Er fehlt mir«, sagt er und bringt seine Stimme zum Zittern. »Er fehlt mir so sehr!«

  »Du bist unmöglich.« Aber Faye lacht trotzdem. Und ich mit.

  Als wir endlich den Highway verlassen und in den Garden District abbiegen, geht mir das Herz auf. Ich will lachen und weinen gleichzeitig, so wohl fühle ich mich hier.

  Vor Fayes Haus fällt mir auf einmal etwas ein.

  »Weißt du, was, Hugo? Du hast mir nie die Geschichte über das Feenhaar erzählt.«

  »Meine Altherren-Geschichte?« Er zwinkert Faye zu und lacht leise. »Einer Legende nach handelt es sich um das Haar einer Prinzessin. Am Tag ihrer Hochzeit wurde sie von Feinden getötet. Und der trauernde Bräutigam, der arme Kerl, hat es abgeschnitten und an einen Baum gehängt.« Er sieht mich an, forscht, ob es mich auch wirklich interessiert. Und das tut es. »Der Wind hat ihr Haar dann fortgetragen und über das ganze Land verteilt.«

  »Das ist eine schöne Geschichte«, sage ich.

  »Finde ich auch«, pflichtet Faye mir bei. »Und was für ein Glück, dass wir nie die Genehmigung bekommen haben, die Lebenseiche zu fällen.«

  Hugo und ich werfen uns einen Blick zu. Im Geiste beschwöre ich ihn, nichts zu sagen, weil ich keine Ahnung habe, wie Faye reagieren wird, wenn sie erfährt, dass ich sie belogen habe. Baumrettung hin oder her.

  »Ähm, ja …«, beginnt Hugo, und ich weiß, dass ich keine Chance habe. Er wird es ihr sagen. »Also, das könnte meine Schuld sein.«

  »Deine Schuld?«, fragt Faye.

  »Ich habe den Antrag zerrissen.«

  Faye bleibt der Mund offen stehen, und ihre Augen sind so weit aufgerissen, dass man meinen könnte, sie würden ihr jeden Moment aus dem Kopf purzeln. »Was?«, fragt sie.

  »Ich habe die Sache in die Hand genommen.«

  »Tut mir leid, Faye«, mische nun ich mich ein. »Ich hätte es dir erzählen müssen.«

  Doch in diesem Moment beginnt Faye zu lachen. Ihr hohes, beinahe mädchenhaftes Lachen. »Großartig«, bringt sie unter einiger Anstrengung hervor. »Ihr zwei … seid einfach großartig.« Sie wischt sich Lachtränen aus den Augen. Dann kommt sie auf uns zu und zieht uns beide gleichzeitig in eine Umarmung. »Ich danke euch.«

  Hugo ist der Erste, der sich aus ihrem Arm windet. »Müssen wir hier in der Kälte stehen?«, fragt er. Er wird ein wenig rot im Gesicht, wie ich sehe. »Muss ja einen Vorteil haben, dass wir in einem so absurden Haus wohnen. Und der heißt Heizung.« Er schnappt sich nun doch meinen schweren Koffer und wuchtet ihn die Stufen zur Haustür hinauf. Dann dreht er sich zu uns um. »Kommt ihr? Ich habe uns ein freches Weinchen kaltgestellt.«

  52

  Lincoln

  Heute ist es endlich so weit. Wir sind zurück auf der Bühne im Cat’s Cradle. Die Stimmung flirrt, der Laden ist voll, obwohl die Touristensaison Anfang Dezember längst vorbei ist. Mikey grinst hinter der Bar, als wir mit dem Soundcheck fertig sind. Ich fühle mich gut. Ich fühle mich stark. Die letzten zwei Monate wa
ren anstrengend, sie haben mir alles abverlangt, aber ich habe meine Band zurück. Meine Familie. Dass im Leben nicht alles so läuft, wie man es sich wünscht, habe ich von klein auf gelernt, und so kehre ich zurück zu meiner Devise, für den Moment zu leben.

  Dort, wo Frenzy war, ist nach wie vor ein schwarzes Loch in meiner Seele. Ein Schmerz, der nicht weniger werden will, egal, wie viel Zeit vergeht. Aber ich genieße ihn, denn er ist Zeugnis von etwas Wunderbarem. Etwas, das war, etwas, das hätte bleiben sollen. Diesen Schmerz versuche ich, in meine Musik zu kanalisieren. Etwas daraus zu erschaffen. Mich neu zu erschaffen, auch wenn es in manchen einsamen Nächten unerträglich ist. Auch wenn es mir manchmal leichter erscheint, mir das Herz aus der Brust zu schneiden, um wieder atmen zu können.

  Wir beginnen das erste Set. Unser Sound ist wie früher und doch anders. Gereift. Schwermütiger. Oder bin nur ich es? Meine Stimme ist stark, und mir kommt es vor, als würde sie beben. Ich schließe die Augen, atme tief ein und suche mir einen Kopf in der Menge. Keinen bestimmten, einen Alibi-Kopf, dem ich ein Lächeln schenken kann. Ein sexy Lächeln, das der Menge Spaß macht, auch wenn ich es nicht fühle. Noch nicht. Es wird ein paar Monate dauern. Jahre vielleicht. Wenn eine große Liebe stirbt … Ich blicke zu Jasper, dessen Liebe tatsächlich gestorben ist. Doch er ist da.

  Das erste Set läuft nahezu perfekt. Dadurch, dass wir in den letzten Wochen viel Zeit zum Proben hatten, haben wir unseren Sound sofort wiedergefunden. Die Atmosphäre stimmt, das Publikum geht mit. Wir haben Spaß. Und sogar mir gelingt es, ab und zu mitgetragen zu werden von der Musik. Nicht nachdenken. Das ist genau das, was ich brauche.

  Das zweite Set beginnen wir mit einer Hommage an New Orleans. Bonnies Bass leitet schnalzend den Song ein. Vier Takte reiner Kontrabass. Danach setzt Curtis ein. Er streichelt sanft über sein Schlagzeug, der Beat ist definiert, scharf und trotzdem im Hintergrund. Sal spielt ein paar Melodiefetzen, und dann legen wir los.

  »Beyond the humid NOLA heat

  The city’s noise defines the beat.

  The air is thick, the people smooth,

  What’s all around me is my groove.«

  Wir sind laut und einfach da. Wir ziehen einander mit, halten einander, fühlen einander in der Musik. Meine Stimme, der noch etwas Übung fehlt nach all der Zeit, in der sie unbenutzt war, wird schon ein bisschen heiser, aber das tut unserem Sound keinen Abbruch. Die Menge jubelt, als der letzte Akkord verklungen ist.

  »Können wir Frenzy vorziehen?«, frage ich an meine Bandkollegen gewandt. Auf der Setlist steht er als letzter Song, doch in diesem Moment fühle ich ihn. Fühle ihn besonders. Und die Momente sind es, die ich aufsaugen will, bis sie sich zu einer Gegenwart und zu einer Zukunft fügen .

  »Wäre ein cooler Kontrast. Alles klar«, sagt Jasper.

  Während des langsamen Vorspiels fängt die Menge vor der Bühne an, sich langsam hin- und herzuwiegen. Obwohl dieser Song ganz anders ist, anders als der Rest unseres Repertoires, ist er authentisch. Ist er wir.

  »You gave me a reason, a reason to be me,

  I tried to show you how to be free«, singe ich, denke an Frenzy und lasse mich von meinen Gefühlen davontragen.

  »But far seem our love and kisses,

  Now all the love-yous have turned into miss-yous,

  And still …« Ich hebe den Blick und …

  Mir stockt der Atem. Das kann nicht sein. Das kann unmöglich sein. Meine Mundwinkel zucken nach oben, meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich kann nichts dagegen tun. Ich kann nicht weitersingen.

  »Alter, was ist?«, fragt Bonnie von hinten, dann sieht sie. Und versteht.

  Die Band spielt den Refrain ohne mich, denn ich bringe keinen Ton heraus. Vor mir, in der ersten Reihe, steht … sie. Hugo hat sich bei ihr untergehakt. Sie blickt mich an mit diesem hoffnungsvollen, leicht ängstlichen Lächeln. Und ich starre zurück. Reibe meine Augen, kann nicht glauben, was ich sehe. Ich bin vollkommen überwältigt. Ich glaube, ich muss mich hinsetzen.

  Ich höre, wie Jasper ein Klaviersolo spielt. Sie geben mir Zeit, mich zu sammeln. Und das tue ich. Ich wende mich kurz ab, räuspere mich, atme tief ein und aus. In meiner Kehle sitzt ein Glucksen, ein glückliches Glucksen, das hinauswill. Doch ich muss mich zusammenreißen. Ich blicke noch einmal zu ihr. Sie ist immer noch da. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, atme ich noch einmal tief ein, schlucke. Dann nicke ich entschlossen hinter mich, und beim nächsten Einsatz bin ich wieder da .

  »My head’s in a frenzy.

  My mind’s in a frenzy.

  My heart’s in a frenzy.

  A frenzy of love.«

  Ich blicke Frenzy die ganze Zeit in die Augen, und auch sie sieht mich an. Sie hat die Hände an ihre Brust gelegt, als müsse sie ihr Herz schützen. Aber genau das soll sie nicht. Ihr Herz soll so weit für mich geöffnet sein wie meins für sie. Und das wird es. Wenn ich ihr nur alles sagen kann. Und das kann ich – mit der nächsten Strophe meines Songs für sie.

  »If it’s all there is for us

  These moments will be enough.

  We’ll hold them so close and dear to us

  And no one can get in between.

  I’m going to treasure it for the rest of my life.

  But what I want more than anything, anything

  Is a future with you, my sweet sweet love,

  With you …«

  Als wir zum nächsten Refrain kommen, sehe ich, dass sie ihre Lippen zum Text bewegt.

  »My head’s in a frenzy.

  My mind’s in a frenzy.

  My heart’s in a frenzy.

  A frenzy of love.«

  Am liebsten würde ich den Gig abbrechen, Frenzy in die Arme schließen und sie nie wieder loslassen. Aber das hier ist unser erster Abend zurück im Cat’s Cradle, und ich kann weder Mikey noch meine Band hängen lassen. Doch nach dem Song gehe ich in die Hocke und winke sie zu mir. Als unsere Lippen aufeinandertreffen, explodiert etwas in mir. Etwas, das in einer harten Kapsel gefangen war. Etwas, das ich als Glück bezeichnen würde. Ein Feuerwerk aus allen Gefühlen, die ich versucht habe, zu bändigen, und die doch immer da waren. All der Schmerz wird mit einem Mal in Liebe umgewandelt. Reine, pure, verrückte Liebe, der ich mich für immer hingeben will, wie in unserer Nacht in den Sümpfen. Nie soll dieser Moment vorbei sein. Nie. Aber natürlich ist es nur ein Moment, und er verfliegt.

  »Du bist da«, sage ich ein wenig atemlos. »Wieso bist du da?« Ich fahre mit meiner Hand an ihrer Wange entlang durch ihre Haare. Streiche sie hinter ihre abstehenden Ohren, die ich so vermisst habe.

  »Ich bin zurückgekommen.«

  Wieder treffen sich unsere Lippen.

  »Wir müssen diesen Gig hinter uns bringen, aber dann …«

  »Dann!«, sagt sie und strahlt so breit, dass nicht nur mein Herz, sondern alles in mir tanzt. Und in diesem Augenblick verstehe ich. Verstehe ich den Sinn. Ein Moment verfliegt zwar. Aber er führt zu einem neuen und wieder einem neuen. Eine Aneinanderreihung von Momenten, und jeder einzelne ist dabei Teil eines Ganzen. Es geht nicht um den einen Moment. Es geht um eine Menge an Momenten. Und solange Frenzy an meiner Seite ist, werden es Glücksmomente sein. Ich sehe uns vor mir. Jetzt und morgen und nächste Woche. Nächstes Jahr. Unser Leben, unsere Zukunft ist ein Mosaik aus Momenten. Und sie wird großartig sein. Denn ich, Lincoln Hughes, werde alles daransetzen, dass sie großartig wird.

  Der letzte Song ist noch nicht einmal verklungen, da springe ich von der Bühne und schließe sie in meine Arme. Ich vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar, atme ihren Duft, fühle ihren Herzschlag.

  Wie aus weiter Ferne dringt Jaspers Stimme an mein Ohr. »Heute gibt’s keine Zugabe, unser Gitarrist ist madly in love. «

  »His heart’s in a frenzy «, singt Bonnie, und die Menge lacht. Denn die Leute können nicht wissen, dass es stimmt .

  Wir stehen sicher einige Minuten einfach nur da. Arm in Arm. Wir halten einander, fühlen einander, vergewissern uns, dass es wirklich wahr ist.

  Irgendwann lösen wir uns voneinander, allerdings nur so weit, dass ich ihr Gesicht sehen kann. Es ist ein bisschen zerknautscht, so fest habe ich s
ie an mich gepresst. »Wie kannst du hier sein?«, frage ich.

  »Ich musste mich um meine Mutter kümmern. Aber jetzt geht es ihr wieder besser.«

  »Das ist schön.« Wieder drücke ich sie an mich.

  »Aber das ist nicht alles.« Ihre Stimme klingt ein bisschen erstickt, und ich lasse sie wieder los. »Ich bin dort nicht mehr zu Hause, weißt du?«

  Ich bin mir nicht sicher, ob das etwas Gutes ist. Ich war immer nur an einem Ort zu Hause.

  »Ich bin dort zu Hause, wo du bist«, sagt sie.

  »Und du bist mein Zuhause«, flüstere ich, weil ich mir sicher bin, meine Stimme würde brechen, benutzte ich sie. Und obwohl ich inzwischen eine Lösung für mein Wohnproblem gefunden habe, stimmt es. Ohne sie bin ich nirgendwo zu Hause.

  »Link, wie sieht es aus? Kommst du noch mit feiern oder bleibt ihr erst mal hier stehen?«, fragt Bonnie in meinem Rücken. Oje, das hatte ich ganz vergessen. »Ist okay, wenn nicht«, schiebt sie hinterher.

  »Es war unser erster Gig seit Wochen«, sage ich zu Frenzy. »Aber ich gehe nur, wenn du mitkommst. Zu Jasper. Die Band, sonst niemand.«

  »Ich gehe hin, wo du hingehst«, sagt sie und küsst mich auf die Lippen. »Allerdings müssen wir Hugo mitnehmen. Ich habe ihm versprochen, dass er seinen Enkelsohn kennenlernen kann.«

  53

  Franzi

  Ein Taxi bringt Bonnie, Hugo, Link und mich zu Jaspers Haus. Auf meine Umgebung achte ich kaum, denn ich bin viel zu beschäftigt damit, Link wahrzunehmen mit all meinen Sinnen.

  Wir steigen aus und gehen ein paar Stufen zu einem hübschen Häuschen hinauf. Eine Laterne beleuchtet die Veranda. Es ist eine friedliche Nacht, wenn auch frisch. Von drinnen dringen Stimmen zu uns, und Link öffnet die Tür, ohne anzuklopfen.

  Um einen großen Esstisch sitzen Sal, Curtis, Amory und Jasper herum, die das erste Taxi genommen haben. Sie haben Bierflaschen vor sich stehen, sehen müde, aber glücklich aus. Amory ist die Erste, die aufspringt, um mich nun richtig zu begrüßen.

  »Gott sei Dank bist du wieder da. Diese gebrochenen Männerherzen hält ja kein Mensch aus«, sagt sie, und alle lachen. Alle bis auf Link, der ein bisschen beschämt grinst. Curtis und sogar Sal umarmen mich. Dann steht Jasper vor mir.

 

‹ Prev